MLI Artikel 23

Teil VI: Schiedsverfahren

Artikel 23 Art des Schiedsverfahrens

(1) Soweit sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nicht auf andere Vorschriften verständigen, gelten bei einem Schiedsverfahren nach diesem Teil folgende Vorschriften:

  1. Nachdem ein Fall einem Schiedsverfahren unterworfen wurde, legt die zuständige Behörde jedes Vertragsstaats der Schiedsstelle bis zu einem vereinbarten Tag einen Regelungsvorschlag vor, in dem alle noch offenen Fragen des Falles behandelt werden (unter Berücksichtigung aller zuvor zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten in diesem Fall erzielten Verständigungsregelungen). Der Regelungsvorschlag ist für jede Berichtigung oder vergleichbare Frage des Falles auf die Festlegung bestimmter Geldbeträge (zum Beispiel von Einkünften oder Aufwendungen) oder, wenn angegeben, des höchsten aufgrund des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens erhobenen Steuersatzes zu beschränken. Konnten die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten in einem Fall über eine Frage betreffend die Voraussetzungen für die Anwendung einer Bestimmung des betreffenden unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens (im Folgenden als „Schwellenfrage“ bezeichnet) keine Verständigungsregelung erzielen, zum Beispiel darüber, ob eine natürliche Person eine ansässige Person ist oder ob eine Betriebsstätte besteht, so können die zuständigen Behörden alternative Regelungsvorschläge zu Fragen vorlegen, bei denen die Entscheidung von der Regelung dieser Schwellenfragen abhängt.

  2. Die zuständige Behörde jedes Vertragsstaats kann außerdem ein erläuterndes Positionspapier zur Prüfung durch die Schiedsstelle vorlegen. Jede zuständige Behörde, die einen Regelungsvorschlag oder ein erläuterndes Positionspapier vorlegt, übermittelt der anderen zuständigen Behörde bis zu dem Tag, bis zu dem der Regelungsvorschlag und das erläuternde Positionspapier vorgelegt werden müssen, eine Abschrift. Jede zuständige Behörde kann der Schiedsstelle außerdem bis zu einem vereinbarten Tag eine Erwiderung zu dem von der anderen zuständigen Behörde vorgelegten Regelungsvorschlag und erläuternden Positionspapier übermitteln. Der anderen zuständigen Behörde wird bis zu dem Tag, bis zu dem die Erwiderung vorgelegt werden muss, eine Abschrift davon übermittelt.

  3. Die Schiedsstelle wählt als Entscheidung einen der von den zuständigen Behörden in Bezug auf jede Frage und eventuelle Schwellenfragen vorgelegten Regelungsvorschläge für den Fall aus und nimmt in ihre Entscheidung keine Begründung oder sonstige Erläuterung auf. Der Schiedsspruch wird mit einfacher Mehrheit der Mitglieder der Schiedsstelle erlassen. Die Schiedsstelle übermittelt den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten schriftlich ihre Entscheidung. Der Schiedsspruch hat keine Präzedenzwirkung.

(2) Für die Anwendung dieses Artikels in Bezug auf ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen kann sich eine Vertragspartei dieses Übereinkommens vorbehalten, dass Absatz 1 nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt. In diesem Fall gelten für ein Schiedsverfahren folgende Vorschriften, soweit sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nicht auf andere Vorschriften verständigen:

  1. Nachdem ein Fall einem Schiedsverfahren unterworfen wurde, stellt die zuständige Behörde jedes Vertragsstaats allen Mitgliedern der Schiedsstelle unverzüglich die für den Schiedsspruch gegebenenfalls erforderlichen Informationen zur Verfügung. Sofern die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nichts anderes vereinbaren, werden Informationen, die den beiden zuständigen Behörden vor Eingang des Schiedsantrags bei ihnen nicht zur Verfügung standen, bei der Entscheidung nicht berücksichtigt.

  2. Die Schiedsstelle entscheidet über die dem Schiedsverfahren unterworfenen Fragen in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens und vorbehaltlich dieser Bestimmungen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten. Die Mitglieder der Schiedsstelle berücksichtigen außerdem alle anderen gegebenenfalls von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten durch Verständigung ausdrücklich benannten Quellen.

  3. Der Schiedsspruch wird den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten schriftlich übermittelt und enthält Angaben zu den zugrunde gelegten Rechtsquellen sowie zu der Argumentation, die zu dem Ergebnis geführt hat. Der Schiedsspruch wird mit einfacher Mehrheit der Mitglieder der Schiedsstelle erlassen. Der Schiedsspruch hat keine Präzedenzwirkung.

(3) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens, die nicht den Vorbehalt nach Absatz 2 angebracht hat, kann sich vorbehalten, dass die Absätze 1 und 2 nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen mit Vertragsparteien dieses Übereinkommens gelten, die diesen Vorbehalt angebracht haben. In diesem Fall werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten jedes derartigen unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens bemühen, eine Verständigungsregelung über die Art des Schiedsverfahrens zu erzielen, die für das betreffende unter das Übereinkommen fallende Steuerabkommen gilt. Artikel 19 (Obligatorisches verbindliches Schiedsverfahren) gilt erst dann in Bezug auf ein unter das Übereinkommen fallendes Steuerabkommen, wenn eine solche Verständigungsregelung erzielt wurde.

(4) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich außerdem entscheiden, Absatz 5 in Bezug auf ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen anzuwenden, und notifiziert dies dem Verwahrer. Absatz 5 gilt für zwei Vertragsstaaten in Bezug auf ein unter das Übereinkommen fallendes Steuerabkommen, wenn einer der Vertragsstaaten eine entsprechende Notifikation abgegeben hat.

(5) Vor Beginn eines Schiedsverfahrens stellen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens sicher, dass jede Person, die den Fall vorgelegt hat, und ihre Berater sich schriftlich verpflichten, im Laufe des Schiedsverfahrens von einer der zuständigen Behörden oder der Schiedsstelle erhaltene Informationen nicht an eine andere Person weiterzugeben. Das Verständigungsverfahren nach dem unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen sowie das Schiedsverfahren nach diesem Teil enden in Bezug auf den Fall, wenn nach Stellung eines Schiedsantrags und vor Übermittlung des Schiedsspruchs an die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten durch die Schiedsstelle eine Person, die den Fall vorgelegt hat, oder einer der Berater dieser Person erheblich gegen diese Erklärung verstößt.

(6) Ungeachtet des Absatzes 4 kann sich eine Vertragspartei dieses Übereinkommens, die sich nicht für die Anwendung des Absatzes 5 entscheidet, vorbehalten, dass Absatz 5 in Bezug auf ein oder mehrere benannte unter das Übereinkommen fallende Steuerabkommen oder alle ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen nicht gilt.

(7) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens, die sich für die Anwendung des Absatzes 5 entscheidet, kann sich vorbehalten, dass dieser Teil in Bezug auf alle unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen, zu denen der andere Vertragsstaat einen Vorbehalt nach Absatz 6 anbringt, nicht gilt.

Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
LAAAG-55976