Anwendungsfragen des § 2b UStG in Zusammenhang mit dem Friedhofs- und Bestattungswesen
Bezug:
Bezug: BStBl 2016 I S. 1451
Bezug: BStBl 2018 II S. 372
Bezug: BStBl 2018 II S. 370
Durch Artikel 12 des Gesetzes vom (BGBl 2015 I S. 1834) wurden durch Einfügung des § 2b UStG die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) neu gefasst. In diesem Kontext hat sich auch eine Reihe von Anwendungsfragen im Zusammenhang mit Friedhöfen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft ergeben.
Für die Anwendung von § 2b UStG gilt Folgendes:
Erbringen jPöR im Bereich des Friedhofs- und Bestattungswesens Leistungen gegen Entgelt, liegt ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerlichen Sinn und damit eine unternehmerische Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 UStG vor. Werden Leistungen auf der Grundlage einer öffentlichrechtlichen Satzung in öffentlich-rechtlicher Handlungsform erbracht, ist der Anwendungsbereich des § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG eröffnet, so dass zu prüfen ist, ob die Behandlung der jPöR als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG führen würde (siehe BStBl 2016 I S. 1451, Randziffern 8 und 22).
Verzerrungen des Wettbewerbs können nur stattfinden, wenn Wettbewerb besteht. Dies setzt voraus, dass die von einer jPöR auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachte Leistung gleicher Art auch von einem privaten Unternehmer erbracht werden könnte. Zwei Leistungen sind gleichartig und stehen deshalb in einem Wettbewerbsverhältnis, wenn sie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedigen (siehe BStBl 2016 I S. 1451, Randziffern 23 und 24).
Als Durchschnittsverbraucher der in Friedhofssatzungen geregelten Leistungen kommen die Personen in Betracht, die nach den Bestattungsgesetzen der Länder verpflichtet sind, für die Bestattung zu sorgen. Diese Personen entscheiden über Bestattungsort und -art und sind dabei nicht verpflichtet, einen bestimmten Friedhof zu nutzen.
1. Grabnutzungsberechtigungen/Liegerecht/Recht zur Beisetzung
Die Einräumung von Grabnutzungsberechtigungen, Liegerechten und Rechten zur Beisetzung eines Sarges oder einer Urne sowie zur Leichentuchbestattung, die darin bestehen, eine räumlich abgrenzbare, individualisierte Parzelle unter Ausschluss Dritter nutzen zu können (regelmäßig z. B. bei Urnennischen oder Kolumbarien, Reihen- und Wahlgrabstätten), ist bei Leistungserbringung durch private Anbieter als Vermietung von Grundstücken nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG umsatzsteuerfrei, unabhängig davon, ob es sich um Erd- oder Feuerbestattungen handelt (vgl. , BStBl 2018 II S. 372).
Dem BStBl 2016 I S. 1451 (Randziffer 38) folgend sind bei jPöR die Voraussetzungen des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG dann nicht erfüllt, wenn es sich um eine in § 9 Abs. 1 UStG genannte Leistung handelt (Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis g, Nr. 9 Buchstabe a, Nr. 12 oder 13 UStG). Allerdings enthält § 2b Abs. 2 UStG keine abschließende Aufzählung von Fällen, in denen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Diese sind auch in den Fällen zu verneinen, in denen zwar die Voraussetzungen des § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht erfüllt sind, aber ein Verzicht auf die Steuerbefreiung bei vergleichbaren Leistungen Privater aufgrund der tatsächlichen Umstände ausgeschlossen ist. So erfolgt die Einräumung von Grabnutzungsberechtigungen, Liegerechten und Rechten zur Beisetzung stets für nichtunternehmerische Zwecke des Leistungsempfängers, weshalb in diesen Fällen tatsächlich niemals auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG verzichtet werden kann. Werden derartige Leistungen durch jPöR erbracht, werden sie insoweit unter Beachtung des § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG nicht unternehmerisch tätig.
