NWB Nr. 49 vom Seite 3601

Ein buntes Sammelsurium

Professor Dr. Hans-Joachim Kanzler | Rechtsanwalt und Steuerberater | Mitherausgeber der NWB

Steuergesetzgebung in Zeiten der Pandemie – Eine Zwischenbilanz

Wir sind zwar noch mitten in der Krise, nach zehn Monaten und kurz vor Jahresende ist es aber Zeit, die Steuergesetzgebung unter dem Corona-Joch einer Zwischenbilanz zu unterziehen. Dabei lässt sich derzeit nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob dies eine Halbzeit-Bilanz sein kann. Immerhin zeigt sich mit der erfolgreichen Entwicklung von Impfstoffen ein Hoffnungsschimmer. Darüber, ob und inwieweit das am in Kraft getretene Forschungszulagengesetz hier neben den direkten Subventionen bereits Wirkung gezeigt haben könnte, kann nur spekuliert werden. In anderem Zusammenhang jedenfalls werden bereits zuvor geschaffene steuerliche Vorschriften auch für die Bewältigung dieser Krise reklamiert: So die Steuerbefreiung für Sanierungserträge (s. Oppel, SteuerStud 11/2020 S. 746) oder die Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte (BMF zu Antragsformularen v. , NWB PAAAH-59057).

Bekanntlich hat der Bundestag am 19. und 29. Juni zwei Corona-Steuerhilfegesetze erlassen, die ein buntes Sammelsurium steuererleichternder Änderungen und Neuregelungen enthalten, aber kaum den Eindruck eines schlüssigen Konzepts hinterlassen. Diese Wahrnehmung wird geradezu verstärkt, wenn die entsprechenden Maßnahmen dann noch von den zuständigen Ministern mit den eher comicreifen Kraftausdrücken „Bazooka“ und „Wumms“ angekündigt werden. Dieser Stil ist im Übrigen angesichts der zu erwartenden Neuverschuldung völlig unangemessen und wirkt nach Jahren der Austeritätspolitik auch verstörend. Dass die Einzelmaßnahmen wenig aufeinander abgestimmt sind, zeigt schon ihre unterschiedliche Befristung. So laufen eine Reihe von Steuererleichterungen bereits zum aus, für andere ist eine längere Geltungsdauer vorgesehen oder im Verordnungswege möglich, wieder andere gelten unbefristet. Schon aus diesem Grunde scheint ein Gleichlauf mit dem im Juni noch nicht absehbaren Ende der Krise auch nicht beabsichtigt zu sein.

Geradezu absurd wird die Rechtslage, wenn sich die auf ein und dieselbe Steuer beziehenden Maßnahmen überlagern, wie dies etwa bei der Senkung der Umsatzsteuer der Fall ist. Nachdem dort mit dem (ersten) Corona-Steuerhilfegesetz die Umsatzsteuer auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen ohne Getränke für den Zeitraum vom bis auf 7 % abgesenkt wurde, sah das zweite Corona-Steuerhilfegesetz eine allgemeine Senkung der Umsatzsteuersätze vom bis zum von 19 % auf 16 % und von 7 % auf 5 % vor. Dass die Gastronomie davon kaum profitiert, wenn sie trotz gewaltiger Investitionen in den Infektionsschutz ihre Betriebe schließen muss und Verbraucher keinen Vorteil aus der Steuersatzsenkung haben, weil es bei größeren Anschaffungen coronabedingt lange Lieferfristen gibt, die Steuerbegünstigung aber nicht vom Datum des Vertragsschlusses abhängt, sind nur einige Umstände, die eine Anpassung erfordert hätten. Nachdem die Corona-Steuerhilfegesetzgebung aber abgeschlossen zu sein scheint, läuft die „normale“ Gesetzgebungsmaschinerie wieder an und beschert uns endlich den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der ATAD-Richtlinien und einen Referentenentwurf mit dem äußerst bemerkenswerten, fast schon kabarettreifen Titel „Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz“.

Hans-Joachim Kanzler

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 3601
IAAAH-65467