Implementierung des BEPS-Aktionsplans durch das MLI in Deutschland
Motive des Gesetzgebers und erste Schritte
Am ist das Multilaterale Instrument (MLI) in Kraft getreten. Mit deutlicher Zeitverzögerung hat nun auch Deutschland im April 2020 mit dem Ratifikationsprozess begonnen. Zu diesem Zweck wurde mit Verbändeschreiben des ein innerhalb der Bundesressorts noch nicht abgestimmter Referentenentwurf eines Gesetzes zu dem Mehrseitigen Übereinkommen vom zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung vorgelegt. Bereits am wurde der Regierungsentwurf zur Umsetzung des MLI beschlossen. Schon mit dem Verbändeschreiben legte das BMF zudem eine umfangreiche Denkschrift vor, welche in Teil 1 ausführliche Erläuterungen zu den Vorschriften des MLI enthält und in Teil 2 erstmals die Auswahlentscheidungen und Vorbehalte Deutschlands zum MLI begründet. Dieser Beitrag nimmt sich einer Einordnung der Notifikationen Deutschlands unter Beachtung der nun bekannten Beweggründe an und versucht, erste praktische Implikationen darzustellen.
Deutschland wird von seinen ca. 100 DBA letztlich nur 14 mittels des MLI anpassen.
Die Umsetzung könnte noch Jahre dauern und diese zeitliche Perspektive widerspricht einem Grundmotiv des MLI.
Zudem zeigt sich, dass sich trotz der beabsichtigten Flexibilität des MLI, dieses eine erhebliche Starrheit aufweist. Ein Teil der Normen des MLI wurde von Deutschland nur deswegen nicht gewählt, da Teilaspekte nicht der deutschen Abkommenspolitik entsprechen.
I. Ausgangslage
[i]Bekämpfung von Gewinnverschiebungen mittels DBA ist ein Kernanliegen, das das MLI motivierteDie Regelungen verschiedener DBA wurden in der Vergangenheit zum Teil genutzt, um Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung zu erreichen. Zur Vermeidung dieser Effekte wurde das BEPS-Projekt der OECD durch die internationale Staatengemeinschaft vorangetrieben. [1] Gegenstand dessen ist u. a. die Umsetzung einiger sog. Mindeststandards, auf die sich die beteiligten Staaten verständigt haben. Dies betrifft z. B. Regelungen zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch gemäß Aktionspunkt 6 [2] und die Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen gemäß Aktionspunkt 14. [3] S. 567
[i]MLI wurde unter BEPS-Aktionspunkt 15 entwickeltDa die bilaterale Änderung der Abkommen nach Ansicht der OECD mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand verbunden ist und dem Bestreben nach einer schnellen Umsetzung der Mindeststandards entgegensteht, wurde mit BEPS-Aktionspunkt 15 ein neuartiges Verfahren entwickelt. Dieses zielt auf die Modifikation bilateraler Steuerabkommen ab und möchte neben einigen optionalen Regelungen insbesondere die genannten Mindeststandards ins Abkommensrecht implementieren. [4] Wesentliche Besonderheit des MLI ist dabei, dass ein sog. Opting-Out-Prozess vorgesehen ist, bei welchem durch Optionen und Vorbehalte eine größtmögliche Flexibilität des Instruments erreicht werden sollte. Folge dieser gewünschten Flexibilität ist jedoch eine Erhöhung der Komplexität in der Anwendung des Internationalen Steuerrechts. [5]
II. Umsetzung des BEPS-Aktionsplans durch das MLI in Deutschland
[i]Änderung von lediglich 14 der ca. 100 deutschen DBA durch das MLI Deutschland hat zurzeit nur noch 14 der ca. 100 deutschen DBA für das MLI ausgewählt. Die verbleibenden DBA sollen indes durch bilaterale Revisionsabkommen oder Änderungsprotokolle angepasst werden, was zum Teil bereits geschehen ist (s. unten III). Grund dessen ist, dass das BMF in vielen Fällen ein bilaterales Vorgehen als schneller und flexibler erachtet.
Hinsichtlich jener DBA, für die Deutschland das MLI anwenden möchte, gilt es zu beachten, dass umfangreich von Vorbehalten Gebrauch gemacht wurde. Damit weicht die Bundesrepublik stark von den maximal erreichbaren Änderungen ab, welche die Anwendung des MLI ermöglicht. Zeitlich wird erwartet, dass die Anpassungen durch das MLI für die ersten deutschen DBA frühestens ab dem angewendet werden.
1. Vorgehen bei der Umsetzung durch das MLI
Deutschland hat sich bei der Umsetzung des MLI für ein zweistufiges Verfahren entschieden. In einem ersten Schritt wird das MLI, wie jeder andere völkerrechtliche Vertrag, im Wege eines Umsetzungsgesetzes in nationales Recht transformiert (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Dies soll durch den vorliegenden Entwurf v. erreicht werden. [6] Die im Folgenden zu besprechenden konkreten Modifikationen der DBA werden in einem zweiten Schritt durch separate Anwendungsgesetze in die vom MLI erfassten Steuerabkommen eingefügt. [7] Die mit dem aktuellen Gesetzentwurf vorgelegten Materialien dienen dabei als Grundlage.
Das gewählte Vorgehen dient nach Ansicht Deutschlands u. a. dazu, dass Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gewährleistet werden. Als Folge dessen werden jedoch nicht zwingend alle für das MLI ausgewählten DBA zur gleichen Zeit mit den Änderungen des MLI wirksam. [8]
Die späteren Anwendungsgesetze sollen sodann nach Art. 105 Abs. 2 GG erlassen werden. Die vorgesehenen Notifikationen ergeben sich aus der Liste der Auswahlentscheidungen Deutschlands und den Denkschriften. [9] Der vorliegende Gesetzentwurf umfasst daher nur zwei Artikel und gibt nur den gesetzgeberischen Startpunkt der S. 568Umsetzung des MLI vor. Durch die umfassenden Ausführungen in den Denkschriften zeigt sich jedoch bereits sehr deutlich, welche Ergebnisse nach endgültiger Umsetzung verankert sein sollen.
