Übersicht über die Abgabenordnung - Inhaltsübersicht
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Inhaltsübersicht Seite I. Entwicklung, Zweck und Bedeutung der Abgabenordnung 6271 II. Grundsätze des Abgabenrechts 6272 III. Grundbegriffe der Abgabenordnung 6274 IV. Anwendungsbereich 6277 V. Zuständigkeit der Finanzbehörden 6278 VI. Steuergeheimnis und Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen 6278 VII. Steuerschuldrecht 6279 VIII. Allgemeine Verfahrensvorschriften 6282 IX. Verwaltungsakte 6287 X. Erfassung der Steuerpflichtigen; Anzeigepflichten 6290 XI. Mitwirkungspflichten 6291 XII. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren 6294 XIII. Erhebungsverfahren 6303 XIV. Vollstreckung 6306 XV. Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren bis 1995 6308 XVI. Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren ab 1996 6310 |
I. Entwicklung, Zweck und Bedeutung der Abgabenordnung
Die AO 77 löste die am in Kraft getretene und bis zum geltende RAO ab, die auf einen im Sommer 1918 gefaßten Beschluß des Reichsschatzamtes zurückging, ein Mantelgesetz für das Steuerrecht zu schaffen, in dem die allgemeinen und sich zum Teil widersprechenden Vorschriften der Einzelsteuergesetze zusammengefaßt werden sollten. In den ihrem Inkrafttreten folgenden Jahrzehnten hat die RAO sich trotz zahlreicher Novellierungen voll bewährt. Die Zeit des nationalsozialistischen Staates führte jedoch zu einem tiefen Einbruch in die rechtsstaatlichen Grundsätze der RAO. Die sog. nationalsozialistische Weltanschauung wurde zur Grundlage des Handelns der Verwaltung und der FG gemacht (vgl. § 1 Abs. 1, 3, § 2 Abs. 3 StAnpG). Außerdem verlor die RAO in dieser Zeit immer mehr ihren Charakter als Mantelgesetz für das allgemeine Steuerrecht, das zunehmend in besonderen Gesetzen geregelt wurde.
In die Jahre nach 1945 bis zum Inkrafttreten des GG fielen die Auflösung der einheitlichen Reichs-FinVerw und ihre Ersetzung durch Länder-FinVerw, die Wiedererrichtung der 1939 beseitigten erstinstanzlichen FG. Das Verfahrensrecht der RAO blieb allerdings von Eingriffen der Besatzungsmächte nahezu unberührt, sieht man von der Aufhebung typischer NS-Vorschriften ab. Mit Inkrafttreten des GG wurden jedoch die Änderungen der RAO zahlreicher, wobei die in Betracht kommenden Regelungen teilweise außerhalb der RAO erfolgten. Der Charakter eines Mantelgesetzes ging verloren. S. 3802
Die Gesamtreform der RAO nahm 1963 ihren Anfang mit der Entschließung des Deutschen Bundestages vom , durch die er die Bundesregierung aufforderte, eine Reform des allgemeinen Abgabenrechts vorzubereiten. Durch Zusammenfassung der Vorschriften des allgemeinen Steuerrechts und des Steuerverwaltungsrechts ist die AO 77 (BGBl 1976 I S. 613) wieder zu einem Mantelgesetz geworden. Sie ist am in Kraft getreten. Außerhalb der AO blieben im wesentlichen nur das FVG, das StBerG sowie die FGO bestehen. Das Einführungsgesetz zur AO 77 paßte zahlreiche andere Gesetze an die neue AO an bzw. hob andere Gesetze auf. Inzwischen hat das vielfach als ”Steuergrundgesetz” bezeichnete Gesetz über 40 Änderungen erfahren; die letzten wesentlichen Änderungen erfolgten durch das Grenzpendlergesetz v. (BGBl I S. 1395), das zum Teil erhebliche und vielfach kritisierte Eingriffe in das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren bringt, insoweit allerdings erst mit Wirkung ab .
Übersicht über die Abgabenordnung - Grundsätze des AbgabenrechtsII. Grundsätze des Abgabenrechts
Der weitgehende Eingriff des Steuergläubigers aufgrund der ihm verliehenen Ermittlungs- und Prüfungsbefugnisse ist nur dann vertretbar, wenn das Abgabenrecht die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Gesetz- und Rechtmäßigkeit der Verwaltung und die Möglichkeit, sein Recht vor einem unabhängigen Gericht zu suchen, gewährleistet.
1. Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung
§ 3 AO enthält den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Danach trifft die Auferlegung von Steuern alle, die den gesetzlichen Tatbestand der Leistungspflicht erfüllen. Dieser Hinweis ist das Spiegelbild des Grundsatzes in Art. 3 GG (alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich) und des Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt und die Rspr. an Gesetz und Recht gebunden sind. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet nach einhelliger Ansicht, daß wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Wesentlich Ungleiches darf ungleich behandelt werden. Der Grundsatz enthält mithin nur ein Willkürverbot; er fordert nur eine relative Gleichheit. Deshalb verstößt der Gesetzgeber nicht gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit, wenn er in gesetzlichen Vorschriften eine nicht auf Willkür beruhende stl. Ungleichmäßigkeit festlegt, z. B. Freigrenzen, Freibeträge, Besteuerung nach sozialen Erwägungen, Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen, Besteuerung nach Durchschnittsätzen. Eine in jeder Beziehung ”gerechte” Besteuerung gibt es nicht. Die aus dem Spiel der politischen und wirtschaftlichen Kräfte zum Gesetz erhobenen Vorstellungen müssen als relativ gerecht hingenommen werden.
Durch typisierende Betrachtungsweise wird vielfach der Lebenssachverhalt in seiner typischen Erscheinungsform als vorliegend fingiert. Die gesetzliche Typisierung ist von der Rspr. des BVerfG grds. als rechtmäßig anerkannt worden und nicht als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG angesehen worden (vgl. BVerfGE Bd. 21, 12, 27). Die Typisierung durch die Rspr. hat in der Rspr. des BFH erheblich an Bedeutung verloren. Sie wird heute bei der ESt und LSt im wesentlichen noch dort angewandt, wo sich ein Aufwand nicht leicht und einwandfrei auf die private und berufliche (betriebliche) Sphäre aufteilen läßt und eine gewisse Typisierung unter dem ”Gesichtspunkt der stl. Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit” dem BFH geboten erscheint. Typisierungen durch Verwaltungsanweisungen in Steuerrichtlinien, Erlassen und Verfügungen, die für den Bürger den Beweis des Gegenteils ausschließen, binden an sich nur die FinVerw, nicht aber die Steuergerichte. Sie werden jedoch bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch von den Steuergerichten aus Gründen der Gleichbehandlung aller Bürger beachtet (vgl. von Bornhaupt, NWB F. 2 S. 5429, m. w. N. zur Rechtsprechung).
