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Rechnungserfordernis als Vorsteuerabzugsvoraussetzung und Umsatzsteuerfreiheit von Schwimmunterricht
und C-373/19
[i] Vanheiden, Vorsteuerabzug, infoCenter, NWB MAAAA-41725 Der EuGH hat mit Urteilen v. zum Erfordernis des Vorliegens einer Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug (Rs. C-80/20 „Wilo Salmson“, NWB YAAAH-94059) und zur Frage der Steuerfreiheit von Schwimmunterricht in einer Schwimmschule (Rs. C-373/19 „Dubrovin & Tröger“, NWB PAAAH-93654) Stellung genommen. Nachdem der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zum Rechnungserfordernis für den Vorsteuerabzug keine klare Linie zu entnehmen war und dementsprechend weitgehend Rechtsunsicherheit in dieser Frage bestand, wurde in die Besprechungsentscheidung große Hoffnung gesetzt, dass es nunmehr zu einer endgültigen Klärung dieser Frage kommt. Hierzu gab es umso mehr Anlass, als die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen ausführlich zum Rechnungserfordernis Stellung bezogen hatte. Nunmehr hat der EuGH in seiner Entscheidung ausgeführt, dass ein Vorsteuerabzug ohne Besitz einer Rechnung nicht möglich sei. Vordergründig scheint dies eine klare und abschließende Antwort zu sein. Jedoch stehen diese Ausführungen in ihrer Allgemeinheit im klaren Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des EuGH, [i]Hartman, NWB 6/2019 S. 316; ders., NWB 12/2020 S. 820insbesondere zu seiner Entscheidung in der Rechtssache „Vadan“ ( „Vadan“, NWB VAAAH-03378). Da er in seinem jetzigen Urteil mit keinem Wort auf die Entscheidung in der Rechtssache „Vadan“ eingeht, bleibt leider weiterhin ungeklärt, ob das Rechnungserfordernis uneingeschränkt gilt oder ob in Ausnahmefällen hierauf verzichtet werden kann. Zur Steuerfreiheit des Schwimmunterrichts urteilte der EuGH aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des BFH. Wie auf Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung zur Steuerfreiheit von Schul- und Hochschulunterricht zu erwarten war, führte der EuGH hier knapp und deutlich aus, dass Schwimmunterricht in einer Schwimmschule nicht umsatzsteuerbefreit ist.
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I. EuGH-Urteil zum Rechnungserfordernis als Vorsteuerabzugsvoraussetzung (C-80/20)
1. Entscheidungserheblicher Sachverhalt
[i]Bedarf eine Vorsteuererstattung der Vorlage von Rechnungen?Dem Vorlageverfahren lagen Lieferungen von Gegenständen zwischen einem rumänischen und einem französischen Unternehmen im Jahr 2012 zugrunde. Dass diese Lieferungen tatsächlich bewirkt wurden, ist unstreitig. Die über diese Lieferungen im Jahr 2012 ausgestellten Rechnungen legte das französische Unternehmen der rumänischen Finanzbehörde mit dem Antrag auf Erstattung der Vorsteuern vor. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Rechnungen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Die Entscheidung wurde bestandskräftig. Im Jahr 2015 wurden diese Rechnungen storniert und sodann neue Rechnungen ausgegeben. Einen erneuten S. 3320Antrag auf Erstattung der Vorsteuern aus diesen neuen Rechnungen lehnte die rumänische Finanzbehörde erneut ab, da bereits bestandskräftig über die Vorsteuererstattung entschieden worden sei. Das vorlegende Gericht wollte vom EuGH u. a. wissen, ob eine Vorsteuererstattung überhaupt der Vorlage von Rechnungen bedarf.
2. Entscheidung des EuGH
[i]Definition der Grenze zwischen fehlerhaften Angaben und fehlender RechnungIn seiner Entscheidung führt der „Wilo Salmson“, NWB YAAAH-94059) aus, dass ein Vorsteuerabzug ebenso wie eine Vorsteuererstattung nur bei Besitz eines Rechnungsdokuments möglich sei. Hierbei weist er zunächst darauf hin, dass im Hinblick auf das Rechnungserfordernis Vorsteuerabzug und Vorsteuererstattung denselben unionsrechtlichen Vorgaben folgten, so dass die Entscheidung beide Fälle zugleich betreffe. In Rz. 72 seines Urteils führt der EuGH sodann aus, dass ein Vorsteuerabzug „erst möglich ist, sobald der Steuerpflichtige im Besitz einer Rechnung ist“. Zugleich stellt er im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung erneut klar, dass das Fehlen einzelner Rechnungsangaben demgegenüber nicht zwingend zur Versagung des Vorsteuerabzugs führe. Die Grenze zwischen einzelnen fehlerhaften Angaben und fehlender Rechnung definiert der EuGH sodann danach, ob aus dem als Rechnung bezeichneten Dokument diejenigen Angaben ersichtlich werden, die für die Feststellung erforderlich sind, dass der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer schuldet. Erst wenn ein Dokument so fehlerhaft ist, dass diese Angaben nicht von der Finanzbehörde geprüft werden können, fehle es insgesamt an einer Rechnung.
3. Beurteilung der EuGH-Entscheidung
a) Rechnungserfordernis für Vorsteuerabzug weiterhin ungeklärt
[i]Diskrepanz zur bisherigen EuGH-RechtsprechungVordergründig scheint die EuGH-Entscheidung durch ihre allgemein gehaltene Aussage zum Rechnungserfordernis Klarheit über die seit Jahren umstrittene Frage zu schaffen, ob der Vorsteuerabzug zwingend das Vorliegen einer Rechnung voraussetzt. Bei einem Blick auf die bisherige EuGH-Judikatur zu den formellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen im Allgemeinen und dem Rechnungserfordernis im Speziellen ergeben sich indes erhebliche Zweifel daran, ob der EuGH tatsächlich eine solch allgemeine Aussage hat treffen wollen. Insbesondere ist nicht verständlich, warum der EuGH einen Vorsteuerabzug nunmehr erst dann für möglich ansieht, wenn der Steuerpflichtige im Besitz einer Rechnung ist, obgleich er erst vor kurzer Zeit in der Rechtssache „Vadan“ ( „Vadan“, NWB VAAAH-03378, ) wörtlich Folgendes ausgeführt hat: