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Neue BMF-Schreiben zu Kapitaleinkünften
Präzisierungen zur Abgeltungsteuer und zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen
Immer wieder werden die umfangreichen BMF-Schreiben zur Abgeltungsteuer und zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen aktualisiert und in größeren zeitlichen Abständen auch komplett neu im BStBl veröffentlicht. Zuletzt wurden beide Schreiben im Mai 2022 neu gefasst. Im Gegensatz zu vielen vorhergehenden Änderungsschreiben sind die inhaltlichen Änderungen nicht besonders textlich hervorgehoben. Nachfolgend werden daher die wesentlichen Neuerungen dargestellt.
In der NWB Datenbank ist unter NWB MAAAE-27762 der Grundlagenbeitrag „Abgeltungsteuer“ von Ronig aufrufbar.
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I. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer
1. Allgemeines
Die letzte Neuveröffentlichung des über 300 Randziffern (Rz.) umfassenden BMF-Schreibens „Einzelfragen zur Abgeltungsteuer“ erfolgte am (BStBl 2016 I S. 85). Nachfolgend ergaben sich Änderungen durch die (BStBl 2016 I S. 475); v. (BStBl 2016 I S. 527); v. (BStBl 2017 I S. 739); v. (BStBl 2017 I S. 774); v. (BStBl 2018 I S. 52); v. (BStBl 2018 I S. 624); v. (BStBl 2019 I S. 1399); v. (BStBl 2019 I S. 51); v. (BStBl 2019 I S. 464); v. (BStBl 2019 I S. 889); v. (BStBl 2021 I S. 296) und v. (BStBl 2021 I S. 723). In all diesen Schreiben wurden insbesondere neuere BFH-Rechtsprechung aufgenommen und Auslegungsfragen zu zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen beantwortet.
[i]BMF, Schreiben v. 19.5.2022, BStBl 2022 I S. 742Mit (BStBl 2022 I S. 742) wurde das Schreiben neu gefasst. Für die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne sind die Grundsätze dieses Schreibens auf alle offenen Fälle anzuwenden. Im Übrigen ist dieses Schreiben auf Kapitalerträge, die nach dem zufließen, sowie erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden (). Die früheren Schreiben wurden aufgehoben.
[i]ÄnderungsübersichtIm Vergleich zu den bisherigen Aussagen der Finanzverwaltung wurden
weitere aktuelle BFH-Urteile aufgenommen,
zeitlich überholte Textpassagen gestrichen,
neue Verwaltungsmeinungen zu einzelnen Sachverhalten geäußert und
Verfahrensfragen beantwortet.S. 2397
2. Zeitlich überholte Textpassagen
[i]Aufgrund des Zeitablaufs gestrichene TextpassagenEinige Textpassagen aus den „Anfangsjahren“ der Abgeltungsteuer wurden wegen Zeitablaufs gestrichen:
Die für das Jahr 2009 geltenden Sonderregelungen bei vereinnahmten Stückzinsen einschließlich zwei Beispielen in der unter Aufnahme der zwischenzeitlich ergangenen (BStBl 2019 II S. 576) und VIII R 31/15 (BStBl 2019 II S. 577),
Nichtbeanstandung zur Anwendung der Aktienveräußerungsverlustverrechnung für American Depositary Receipts (ADR) im Jahr 2009 beim Steuerabzug (),
Altverlustverrechnung für Verluste nach § 23 EStG in den Jahren 2009 bis 2013 (Rz. 130) sowie Ausweis der Ersatzbemessungsgrundlage in Verbindung mit der Altverlustverrechnung (),
Anrechnung der Quellensteuer gemäß der EU-Zinsrichtlinie/Zinsinformationsverordnung – ZIV (Rz. 148); die bisherige Rz. 148a (Anrechnung ausländischer Steuern bei ausländischen Investmenterträgen) wird zur ,
Verlustverrechnung bei Ehegatten/Lebenspartnern im Jahr 2009 (),
Anwendung des § 23 EStG für Zertifikate bei Erwerb vor dem und Veräußerung innerhalb der einjährigen Haltefrist sowie Anerkennung von Verlusten für nach dem erworbene Vollrisikozertifikate bei Herausschieben der Fälligkeit (, 321) und
Depotgebühren für 2008, die im Jahr 2009 gezahlt wurden (, 323).