Wird hingegen keine räumlich abgrenzbare, individualisierte Parzelle zur Nutzung unter Ausschluss Dritter überlassen, kommt eine Steuerfreiheit dieser Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG bei privaten Anbietern nicht in Betracht (vgl. , BStBl 2018 II S. 370). Derartige Leistungen werden von jPöR unternehmerisch ausgeführt und unterliegen der Umsatzbesteuerung, wenn sie auch von Privaten erbracht werden können und die Wettbewerbsgrenze nach § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG überschritten wird. Insbesondere folgende mit der Einräumung von Grabnutzungsberechtigungen, von Liegerechten bzw. dem Recht zur Beisetzung einhergehende Leistungen sind unselbstständige Nebenleistungen im Sinne des Abschnitts 3.10 Abs. 5 UStAE, die das Schicksal der Hauptleistung teilen:
Bestattungsleistungen, z. B. das Ausheben und Verfüllen der Grabstelle, das Auskleiden des Grabes mit Matten, das Absenken des Sargs oder der Leiche bei Leichentuchbestattung, die Entsorgung von Kränzen und Blumen,
die Pflege und Instandhaltung von Friedhofsanlagen (z. B. Wege, Hecken, Grünanlagen), die dem Friedhofsträger vorbehalten sind und für die häufig eine Friedhofsunterhaltungsgebühr erhoben wird,
die Grabpflegeleistungen, die sich der Friedhofsträger vorbehält, um ein einheitliches Gestaltungsbild der Grabanlage (bei Gemeinschaftsgrabanlagen/ Gräberfeldern) sicherzustellen,
Gebühren für die Genehmigung zum Aufstellen von Grabmalen und Einfassungen,
die Erstellung der Graburkunde,
der Leichentransport innerhalb des Friedhofs,
Gebühren für die Befreiung von bestimmten Verpflichtungen in Ausnahmefällen.
Ob in der jeweiligen Friedhofssatzung hierfür gesonderte Gebühren vorgesehen sind, ist nicht erheblich.
Dies gilt auch für solche Leistungen in Zusammenhang mit einer Verlängerung der Grabnutzungsberechtigung bei einer weiteren Beisetzung in eine bestehende Grabparzelle. Sollte dabei keine Verlängerung der Grabnutzungsberechtigung vereinbart werden, ist nicht von unselbstständigen Nebenleistungen auszugehen, sondern sind die Leistungen nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen (vgl. Ziffer 3).
Insbesondere folgende Leistungen sind als eigenständige Leistungen zu beurteilen:
die Grabpflegeleistungen an individuellen, räumlich abgegrenzten Grabstätten,
das Aufstellen von Grabsteinen und das Setzen der Grabeinfassung.
2. Aufbewahrung von Leichen in Kühlräumen oder Kühlzellen sowie Benutzung von Feierhallen, Friedhofskapellen und Abschiedsräumen
Werden Leichen in Kühlräumen oder Kühlzellen aufbewahrt und werden Räumlichkeiten insbesondere zur Abhaltung von Trauerfeiern zur Nutzung überlassen, handelt es sich hierbei jeweils grundsätzlich um eigenständige Leistungen.
Insbesondere folgende mit der Überlassung der o.g. Räumlichkeiten sowie von Kühlräumen und gekühlten Leichenzellen zur Aufbewahrung von Leichen einhergehende Leistungen sind, sofern sie als Gebühr erhoben werden, unselbstständige Nebenleistungen im Sinne des Abschnitts 3.10 Abs. 5 UStAE, die das Schicksal der Hauptleistung teilen:
die Reinigung der Räumlichkeiten,
die Beleuchtung sowie Heizung,
die Bereitstellung von Tonanlagen bzw. Orgel,
die Mitüberlassung von Einrichtungsgegenständen zur würdevollen Aufbahrung des Leichnams wie Kerzenständer samt Kerzen, Kreuze, Kruzifixe und Weihwasserbehälter,
die hygienische Totenversorgung durch die dafür zuständige Person sowie
die Entsorgung von Kränzen und Blumen.
Ob in der jeweiligen Friedhofssatzung hierfür gesonderte Gebühren vorgesehen sind, ist nicht erheblich.
2.1. Feierhallen, Friedhofskapellen und Abschiedsräume
Die Überlassung von Räumlichkeiten wie Feierhallen, Friedhofskapellen und Abschiedsräumen nebst Einrichtungsgegenständen insbesondere zur Abhaltung von Trauerfeiern stellt bei privaten Wirtschaftsteilnehmern in der Regel eine umsatzsteuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG dar, bei der eine Option zur Steuerpflicht wegen der nichtunternehmerischen Zweckbestimmung faktisch ausgeschlossen ist (§ 9 UStG). Werden vergleichbare Leistungen durch jPöR erbracht, werden die jPöR insoweit unter Beachtung des § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG nicht unternehmerisch tätig. Werden über die Nutzungsüberlassung hinausgehende Leistungen erbracht, die für eine dann einheitliche Leistung prägend sind, ist die Überlassung der Räumlichkeiten umsatzsteuerpflichtig.
2.2. Aufbewahrung von Leichen in Kühlräumen oder Kühlzellen
Die Überlassung von Kühlräumen und gekühlten Leichenzellen zur Aufbewahrung von Leichen kann auch eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG umsatzsteuerfreie Leistung sein, für die wegen der nichtunternehmerischen Zweckbestimmung keine Option möglich ist (§ 9 UStG). JPöR werden insoweit mit der Erbringung dieser Leistungen unter Beachtung des § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG nicht unternehmerisch tätig. Werden über die Nutzungsüberlassung hinausgehende Leistungen erbracht, die für eine dann einheitliche Leistung prägend sind, ist die Überlassung umsatzsteuerpflichtig.