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise (ausführlich hierzu Fischer, NWB F. 2 S. 6143) stellt es gegenüber der typisierenden Betrachtungsweise auf den Einzelfall ab, den sie wirtschaftlich (losgelöst von den juristischen Konstruktionen) beurteilt. S. 3803
Dem wirtschaftlichen Ablauf nicht gerecht werdende Gestaltungen werden ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach durch Gesetzesauslegung erfaßt. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise behandelt wirtschaftlich gleichliegende Tatbestände auch stl. gleich und verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
2. Treu und Glauben
Im Steuerrecht steht neben dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung der von Treu und Glauben im Vordergrund, wobei es keinen uneingeschränkten Vorrang des einen Grundsatzes vor dem anderen gibt. Sie müssen vielmehr im Einzelfall gegeneinander abgewogen und einem der Grundsätze muß Vorrang eingeräumt werden. Unter Treu und Glauben versteht man im Steuerrecht, daß im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessene Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der andere vertraut hat und aufgrund dessen er - insbesondere wirtschaftlich - disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt ( BStBl 1986 II S. 520, 523). S. im einzelnen Hundt-Eßwein, NWB F. 2 S. 5077. Der Grundsatz ist im Steuerrecht von Amts wegen zu berücksichtigen ( HFR 1964 S. 132) und von Gesetzgeber, FinVerw und Steuergerichten zu beachten. Von besonderer Bedeutung im Steuerrecht ist der Grundsatz von Treu und Glauben bei den folgenden Rechtsinstituten.
a) Vereinbarungen; tatsächliche Verständigung
Die Steuererhebung nach Maßgabe der Gesetze schließt vom Gesetz abweichende Vereinbarungen zwischen Fiskus und Bürger über die Höhe der Steuer aus, ausgenommen das Gesetz gestattet derartige Vereinbarungen. Daher sind Vergleiche, durch die der Fiskus bewußt ganz oder teilweise auf den Steueranspruch verzichtet oder der Stpfl. ohne rechtliche Verpflichtung etwas leistet, nichtig ( BStBl III S. 251).
Dagegen ist eine ”tatsächliche Verständigung” zwischen dem Stpfl. und der zuständigen FinBeh über eine bestimmte (stl.) Behandlung von Sachverhalten, die der Besteuerung - insbesondere in Schätzungsfällen - zugrunde zu legen sind, grds. zulässig. Sie ist auch zu beachten, wenn die maßgebenden Erklärungen vor dem FA während der Schlußbesprechung nach einer Außenprüfung für den Stpfl. und für das FA wirksam abgegeben werden. Eine ”tatsächliche Verständigung” hat ihre (Ausgangs-)Grundlage in dem bestehenden, konkreten Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Stpfl. und dem FA. Sie bindet die daran Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ( BStBl 1985 II S. 354; v. , BStBl II S. 673).
b) Auskünfte, Zusagen
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht nach der AO 77 nur aufgrund der verbindlichen Zusage im Anschluß an eine Außenprüfung (§ 204 AO) sowie in den Fällen der Anrufungsauskunft nach § 42e EStG und bei Zollauskünften (§ 23 ZG). Gleichwohl kann das FA einem Bürger rechtsverbindlich zusagen, bei der späteren Veranlagung einen Sachverhalt in bestimmtem Sinne rechtlich zu behandeln. Wenn der Bürger dann aufgrund einer solchen Zusage wirtschaftlich disponiert, ist das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an seine Erklärung gebunden, vorausgesetzt, der Stpfl. hat dem FA den Sachverhalt vollständig unterbreitet, der zuständige Sachgebietsleiter hat die Zusage erteilt und das FA wollte sich durch die Zusage binden ( BStBl 1986 II S. 520, 522). Vgl. a. (BStBl I S. 474) zur Erprobung von Grundsätzen zur Erteilung verbindlicher Auskünfte außerhalb der Außenprüfung. Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung ist das FA bei Durchführung einer Veranlagung - abgesehen von einer rechtsverbindlichen Zusage oder S. 3804dem Vorliegen eines bestimmten Vertrauenstatbestandes - ansonsten nicht an Auffassungen gebunden, die es bei vorhergehenden Veranlagungen vertreten hat ( a. a. O.).
c) Verwirkung
Verwirkung ist ein Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Tuns, das Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben ist. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment sowohl ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand), als auch, daß der Anspruchsverpflichtete tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolge; BStBl II S. 780).
3. Grundsatz der Fürsorgepflicht des Finanzamts
Die FinVerw ist eine typische Eingriffsverwaltung, die i. d. R. Geld als Leistung ohne besondere Gegenleistung (§ 3 AO) fordert. Hierzu greift sie intensiv in die wirtschaftliche und oft auch in die private Sphäre des Bürgers ein, der zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 90 AO). Dieser weitgehenden Mitwirkungspflicht des Stpfl. steht eine entsprechende Gegenpflicht der Verwaltung i. S. einer Fürsorgepflicht gegenüber. Die rechtliche Grundlage für diese Fürsorgepflicht ergibt sich u. a. aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, von Recht und Billigkeit und den besonderen gesetzlichen Vorschriften der AO. So hat die FinBeh nach § 88 Abs. 2 AO auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Ferner sieht § 89 AO bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Auskunft an den Stpfl. durch das FA über das Verfahren und auch materieller Art vor. Vgl. unten Nr. 26, c und Bilsdorfer, NWB F. 2 S. 5137.
Übersicht über die Abgabenordnung - Grundbegriffe der AbgabenordnungIII. Grundbegriffe der Abgabenordnung
4. Begriffe ”Gesetz” und ”Steuergesetz”
a) Gesetz und Rechtsnorm
Im Sinne der AO ist ”Gesetz” jede Rechtsnorm (§ 4 AO), d. h., die AO versteht unter dem Begriff ”Gesetz” nicht nur die Gesetze im formellen Sinne (von den gesetzgebenden Körperschaften nach dem GG bzw. in den Landesverfassungen vorgesehenen Verfahren erlassene Gesetze), sondern auch Gesetze im materiellen Sinne, das sind Rechtsnormen, die als RechtsVO oder als autonome Satzungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts aufgrund der ihnen von Staats wegen verliehenen Autonomie (etwa Satzungen der Gemeinden über die Festsetzung der Hebesätze zu den Realsteuern, gemeindliche Steuerordnungen, Steuerordnungen der anerkannten Kirchen und Kirchengemeinden, die aufgrund der Länder-KiStG ergangen sind) gesetzt sind. Die Wirksamkeit der RechtsVO und autonomen Satzungen hängt aber immer von einer Ermächtigung durch formelle Gesetze ab (Art. 80 GG). Die RechtsVO müssen sich ferner im Rahmen der gegebenen Ermächtigung halten und im BGBl oder BAnz verkündet worden sein. Die Ermächtigung, RechtsVO zu erlassen, kann durch Gesetz der Bundesregierung, einem Bundesminister oder den Landesregierungen zugesprochen werden (Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG). Zur Übertragung der Ermächtigung bedarf es ebenfalls einer RechtsVO.
b) Steuergesetz
Die AO verwendet an verschiedenen Stellen, z. B. in §§ 33, 41, 140, 149, 150, 162, den Begriff ”Steuergesetz”, der enger als der Begriff ”Gesetz” ist. Während in § 2 Abs. 2 RAO verschiedene Gesetze ausdrücklich als Steuergesetz bezeichnet wurden (z. B. die Gesetze über die Finanzverwaltung, das BewG, die FGO), enthält § 4 AO eine derartige Aufzählung nicht mehr. Man wird als ”Steuergesetz” i. S. der AO außer den vorgenannten Steuergesetzen jede Steuerrechtsnorm ansehen müssen. S. 3805
5. Völkerrecht, völkerrechtliche Vereinbarungen, § 2 AO Verkehrssitte, Gewohnheitsrecht
Neben RechtsVO und autonomen Satzungen sind Rechtsnormen auch gem. Art. 25 GG die allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Sie gehen den deutschen Gesetzen vor. Sie sind Bestandteil des deutschen Bundesrechts und gehen nach Art. 31 GG auch dem Landesrecht vor. § 2 AO begründet ausdrücklich den Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen. Verträge mit anderen Staaten i. S. des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG über die Besteuerung gehen danach, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor.
VO (Art. 189 Abs. 2 EWG-Vertrag) und allgemeine Entscheidungen i. S. des Art. 14 Abs. 2, Art. 15 Abs. 3 EGKS-Vertrag haben allgemeine Geltung. Sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU. Sie sind daher Rechtsnormen (Tipke/Kruse, a. a. O., § 2 Tz. 15a).