2. Auswahlentscheidungen und Vorbehalte Deutschlands zum MLI
a) Art. 2 MLI – Auslegung von Ausdrücken
[i]Erweiterung steht kurzfristig nicht im RaumBisher hatte Deutschland nur vorläufige Benennungen der unter das MLI fallenden Steuerabkommen vorgenommen. Diese Liste wurde jetzt aktualisiert. Wie bereits erwähnt, fallen nunmehr nur noch 14 statt bisher 35 DBA unter das MLI. Die nunmehr durch das MLI erfassten deutschen DBA sind jene mit Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Japan, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Tschechien, [10] Ungarn, Slowakei, [11] Spanien und der Türkei. Jedoch kann die Liste der von Deutschland notifizierten Steuerabkommen nach Art. 29 Abs. 5 MLI jederzeit durch Notifikation erweitert werden. Es zeichnet sich aber nicht ab, dass Deutschland von der Möglichkeit einer Erweiterung kurzfristig Gebrauch macht.
b) Hybride Gestaltungen
aa) Art. 3 MLI – Transparente Rechtsträger
Art. 3 MLI befasst sich mit der Gewährung von DBA-Vorteilen für Einkünfte, soweit diese über in mindestens einem Vertragsstaat transparente Rechtsträger bezogen werden und einer ansässigen Person zuzurechnen sind. [12] Ziel ist es, sicherzustellen, dass u. a. die Gesellschafter einer Personengesellschaft die Vorteile des DBA in Anspruch nehmen können, sowie auszuschließen, dass Abkommensvorteile mittelbar nichtansässigen Gesellschaftern gewährt werden. Die Anwendung des gesamten Artikels wird von Deutschland abgelehnt.
[i]Vorbehalt bezüglich Art. 3 MLI aufgrund der BFH-RechtsprechungHintergrund ist das [13] zu einer vergleichbaren Regelung im DBA USA: Demnach ist der abkommensrechtliche Schachtelsatz auf Dividenden auch natürlichen Personen zu gewähren, welche die Dividende über eine in den USA transparente Gesellschaft beziehen. Dies gilt unter dem Vorbehalt, dass das DBA keine entgegenstehende Bestimmung vorsieht. Diesem Ergebnis folgt Deutschland nicht, da Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 den Schachtelsatz für Dividenden beim Bezug über eine Personengesellschaft ausschließt und auf den Nutzungsberechtigten abstellt. Dies kann nach deutschem Verständnis i. d. R. jedoch keine Personengesellschaft sein, auch wenn dies nicht konkret in allen deutschen DBA so formuliert ist. [14]
[i]Folgen des Vorbehalts für die Praxis bleiben angesichts der Vielzahl an Regelungen für hybride Gestaltungen abzuwarten Um eine Problematik wie im BFH-Verfahren mit dem Aktenzeichen I R 48/12 zu vermeiden, schließt Deutschland Art. 3 MLI vollumfänglich aus. Es besteht nämlich aufgrund der Konstruktion des MLI nicht die Möglichkeit, durch freie Formulierung eine Passage zu ergänzen, welche die Auswirkungen der BFH-Rechtsprechung negiert. Ob dieser Ausschluss der weiteren Folgen der Norm problematisch für Deutschland ist, muss sich erst zeigen.
Beachtet man, dass die Fragestellungen der hybriden Gestaltungen auch in Art. 9 ff. ATAD formuliert sind, deren Umsetzung in Deutschland durch § 4k EStG-RefE [15] vorgesehen ist und die die übrigen EU-Mitgliedstaaten ebenfalls umsetzen müssen, könnte der Themenkomplex zumindest innereuropäisch auch dadurch greifbar sein. S. 569Vieles wird davon abhängen, wie sich die konkreten Abgrenzungen der Regelungen zur Behandlung hybrider Gestaltungen darstellen.
bb) Art. 4 MLI – Rechtsträger mit doppelter Ansässigkeit
Durch Art. 4 MLI wird es möglich, die Normen zur Feststellung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit doppeltansässiger juristischer Person zu ändern. Konkret soll die Ansässigkeit nach Art. 4 MLI in entsprechenden Fällen durch einvernehmliche Regelung der zuständigen Behörden bestimmt werden, beispielsweise durch Verständigungsverfahren. [16] [i]Vorbehalt bezüglich Art. 4 MLI – allerdings Umsetzung im Einzelfall außerhalb des Mechanismus mit Abstrichen Sorge des MLI ist nämlich, dass doppelansässige Kapitalgesellschaften nur zur Erzielung von Abkommensvorteilen errichtet werden und der Steuergestaltung dienen. Da Deutschland dem nicht zustimmt, soll Art. 4 MLI vollständig nicht umgesetzt werden. Zudem ergäbe sich nach deutschem Verständnis für aktuell doppelansässige Gesellschaften ein erheblicher Aufwand zur Legitimierung, welcher nicht verhältnismäßig ist.
