Zu § 222 BewG
A 222 Fortschreibungen
(1) 1Eine Wertfortschreibung der Grundsteuerwerte ist vorzunehmen, wenn der in Euro ermittelte und auf volle durch hundert Euro ohne Rest teilbare abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben oder nach unten um mehr als 15 000 Euro abweicht. 2Mehrere bis zu einem Fortschreibungszeitpunkt eingetretene Wertabweichungen sind zusammenzufassen. 3Beträgt der nach § 230 BewG abgerundete neue Wert null Euro, so ist der Grundsteuerwert nur dann auf null Euro festzustellen, wenn die Wertgrenzen des § 222 Absatz 1 BewG überschritten sind. 4Eine Wertfortschreibung erfolgt nicht allein deshalb, weil sich das Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitraum verändert und sich damit eine abweichende Alterswertminderung nach § 259 Absatz 4 BewG oder abweichende Kapitalisierungs- und Abzinsungsfaktoren nach § 253 Absatz 2 BewG bzw. nach § 257 Absatz 2 BewG ergäben (siehe auch A 227). 5Maßgebend ist das Gebäudealter im Hauptfeststellungszeitpunkt.
(2) 1Eine Art- und/oder Zurechnungsfortschreibung ist vorzunehmen, wenn sich zu den zuletzt getroffenen Feststellungen Abweichungen ergeben, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (§ 219 Absatz 2 BewG). 2Wertgrenzen sind bei der Art- und Zurechnungsfortschreibung nicht zu beachten. 3Eine Artfortschreibung setzt eine Änderung in der Art einer wirtschaftlichen Einheit voraus (§ 222 Absatz 2 BewG). 4Die Art eines Grundstücks ändert sich z. B., wenn aus einem Einfamilienhaus ein Zweifamilienhaus wird. 5Eine Zurechnungsfortschreibung (§ 222 Absatz 2 BewG) setzt voraus, dass sich die Eigentumsverhältnisse geändert haben. 6Das ist insbesondere der Fall, wenn ein Grundstück verkauft, verschenkt oder vererbt, Alleineigentum an einem Grundstück in Miteigentum umgewandelt wird oder sich die Miteigentumsverhältnisse an einem Grundstück ändern. 7Eine Zurechnungsfortschreibung ist hingegen nicht bei einer bloßen Umfirmierung einer Kapitalgesellschaft vorzunehmen.
(3) 1Die drei Arten der Fortschreibung (A 222 Absätze 1 und 2) stehen selbständig nebeneinander. 2Auf denselben Fortschreibungszeitpunkt sind deshalb Fortschreibungen der verschiedenen Arten zulässig. 3Sie können verbunden werden, soweit dies zweckmäßig ist. 4Eine bereits auf einen bestimmten Fortschreibungszeitpunkt vorgenommene Fortschreibung der einen Art schließt eine nachfolgende Fortschreibung einer anderen Art auf denselben Zeitpunkt nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 9. Januar 1959 III 288/57 U, BStBl 1959 III S. 110). 5Nochmalige Fortschreibungen derselben Art auf denselben Feststellungzeitpunkt sind dagegen für denselben Sachverhalt (vorbehaltlich der Korrekturnormen nach §§ 172 ff. AO) nicht zulässig. 6Dies gilt auch bei negativen Feststellungsbescheiden.
B erwirbt im Februar 2022 von A einen Bauplatz. Das Finanzamt führt auf den 1. Januar 2023 eine Zurechnungsfortschreibung auf B durch. Am 13. Januar 2023 geht beim Finanzamt die Anzeige gemäß § 228 Absatz 2 BewG des B ein, dass er auf diesem Grundstück im Oktober 2022 ein Fertighaus (Einfamilienhaus) bezugsfertig errichtet hat.
Die Bebauung des Grundstücks führt zu einer Art- und Wertfortschreibung. Da Zurechnungs-, Art- und Wertfortschreibungen eigenständige Verwaltungsakte sind, ist neben der bereits erfolgten Zurechnung noch eine Art und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2023 nach § 222 Absatz 1 und 2 BewG (Zurechnung wie bisher B) vorzunehmen.