Gewohnheitsrecht besteht aus ungeschriebenen Rechtsnormen, die sich durch ständige Übung gebildet haben und vom allgemeinen Rechtsbewußtsein bestätigt worden sind. Ob und inwieweit Steuerrecht auf Gewohnheitsrecht beruhen kann, ist streitig (verneinend Paulick, Lehrbuch des allg. Steuerrechts, 3. Aufl., Rdn. 244 ff., für Steuerbelastungen und -vergünstigungen; Kruse, StuW 1959 S. 209 ff. für ”steuerschaffendes Gewohnheitsrecht”). Tipke (in Tipke/Kruse, a. a. O., § 4 Tz. 41) hält es für nicht vereinbar mit Art. 105 GG.
Keine Rechtsnorm i. S. des § 4 AO sind Verwaltungsanordnungen, Richtlinien, BMF-Schreiben sowie Erlasse und Schreiben der Länder-FinBeh. Sie binden die nachgeordneten Behörden, nicht jedoch die Steuergerichte. Auch Verkehrssitte und Handelsbrauch sind keine Rechtsnormen.
6. Begriff der Steuern; steuerliche Nebenleistungen
§ 3 AO definiert den Begriff ”Steuern”. Diese Legaldefinition ist einheitlich anzuwenden ( BVerfGE Bd. 7 S. 244). Danach sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Einnahmeerzielung kann Nebenzweck sein. Ohne Bedeutung für den Begriff ”Steuern” ist es, ob die Geldleistung einmalig oder fortlaufend zu erbringen ist. Die Begriffsbestimmung klammert im übrigen Naturalleistungen, Verwaltungs- und Benutzungsgebühren (z. B. an die IHK), Geldstrafen und Ungehorsamsfolgen (Sühne wegen Verstoßes gegen die Rechtsordnung) aus. Die Worte ”zur Erzielung von Einnahmen” dürfen nicht eng ausgelegt werden, weil Steuern auch zu anderen Zwecken auferlegt werden können. Auch die Verfolgung nur außersteuerlicher Zwecke durch ein Steuergesetz verstößt nicht gegen das GG. Der Gesetzgeber hat bei der Erschließung von Steuerquellen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit, wobei er sich von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen und steuertechnischen Erwägungen leiten lassen kann. Zu den Steuern i. S. des § 3 Abs. 1 AO gehören z. B. die ESt, KSt, LSt, USt, GrESt sowie nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AO die Zölle und Abschöpfungen. Keine Steuern i. S. des § 3 AO sind die sog. Sonderabgaben, die nicht zur allgemeinen Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs, sondern zur Finanzierung bestimmter Aufgaben bestimmt sind. Sie dienen nicht der Erzielung von Einnahmen. Vgl. hierzu Hübner, NWB F. 2 S. 5747. Zu den ”stl. Nebenleistungen” gehören nach § 3 Abs. 3 AO Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Zinsen (§§ 233-237 AO), Säumniszuschläge (§ 240 AO), Zwangsgelder (§ 239 AO) und Kosten (§§ 178, 337-345 AO). Auf stl. Nebenleistungen sind nach § 3 Abs. 3 AO die Vorschriften der AO sinngemäß anzuwenden, ausgenommen die Vorschriften über das Festsetzungs- und S. 3806Feststellungsverfahren (§§ 155 ff. AO), die Außenprüfung (§§ 193 ff. AO), die Steuerfahndung (§ 208 AO) und die Steueraufsicht in besonderen Fällen (§§ 209 ff. AO).
Öffentlich-rechtliche Gemeinwesen i. S. des § 3 Abs. 1 AO sind neben dem Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden auch die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, denen das Recht zur Steuererhebung durch das Land verliehen ist (Art. 140 GG).
7. Ermessen
Ist die FinBeh ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so hat sie nach § 5 AO ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der Grundsatz des sog. Übermaßverbots und der der Verhältnismäßigkeit der Mittel, die in der Vorschrift nicht ausdrücklich aufgezählt werden, sind allgemein anerkannt (vgl. dazu auch BStBl II S. 592). Bei der Ermessensausübung sind ferner die Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Erforderlichkeit, der Zumutbarkeit, der Billigkeit, von Treu und Glauben sowie das Willkürverbot zu beachten. Auch Auskunft über die einschlägigen Ermessensrichtlinien ist vorbehaltlich etwaiger Geheimhaltungspflichten zu erteilen ( HFR 1981 S. 491). Allgemeine Verwaltungsanweisungen eines Landes können keine Selbstbindung des Ermessens der Verwaltung eines anderen Landes bewirken ( BStBl 1986 II S. 36). Ausführlich Urban, NWB F. 2 S. 5831.
8. Finanzbehörden § 6 AO
Die AO verwendet durchgängig den Begriff der FinBeh. Sie stellt in § 6 Abs. 2 AO klar, daß FinBeh i. S. der AO folgende im FVG genannten Bundes- und Landes-FinBeh sind: das BMF und die für die FinVerw zuständigen obersten Landesbehörden als oberste Behörden; die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, das Bundesamt für Finanzen (BfF) und das Zollkriminalamt als Bundesoberbehörden; Rechenzentren als Landesoberbehörden; die OFD als Mittelbehörden und die HZÄ einschließlich ihrer Dienststellen, die Zollfahndungsämter, die FÄ und die besonderen Landes-FinBeh als örtliche Behörden.
9. Amtsträger
Amtsträger i. S. der AO ist, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist oder in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht, z. B. Notare, oder sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen, z. B. Verwaltungsangestellte im Außenprüfungsdienst, soweit sie nicht lediglich als Hilfskräfte bei öffentlichen Aufgaben mitwirken, z. B. Schreibkräfte.
10. Wohnsitz; gewöhnlicher Aufenthalt
Nach § 8 AO, der an die tatsächliche Gestaltung anknüpft, hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts setzt nach § 9 AO voraus, daß die äußeren Umstände erkennen lassen, daß der Stpfl. in dem Aufenthaltsgebiet oder an dem Aufenthaltsort nicht nur vorübergehend verweilt. Der Tatbestand des gewöhnlichen Aufenthalts kann jedoch ausnahmsweise auch bei einer zeitlich geringeren Aufenthaltsdauer verwirklicht werden ( BStBl III S. 429).
11. Geschäftsleitung; Sitz; Betriebsstätte
Geschäftsleitung ist nach § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. ”Sitz” einer Körperschaft usw. ist nach § 11 AO der Ort, der durch Gesetz usw. bestimmt ist.
Betriebsstätte ist nach § 12 Abs. 1 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Die Vorschrift hat ihre S. 3807hauptsächliche Bedeutung für die im Rahmen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht zu treffende Abgrenzung der inländ. Besteuerung gegenüber dem Ausland. Der Betriebsstättenbegriff gilt auch für die freiberufliche Tätigkeit und Stpfl. mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Für Zwecke der GewSt-Zerlegung enthält § 28 GewStG ergänzende Regelungen. Unter den Begriff fallen auch bewegliche Geschäftseinrichtungen mit vorübergehendem festen Standort, z. B. fahrbare Verkaufsstätten mit wechselndem Standplatz. Als Betriebsstätten sind insbesondere anzusehen: die Stätte der Geschäftsleitung, die keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraussetzt ( BStBl 1994 II S. 148), Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabrikations- oder Werkstätten, Warenlager, Ein- oder Verkaufsstellen, Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen, auch Versuchsbohrungen, Bauausführungen und Montagen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen.