Die fehlende Umsetzung der Norm ist insoweit unproblematisch, da Fragen der Steuergestaltung auch durch Art. 7 MLI gelöst werden können. [17] Deutschland ist trotz der Ablehnung an der Vermeidung von hybriden Gestaltungen interessiert und wird diese ausweislich der Denkschrift zumindest mittelfristig mit nationalen Regelungen bekämpfen. Es ist jedoch zu beachten, dass zumindest einige deutsche DBA bereits weitgehend dem Art. 4 Abs. 1 MLI entsprechen. Ähnliche Normen finden sich beispielsweise in den DBA mit Japan, Kanada, Mexiko, der Türkei und den USA. [18] Es ist daher nicht auszuschließen, dass Deutschland durch angepasste oder abgewandelte Normgebung in Zukunft einzelfallbezogen auf die Fragestellungen aus Art. 4 MLI reagiert.
cc) Art. 5 MLI – Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
[i]Deutschland wendet Art. 5 MLI nicht an, akzeptiert allerdings die Entscheidung des anderen VertragsstaatesBei Art. 5 MLI handelt es sich um eine Norm zur Anwendung der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit verschiedenen Optionsmöglichkeiten, welche von Deutschland durch fehlende Notifikation in der Gesamtheit abgelehnt werden. Wendet indes ein anderer Staat eine der Optionen an, wirkt dies unbeachtlich der deutschen Wahl für diesen Staat. [19] Einen entsprechenden Vorbehalt gegen die Wahl des anderen Staates hat Deutschland nicht angebracht, da ein internationaler Grundsatz der deutschen Abkommenspolitik besagt, dass jeder Vertragsstaat frei in der Gestaltung seiner Abkommenspolitik ist. [20]
Hintergrund der Ablehnung durch Deutschland ist, dass Option A gem. Art. 5 Abs. 2 und 3 MLI bereits in vielen deutschen DBA enthalten ist. Die Norm entspricht Art. 22 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und b DBA Verhandlungsgrundlage. Zudem gehen einige DBA auch deutlich weiter hinsichtlich der Einschränkungen der Freistellungsmethode. Dies kann die Regelung des MLI nach Ansicht des BMF nicht abbilden. Die gleichen Bedenken gelten auch im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4 und 5 MLI für Option B.
Option C sieht indes eine vollständige Abkehr von der Freistellungsmethode und die Anwendung der Anrechnungsmethode vor. Dies entspricht nicht der deutschen Abkommenspolitik. Deutschland möchte an einer vorrangigen Anwendung der Freistellungsmethode festhalten. Dieses Vorgehen mit den einzelnen Vorschriften des Art. 5 MLI ist für die Anwendung zu begrüßen, da die Norm des MLI einen an sich „holzschnittartigen Zuschnitt“ aufweist und aufgrund dessen in der Literatur bereits geäußert wurde, dass eine Ablehnung der deutschen Abkommenspraxis eher gerecht werde. [21] S. 570
c) Abkommensmissbrauch – BEPS-Aktionspunkt 6
aa) Art. 6 MLI – Zweck eines unter das MLI fallenden DBA
Art. 6 Abs. 1 MLI ist für die Staaten verpflichtend umzusetzen und betrifft die Präambel der DBA. [22] Die Norm ist Teil des BEPS-Mindeststandards. Allerdings sieht Art. 6 Abs. 4 MLI vor, dass sich die Vertragsstaaten vorbehalten können, Art. 6 MLI in Bezug auf die DBA nicht anzuwenden, deren Präambel den Vorgaben des MLI entspricht und Bezug auf die Vermeidung der Nichtbesteuerung oder Niedrigbesteuerung nimmt. In den DBA Japan 2015 und DBA Niederlande 2015 formuliert die jeweilige Präambel bereits dieses Abkommensziel, weswegen eine Änderung unterbleibt.
Weiterhin sind nach Art. 6 Abs. 5 MLI die Steuerabkommen aufzuführen, deren Präambel die Vermeidung der Doppelbesteuerung als Abkommensziel enthalten. Wenn der andere Staat entsprechend notifiziert, werden die jeweiligen Präambeln durch Art. 6 Abs. 1 MLI ersetzt. Dies betrifft aus deutscher Sicht die DBA mit Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Kroatien, der Slowakei, Spanien und Tschechien. Zudem werden in DBA ohne Präambel diese automatisch nach Art. 6 Abs. 1 MLI ersetzt, wovon die restlichen erfassten DBA betroffen sind.
[i]Art. 6 Abs. 3 MLI entspricht zwar der Abkommenspraxis, doch befürchtet das BMF UnsicherheitenDie Möglichkeit einer Präambel nach Art. 6 Abs. 3 MLI lehnt Deutschland ab, obwohl diese der deutschen Abkommenspolitik entspricht. Dies liegt daran, dass das BMF erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der einzelnen Präambeln in den erfassten Steuerabkommen befürchtet. Das Vorgehen Deutschlands ist insoweit zu begrüßen. Vielmehr als die Umsetzung im MLI rückt daher wohl in den Vordergrund, wie schnell es gelingt, die Präambeln in den übrigen deutschen DBA anzupassen. Jedoch ändert dies nichts daran, dass die Folgen für die Praxis ohnehin wohl eher gering sind, da die Präambel zwar inhaltlich einem DBA angehört, jedoch keine materiellen Auswirkungen nach sich zieht.
bb) Art. 7 MLI – Verhinderung von Abkommensmissbrauch
[i]Deutschland wendet PPT an und schließt Anwendung der LOB ausDa Art. 7 MLI ohne Notifikation zur Anwendung gelangt, bedeutet die fehlende Äußerung Deutschlands, dass der Mindeststandard des Aktionspunktes 6 durch den Principle Purpose-Test (PPT) [23] umgesetzt werden soll (Art. 7 Abs. 1 MLI). Da das neue Abkommen mit Japan in Art. 21 Abs. 8 DBA Japan 2015 bereits eine entsprechende Regelung enthält, wird diese durch Notifikation des Art. 7 Abs. 15 Buchst. b MLI beibehalten.
Art. 7 Abs. 4 MLI zufolge könnten die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten des jeweiligen DBA die Abkommensvergünstigungen auch weiterhin gewähren, obwohl dies nach der oben genannten Missbrauchsvermeidungsvorschrift zu versagen wäre. Dafür ist es erforderlich, dass sie auf Antrag der betroffenen Person zu der Auffassung gelangen, dass der Person die Vergünstigungen auch ohne die missbräuchliche Gestaltung gewährt worden wären. Dieses Vorgehen wird von Deutschland abgelehnt, um Anreize für Steuergestaltung zu vermeiden. Dies ist nachvollziehbar, gleichzeitig wäre der Rechtsfolge des Art. 7 Abs. 4 MLI zuzustimmen. Diese soll jedoch weiterhin durch die Vermeidung einer Steuergestaltung erreicht werden können.
