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Erbschaftsteuerliche Immobilienbewertung: Verkehrswertnachweis durch Sachverständigengutachten
Eine aktuelle Bestandsaufnahme
[i] Krause/Grootens, Neue Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ab dem 1.1.2009, Grundlagen, NWB VAAAE-54625 Im Rahmen der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Immobilienbewertung kommt der Öffnungsklausel in § 198 BewG zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts (Verkehrswerts) besondere Bedeutung zu, geht hiermit doch einzelfallbezogen und in Abhängigkeit der einschlägigen Steuerklasse eine mitunter massive Reduzierung der Steuerlast einher. Der nachfolgende Beitrag thematisiert aus Anlass aktueller BFH-Rechtsprechung die Frage des Verkehrswertnachweises durch Sachverständigengutachten, beleuchtet dabei die (weiterhin) abweichende Auffassung der Finanzverwaltung und zeigt Handlungsoptionen des Gesetzgebers auf, um die Problematik praxistauglich zu entschärfen.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Ausgangslage
[i]Gemeiner Wert als gesetzliche BewertungszielgrößeDie Bewertungsverfahren bei der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Immobilienbewertung (sog. Grundbesitzbewertung) sind auf den gemeinen Wert als gesetzliche Bewertungszielgröße ausgerichtet (§ 177 BewG). Dabei entspricht der steuerliche gemeine Wert nach § 9 BewG inhaltlich dem Verkehrswert (Marktwert) i. S. des § 194 BauGB, so auch R B 177 Satz 2 ErbStR 2019. Während sich der Wert unbebauter Grundstücke regelmäßig nach ihrer Fläche und dem Bodenrichtwert (§ 196 BauGB) bestimmt, wird die Bewertung bebauter Grundstücke von einem Verfahrenspluralismus (Vergleichswert-, Ertragswert-, Sachwertverfahren) geprägt, wobei für das einschlägige Bewertungsverfahren die Grundstücksart der jeweiligen wirtschaftlichen Einheit maßgeblich ist (§§ 181, 182 BewG). S. 687
[i]Öffnungsklausel zur Vermeidung von ÜberbewertungenMit der verkehrswertnahen Bewertung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (d. h. mit Annäherungswerten an den gemeinen Wert) einerseits sowie dem Rückgriff der steuerlichen Bewertungsverfahren auf Typisierungen und Pauschalierungen andererseits, können in Einzelfällen Überbewertungen einhergehen. Diese wiederum können sich mitunter massiv bei der Folgebesteuerung − Erbschaft- und Schenkungsteuer − in Abhängigkeit von Steuerklasse und Steuertarif auswirken. Der Steuergesetzgeber hat zur Vermeidung solcher Konsequenzen dem Steuerpflichtigen in § 198 BewG im Wege einer sog. Öffnungsklausel (Escape-Klausel) die Möglichkeit eines Verkehrswertnachweises eingeräumt (s. hierzu bereits ausführlich Eisele/Schmitt, NWB 28/2010 S. 2232). Nach der Systematik der Bewertungsvorschriften trifft den Steuerpflichtigen nicht nur eine Darlegungs- und Feststellungslast, sondern auch eine Beweislast.
In Fällen des § 8 Abs. 2 GrEStG (z. B. bei Umwandlungen, Einbringungen sowie anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage) greift grunderwerbsteuerlich die sog. Ersatzbemessungsgrundlage unter Rückgriff auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 157 Abs. 1 bis 3 BewG. Auch in diesem Kontext besteht damit zugunsten des Steuerpflichtigen eine Öffnungsklausel zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (§ 198 BewG; vgl. hierzu auch Braun/Eisele, NWB 36/2015 S. 2648).
Gelingt [i]Möglichkeit eines Verkehrswertnachweisesdem Steuerpflichtigen mithin der Nachweis, dass der gemeine Wert des Bewertungsobjekts am Bewertungsstichtag niedriger als der nach steuerlichen Vorschriften ermittelte Wert ist, ist gem. § 198 Satz 1 BewG der nachgewiesene Verkehrswert anzusetzen und förmlich festzustellen. Beim land- und forstwirtschaftlichen Vermögen ist jeweils ein Verkehrswertnachweis bezogen auf den Wohnteil sowie die Betriebswohnungen möglich. Für den Bereich der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Grundbesitzbewertung ist hier die entsprechende Öffnungsklausel in § 167 Abs. 4 BewG verankert (s. hierzu auch R B 167.3 Abs. 2 ErbStR 2019).
Auch bei der Bewertung des Wirtschaftsteils mit dem Fortführungswert ist ein Verkehrswertnachweis möglich. Demnach kann für den Wirtschaftsteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft – abweichend von der Wertermittlung nach den §§ 163, 164 BewG – der niedrigere gemeine Wert am Bewertungsstichtag angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige diesen nachweist (§ 165 Abs. 3 BewG i. V. mit R B 165 Abs. 2 und 3 ErbStR 2019).
II. Modalitäten für den Verkehrswertnachweis
Nach [i]Basismaterialien für den Verkehrswertnachweis § 198 Satz 2 BewG gelten für den Verkehrswertnachweis grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften, so u. a.
die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV) v. (BGBl 2010 I S. 639) einschließlich
der Bodenrichtwertrichtlinie v. (BAnz AT v. Nr. 24 S. 597; NWB NAAAD-85892
der Sachwertrichtlinie v. (BAnz AT v. B1; NWB OAAAE-26075; Eisele, StWa 2014 S. 147),
der Vergleichswertrichtlinie v. (BAnz AT v. B3; NWB PAAAE-56260; Eisele, NWB 19/2014 S. 1434) sowie
der Ertragswertrichtlinie v. (BAnz AT v. B4; NWB YAAAF-71443; Eisele, NWB 11/2016 S. 778).S. 688
1. Erbschaftsteuer-Richtlinien und -Hinweise
[i]Nachweis durch Gutachten erforderlichIndes ergibt sich aus § 198 BewG nicht, wie der Verkehrswertnachweis gegenüber der Finanzbehörde konkret zu führen ist. Details hierzu steuern aktuell die ErbStR 2019 und die ErbStH 2019 bei. Demnach ist als Verkehrswertnachweis regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Grundstücksbewertung erforderlich (R B 198 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2019).