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StuB Nr. 5 vom Seite 185

Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen

Ansatz, Umfang und Bewertung in der handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung

WP/StB Tim Bonnecke

Im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen stellt sich die Frage nach deren Abbildung in der Rechnungslegung. Nach einer grundlegenden Darstellung der typischen Restrukturierungsmaßnahmen ruft der Beitrag die allgemeinen Grundsätze der Rückstellungsbilanzierung in Erinnerung, um hiernach aufzuzeigen, wann und wie beschlossene Maßnahmen zur Restrukturierung bilanziell zu berücksichtigen sind.

Bolik/Schuhmann, Ansatz und Bewertung von Umstrukturierungs- und Sozialplanrückstellungen,
StuB 18/2016 S. 679, NWB EAAAF-81965

Kernfragen
  • Was ist unter einer Restrukturierung zu verstehen und welche Maßnahmen werden hierbei typischerweise durchgeführt?

  • Wann ist eine aufwandswirksame Rückstellung für Restrukturierung in der Handels- und in der Steuerbilanz zu passivieren und mit welchem Betrag ist diese zu dotieren?

  • Welche Besonderheiten gilt es bei Konzernstrukturen zu beachten?

I. Einleitung

[i]Lüdenbach, Künftige Vorteile bei der Bewertung von Sozialplanrückstellungen, StuB 3/2019 S. 125, NWB WAAAH-05822 Zwirner/Tippelhofer, Rückstellungen für Compliance und Personal, Beilage zu StuB 9/2017 S. 1, NWB BAAAG-44602 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 12. Aufl. 2021, § 249 Rz. 16 ff., NWB DAAAH-61870 In einem sehr wettbewerbsintensiven und sich rasch weiterentwickelnden Marktumfeld muss jedes Unternehmen seine Organisations- und Ablaufstrukturen regelmäßig überprüfen, um nachhaltig profitabel agieren zu können und konkurrenzfähig zu bleiben. Die stetig wachsende Dynamik der Wirtschaft, die zunehmende Digitalisierung sowie immer kürzere Konjunkturzyklen erfordern von den Unternehmen eine hohe Anpassungsfähigkeit und Reagibilität.

Dies gilt umso mehr für Branchen, die sich aufgrund neuer Geschäftsmodelle, veränderten Konsumentenverhaltens, strengerer Umweltstandards oder anderer exogener Einflussfaktoren fundamental wandeln, wie sich dies derzeit bspw. sehr deutlich in der Automobilindustrie zeigt. Oftmals geraten Unternehmen dann in eine dauerhafte Verlustsituation und/oder offenbaren unternehmerische Krisensymptome, denen es mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen gilt. Die Corona-Krise hat solche Entwicklungen vielfach nochmals signifikant verschärft, so dass der Planung und Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen derzeit eine sehr hohe Bedeutung zukommt.

II. Arten von Restrukturierungsmaßnahmen

In Anlehnung an die internationalen Rechnungslegungsvorschriften definieren sich Restrukturierungsmaßnahmen als ein vom Management geplantes und kontrolliertes Programm, das zu wesentlichen Veränderungen führt entweder (i) in einem vom Unternehmen abgedeckten Geschäftsfeld oder (ii) in der Art und Weise, wie das Unternehmen dieses Geschäft betreibt (vgl. IAS 37.10).

Als typische Restrukturierungsmaßnahmen zu nennen sind

  • der Verkauf oder die Aufgabe von Geschäftszweigen,

  • die Zusammenlegung von Betriebsteilen,

  • die Stilllegung von Standorten,

  • die Verlagerung von Geschäftsaktivitäten in andere Regionen (oftmals in das Ausland),

  • die Änderung der Managementstrukturen (bspw. Auflösung einer Managementebene),S. 186

  • die Änderungen der Betriebsorganisation (bspw. Einrichtung von sog. Shared Service Centern) und

  • die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren (vgl. IAS 37.70 sowie § 111 BetrVG).

Da ein Restrukturierungsprogramm i. d. R. Betriebsänderungen auslöst, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben können, ist das Management von Unternehmen einer bestimmten Größenordnung nach den gesetzlichen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) verpflichtet, den Betriebsrat über solche geplanten (restrukturierungsbedingte) Betriebsänderungen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die intendierten Maßnahmen mit dem Betriebsrat zu beraten (vgl. § 111 BetrVG). Die zwischen Management und Betriebsrat getroffene Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der den Arbeitnehmern durch die Restrukturierung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile sind im Wege eines Sozialplans schriftlich niederzulegen (vgl. § 112 Abs. 1 BetrVG).

Mit entsprechenden Maßnahmen geht regelmäßig die (vorzeitige) Beendigung von Arbeitsverhältnissen einher, weshalb der Kern des Sozialplans in Vereinbarungen über Abfindungsvorschriften und anderen Leistungen zum Nachteilsausgleich der betroffenen Arbeitnehmer liegt. Oftmals wird im Sozialplan auch die Errichtung und Ausgestaltung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (sog. „Transfergesellschaften“) geregelt.

Es kann grds. dahin gestellt bleiben, ob die Freisetzung von Beschäftigten Folgewirkungen initialer Restrukturierungshandlungen (wie der Stilllegung von Standorten) darstellen oder es sich insoweit um eigenständige („originäre“) Restrukturierungsmaßnahmen handelt (bspw. um eine Aufwandsreduktion und damit Ergebnisverbesserung durch gesparte Personalkosten zu realisieren). Gleiches gilt für im Zuge umfassender Restrukturierungsbemühungen ausgesprochene Kündigungen langfristiger Verträge (z. B. aus Lieferungs- und Leistungsbeziehungen oder aus bestehenden Dauerschuldverhältnissen) und dadurch ausgelöste Vorfälligkeitsentschädigungen.

Übersicht 1 stellt den zeitlichen Ablauf von der Erkenntnis zur notwendigen Durchführung einer Restrukturierung bis zum rechtswirksamen Abschluss des Sozialplans dar und listet zusammenfassend typische Maßnahmen auf.

Die vielfältigen Restrukturierungsmaßnahmen verbindet die Gemeinsamkeit, dass entsprechende Handlungen für das Unternehmen mit oftmals nicht unwesentlichen vermögensmäßigen Belastungen verbunden sind. Insofern stellt sich die Frage, wann die einzelnen restrukturierungsbedingten Aufwendungen bilanziell zu berücksichtigen sind, mithin, ob, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die aufwandswirksame Passivierung einer Rückstellung für Restrukturierung geboten ist.

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