3. Aufnahme aktueller BFH-Urteile
Folgende BFH-Urteile, die nahezu alle der bisherigen Verwaltungsmeinung entsprechen, wurden den jeweiligen Textpassagen beigefügt:
[i]Brill, NWB 43/2020 S. 3155, NWB OAAAH-61486 Konkretisierung in Bezug auf die Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses bei Definition der nahestehenden Person (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b EStG) in (, BStBl 2020 II S. 807).
(BStBl 2021 II S. 418) zur Einbeziehung ausschließlich unmittelbarer Beteiligungen in die Grenze des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG (Rz. 137).
[i]Korn, NWB 36/2019 S. 2616, NWB PAAAH-29012 Nach dem (BStBl 2019 II S. 586) liegt keine höhere Gewalt i. S. des § 110 Abs. 3 AO vor, wenn der Steuerpflichtige deshalb keinen Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gestellt hat, weil er irrtümlich davon ausgegangen ist, keine Erträge aus der Beteiligung erzielt zu haben ().
(BStBl 2020 II S. 99) zum Antrag auf Veranlagung zum Abgeltungsteuersatz nach § 32d Abs. 4 EStG nach Ergehen des Einkommensteuerbescheids ().
Entsprechend dem (BStBl 2021 II S. 92) ist die Festsetzung der Steuer in einem Änderungsbescheid nach Eintritt der Bestandskraft, die aufgrund der im Änderungsbescheid berücksichtigten Besteuerungsgrundlagen erstmals eine erfolgreiche Antragstellung gem. § 32d Abs. 6 EStG ermöglicht, ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, das einen korrekturbedürftigen Zustand auslöst ().
4. Verluste aus einzelnen Kapitalanlagen/Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG
a) Gesetzliche Rahmenbedingungen ab 2020 bzw. 2021
[i]VerlustverrechnungsregelnDie Verlustverrechnung für Kapitaleinkünfte ist in § 20 Abs. 6 EStG geregelt. Bei den Ende 2019 beschlossenen Verschärfungen der Verlustverrechnung handelte es sich um einen Kompromiss zwischen den (damaligen) Koalitionsfraktionen (BT-Drucks. 19/15876 S. 38); S. 2398Ende 2020 wurden die Betragsgrenzen angepasst. Es bestehen folgende Verrechnungsregeln:
„Sonstige Verluste“ (ab 2009): Verluste aus Kapitalvermögen dürfen seit Einführung der Abgeltungsteuer nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; nicht ausgeglichene Verluste werden im Rahmen des Verlustvortrags verrechnet (§ 20 Abs. 6 Satz 1 bis 3 EStG).
Aktienveräußerungsverluste (ab 2009): [i]Mertes/Griesel/Klaas, NWB 40/2021 S. 2967Aktienveräußerungsverluste dürfen lediglich mit Aktienveräußerungsgewinnen ausgeglichen bzw. verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 Satz 4 EStG), was nach Ansicht des BFH verfassungswidrig ist (, BStBl 2021 II S. 562, Az. des BVerfG: 2 BvL 3/21; Brill, NWB 23/2021 S. 1641, NWB XAAAH-80800; Mertes/Griesel/Klaas, NWB 40/2021 S. 2967); Steuerbescheide ergehen insoweit vorläufig ( BStBl 2022 I S. 131).
Termingeschäftsverluste (ab 2021): Verluste aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG) können ab dem Jahr 2021 nur in Höhe von 20.000 € mit Gewinnen aus Termingeschäften und Einkünften aus Stillhalterprämien (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG) ausgeglichen werden. Hiernach nicht verrechnete Verluste werden je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20.000 € mit Termingeschäftsgewinnen/Stillhaltereinkünften verrechnet. Rechtsgrundlage ist § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG.
Verluste aus wertlosen Kapitalanlagen (ab 2020): Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter i. S. des § 20 Abs. 1 EStG, aus der Übertragung solcher wertloser Wirtschaftsgüter auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall solcher Wirtschaftsgüter dürfen ab dem Jahr 2020 nur in Höhe von 20.000 € mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste dürfen je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20.000 € mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 Satz 6 EStG).
Verlustbescheinigung (ab 2009): Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, dürfen nur verrechnet werden oder mindern die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus Kapitalvermögen erzielt, wenn eine Verlustbescheinigung vorliegt (§ 20 Abs. 6 Satz 7 EStG).