12. Angehörige
Angehörige i. S. der stl. Vorschriften sind die in § 15 AO aufgezählten Personen. Ausführlich Hundt-Eßwein, NWB F. 2 S. 5045. Das Angehörigenverhältnis besteht auch dann, wenn die die Beziehung begründende Ehe nicht mehr besteht (Fälle des § 15 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 AO) oder die Vormundschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist (Fälle des § 15 Abs. 1 Nr. 3-7 AO) oder die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Fälle des § 15 Abs. 1 Nr. 8 AO).
Übersicht über die Abgabenordnung - AnwendungsbereichIV. Anwendungsbereich
13. Räumlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Der räumliche Anwendungsbereich der AO ist die Bundesrepublik Deutschland. Teilweise verwenden die Steuergesetze auch den Begriff ”Inland”. Es ist deshalb von den einzelnen Steuergesetzen auszugehen, deren Geltungsbereich teils erweitert, teils eingeschränkt wird.
Der sachliche Anwendungsbereich der AO gilt nach § 1 Abs. 1 AO für alle Steuern einschl. der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder EG-Recht geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landes-FinBeh verwaltet sind. Sie gilt nicht für andere öffentlich-rechtliche Abgaben wie z. B. Beiträge, Gebühren usw., es sei denn, die AO wird durch Gesetz außerhalb der AO, z. B. in KAG, ausdrücklich für anwendbar erklärt. Auch für Steuererstattungen gilt die AO. Für Prämien, z. B. Spar- und Wohnungsbauprämie, Zulagen, z. B. nach §§ 19, 28 BerlinFG und nach InvZulG, und Subventionen nach den EG-Marktordnungen gilt die AO nur, soweit die erwähnten Gesetze und Marktordnungen sie für anwendbar erklären. Ausdrücklich für anwendbar erklärt werden durch § 1 Abs. 2 AO die Vorschriften der AO für die Realsteuern, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist. Ausgenommen sind dabei im wesentlichen nur die Vorschriften über die Vollstreckung und das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren.
Der Anwendungsbereich der AO erfaßt nicht die landesrechtlich geregelten Steuern. Hinsichtlich der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (z. B. GetränkeSt, SpeiseeisSt, JagdSt, HundeSt), die der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterstehen (Art. 105 Abs. 2a GG), kann der Bund nur verfahrensrechtliche Vorschriften erlassen (§ 108 Abs. 5 GG). Da die Länder u. a. gegen eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verfahrensvorschriften bei den kleinen Gemeindesteuern waren, hat die AO davon abgesehen, diese Vorschriften für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern für anwendbar zu erklären.
Übersicht über die Abgabenordnung - Zuständigkeit der FinanzbehördenV. Zuständigkeit der Finanzbehörden
Grundlage für die Einforderung des Steueranspruchs ist die Festsetzung durch einen Verwaltungsakt der zuständigen FinBeh.
14. Sachliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit, die Verteilung der den Behörden zugewiesenen Verwaltungsaufgaben auf verschiedene Verwaltungsträger, regelt im wesentlichen das FVG. Die AO enthält einige ergänzende Vorschriften (z. B. §§ 163 Abs. 2, 195, 208, 227 Abs. 2, 367 Abs. 1 und 3, 387, 409 AO). Im Rahmen des föderativen Aufbaus der Bundesrepublik ist die verbandsmäßige Zuständigkeit als besondere Art der sachlichen Zuständigkeit zu beachten (s. AEAO zu § 16, Nr. 2).
15. Örtliche Zuständigkeit
Die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit regeln die Frage, welche von mehreren gleichgeordneten Behörden, deren Aufgabenbereiche untereinander nach regionalen Gesichtspunkten abgegrenzt sind, innerhalb ihrer sachlichen Zuständigkeit zur Entscheidung berufen sind. Die örtlichen Zuständigkeiten sind geregelt in §§ 17-29 AO. Darüber hinaus bestehen Sonderregelungen über die örtliche Zuständigkeit, z. B. in den §§ 195, 367, 388 AO sowie in Einzelsteuergesetzen: § 35 ErbStG, § 17 GrEStG, § 1 VersStDV, § 1 KraftStDV, § 10 FeuerschutzStG.
Übersicht über die Abgabenordnung - Steuergeheimnis und Mitteilung der BesteuerungsgrundlagenVI. Steuergeheimnis und Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen
16. Steuergeheimnis
Eine Verletzung des Steuergeheimnisses durch einen Amtsträger liegt vor bei unbefugtem Offenbaren oder Verwerten von Verhältnissen eines anderen oder durch unbefugtes Abrufen geschützter Daten im automatisierten Verfahren (vgl. § 30 Abs. 2 AO). Dem Amtsträger stehen die in § 30 Abs. 3 AO genannten Personen gleich. Auch wenn ein Denunzierter Akteneinsicht und Auskunftserteilung durch die FinBeh verlangt, haben Amtsträger über den Inhalt der verwalteten Akten Stillschweigen zu bewahren ( BStBl II S. 571). Zur Frage eines Rechtsanspruchs auf Unterlassung einer Auskunftserteilung ohne Ersuchen an die zuständige Behörde eines EG-Mitgliedstaats vgl. (BStBl II S. 412).
§ 30 Abs. 4 Nr. 1-5 AO stellt klar, daß eine Offenbarung von Verhältnissen des Stpfl. immer dann zulässig ist, soweit sie zur Durchführung eines Besteuerungsverfahrens, eines Steuerstrafverfahrens oder Bußgeldverfahrens erforderlich ist. Die Offenbarung ist auch zulässig, wenn sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist oder wenn ihr der Betroffene zustimmt. Im Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren gewonnene Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten dürfen an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Die FÄ können daher z. B. die Staatsanwaltschaft auch über sog. Zufallsfunde unterrichten. Voraussetzung ist jedoch stets, daß die Erkenntnisse im Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren selbst gewonnen werden (vgl. AEAO zu § 30, Nr. 9). Eine Offenbarung von Kenntnissen zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat ist uneingeschränkt zulässig, wenn die Tatsachen der FinBeh ohne Bestehen einer stl. Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt geworden sind. Eine Offenbarung ist auch bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses zulässig. Vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber nach § 30 Abs. 5 AO offenbart werden. - Im einzelnen s. Bilsdorfer, NWB F. 2 S. 6257.
Eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses enthalten § 88a AO zur Sammlung geschützter Daten und § 249 Abs. 2 AO im Vollstreckungsverfahren. S. 3809
17. Schutz von Bankkunden
Nach § 30a AO ist es den FinBeh verboten, zum Zweck der allgemeinen Überwachung die einmalige oder periodische Mitteilung von Konten bestimmter Art oder bestimmter Höhe zu verlangen (§ 30a Abs. 2 AO). Ergänzt wird diese Regelung in § 30a Abs. 3 AO, wonach bei Außenprüfungen von Kreditinstituten keine Feststellungen oder Anschriften zum Zwecke der Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung bei Kundenkonten oder -depots vorgenommen werden dürfen. In Vordrucken für Steuererklärungen soll die Angabe der Nummern der Konten und Depots, die der Stpfl. bei Kreditinstituten unterhält, nach § 33a Abs. 4 AO nicht verlangt werden, soweit nicht steuermindernde Ausgaben oder Vergünstigungen geltend gemacht werden oder die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem FA dies bedingt. Die Regelung ist auf erhebliche Kritik im Schrifttum gestoßen (vgl. z. B. Tipke/Kruse, a. a. O., § 30a AO Tz. 2, 3).
18. Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen §§ 31 ff. AO
Die Offenbarung von Besteuerungsgrundlagen, Steuermeßbeträgen und Steuerbeträgen an KöR einschl. der Religionsgemeinschaften, die KöR sind, zur Feststellung solcher Abgaben, die an die Besteuerungsgrundlagen usw. anknüpfen, ist zulässig, desgleichen die Mitteilung der stl. Verhältnisse des Betroffenen an die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung zur Beitragsfestsetzung (§ 31 Abs. 1 und 2 AO), Mitteilung bei der GrSt-Veranlagung (§ 31 Abs. 3 AO) sowie zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des Leistungsmißbrauchs (§ 31a AO).
Übersicht über die Abgabenordnung - SteuerschuldrechtVII. Steuerschuldrecht
Der Zweite Teil der AO faßt vorwiegend Vorschriften materiellen Inhalts zusammen.
19. Steuerpflichtiger
Stpfl. ist jeder, dem durch Gesetz stl. Pflichten auferlegt werden, insbesondere Entrichtung der Steuer, Abgabe von Steuererklärungen, Führen von Büchern und Aufzeichnungen, Einbehaltung und Abführung der Steuer für Rechnung Dritter (§ 33 Abs. 1 AO).
20. Pflichten der gesetzlichen Vertreter, Vermögens- verwalter und Verfügungsberechtigten; Erlöschen der Vertretungsmacht
In den §§ 34-36 AO wird der Kreis der Personen umschrieben, die für den Stpfl. dessen Pflichten zu erfüllen haben und damit in ein unmittelbares Pflichtverhältnis zur FinBeh treten. Gesetzliche Vertreter und Vermögensverwalter (§ 34 AO) haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen auferlegt sind. Zur Verantwortlichkeit jedes Geschäftsführers einer GmbH für die Geschäftsführung im ganzen, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind und die Aufgaben intern aufgeteilt sind, vgl. BStBl II S. 384. Für Bevollmächtigte gilt dies nur insoweit, als sie verfügungsberechtigt sind (§ 35 AO). Dadurch wird zugleich der Anwendungsbereich der Haftungsvorschrift des § 69 AO (vgl. Nr. 23) eingeschränkt. Die Angehörigen der steuerberatenden Berufe werden weitgehend nicht von der Vorschrift erfaßt. Verfügungsberechtigt ist jeder, der wirtschaftlich über die Mittel des anderen verfügen kann. Für das Bestehen eines rechtlichen Vertretungsverhältnisses kommt es auf das Auftreten nach außen an. Beschränkungen im Innenverhältnis sind unbeachtlich. Auch nach S. 3810Erlöschen der Vertretungs- und Verfügungsmacht, gleichgültig worauf dies beruht, hat der gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter oder Verfügungsberechtigte die nach §§ 34, 35 AO bestehenden Pflichten zu erfüllen, soweit sie vor dem Erlöschen entstanden sind und er zur Erfüllung noch in der Lage ist. Die Pflichten der §§ 34, 35 AO sind öffentlich-rechtlicher Natur und können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen abbedungen werden.
21. Steuerschuldverhältnis
Das Steuerschuldverhältnis entspricht dem zivilrechtlichen Schuldverhältnis. Es ist durch eine Gläubiger-Schuldner-Rechtsbeziehung gekennzeichnet. Es ist ein gesetzliches öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis und zu unterscheiden von dem allgemeinen Steuerpflichtverhältnis (§ 33 AO), das die Gesamtheit der Beziehungen zwischen Steuerberechtigten und Stpfl. umfaßt.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine stl. Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche, nicht jedoch Ansprüche auf Strafen und Geldbußen.
Die Entstehung der verschiedenen Steueransprüche wird in den Einzelsteuergesetzen geregelt, z. B. § 36 Abs. 1 EStG, § 13 Abs. 1 UStG, § 18 GewStG, § 5 Abs. 2 VStG, § 9 Abs. 2 GrStG, § 9 ErbStG ( BStBl 1981 II S. 332; v. 19. 11. 81, BStBl 1982 II S. 168). § 38 AO stellt klar, daß die Steuerschuld kraft Gesetzes entsteht. Der Steueranspruch wird erst durch Steuerfestsetzung (§§ 155 ff. AO) oder Steueranmeldung (§§ 167 f. AO) konkretisiert und durchsetzbar. Der Entstehungszeitpunkt hat u. a. Bedeutung für den Beginn der Festsetzungsfrist, die Zugehörigkeit zu Konkurs- und Vergleichsforderungen, bei der Erbfolge und für die Behandlung in der Bilanz. Zur Entstehung der Steuerschuld s. ausführlich Krabbe, NWB F. 2 S. 5541.
WG sind nach § 39 Abs. 1 AO grds. dem Eigentümer i. S. des bürgerlichen Rechts bzw. dem Rechtsinhaber zuzurechnen. Von diesem Grundsatz macht § 39 Abs. 2 AO in Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Ausnahme. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein WG in der Weise aus, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das WG wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das WG zuzurechnen. Ob dies der Fall ist, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden. Bei Treuhandverhältnissen sind die WG dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO). WG, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Ausführlich s. Fischer, NWB F. 2 S. 5623.
Die Besteuerung gesetz- oder sittenwidriger Handlungen (§ 40 AO) ergibt sich aus dem Grundsatz des Steuerrechts, zu besteuern, was ist, nicht was sein sollte.
Ein unwirksames oder anfechtbares Rechtsgeschäft ist für Zwecke der Besteuerung als gültig zu behandeln, soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis bestehen lassen. In Betracht kommt jegliche Art von Unwirksamkeit ( BStBl 1982 II S. 28). Scheinrechtsgeschäfte und Scheinhandlungen, z. B. Scheinarbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten oder Begründung eines Scheinwohnsitzes, sind für die Besteuerung ohne Bedeutung (§ 41 Abs. 2 AO). Das Steuerrecht knüpft an die von den Parteien wirklich gewollte Vertragsform an ( HFR S. 576).
Bei mißbräuchlicher Verwendung von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts entsteht die Steuerpflicht so, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht (§ 42 AO), d. h. die Steuerschuld entsteht mit der Verwirklichung des Umgehungstatbestandes. Ein Gestaltungsmißbrauch liegt vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, S. 3811unangemessen ist und wenn die Rechtsordnung das Ergebnis mißbilligt, so z. B. in der Vereinbarung unangemessen hoher Gebühren zur Erlangung sofort abz. WK ( BStBl 1986 II S. 217) und bei Zwischenvermietung beim Bauherrenmodell ( BStBl II S. 931), bei wechselseitiger Vermietung ( BStBl II S. 904), bei Veräußerung von GmbH-Anteilen durch deren nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter zu Zwecken der Liquidation der GmbH ( BStBl II S. 426).
Wer im Einzelfall Steuerschuldner oder Gläubiger ist, läßt sich nur im Zusammenhang mit den Einzelsteuergesetzen beantworten. Einen entsprechenden Hinweis enthält § 43 AO.
Den Begriff der Gesamtschuld übernimmt § 44 AO aus dem bürgerlichen Recht. Die Entstehung der Gesamtschuld richtet sich nach den Einzelsteuergesetzen. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gehen auf einen Gesamtrechtsnachfolger über. Die Vorschrift stellt damit klar, daß die zivilrechtlichen Grundsätze insoweit auch im Steuerrecht gelten. Gesamtrechtsnachfolger sind insbesondere die Erben, bei Verschmelzung von KapGes die übernehmende Gesellschaft. Ausgenommen vom Übergang sind Zwangsgelder bei der Erbfolge (§ 45 Abs. 1 Satz 2 AO).