Als Folge der Anwendung des PPT schließt Deutschland die Limitation-on-Benefits-Klausel (LOB) [24] aus. Die Art. 7 Abs. 8–13 MLI kommen somit nicht zur Anwendung. Gleiches gilt für den Fall, dass der andere Staat die Norm anwenden möchte. Damit möchte das BMF der Sorge entgegentreten, dass es zu Asymmetrien in der Abkommensanwendung kommt. [25] S. 571
cc) Art. 8 MLI – Dividenden
[i]Deutschland will den Schachtelsatz bei Dividenden ab 365 Tagen nicht in bestehenden Abkommen anpassenArt. 8 MLI bezweckt die Anwendung des sog. Schachtelsatzes bei Dividenden in Abhängigkeit von einer Mindesthaltedauer von 365 Tagen. [26] Deutschland möchte diese Regelung anwenden, nicht jedoch für DBA, die bereits eine vergleichbare Regelung enthalten (Art. 8 Abs. 3 MLI). Dies führt dazu, dass die DBA mit Italien und Japan nicht erfasst werden, da diese bereits eine Mindesthaltedauer enthalten. Ausgenommen werden weiterhin DBA, die einen Schachtelsatz für Dividenden nicht vorsehen, also sofern ein einheitlicher Quellensteuersatz ungeachtet der Mindestbeteiligungshöhe vorgegeben ist. Für die entsprechenden DBA ist die Regelung mithin obsolet. Konkret betrifft dies das DBA Griechenland, das einen pauschalen Quellensteuersatz von 25 % vorsieht (Art. VI Abs. 2 DBA Griechenland). Das Vorgehen hinsichtlich der Mindestdauer entspricht insoweit auch Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017.
dd) Art. 9 MLI – Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen oder Rechten an Rechtsträgern, deren Wert hauptsächlich auf unbeweglichem Vermögen beruht
[i]Möglichst weitgehende Umsetzung von Art. 9 MLI überrascht, ist aber zu begrüßenArt. 9 MLI soll das in vielen deutschen DBA enthaltene Quellenbesteuerungsrecht an Veräußerungsgewinnen bei Anteilen an Grundstücksgesellschaften (vgl. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA 2017) gegen Steuergestaltungen schützen. [27] Deutschland entschied sich für die Anwendung der Norm. Zu diesem Zweck wird der Geltungsbereich der entsprechenden Normen unabhängig von der Gesellschaftsform erweitert. Überraschend ist, dass nach Art. 9 Abs. 8 MLI die Regelung des Absatzes 4 in alle erfassten DBA implementiert wird, wenn der Vertragspartner ebenfalls eine Ersetzung wünscht. Dieses Vorgehen dient der Vereinheitlichung der bestehenden Normen und ist zu begrüßen. Lehnt der andere Staat Art. 9 Abs. 4 MLI ab, wird vorbehaltlich Art. 9 Abs. 1 MLI die entsprechende Norm dahingehend erweitert, dass auch andere Gesellschaftsformen einbezogen werden bzw. der Prüfzeitraum für die Grundbesitzquote 365 Tage beträgt.
Für die praktische Umsetzung in den erfassten DBA bedeutet dies, dass nach Ansicht Deutschlands eine entsprechende Vorschrift, die vorbehaltlich der Wahl des anderen Staates zur Änderung ansteht, in den DBA mit Frankreich, Japan, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Spanien, der Türkei und Ungarn vereinbart ist. Die entsprechenden Normen sollen mithin an Art. 9 MLI angepasst werden.
ee) Art. 10 MLI – Missbrauchsbekämpfung für Drittstaatenbetriebsstätten
[i]Art. 10 Abs. 1–3 MLI soll angewendet werden, nicht aber, wenn bereits eine Anti-Missbrauchsnorm vorgesehen istTraditionell vermeiden DBA die Doppelbesteuerung durch Begrenzung des Besteuerungsrechts im Quellenstaat zugunsten des Ansässigkeitsstaates. Probleme können sich bei Dreieckssachverhalten ergeben, wenn der Ansässigkeitsstaat mit einem Drittstaat Betriebsstätteneinkünfte steuerfrei stellt. Sodann kann der Ansässigkeitsstaat die Besteuerung für diese Einkünfte nicht sicherstellen und bei fehlender oder niedriger Besteuerung im Drittstaat kann eine vom Quellenstaat abgelehnte Nicht- oder Niedrigbesteuerung erfolgen. [28] Da Schließung dieser Missbrauchsmöglichkeit der deutschen Abkommenspraktik entspricht, [29] soll Art. 10 Abs. 1–3 MLI angewendet werden. Sofern jedoch bereits eine Missbrauchsbekämpfungsnorm vorgesehen ist, entfällt die Anwendung des Art. 10 MLI. Dies ist zurzeit jedoch nicht erforderlich, da keines der erfassten DBA eine solche Regelung bereits enthält. S. 572
ff) Art. 11 MLI – Saving Clause
Die an die amerikanischen Abkommenspolitik angelehnte Norm des Art. 11 MLI besagt, dass Einschränkungen des Besteuerungsrechts nach einem DBA ausschließlich den Quellenstaat betreffen. [30] Mithin ist der Ansässigkeitsstaat durch das DBA nicht an der Besteuerung gehindert, sofern Art. 11 MLI dies nicht ausdrücklich vorsieht. Da die Regelung nicht der deutschen Abkommenspolitik entspricht, [31] wird diese von Deutschland richtigerweise abgelehnt und nicht aufgenommen.
d) Künstliche Vermeidung von Betriebsstätten – BEPS-Aktionspunkt 7
aa) Art. 12 MLI – Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Vertreter
[i]Vorbehalt gegen Art. 12 MLI, da die Regelung nicht ausschließlich die künstliche Vermeidung einer Betriebsstätte adressiertDie Modifikationen durch Art. 12 MLI zielen auf eine geänderte Anwendung der Vorschriften zu Vertreterbetriebsstätten sowohl in Fällen abhängiger (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2017) als auch unabhängiger Vertreter (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2017) ab. [32] Die optionalen Bestimmungen können nur in ihrer Gesamtheit angewendet werden. Deutschland lehnt die Norm indes vollumfänglich ab.
