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Zeitpunkt der Rückstellungsbildung für Steuernachforderungen
Passivierung im Steuerentstehungsjahr oder im Jahr der Aufdeckung?
Für [i]Happe, Rückstellungen: Betriebsprüfung (Außenprüfung), Rückstellungslexikon NWB CAAAC-42499 den Jahresabschlussersteller, der an die kaufmännische Vorsicht denkt, ist es immer wieder überraschend, dass diese insbesondere dann nicht vollumfänglich zum Tragen kommen soll, wenn es sich um Steuerrückstellungen handelt. Der Beitrag zeigt die Grundlagen inklusive der bisher anzunehmenden steuerlichen Besonderheiten auf. Eine eigene Betrachtung wird darüber hinaus zum angestellt, das über den schon strengen Ansatz des III. Senats des BFH nochmals hinausgeht.
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I. Handelsbilanzielle Grundlage – auch für die Steuerbilanz
Nach [i]Steuerrückstellungen als ungewisse Verbindlichkeiten§ 249 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB sind verpflichtend Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Dabei sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).
Zurückzustellen sind die vom bilanzierenden Unternehmen geschuldeten Steuern, wozu insbesondere Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer des maßgeblichen Veranlagungszeitraums, aber auch der Vorjahre zu zählen sind.
Steuernachzahlungen [i]Periodengerechte Passivierungaufgrund einer Außenprüfung sind nicht erst nach der Aufdeckung oder gar erst mit dem entsprechenden Änderungsbescheid zu erfassen, sondern periodengerecht zu passivieren. Diese Aussage hat der BFH z. B. im Urteil III R 96/07 getroffen. Das Urteil ist im BStBl II veröffentlicht worden, d. h. es ist auch für die Finanzverwaltung maßgeblich. Der BFH hatte – wie das nicht anders zu erwarten gewesen ist – auf der hier geschilderten Grundlage des HGB entschieden. Wegen der Maßgeblichkeit wirkt diese auch für den steuerrechtlichen Abschluss. S. 17
Typischerweise sind Steuernachzahlungen aufgrund einer Prüfung dem Unternehmen erst mit dem Tätigwerden des Prüfers bekannt, d. h. die Passivierung wird in diesen Fällen nachgeholt.
Die [i]Eggert, Korrektur der Handelsbilanz nach einer Betriebsprüfung, BBK 5/2018 S. 223 NWB IAAAG-73505 A-KG (Geschäftsjahr = Kalenderjahr) hat Umsatzsteuer des Jahres 2020 i. H. von 6.000 € doppelt ausgewiesen, und zwar sowohl in der Abschlags- als auch in der Endrechnung. Im Rahmen einer Außenprüfung im Februar 2021 wurde dieser Fehler vom Prüfer festgestellt. Die KG wehrt sich zwar gegen die Feststellung, geht aber davon aus, dass sie hierbei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht erfolgreich sein wird.
Die Veranlagung des Jahres 2020 erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Handelsbilanz 2020 ist zum Zeitpunkt der Prüfung noch nicht von der Gesellschafterversammlung festgestellt worden.
Die Korrektur sowohl des handelsrechtlichen als auch des steuerrechtlichen Jahresabschlusses hat nach der Rechtsprechung des III. Senats des BFH in den Abschlüssen des Jahres 2020 stattzufinden; sie wirkt damit gewinnmindernd.
Die Tatsache, dass nach allgemeiner Erfahrung bei einer Betriebsprüfung mit Steuernachforderungen zu rechnen sei, rechtfertigt allein nicht die Bildung einer Rückstellung.
Zusätzlich [i]Kaufmann muss mit Mehrsteuern rechnenist darauf hinzuweisen, dass es der I. Senat des BFH – anders als die oben geschilderte Entscheidung des III. Senats – als notwendig für eine Passivierung im Abschluss des maßgeblichen Veranlagungszeitraums ansieht, der Kaufmann hätte mit den Mehrsteuern auch rechnen müssen.
