Online-Nachricht - Donnerstag, 01.07.2021

Grundsteuer | Zurechnung eines Grundstücks (BFH)

Für Zwecke der Grundsteuer ist das Grundstück gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen. Grundstückseigentümer und Vorkaufsberechtigter können den Übergang von Nutzen und Lasten abweichend von den in dem ursprünglichen Kaufvertrag festgelegten Bedingungen auf einen späteren Zeitpunkt festlegen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Schuldner der Grundsteuer ist derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zuzurechnen ist (§ 10 Abs. 1 GrStG). Grundsätzlich ist ein Wirtschaftsgut dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, ist ihm das Wirtschaftsgut ausnahmsweise zuzurechnen (sog. wirtschaftlicher Eigentümer; vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).

Sachverhalt: Streitig ist, ob wirtschaftliches Eigentum an einem Grundstück bei wirksamer Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts auch ohne Besitz anzunehmen sein kann:

Die Grundstückseigentümerin A schloss Anfang 2006 mit einer Grundbesitz GmbH & Co. KG (KG) einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein aus mehreren wirtschaftlichen Einheiten bestehendes Grundstück Der Übergang von Nutzen und Lasten auf die KG sollte nach dem Kaufvertrag zum Januar 2006 erfolgen.

Der Klägerin stand an dem Grundstück ein Vorkaufsrecht zu, welches sie im April 2006 ausübte. Gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts klagte die KG – in allen Instanzen ohne Erfolg.

Im September 2010 erwarb die Klägerin das Grundstück. Als Tag des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten wurde abweichend vom ursprünglich zwischen der A und der KG geschlossenen Kaufvertrag der September 2010 vereinbart, da die KG bis zu diesem Datum im Besitz des Grundstücks gewesen sei.

Nachdem das FA von der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin erfahren hatte, rechnete es mit Einheitswertbescheiden vom und vom die wirtschaftlichen Einheiten der Klägerin zu und erließ jeweils entsprechende Grundsteuermessbescheide (Neuveranlagung auf den ).

Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Bescheide. Ihr könne das Grundstück zum nicht zugerechnet werden, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirtschaftliche Eigentümerin gewesen sei. Mit ihrer Klage hatte sie in erster Instanz keinen Erfolg ().

Die Richter des BFH hoben das erstinstanzliche Urteil auf und gaben der Klage statt:

  • Das FG hat bei der Gesamtwürdigung der Umstände nicht berücksichtigt, dass der Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten durch den Kaufvertrag zwischen der A und der Klägerin abweichend von den in dem Kaufvertrag zwischen der A und der KG getroffenen Bestimmungen rechtlich anders festgelegt werden durfte und auch tatsächlich wurde.

  • Damit ist die Klägerin nicht bereits im Januar 2006 oder im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts im April 2006 wirtschaftliche Eigentümerin geworden.

  • Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts im April 2006 ist ein neuer Kaufvertrag zwischen der A und der Klägerin zu den Bedingungen des Kaufvertrags zwischen der A und der KG zustande gekommen und gleichzeitig der Erfüllungsanspruch der KG erloschen.

  • Unerheblich ist, wie im Streitfall die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin, der KG und A abzuwickeln gewesen wären, falls die Klägerin und A die ursprünglichen Vertragsbestimmungen über den Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten mit dem notariell beurkundeten Kaufvertrag aus September 2010 nicht ausdrücklich geändert und angepasst hätten.

  • Denn die Vertragsparteien regeln im notariell beurkundeten Vertrag aus September 2010 ausdrücklich in Abweichung vom ursprünglichen Kaufvertrag, dass der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten auf die Klägerin ungeachtet des Zeitpunkts der Ausübung des Vorkaufsrechts erst im September 2010 erfolgen sollte. Daher wurde sie erst zu diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Eigentümerin.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Die Entscheidung betrifft das alte Grundsteuerrecht, das bis einschließlich Anwendung findet. Ab diesem Zeitpunkt gelten unterschiedliche Regelungen. Einige Bundesländer haben das durch das Grundsteuerreformgesetz bundesweit reformierte Grundsteuerrecht nicht übernommen und bereits eigene Grundsteuergesetze erlassen. Andere Bundesländer sind gerade dabei. Wiederum andere übernehmen das Bundesmodell.

Soweit ersichtlich bleibt die hier streitige Grundnorm zum Steuerschuldner in allen Rechtsordnungen inhaltlich unverändert. Nach § 10 Abs. 1 GrStG ist und bleibt Schuldner der Grundsteuer derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts (ab : Grundsteuerwert) zugerechnet ist.

Grundsätzlich ist der Gegenstand dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO), ausnahmsweise aber auch dem sog. wirtschaftlicher Eigentümer (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Eine Zurechnungsfortschreibung ist also bereits in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem das wirtschaftliche Eigentum übergeht.

Im konkreten Streitfall ging es darum, ob die rückwirkend wirksame Ausübung eines Vorkaufsrechts bereits das wirtschaftliche Eigentum begründete oder erst der spätere Übergang von Nutzen und Lasten. Der BFH hat klargestellt, dass es auf die konkreten Vereinbarungen im Einzelfall ankommt, also den Übergang von Nutzen und Lasten.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
MAAAH-82454