Kritikpunkt Deutschlands ist insbesondere, dass die Norm nicht unmittelbar auf die künstliche Vermeidung einer Betriebsstätte abstellt und insoweit unangemessene Betriebsstätten begründen kann. [33] Zudem würde die Senkung der Betriebsstättenschwelle nach Ansicht des BMF zulasten des Ansässigkeitsstaates des Unternehmens Besteuerungsrechte umverteilen. Dies entspreche nicht den Zielen des BEPS-Projekts. [34]
bb) Art. 13 Abs. 1–3 MLI – Künstliche Umgehung von Betriebsstätten durch Ausnahme bestimmter Tätigkeiten
Nach Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 werden bestimmte Tätigkeiten, zumeist Hilfstätigkeiten und vorbereitende Tätigkeiten, vom Betriebsstättenbegriff ausgenommen. Art. 13 Abs. 1–3 MLI möchte den Anwendungsbereich der Betriebsstättenbegründung insoweit erweitern. [35] Option A würde klarstellen, dass nur dann keine Betriebsstätte vorliegt, wenn es sich insgesamt um vorbereitende Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten handelt. Option B würde Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 dahingehend ändern, dass nur explizit aufgeführte Tätigkeiten vom Betriebsstättenbegriff ausgenommen werden.
Nach Ansicht des BMF folgt Deutschland bereits Option A, [36] da die Ausnahme von Tätigkeiten nur dann in Betracht kommt, wenn diese vorbereitend oder Hilfstätigkeit sind. Dieser Ansatz ermöglicht es im Gegensatz zu Option B, dem Bedeutungswandel von Hilfseinrichtungen durch die Digitalisierung flexibel zu folgen.
[i]Die Ausweitung der Betriebsstätte kann viele deutsche DBA betreffenOb dieser Auffassung Deutschlands für die Vergangenheit zuzustimmen ist, mag in Zweifel gezogen werden, da sie nur durch Verwaltungsauffassung umgesetzt wird. [37] Durch die Wahl des Art. 13 Abs. 2 MLI wird die Option A indes für die Zukunft in die deutschen Abkommen implementiert, sofern der andere Vertragsstaat diese auch wählt. Da alle erfassten deutschen DBA eine mit Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 vergleichbare Regelung enthalten, kommt für alle eine etwaige Änderung durch die Option A infrage. [38] S. 573
Option B wird indes vollumfänglich abgelehnt, auch wenn der andere Staat diese anwendet. Die DBA bleiben insoweit ohne Änderung.
cc) Art. 13 Abs. 4 MLI – Maßnahme gegen die Fragmentierung von Tätigkeiten
[i]Vorbehalt bezüglich Art. 13 Abs. 4 MLI, allerdings Versuch der bilateralen UmsetzungDie Maßnahme gegen Fragmentierung von Tätigkeiten in Art. 13 Abs. 4 MLI soll künstliche Aufteilungen von Aktivitäten auf mehrere Betriebsstätten vermeiden, damit Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 nicht missbräuchlich genutzt wird. [39] Zwar entspricht dies deutscher Abkommenspolitik, jedoch legte Deutschland einen Vorbehalt ein, da die abgelehnte Norm des Art. 15 MLI ebenfalls übernommen werden müsste (s. unten II, 2, d, ee). Das BMF erläutert jedoch, dass Deutschland versuchen wird, die Antifragmentierungsregelung durch bilaterale Vereinbarungen umzusetzen.
dd) Art. 14 MLI – Aufteilung von Verträgen
Die Anwendung des Art. 14 MLI wurde von Deutschland nicht gewählt. Die Norm soll bei Bau- und Montagebetriebsstätten den Missbrauch durch künstliche Aufteilung der Baumaßnahmen auf verbundene Unternehmen verhindern. [40] Die Ablehnung resultiert daraus, dass das MLI nach Ansicht des BMF nicht nur auf Gestaltungsvorgänge abstellt. [41] Vielmehr sind miteinander zusammenhängende Tätigkeiten auf einer Baustelle Ansatzpunkt der Norm. Dies könnte nach Ansicht des BMF beispielsweise dann zu Fehlanwendungen führen, wenn öffentliche Ausschreibungen im Losverfahren durchgeführt werden. Zudem ist zu beachten, dass bereits die allgemeine Missbrauchsvermeidung nach Art. 7 Abs. 1 MLI in diesen Fällen zum entsprechenden Ergebnis führen sollte.
ee) Art. 15 MLI – Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person
Die Begriffsdefinition einer mit einem Unternehmen eng verbundenen Person dient der Anwendung der Art. 12, Art. 13 Abs. 4 und Art. 14 MLI. [42] Bereits durch die Auswahlentscheidungen zu diesen Normen sind von Art. 15 MLI keine deutschen DBA erfasst. Selbst darüber hinaus hat das BMF jedoch Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Norm, da diese nur Verbindungen einer Person zu einem Unternehmen, jedoch nicht zwischen zwei Unternehmen erfasst. Da die Rechtsprechung durch den Ersten Senat des BFH traditionell DBA eng am Wortlaut auslegt, [43] kann eine entsprechende Erweiterung vermutlich auch nicht durch weite Auslegung erreicht werden. Deswegen würde die Norm die von Deutschland bezweckte Zielsetzung wohl verfehlen.