II. Besonderheit bei hinterzogenen Steuern
1. Einschränkung durch die Finanzgerichtsbarkeit
Obwohl [i]Kolbe, Rückstellungen: Lohnsteuerhinterziehung, Rückstellungslexikon NWB VAAAC-42928 die oben geschilderten Grundsätze des HGB auch für hinterzogene Steuern gelten, ist doch nach der Rechtsprechung des BFH eine Besonderheit zu beachten:
In dem Urteil I R 73/95 wird ein Sachverhalt geschildert, wonach die Klägerin-GmbH in den Jahren 1981 bis 1988 unversteuerte Lohnzahlungen geleistet hatte. Im Jahr 1985 fand eine Betriebsprüfung (steuerliche Außenprüfung) und 1989 eine Steuerfahndungsprüfung statt. Zum Zeitpunkt der Rückstellungsbildung für die nicht einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuer entschied der BFH, es sei entscheidungserheblich, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin mit der Inanspruchnahme als Haftende ernsthaft rechnen musste. Die im Finanzgerichtsverfahren zugrunde gelegte Auffassung, eine Passivierung komme erst mit Beginn „aufdeckungsorientierter Maßnahmen“ in Frage, wurde vom BFH revisionsrechtlich nicht beanstandet und folglich geteilt.
Die [i]BFH: Passivierung hinterzogener Steuern im Jahr der Aufdeckungvom BFH auch insgesamt nicht beanstandete Entscheidung des FG beruhte auf dem allgemeinen Grundsatz, wonach eine Rückstellung zu bilden ist, wenn
die wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag liegt
und der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss.S. 18
Letzteres wird bei hinterzogenen Steuern so lange verneint, bis die o. g. aufdeckungsorientierten Maßnahmen erfolgreich waren.
2. Anwendung auch für die Handelsbilanz?
Auch [i]IDW: Passivierung hinterzogener Steuern im Jahr der Steuerentstehungwenn dem Autor der Grundsatz der Maßgeblichkeit (der Handelsbilanz für die Steuerbilanz) bewusst ist, muss in einigen Fällen, nachdem die steuerliche Behandlung geklärt ist, nach der handelsrechtlichen Akzeptanz dieser Klärung gefragt werden – so auch hier.
Der Hauptfachausschuss des IDW vertritt die Auffassung, hinterzogene Steuern müssen in der handelsbilanziellen Rückstellung in voller Höhe nach dem gesetzlichen Tatbestand für das Geschäftsjahr berücksichtigt werden, in dem die hinterzogene Steuer entstanden ist. Das gelte unabhängig davon, ob der Bilanzierende mit der Aufdeckung rechnet, rechnen musste, eine Selbstanzeige beabsichtigt oder erstattet wurde oder die Tat bereits entdeckt worden ist.
Begründet wird dies damit, dass der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderliche Erfüllungsbetrag (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) sich allein nach der steuerlichen Vorschrift bestimmt. Andernfalls läge zudem ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) vor.
III. Aktuelle Rechtsprechung:
1. Sachverhalt
Die [i]FG Münster, Urteil v. 24.6.2021 - 10 K 2084/18 K, G NWB YAAAH-89449 Klägerin hatte in der Form einer GmbH ein Taxiunternehmen betrieben. Im Februar 2017 ordnete das Finanzamt sowohl eine Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 2013 und 2014 als auch eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2014 an.
Die Prüfung ergab u. a., dass sowohl der geldwerte Sachbezug im Zusammenhang mit der privaten Pkw-Nutzung als auch zusätzliche Lohnaufwendungen beim Lohnsteuerabzug nachträglich zu erfassen waren. Letztere standen im Zusammenhang mit ausbezahlten „Mehrerlösen“ (unversteuerte Einnahmen der GmbH).
Der Lohnsteuerhaftungsbescheid erging am . Im sich anschließenden Finanzgerichtsverfahren war u. a. streitig, ob die Lohnsteuernachzahlung noch im Abschluss 2014 passiviert werden muss.