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Umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck- Gutscheinen
BMF klärt mit Schreiben v. 2.11.2020 Anwendungsfragen
[i]BMF, Schreiben v. 2.11.2020, NWB BAAAH-62727 Mit Wirkung zum hat der Gesetzgeber – beruhend auf der EU-Gutschein-Richtlinie – erstmals gesetzliche Regelungen zur Umsatzbesteuerung von Gutscheinen getroffen. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Anwendung der Neuregelung hat das BMF am ( NWB BAAAH-62727) nunmehr das lang ersehnte Schreiben zur Auslegung der gesetzlichen Neuregelungen veröffentlicht. Der folgende Beitrag setzt sich mit den Ausführungen der Finanzverwaltung zur Abgrenzung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen, der Rechnungsstellung bei Ausgabe und Einlösung sowie der Vertrauensschutzregelung auseinander. Anhand von Beispielen werden zudem die steuerlichen Konsequenzen erläutert.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .S. 3539
I. Hintergrund
Gutscheine haben für viele Branchen eine hohe praktische Bedeutung als Instrumente zur Kundengewinnung, Kundenbindung sowie zur Erhöhung der Umsätze. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die hohe No-Show-Quote in vielen Branchen, wodurch es zu zusätzlichen Einnahmen ohne Leistungserbringung kommt (vgl. Fietz, USt direkt digital 16/2018 S. 15; Völkl, DB 2018 S. 1952). Dies gilt klassisch für den Handel (stationär und online). Daneben nutzen aber insbesondere auch die Tourismusbranche, Gastronomie und der Freizeitbereich verstärkt dieses Medium. Zudem erfreut sich der Gutschein gerade auch in der Corona-Pandemie erhöhter Beliebtheit, da die Unternehmen, die aufgrund von behördlichen Maßnahmen ihren Betrieb schließen oder stark einschränken müssen, durch den Gutscheinverkauf dennoch Einnahmen erzielen können. Gutscheine treten dabei in unterschiedlichen Varianten auf. Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung war zwischen sog. Rabattgutscheinen (Preisnachlass- oder Preiserstattungsgutscheine) und Waren- sowie Wertgutscheinen zu unterscheiden ( NWB UAAAD-35161; BT-Drucks. 372/18 S. 61; BMF-Schreiben (Entwurf) v. , s. hierzu auch NWB 6/2020 S. 387).
[i]Vogt, Behandlung von Gutscheinen in Ertrag- und Umsatzsteuer sowie bei Bilanzierung und Einnahmen-Überschussrechnung, Grundlagen, NWB LAAAH-49775 Mit Wirkung zum hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 13 bis 15 UStG, § 10 UStG erstmals gesetzliche Regelungen zur Besteuerung von Gutscheinen getroffen. Die Regelungen beruhen auf der Gutschein-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates v. zur Änderung der MwStSystRL hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen, ABl EU 2016 Nr. L 177 S. 9), mit der die EU einheitliche Regelungen für die Umsatzbesteuerung von Gutscheinen im Binnenmarkt geschaffen hat. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Anwendung der Neuregelung hat das BMF am nunmehr das lang ersehnte (vgl. bereits Entwurf eines Schreiben zur Auslegung der gesetzlichen Neuregelungen veröffentlicht ( NWB BAAAH-62727). Hierdurch werden viele der bislang strittigen Punkte geregelt (vgl. zu Abgrenzungsproblemen und offenen Fragen: Fietz, USt direkt digital 16/2018 S. 15). Die Ausführungen der Finanzverwaltung sollen sich zukünftig in Abschnitt 3.17, Abschnitt 10.7 Abs. 7, Abschnitt 14.5 Abs. 15 sowie Abschnitt 17.2 Abs. 4 UStAE wiederfinden.
II. Gutscheinbegriff i. S. des § 3 Abs. 13 UStG
[i]Prätzler, StuB 8/2019 S. 315§ 3 Abs. 13 UStG definiert den Gutschein als ein Instrument, das drei Voraussetzungen erfüllt:
Der Berechtigte kann den Gutschein ganz oder teilweise anstelle einer regulären Geldzahlung als Gegenleistung zur Einlösung gegen Gegenstände oder sonstige Leistungen verwenden, § 3 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 UStG (vgl. Abschnitt 3.17 Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Der Gutschein berechtigt nicht lediglich zu einem Preisnachlass oder zu einer Preiserstattung beim Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen, § 3 Abs. 13 Satz 2 UStG (vgl. Abschnitt 3.17 Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Auf dem Gutschein selbst oder den zugehörigen Nutzungsbedingungen ist entweder die konkrete Leistung, für die der Gutschein als Gegenleistung eingelöst werden kann, angegeben oder die Identität des leistenden Unternehmers.