Zahlungsansprüche des Stpfl. aus dem Steuerschuldverhältnis können abgetreten, verpfändet und gepfändet werden (§ 46 Abs. 1 AO). Mit der Bestimmung, daß der Anspruch vor Anzeige der Abtretung oder Verpfändung an die FinBeh entstanden sein muß (§ 46 Abs. 2 AO), wird verhindert, daß sich die FinBeh bereits zu einer Zeit mit Abtretungen und Verpfändungen befassen muß, zu der der Anspruch noch nicht entstanden und auch kein zur Auszahlung führendes Verfahren beantragt worden ist. Wird dem FA die Abtretung angezeigt, so wird es bei der Leistung an den Abtretungsempfänger grds. auch dann von seiner Erstattungsverpflichtung frei, wenn die Abtretung nicht der in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebenen Form entspricht. Auch die Pfändung eines Anspruchs des Stpfl. ist erst nach seiner Entstehung zulässig. Mit der wirksam angezeigten Abtretung oder Verpfändung bzw. Pfändung tritt der neue Gläubiger insoweit an die Stelle des Erstattungsberechtigten. Ausführlich D. Burhoff, NWB F. 2 S. 5977.
§ 47 AO enthält die nicht abschließend aufgezählten Erlöschensgründe: Zahlung (§§ 224, 224a, 225 AO), Aufrechnung (§ 226 AO), Erlaß (§§ 163, 227 AO), Verjährung (§§ 169-171, 228-232 AO), Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen. Der Anspruch erlischt aber auch im Fall des § 45 Abs. 1 Satz 2 AO bei Zwangsgeldern durch Erbfolge. Er kann auch durch Verwirkung erlöschen.
Im Fall einer Leistung durch Dritte (§ 48 AO) wird der Stpfl. von seiner Leistungspflicht nicht frei. Die sich aus den rechtsgeschäftlichen Verpflichtungsgeschäften, z. B. Bürgschaft, Schuldversprechen, kumulative Schuldübernahme, ergebenden Ansprüche sind nicht öffentlich-rechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur. Sie können deshalb nicht mehr mit Mitteln der AO, sondern gem. § 192 AO nur nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vorschriften durchgesetzt werden.
22. Steuerbegünstigte Zwecke
Zu den nach der AO steuerbegünstigten Zwecken gehören die gemeinnützigen Zwecke (§ 52 AO), die mildtätigen Zwecke (§ 53 AO) und die kirchlichen Zwecke (§ 54 AO). Den Umfang der Begünstigung bestimmen die jeweiligen Einzelsteuergesetze, z. B. § 4 Nr. 16 UStG, § 10b Abs. 1 EStG, § 4 Nr. 6 GrStG. Begünstigt sind grds. nur Körperschaften einschl. der Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Gewisse Ausnahmen gelten für von Privatper- S. 3812sonen betriebene Krankenhäuser und Altenheime, z. B. § 4 Nr. 16 UStG. Die Körperschaft muß die steuerbegünstigten Zwecke selbstlos verfolgen (§ 55 AO). Begünstigt sind auch sog. Sammel- oder Fördervereine (§ 58 Nr. 1 AO) sowie Dachverbände, die andere begünstigte Körperschaften zusammenfassen (§ 57 AO). Bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten sind stl. unschädlich (§ 58 AO). Die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung müssen sich aus der Satzung ergeben (§ 60 AO mit Mustersatzung in AEAO; vgl. BStBl II S. 595). Die tatsächliche Geschäftsführung muß darüber hinaus der Satzung entsprechen (§§ 42, 63 AO) und durch Aufzeichnungen belegbar sein (§ 63 Abs. 3 AO).
23. Haftung und Duldungspflicht
Die §§ 69-77 AO regeln die Haftung Dritter für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Haftung bedeutet Einstehenmüssen für eine fremde Schuld. Neben § 45 AO bestehen Haftungstatbestände in den Einzelsteuergesetzen, z. B. §§ 42d, 44 Abs. 5 EStG, § 20 ErbStG, §§ 11, 12 GrStG, und nach bürgerlichem Recht, z. B. §§ 419, 421, 718, 1489, 2058, 2144, 2382 BGB, §§ 25, 27, 128, 161, 171 HGB. Weiter kommt eine vertragliche Haftung in Frage, z. B. nach §§ 305, 328, 765, 780 BGB. Ausführlich zur Haftung im Steuerrecht Hundt-Eßwein, NWB F. 2 S. 5283.
§ 69 AO begründet eine Haftung für gesetzliche Vertreter, Geschäftsführer, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigte für vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung von Pflichten, die ihnen den FinBeh gegenüber obliegen. S. Carl/Klos, NWB F. 2 S. 5949. § 70 AO regelt die Haftung der Vertretenen für vorsätzliche und leichtfertige Steuerverkürzung der Vertreter. Sie hat vor allem Bedeutung beim Zoll- und Verbrauchsteuerrecht. Nach § 71 AO haftet, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, z. B. als Anstifter oder Gehilfe, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Eine vorherige strafgerichtliche Veurteilung ist nicht erforderlich. Nach § 72 AO haften nur natürliche Personen, die vorsätzlich oder grobfahrlässig gegen das Herausgabeverbot des § 154 Abs. 3 AO verstoßen haben. Gem. § 73 AO erstreckt sich die Haftung der Organgesellschaften auf alle Steuern, für die eine Organschaft nach den jeweiligen Einzelsteuergesetzen anerkannt wird. Nach § 74 AO haftet der Eigentümer persönlich, jedoch gegenständlich beschränkt mit seinen dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Gegenständen für die Betriebssteuern, die während des Bestehens einer Beteiligung von mehr als einem Viertel entstanden sind, also insbesondere für USt, GewSt, VerbrauchSt, nicht aber für ESt, KSt, ErbSt, VSt und auch nicht für stl. Nebenleistungen. Wegen der Haftungsbeschränkung kann vom Haftenden nur die Duldung der Vollstreckung, nicht aber die Zahlung der Steuer erreicht werden. § 75 AO begründet eine Haftung des Übernehmers eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs für die im Betrieb begründeten Betriebssteuern, nicht jedoch für Nebenleistungen. Die Haftung ist gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 AO zeitlich und nach § 75 Abs. 1 Satz 3 AO auf den Bestand des übernommenen Vermögens beschränkt. Ausführlich zur Haftung nach § 75 AO Grune, NWB F. 2 S. 5805.
§ 77 AO regelt zwei unterschiedliche Duldungsfälle der Zwangsvollstreckung. Wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, eine Steuer mit von ihm verwalteten Mitteln zu bezahlen, hat die Vollstreckung in dieses Vermögen zu dulden (§ 77 Abs. 1 AO). Wegen einer Steuer, die als öffentliche Last auf Grundbesitz ruht, hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden (§ 77 Abs. 2 AO).
Übersicht über die Abgabenordnung - Allgemeine VerfahrensvorschriftenVIII. Allgemeine Verfahrensvorschriften
Der Dritte Teil der AO enthält in seinem Ersten Abschnitt die allgemeinen Verfahrensvorschriften (vgl. Nr. 24 ff.) und in seinem Zweiten Abschnitt die allgemeinen Vorschriften über Verwaltungsakte (vgl. Nr. 32 ff.). S. 3813
24. Beteiligung am Verfahren
Beteiligte am Verfahren nach § 78 AO sind
Antragsteller und Antragsgegner,
diejenigen, an die die FinBeh den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat, und
diejenigen, mit denen die FinBeh einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat.
Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind nach § 79 AO natürliche Personen nach Vollendung des 18. Lebensjahrs sowie solche i. S. des § 112 BGB, juristische Personen, Vereinigungen oder Vermögensmassen durch ihre gesetzlichen Vertreter oder durch besondere Beauftragte und Behörden durch ihre Leiter, deren Vertreter oder Beauftragte.