(4) 1Grundsätzlich steht die Zurechnungsfortschreibung auf den späteren Stichtag einer Zurechnungsfortschreibung auf einen früheren Stichtag entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1955 III 1/55 U, BStBl 1955 III S. 316). 2Wurde auf einen bestimmten Fortschreibungszeitpunkt eine Zurechnungsfortschreibung vorgenommen, ist damit zugleich festgestellt, dass eine Fortschreibung der gleichen Art auf einen vorangegangenen Stichtag nicht durchgeführt wird. 3Bei der Zurechnungsfortschreibung ist die Wirkung aber begrenzt hinsichtlich der Personen, gegenüber denen die Feststellung getroffen wird. 4Regelmäßig wird der Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung nur dem neuen Zurechnungsträger bekannt gegeben. 5Somit kann die Bestandskraft auch nur diesem gegenüber eintreten. 6Deshalb kann eine bisher unterbliebene Zurechnungsfortschreibung auf den jeweils maßgebenden (früheren) Fortschreibungszeitpunkt nachgeholt werden. 7Diese nachgeholte Fortschreibung ist in ihrer Auswirkung auf Feststellungszeitpunkte zu beschränken, für die die Feststellungsverjährung noch nicht eingetreten ist.
(5) 1Eine Fortschreibung erfolgt auch zur Beseitigung eines Fehlers (§ 222 Absatz 3 Satz 1 BewG). 2Ein Fehler im Sinne des § 222 Absatz 3 Satz 1 BewG ist jede objektive Unrichtigkeit. 3Für die Zulässigkeit der fehlerberichtigenden Fortschreibung ist nicht Voraussetzung, dass ein klarliegender, einwandfrei feststellbarer Fehler vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1989 II R 53/87, BStBl 1990 II S. 149). 4Soll eine fehlerhafte Feststellung durch Wertfortschreibung geändert werden, so müssen außerdem die in Absatz 1 bezeichneten Wertgrenzen des § 222 Absatz 1 BewG überschritten werden. 5Eine auf eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gegründete fehlerbeseitigende Fortschreibung ist für solche Feststellungszeitpunkte unzulässig, die vor dem Erlass der Entscheidung des Bundesfinanzhofs liegen (§ 222 Absatz 3 Satz 2 und 3 BewG). 6Wenn die Grundstücksart unzutreffend festgestellt wurde und deshalb eine Artfortschreibung zur Beseitigung des Fehlers durchzuführen ist, ist auch ein damit (ggf.) verbundener Wechsel des Bewertungsverfahrens (Ertrags-/Sachwertverfahren) vorzunehmen. 7Eine sich ergebende Wertveränderung ist im Rahmen einer ggf. auf denselben Stichtag durchzuführenden Wertfortschreibung zur Beseitigung des Fehlers zu berücksichtigen.
(6) 1Bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (siehe dazu A 227) ist eine Fortschreibung auf den Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt, vorzunehmen (§ 222 Absatz 4 Nummer 1 BewG). 2Eine Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers ist auf den Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, vorzunehmen, bei einer Erhöhung des Grundsteuerwerts jedoch frühestens auf den Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 222 Absatz 4 Nummer 2 BewG). 3Bei Nachfeststellungen, die im Rahmen der Beseitigung eines Fehlers erforderlich sind, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. 4Für eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung ist der Fortschreibungszeitpunkt in der Regel der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. 5Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob sich als Folge der Artfortschreibung der Grundsteuerwert erhöht. 6Wird der Feststellungsbescheid bei einer Erhöhung des Grundsteuerwerts erst in einem darauffolgenden Jahr erlassen, ist der Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (§ 222 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2, 2. Alternative BewG, vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1991 II R 15/89, BStBl 1994 II S. 393). 7Zur fehlerbeseitigenden Aufhebung des Grundsteuerwerts siehe A 224 Absatz 3.
(7) Die Vorschrift des § 235 Absatz 2 BewG über die Zugrundelegung eines anderen Zeitpunkts sowie § 227 BewG, wonach die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen sind, bleiben von § 222 Absatz 4 BewG unberührt.
Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
JAAAI-03875