e) Streitbeilegung – BEPS-Aktionspunkt 14
aa) Art. 16 MLI – Verständigungsverfahren
[i]Die Änderungen der Regelungen zum Verständigungsverfahren gem. Art. 16 MLI werden zu besserer Handhabung führenAls weiterer Mindeststandard des BEPS-Projekts ist eine Umsetzung des Art. 16 MLI weitgehend obligatorisch. [44] Für die praktische Anwendung ist wichtig, dass nach Ausfassung Deutschlands zwar ein Zugang zum Verständigungsverfahren ermöglicht werden soll, das BMF es jedoch nicht für erforderlich hält, dass das Verständigungsverfahren in beiden Vertragsstaaten beantragt werden kann. Daher ist nach der deutschen Auswahlentscheidung eine Beantragung nur im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen oder in dem Staat möglich, dessen Staatsangehörigkeit der Steuerpflichtige besitzt, sofern dies aufgrund des Diskriminierungsverbots (Art. 24 Abs. 1 OECD-MA 2017) S. 574erforderlich ist. Hält der Staat, in dem das Verständigungsverfahren beantragt wird, die Einwendung des Steuerpflichtigen für unberechtigt, ist jedoch eine Konsultation mit dem anderen Staat durchzuführen. Dies ist ebenfalls Mindeststandard des Aktionspunktes 14 und wird nach Aussage des BMF bereits beim BZSt administrativ umgesetzt. [45]
Vorteil der Regelung des Art. 16 MLI ist, dass damit alle erfassten DBA nunmehr gleichgestellt werden, die keine Art. 25 OECD-MA 2017 vollständig entsprechende Regelung für Verständigungsverfahren enthalten. Die Notifikationen zu Art. 16 Abs. 6 MLI betreffen damit insbesondere Änderungen des Verständigungsverfahrens bzw. Ergänzungen der Norm für das DBA mit Griechenland, Island, Italien, der Slowakei und Tschechien. Die vom MLI erfassten Verständigungsverfahren werden nach vollständiger Umsetzung daher zur besseren Handhabung grds. dieselben Voraussetzungen aufweisen.
bb) Art. 17 MLI – Gegenberichtigung
[i]Umsetzung ist zwingend – Deutschland übernimmt dies auchArt. 17 MLI dient der DBA-Modifikation vergleichbar der Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 OECD-MA 2017. Damit soll das Risiko vermieden werden, dass eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung eintritt. [46] Das MLI fordert die Anwendung obligatorisch. In den Auswahlentscheidungen gibt Deutschland an, dass es sich um die deutsche Abkommenspolitik handelt, weswegen eine Aufnahme erfolgt. [47] Wie bereits in anderen Fällen sind jedoch DBA ausgenommen, die bereits eine entsprechende Regelung enthalten. Dies betrifft für Art. 17 MLI die DBA mit Japan, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Slowakei, Spanien, der Türkei, Tschechien und Ungarn.
cc) Art. 18–26 MLI – Anwendung des Schiedsverfahrens
Auch wenn das Schiedsverfahren nur optional ist, entschied sich Deutschland für die Anwendung in Beachtung der bekannten Abkommenspolitik. [48] Die Norm ermöglicht in Bezug auf die erfassten DBA jedoch nur vereinzelt neue Schiedsverfahren, konkret mit Griechenland, Island, Italien, Kroatien, der Slowakei, Spanien, der Türkei, Tschechien und Ungarn.
[i]Deutsche Entscheidung zur Umsetzung ist praktisch bedeutsam und begrüßenswertDeutschland optierte nach Art. 19 Abs. 11 MLI dazu, die Dauer eines Verständigungsverfahrens vor Übergang in das Schiedsverfahren von zwei auf drei Jahre zu verlängern. Weiterhin sollen durch Nichtanwendung des Absatzes 12 Schiedsverfahren auch durchzuführen sein, wenn bereits eine Gerichtsentscheidung ergangen ist. Dieses Vorgehen, das dem Ziel des Schiedsverfahrens dient, ist für die Praxis sehr wichtig und zu begrüßen. Jedoch bleibt leider die etwaige andere Entscheidung eines Vertragsstaates unberührt.
Wichtig ist, dass die Art des Schiedsverfahrens für Deutschland unerheblich ist, weswegen es i. d. R. zum „Last best offer-Schiedsverfahren“ [49] kommt. Da die Durchführung eines Schiedsverfahrens wichtiger ist als die Art, folgt Deutschland aber auch dem „Independent opinion-Schiedsverfahren“, [50] sofern der andere Staat dies wünscht. [51] Dieses pragmatische Vorgehen ist für die Praxis und die Reichweite des Schiedsverfahrens positiv.
Deutlich restriktiver ist Deutschland hinsichtlich der Geheimhaltung nach Art. 23 Abs. 5 MLI. Lehnt der andere Staat diese ab, wird das Schiedsverfahren nach Absatz 6 und S. 5757 gänzlich ausgeschlossen. Dies hat aktuell praktisch keine Bedeutung. [52] Ebenfalls für die Praxis wichtig ist, dass nach der Entscheidung für Art. 24 Abs. 1 MLI die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten innerhalb von drei Monaten nach Schiedsspruch eine andere Lösung vereinbaren können.
Nach Art. 26 Abs. 4 MLI werden bestehende Schiedsklauseln in DBA beibehalten und nicht überschrieben. Dies betrifft nach den deutschen Notifikationen die DBA mit Frankreich, Japan, Luxemburg, den Niederlanden und Österreich.
dd) Art. 28 Abs. 2 MLI – Vorbehalte zum Anwendungsbereich des Schiedsverfahrens
[i]Umsetzung der Regelungen zum Schiedsverfahren ist größtenteils zu begrüßenZusätzlich zu den im MLI vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten besteht für die Anwendung des Schiedsverfahrens die Möglichkeit, frei formulierte Vorbehalte anzubringen. [53] Diese Notifikation ist unabhängig von der Wahl des anderen Staates und wird von Deutschland umfangreich wahrgenommen. In den folgenden Fällen ist die Durchführung eines Schiedsverfahrens ausgeschlossen: [54]
Fälle, in denen eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift zur Anwendung kommt, unabhängig davon, ob abkommensrechtlich oder national. [55] Damit soll eine Einbeziehung in Schiedsverfahren bei Missbrauchsfällen geschlossen werden.