Ein Beteiligter kann sich nach § 80 Abs. 1 AO durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt nicht zum Empfang von Steuererstattungen und -vergütungen, es sei denn, der Stpfl. hat eine entsprechende Zahlungsanweisung allgemein oder für den Einzelfall erteilt ( BStBl 1991 II S. 3). Auf Verlangen ist die Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, so soll nach § 80 Abs. 3 AO sich die Behörde an ihn wenden. Die Frage der Bekanntgabe von Verwaltungsakten an einen durch einen Bevollmächtigten vertretenen Beteiligten wird in § 122 AO geregelt (vgl. Nr. 34). Der Beteiligte kann nach § 80 Abs. 4 AO zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Die Zurückweisung von Bevollmächtigten oder Beiständen sowie das in Betracht kommende Verfahren werden in § 80 Abs. 5 bis 7 AO geregelt. Verfahrenshandlungen, die ein Bevollmächtigter oder Beistand vor seiner Zurückweisung vorgenommen hat, sind wirksam (AEAO zu § 80, Nr. 6). § 81 AO sieht die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen in bestimmten Fällen vor, z. B. für einen abwesenden Beteiligten, dessen Aufenthalt unbekannt ist oder der an der Besorgung seiner Angelegenheiten verhindert ist.
25. Ausschließung oder Ablehnung von Amtsträgern
Personen, die selbst Beteiligte sind oder durch die Entscheidung unmittelbar begünstigt werden oder die in einer besonders engen Beziehung zu einem Beteiligten oder unmittelbar Begünstigten stehen, dürfen für eine FinBeh nicht in einem Verwaltungsverfahren nach der AO tätig sein. Dadurch sollen Interessenkonflikte vermieden werden. Der Einsatz eines Betriebsprüfers am Ort der als Steuerberaterin tätigen Ehefrau ist nicht rechtswidrig ( BStBl 1984 II S. 409). Das Verfahren wird in den §§ 82 ff. AO geregelt, wobei nach § 84 AO auch Mitglieder eines Ausschusses abgelehnt werden können. Zu beachten ist, daß § 83 Abs. 1 Satz 1 AO keinen selbständig verfolgbaren Anspruch auf Ablehnung eines Amtsträgers gibt ( BStBl II S. 634).
26. Besteuerungsgrundsätze
a) Allgemeiner Besteuerungsgrundsatz § 85 AO
Die Vorschrift geht von dem den FinBeh durch Art. 108 GG erteilten Auftrag zur Verwaltung der Steuern aus. Sie stellt die gleichmäßige Erhebung der Steuern als Aufgabe der FinBeh besonders heraus. Die FinBeh haben insbesondere sicherzustellen, daß Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen oder -vergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden. S. 3814b) Beginn des Verfahrens § 86 AO
Das Handeln der FinBeh steht immer unter dem Gebot der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens. Sie entscheidet daher nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt.
c) Untersuchungsgrundsatz; Beratung, Auskunft, Mitwirkungspflichten der Beteiligten; Anhörung Beteiligter §§ 88-91 AO
Nach dem Untersuchungsgrundsatz des § 88 AO ermittelt die FinBeh den Sachverhalt von Amts wegen. Sie hat nach Abs. 2 der Vorschrift auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen, was in der Praxis allerdings häufig nicht geschieht. Eine Sammlung von geschützten Daten sieht § 88a AO nicht nur für ein konkretes Verwaltungsverfahren, sondern auch für Zwecke künftiger Verfahren i. S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b AO vor.
Der Fürsorgepflicht der FinBeh entspricht es, daß sie nach § 89 AO die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen sollen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der FinBeh hält die AO für nicht vertretbar. Sie würde die FinBeh zu sehr in die Rolle eines Beraters drängen und dadurch die Erfüllung der eigentlichen Verwaltungsaufgaben beeinträchtigen. Zur Ermittlungs- und Fürsorgepflicht des FA vgl. Bilsdorfer, NWB F. 2 S. 5137.
Die Pflicht der FinBeh, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, wird ergänzt durch die in § 90 AO geregelten Mitwirkungspflichten der Beteiligten; dazu gehört nach § 90 Abs. 1 AO in erster Linie, daß der Stpfl. seine Angaben vollständig und wahrheitsgemäß macht. § 90 Abs. 2 AO enthält eine gesteigerte Mitwirkungspflicht für Sachverhalte, die sich auf Vorgänge im Ausland beziehen; § 90 Abs. 2 Satz 1 AO legt daher dem Stpfl. eine Beweismittelbeschaffungspflicht auf.
§ 91 AO enthält den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Die Vorschrift verpflichtet die FinBeh, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den entscheidenden Tatsachen zu äußern, bevor ein belastender Verwaltungsakt erlassen wird (so HFR 1978 S. 421). Die FinBeh soll diese Gelegenheit geben; aus der Vorschrift ergibt sich keine Verpflichtung der FinBeh, mit den Beteiligten ein Rechtsgespräch zu führen. Die Anhörung der Beteiligten soll insbesondere dann erfolgen, wenn von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zuungunsten des Stpfl. abgewichen werden soll, und zwar wesentlich abgewichen werden soll - eine stete Quelle für Streitereien zwischen FinBeh und Bürger. § 91 Abs. 2 AO zählt fünf Fälle auf, in denen von der Anhörung nach den Umständen des Einzelfalls abgesehen werden kann. Keine Anhörung ist schließlich geboten, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht (§ 91 Abs. 3 AO). Einen Anspruch auf Akteneinsicht haben die Beteiligten nicht. Im einzelnen s. Klos, NWB F. 2 S. 5499.
27. Beweismittel; Beweis durch Auskünfte und Sachverständigengutachten; Beweis durch Urkunden und Augenschein; Betreten von Grundstücken und Räumen; Vorlage von Wertsachen
Die FinBeh bedient sich gem. § 92 AO der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. In Betracht kommen Auskünfte jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen, Zuziehung von Sachverständigen, Beiziehung von Urkunden und Akten sowie Einnahme des Augenscheins. S. 3815a) Beweis durch Auskünfte und Sachverständigengutachten §§ 93-96 AO
Auskunftspflichtig nach § 93 Abs. 1 AO sind natürliche und juristische Personen, nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art von KöR. Die FinBeh soll sich in erster Linie an die Beteiligten selbst wenden. Erst wenn diese Sachverhaltsaufklärung nicht zum Ziel führt oder keine Aussicht auf Erfolg verspricht, soll die Behörde an andere herantreten. Der zur Auskunft Verpflichtete ist nach § 93 Abs. 2 AO über das Beweisthema zu unterrichten, wobei anzugeben ist, ob er in eigener oder fremder Sache Auskunft geben soll. Dies kann Bedeutung für eventuell bestehende Auskunftsverweigerungsrechte haben (s. Nr. 28).
Bejaht wurde z. B. die Auskunftspflicht einer Bank über bestimmte Depotkunden ( BStBl II S. 268); einer Zeitung über den Auftraggeber einer Chiffreanzeige ( BStBl II S. 699, v. , BStBl 1988 II S. 359); einer Fachzeitschrift über den Auftraggeber einer Chiffreanzeige ( BStBl 1982 II S. 141); einer Sparkasse bei hohen Entnahmen zur Überprüfung privater Kontenbewegungen ( BStBl 1991 II S. 277).
Auch im Vollstreckungsverfahren dürfen die FinBeh Auskünfte nach § 93 Abs. 1 AO einholen.
§ 93a AO ermächtigt die Bundesregierung zum Erlaß einer RechtsVO zur Regelung der sog. Kontrollmitteilungen von Behörden anderer Verwaltungszweige an die FinBeh. Aufgrund der Ermächtigung ist die KontrollmitteilungsVO v. (BGBl I S. 1554) ergangen. Ausführlich s. Carl/Klos, NWB F. 2 S. 6051 ff.