3. Bestattungsleistungen im Zusammenhang mit bereits bestehenden Grabstätten (z. B. Umbettungen, Abräumen von Gräbern, Nachbestattungen ohne Verlängerung des Nutzungsrechts)
Bei (Bestattungs-)Leistungen im Zusammenhang mit bereits bestehenden Grabstätten (z. B. Umbettungen, Abräumen) handelt es sich regelmäßig um selbständige Leistungen. Mit derartigen Leistungen treten jPöR nicht in Wettbewerb zu privaten Wirtschaftsteilnehmern, wenn diese Leistungen durch die für den Friedhof, auf dem sich die Grabstätte befindet, geltende Friedhofssatzung der den Friedhof betreibenden jPöR Vorbehalten ist. Können die Leistungen nach der Friedhofssatzung auch durch private Wirtschaftsteilnehmer erbracht werden, wird die jPöR mit der Erbringung dieser Leistungen unternehmerisch tätig, wenn die Wettbewerbsgrenze nach § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG überschritten wird.
4. Vertragliche Überlassung der Trägerschaft von Friedhof, Leichenhalle und Feierhalle durch kirchliche jPöR (Kirchengemeinden/ Kirchenstiftungen) an eine Kommune
Vereinbaren eine kirchliche jPöR und eine Kommune auf Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, dass die Trägerschaft für den Friedhof von der kirchlichen jPöR auf die Kommune übergeht und in dem Zusammenhang der Friedhof samt Einrichtungen und das Leichenhaus überlassen werden, erfolgt die Vereinbarung im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne des § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG.
Soweit der Betrieb eines Friedhofs aufgrund landesgesetzlicher Regelungen nur durch jPöR erfolgen kann, ist Wettbewerb mit privaten Anbietern bei der Überlassung des Friedhofs ausgeschlossen.
Der Betrieb eines Leichenhauses ist in der Regel jedoch auch durch private Anbieter möglich. Bei der Überlassung eines Leichenhauses sind Wettbewerbsverzerrungen allerdings zu verneinen, da hier nach dem Gedanken des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vergleichbare auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen privater Anbieter ohne Recht auf Verzicht nach § 9 UStG (Option) der Befreiung gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe a UStG unterliegen würden. Eine Option nach § 9 UStG ist auch - vergleichbar den Ausführungen zu 1) - hier nicht möglich, weil der Betreiber des Leichenhauses aufgrund der Verwendung für umsatzsteuerfreie Leistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Leistungen der Kommune an insbesondere die Personen, die nach den Bestattungsgesetzen der Länder verpflichtet sind, erfolgen stets für den nichtunternehmerischen Bereich. Daher ist auch hier faktisch kein Verzicht auf die Steuerbefreiung möglich.
Soweit der Betrieb eines Friedhofs privaten Anbietern nach landesrechtlichen Vorschriften möglich ist, gelten für die Wettbewerbsprüfung die vorgenannten Aussagen entsprechend.
5. Nichtbeanstandungsregelung
Es wird nicht beanstandet, wenn bei bereits unter dem Regelungsregime des § 2 Abs. 3 UStG in der am geltenden Fassung laufenden Rechtsverhältnissen über Grabnutzungsberechtigungen, Liegerechte bzw. das Recht zur Beisetzung, die vor der Wirkung eines Widerrufs der Optionsregelung nach § 27 Abs. 22, 22a UStG oder ohne Widerruf dieser Optionsregelung vor dem geschlossen wurden und unter Anwendung des § 2b UStG erstmals als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig zu beurteilen sind, keine Nachversteuerung nach § 27 Abs. 1 UStG erfolgt. Für vor dem abgeschlossene Verträge und erlassene Verwaltungsakte über Grabnutzungsberechtigungen, Liegerechte bzw. das Recht zur Beisetzung wird - auch wenn sie bereits unter dem Regelungsregime des § 2b UStG geschlossen bzw. erlassen wurden - es ebenfalls nicht beanstandet, wenn keine Besteuerung erfolgt.
6. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird im Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom , BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das (2020/1181130), BStBl 2020 I S. 1267, geändert worden ist, in Abschnitt 2b.1 nach Absatz 10 der folgende Absatz 11 angefügt:
„(11) Zur Behandlung der Anwendungsfragen des § 2b UStG in Zusammenhang mit dem Friedhofs- und Bestattungswesen vgl. BStBl 2020 I S. 1335.“
BMF v. - III C 2 - S 7107/19/10004 :008
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2020 I Seite 1335
DStR 2020 S. 2732 Nr. 49
UR 2021 S. 129 Nr. 3
UStB 2021 S. 7 Nr. 1
UVR 2021 S. 105 Nr. 4
LAAAH-65051