Fälle, in denen Personen ordnungswidrig oder strafbar handeln. Dieser Personenkreis soll kein Recht auf Vergünstigungen des Schiedsverfahrens erhalten.
Fälle, in denen keine materielle doppelte Besteuerung vorliegt, da der Abkommenszweck bereits erfüllt ist. Dies soll dann der Fall sein, wenn mindestens ein Vertragsstaat nicht besteuert, d. h. die Einkünfte nicht in die Bemessungsgrundlage einbezieht. Als Nichtbesteuerung soll die Anwendung einer Steuerfreistellung bestimmter Einkünfte oder ein Nullsteuersatz gelten.
Fälle der EU-Schiedskonvention oder -richtlinie, [56] auch dann, wenn tatsächlich kein Schiedsverfahren geführt wird.
Fälle der Anwendung der Anrechnungsmethode anstelle der Freistellungsmethode, da dadurch weiße Einkünfte vermieden werden sollen.
Fälle der tatsächlichen Verständigung aufgrund einer gegenseitigen Bindungswirkung für Verwaltung und Steuerpflichtigen sowie Treu und Glauben. [57]
Dem Grunde nach sind die entsprechenden Vorbehalte Deutschlands nachzuvollziehen und verständlich. Es steht bei Betrachtung der umfangreichen Liste jedoch die Sorge an, ob und wie einzelne Vorbehalte in der Praxis gelebt werden. Insbesondere der dritte Vorbehalt könnte, sofern er nicht hinsichtlich nationaler (akzeptierter) Steuerbefreiungen des anderen Vertragsstaates eingeschränkt wird, deutlich überschießend sein.
f) Wirksamwerden nach Art. 35 und 36 MLI
[i]Wirkung von Änderungen immer nur zum JahreswechselNach Art. 35 Abs. 3 MLI möchte Deutschland das MLI stets zum 1. Januar eines Jahres wirksam werden lassen. [58] Damit wird einseitig der üblichen Abkommenspolitik gefolgt. Unterschiedliche Wirksamkeiten können sich indes durch Art. 35 Abs. 7 MLI ergeben, da nach Abschluss der innerstaatlichen Verfahren die Anwendung unter Anlaufhemmung von 30 Tagen ab Eingang beim Verwahrer erfolgt. S. 576
[i]Erfassung von Altfällen vor Anwendung des MLI nur bei Verständigung beider Staaten daraufEine Besonderheit gilt nach Art. 36 MLI für die Anwendung des Schiedsverfahrens. [59] Altfälle vor Anwendung des MLI werden nach der Wahl Deutschlands nur insoweit erfasst als beide Vertragsstaaten sich darauf verständigen. Damit sollen Bedenken ausgeräumt werden, dass Rückstände in der Bearbeitung von Schiedsverfahren durch die Anwendung verursacht werden könnten. Praktisch ist dieses Vorgehen jedoch von einer gewissen Willkür gezeichnet. [60]
III. Exkurs: Umsetzung des BEPS-Aktionsplans auf bilateralem Weg
[i]Die bilaterale Erneuerung der deutschen DBA läuft nur langsam anDeutschland hat durch die erhebliche Einschränkung der erfassten Abkommen die Entscheidung getroffen, dass die BEPS-Änderungen zu einem erheblichen Teil bilateral in die Abkommen verhandelt werden. Die Argumentation, dass dies schneller möglich ist als die Anwendung des MLI, darf zumindest in Zweifel gezogen werden. Betrachtet man die Liste der künftigen Abkommen und der Verhandlungsstände zu Revisionen bestehender Abkommen, sieht man, dass die Entwicklungen nur sehr allmählich voranschreiten. [61] Dennoch zeichnen sich auch insoweit erste Erfolge ab. So wurde jüngst ein Änderungsprotokoll zum DBA Finnland beschlossen, das die Ergebnisse des BEPS-Projekts umsetzt. [62] Zudem sind einige neuere DBA, auch wenn vor dem MLI verhandelt, in wesentlichen Punkten bereits mit den Regelungen des MLI konform. Dies trifft z. B. auf die DBA Japan 2015 [63] sowie das DBA Australien 2015 zu.
Endlich ist es soweit, Deutschland geht bei der Umsetzung des MLI den ersten gesetzgeberischen Schritt. Dabei ist zu begrüßen, dass nun Ausführungen vorliegen, mit denen die Auswahlentscheidungen Deutschlands zum MLI begründet werden. Damit wird dem Rechtsanwender ermöglicht, die Zielsetzung Deutschlands zu verstehen und sich ein Bild von den Beweggründen der Wahl zu machen. Leider bringen diese Erkenntnisse jedoch nicht nur Positives. Auffallend ist insbesondere die radikale Zusammenkürzung der erfassten deutschen DBA. Überraschte vielerorts bereits, dass Deutschland nur 35 der ca. 100 DBA durch das MLI überarbeiten möchte, sind die verbleibenden 14 Abkommen zu wenig, wenn man bedenkt, welche Erwartungen in das MLI gesetzt wurden. Es scheint, als fehlte der Wille, sich auf das MLI einzulassen. Die Folge ist, dass der Rechtsanwender noch über Jahre von Revisionsprotokollen und Änderungen der bestehenden DBA in Bezug auf das MLI wird lesen dürfen. Die zeitliche Anwendung des MLI wird damit deutlich gestreckt und es ist nicht seriös absehbar, bis wann auch nur ein erheblicher Teil der verpflichtenden Vorgaben des MLI in Deutschland umgesetzt sein wird. Mag über die Sinnhaftigkeit des MLI an sich gestritten werden, so ist die zeitliche Aussicht für den Rechtsanwender vier Jahre nach Vorlage des MLI enttäuschend.