[i]Äußere Form ist unbeachtlichUnbeachtlich ist hingegen die äußere Form. Gutscheine können demnach z. B. in Papierform, als Plastikkarte oder in elektronischer Form vorkommen. Unbeachtlich ist weiterhin, ob der angegebene Nennwert eines Gutscheins ausreicht, um eine entsprechende Leistung vollständig zu bezahlen (vgl. Abschnitt 3.17 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStAE). S. 3540
[i]Bloße Zahlungsinstrumente und -dienste sind keine GutscheineIst eine der drei Voraussetzungen nicht erfüllt, liegt folglich kein Gutschein im Sinne der Neuregelung vor. Keine Gutscheine sind somit bloße Rabattgutscheine i. S. des Abschnitts 17.2 UStAE sowie Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten und ähnliche Instrumente. Das Gleiche gilt für bloße Zahlungsinstrumente (z. B. Bitcoins) und -dienste. Hierzu gehören insbesondere auch sog. Guthabenkarten, die als bloße Zahlungsmittel gelten. Diese unterscheiden sich von Gutscheinen dahingehend, dass sie jederzeit und voraussetzungslos in den ursprünglich gezahlten bzw. den noch nicht verwendeten Betrag zurückgetauscht werden können (vgl. Abschnitt 3.17 Abs. 1 Satz 7 UStAE). Ebenfalls nicht von § 3 Abs. 13 UStG erfasst werden Gutscheine über Warenproben und Muster, da es hier am Entgelt mangelt (vgl. Abschnitt 3.17 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
Ist ein Instrument ein Gutschein i. S. des § 3 Abs. 13 UStG, ist für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung in der Folge weiter zu unterscheiden, ob ein Einzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 14 Satz 1 UStG) oder ein Mehrzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 15 Satz 1 UStG) gegeben ist.
III. Abgrenzung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutschein
1. Eigenschaften des Einzweck-Gutscheins
[i]Ort der Leistung und geschuldete Steuer stehen festDer Einzweck-Gutschein ist definiert als ein Gutschein i. S. des § 3 Abs. 13 UStG, bei dem sowohl der Ort der Leistung als auch die für die Leistung geschuldete Steuer im Zeitpunkt der Ausgabe (als Ausgabe gilt gem. Abschnitt 3.17 Abs. 1 Satz 11 UStAE der Verkauf eines Gutscheins an Kunden) oder erstmaligen Übertragung (als Übertragung gilt gem. Abschnitt 3.17 Abs. 1 Satz 10 UStAE der Verkauf eines Gutscheins zwischen Unternehmern) des Gutscheins feststehen (§ 3 Abs. 14 Satz 1 UStG). Ein Einzweck-Gutschein ist folglich dadurch charakterisiert, dass bereits im Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins sämtliche Informationen vorliegen, die für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der hinter dem Gutschein stehenden Leistung erforderlich sind ( BT-Drucks. 372/18 S. 61). Es müssen somit die Identität des leistenden Unternehmers, der steuerberechtigte Mitgliedstaat sowie der auf die Leistung entfallende Steuersatz bestimmt werden können (vgl. Abschnitt 3.17 Abs. 2 Satz 2 UStAE).
[i]MindestangabenAuf einem Einzweck-Gutschein ist folglich die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben. Dies gilt gleichermaßen für die Gattung des Leistungsgegenstands. Unter Gattung ist in diesem Zusammenhang die Gesamtheit von Arten von Waren oder sonstigen Leistungen zu verstehen, die in ihren wesentlichen Eigenschaften derart übereinstimmen, dass hieraus der zutreffende Steuersatz eindeutig bestimmbar ist (z. B. Möbel, Werkzeuge). Ferner ist anzugeben, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder Nichtunternehmer ist, wenn dies für die Leistungsortbestimmung bei Dienstleistungen maßgeblich ist (vgl. Abschnitt 3.17 Abs. 2 Satz 2 bis 5 UStAE; bei Lieferungen kann auf diese Unterscheidung verzichtet werden, da hier aus Sicht der Finanzverwaltung stets § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG zur Anwendung gelangen soll, s. unten VI, 5).