Fundstelle(n):
IWB 14 / 2020 Seite 566 - 576
HAAAH-54022
1Zu den einzelnen Aktionspunkten im Detail unter https://www.oecd.org/tax/beps/beps-actions/.
2OECD, Verhinderung der Gewährung von Abkommensvergünstigungen in unangemessenen Fällen, Aktionspunkt 6 – Abschlussbericht 2015 unter http://go.nwb.de/tn122.
3OECD, Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen, Aktionspunkt 14 – Abschlussbericht 2015 unter http://go.nwb.de/91e6x.
4Mehrseitiges Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung v. – MLI NWB LAAAG-55976, angenommen von rund 100 Staaten, einschließlich Deutschlands; s. grds. zum MLI z. B. Reimer, IStR 2017 S. 1 ff.; Schön, IStR 2017 S. 681 ff.; Gradl/Kiesewetter, IStR 2018 S. 1 ff. und Herfort in Festschrift für Lüdicke, 2019, S. 241 ff.
5Haase in Haase, Multilaterales Instrument, 2017, Einführung Rz. 56.
6Entwurf eines Gesetzes zu dem Mehrseitigen Übereinkommen vom zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung v. ; vgl. inzwischen Gesetzentwurf als BT-Drucks. 19/20979.
7Geplante Umsetzung nach der Liste der Auswahlentscheidungen und Vorbehalte gem. Art. 28 und 29 des MLI v. .
8Sollten künftige Anpassungen der Auswahlentscheidungen anderer Staaten Modifikationen erfordern, soll das Anwendungsgesetz entsprechend angepasst oder erweitert werden.
9Liste der Auswahlentscheidungen und Vorbehalte gem. Art. 28 und 29 des mehrseitigen Übereinkommens v. zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung v. , Denkschrift Teil 1 zu den Vorschriften des MLI v. , Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI v. , vgl. auch BR-Drucks. 294/20.
10Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik gilt fort.
11Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik gilt fort.
12Vgl. weiterführend zur Regelung Kestler in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 3 Rz. 7 ff.
13 NWB MAAAE-47620; zur Einordnung des Urteils Ribbrock, BB 2013 S. 3108 ff.; Hölscher, IStR 2013 S. 877 f.
14Vgl. BR-Drucks. 294/20 S. 139 f.
15Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie v. .
16Vgl. weiterführend zur Regelung Creed in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 4 Rz. 8 ff.
17Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 140.
18Creed in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 4 Rz. 44.
19Vgl. weiterführend zur Regelung Haase in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 5 Rz. 6 ff.
20Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 140 f.
21So wohl Haase in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 5 Rz. 31.
22Vgl. weiterführend zur Regelung Creed in Haase Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 3 Rz. 6 ff.
23Vgl. zum PPT im MLI weiterführend Hackethal in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 7 Rz. 24 ff.
24Vgl. zur LOB im MLI weiterführend Hackethal in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 7 Rz. 46 ff.
25Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 141 f.
26Vgl. weiterführend zur Regelung Luce in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 8 Rz. 3 ff.
27Vgl. weiterführend zur Regelung Bauernschmitt/Dißmann in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 9 Rz. 3 ff.
28Vgl. weiterführend zur Regelung Kölbl in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 10 Rz. 8 ff.
29Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 144.
30Siehe Nürnberg, IWB 13/2018 S. 503 NWB IAAAG-88053 und Frenzel in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 11 Rz. 11 ff.
31Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 145.
32Vgl. weiterführend zur Regelung Möller-Gosoge in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 12 Rz. 18 ff.
33Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 145.
34Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 146.
35Vgl. weiterführend zur Regelung Kölbl in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 13 Rz. 13 ff.
37Insoweit wohl auch Kölbl in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 13 Rz. 70, „Ausnahmekatalog [...] erneuert wird“.
38Vgl. Liste der Auswahlentscheidungen und Vorbehalte gem. Art. 28 und 29 des mehrseitigen Übereinkommens vom zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung v. , S. 13, vgl. BR-Drucks. 294/20 S. 79 ff.
39Vgl. weiterführend zur Regelung Kölbl in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 13 Rz. 43 ff.
40Vgl. weiterführend zur Regelung Kaiser in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 14 Rz. 5 ff.
41Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 146.
42Vgl. weiterführend zur Regelung Bandtel in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 15 Rz. 9 ff.
43U. a. Schmidt/Kulosa, 39. Aufl. 2020, EStG, § 6 Rz. 807.
44Vgl. weiterführend zur Regelung Bandtel in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 16 Rz. 10 ff.
45Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 147.
46Vgl. weiterführend zur Regelung Bandtel in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 17 Rz. 9 ff.
47Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 147.
48Siehe weiterführend auch Nürnberg, IWB 18/2018 S. 688 NWB RAAAG-95113 und Kölbl in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 18 Rz. 3 ff.
49Zum Verfahren Nürnberg in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 23 Rz. 6 ff.
50Zum Verfahren Nürnberg in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 23 Rz. 20 ff.
51Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 148.
52Vgl. Nürnberg in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 23 Rz. 60, da das DBA Malta nicht mehr einbezogen ist.
53Vgl. weiterführend zur Regelung Köstler in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 28 Rz. 6 ff.
54Nachfolgend Denkschrift Teil 2 zur Umsetzung des MLI, BR-Drucks. 294/20 S. 149 f.
55Unter anderem Vierter, Fünfter und Siebenter Teil des AStG, § 42 AO, § 50d Abs. 3 EStG.
56Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates v. über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union oder des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (90/436/EWG).
58Vgl. weiterführend zur Regelung Köstler in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 35 Rz. 3 ff.
59Vgl. weiterführend zur Regelung Nürnberg in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 36 Rz. 5 ff.
60Nürnberg in Haase, Multilaterales Instrument, a. a. O., Art. 36 Rz. 12.
61-11 NWB IAAAH-40058.
62Siehe BR-Drucks. 171/20.
63Obgleich dieses für die verbleibenden Änderungen für das MLI erfasst ist.