Eine eidliche Vernehmung sieht § 94 Abs. 1 AO vor, wenn die FinBeh diese mit Rücksicht auf die Bedeutung der Auskunft oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Auskunft für geboten hält. Eidlich können nur Dritte vernommen werden. Um die eidliche Vernehmung kann das zuständige FG ersucht werden, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch das zuständige Amtsgericht.
Die Versicherung der Richtigkeit von behaupteten Tatsachen an Eides Statt durch den Beteiligten wird nach § 95 Abs. 2 AO von der FinBeh zur Niederschrift durch den Behördenleiter, seinen ständigen Vertreter oder einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes aufgenommen.
Nach § 96 AO bestimmt die FinBeh, ob ein Sachverständiger zuzuziehen ist.
b) Beweis durch Urkunden und Augenschein §§ 97, 98 AO
Die FinBeh kann von den Beteiligten und anderen Personen die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen. Sie kann die Einnahme eines Augenscheins durchführen.
c) Betreten von Grundstücken und Räumen § 99 AO
Grundstücke, Schiffe, umschlossene Betriebsvorrichtungen und ähnliche Einrichtungen können während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeit nach angemessener vorheriger Benachrichtigung betreten werden, soweit dies im Besteuerungsinteresse erforderlich ist. Wohnungen dürfen nach § 99 Abs. 1 Satz 3 AO gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden. Das Betreten von Grundstücken und Räumen darf nach § 99 Abs. 2 AO nicht zu dem Zweck angeordnet werden, um nach unbekannten Gegenständen zu forschen.
d) Vorlage von Wertsachen § 100 AO
Die Vorlage von Wertsachen im Besteuerungsverfahren regelt § 100 AO. Auch Dritte können vorlagepflichtig sein. S. 3816
28. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte
§§ 101-106
Der Stpfl. hat nach der AO im Besteuerungsverfahren kein Auskunftsverweigerungsrecht. Seine Mitwirkung kann nicht erzwungen werden, wenn er sich selbst wegen einer von ihm begangenen Straftat belasten müßte. Rechtlich bleibt seine Mitwirkungspflicht bestehen, soweit es um die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen geht. Folgende Auskunftsverweigerungsrechte kommen in Betracht (ausführlich Bilsdorfer, NWB F. 2 S. 5483):
Angehörigen i. S. des § 15 AO steht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 AO ein Auskunfts- und Eidesverweigerungsrecht zu. In Zusammenveranlagungsfällen besteht danach ein Auskunftsverweigerungsrecht eines Ehegatten, soweit die stl. Verhältnisse des anderen Ehegatten in Betracht kommen. Die Angehörigen sind aktenkundig über ihr Auskunfts- und Eidesverweigerungsrecht zu belehren.
Ein Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutze bestimmter Berufsgeheimnisse besteht gem. § 102 AO für bestimmte Berufsgruppen. Den Berufsangehörigen stehen ihre Gehilfen und die Personen gleich, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen. Ein Auskunftsverweigerungsrecht haben auch Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. Kreditinstitute haben im Besteuerungsverfahren gegenüber den FinBeh kein Auskunftsverweigerungsrecht. So hat ein Sparkassenangestellter kein Zeugnisverweigerungsrecht ( BStBl 1993 II S. 451). Ein Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit regelt § 103 AO, vorausgesetzt, daß die Auskunftspflichtigen weder Beteiligte noch für einen Beteiligten auskunftspflichtig sind.
Sonstige Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte regeln §§ 104 ff. AO: Verweigerung der Erstattung eines Gutachtens, Vorlage von Urkunden, Schweigepflicht öffentlicher Stellen; Beeinträchtigung des staatlichen Wohls.
29. Fristen und Termine; Verlängerung von Fristen
Für die Berechnung der Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187-193 BGB. Fällt der letzte Tag einer Frist auf einen Sonn- oder Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist am nächsten Werktag (§ 108 Abs. 3 AO). Im einzelnen App, NWB F. 2 S. 6007.
Fristen zur Einreichung von Steuererklärungen und von einer FinBeh gesetzte Fristen können - auch rückwirkend - verlängert werden (§ 109 Abs. 1 AO). Die rückwirkende Verlängerung der Frist hat zur Folge, daß die durch den Fristablauf zunächst eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden.
30. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Die Möglichkeit, bei Versäumung gesetzlicher Fristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, räumt § 110 Abs. 1 AO ein, wenn den Betroffenen an der Fristversäumnis kein Verschulden trifft. Der Antrag ist nach § 110 Abs. 2 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb dieser Antragsfrist ist auch die versäumte Handlung nachzuholen. Für befristete Anträge im Verwaltungsverfahren gelten die vom BVerfG entwickelten Rechtsgrundsätze zu den sog. Postlaufzeiten ( BStBl II S. 390). Keine Wiedereinsetzung jedoch bei Aufgabe zur Post wenige Stunden vor Fristablauf ( BStBl 1988 II S. 111). Auf die bei der Post ausgehängte ”Übersicht wichtiger Brieflaufzeiten” kann auch dann vertraut werden, wenn diese Laufzeiten bei früheren Sendungen in Einzelfällen überschritten worden sind ( BStBl 1991 II S. 437). Über die Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist wird erst in der Einspruchs S. 3817entscheidung befunden. Es besteht keine Bindung des FA an frühere Äußerungen zu dieser Frage ( BStBl 1990 II S. 277). Wegen Beispielen in ABC-Form s. Koehler, NWB F. 2 S. 5411.
31. Rechts- und Amtshilfe
Alle Gerichte und Behörden haben nach § 111 AO die zur Durchführung der Besteuerung erforderliche Amtshilfe zu leisten. Das Auskunftsverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen (vgl. § 102 AO; Nr. 28) bleibt jedoch unberührt. Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe regelt § 112 AO.
Zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen können die FinBeh gem. § 117 AO nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Sie können zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen, innerstaatlich anwendbarer Rechtsakte der EG sowie des EG-Amtshilfe-Gesetzes leisten. Eine Spontanauskunft i. S. des § 117 Abs. 2 AO ist u. a. dann zulässig, wenn die Vereinbarung den Austausch zur Verhütung der Steuerhinterziehung vorsieht ( BStBl II S. 645).
Übersicht über die Abgabenordnung - VerwaltungsakteIX. Verwaltungsakte
Die Vorschriften der AO im Abschnitt ”Verwaltungsakte” gelten grds. für alle Arten von Steuerverwaltungsakten, soweit in den anderen Teilen der AO nichts Abweichendes geregelt ist. Spezialvorschriften sind insbesondere für Steuerbescheide zu beachten, z. B. § 157 und §§ 172 ff. AO.
32. Begriff des Verwaltungsakts
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Abs. 1 AO). Verwaltungsakt in diesem Sinne sind z. B. Steuerbescheid, Abrechnungsbescheid, Beauftragung einer anderen FinBeh mit der Außenprüfung, ggf. Antrag auf Zwangsvollstreckung. Kein Verwaltungsakt sind z. B. Ausstellung oder ”Ungültigkeitserklärung” eines Ersatzbelegs über EUSt, Aufrechnungserklärung, Erledigungsvorschlag des FA im Einspruchsverfahren, Mitteilung i. S. des § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, Empfängerbenennung gem. § 16 AStG.
33. Bestimmtheit und Form; Nebenbestimmungen; Begründung des Verwaltungsakts
Nach § 119 AO muß ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Er kann schriftlich, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Der Betroffene kann verlangen, sofern er unverzüglich einen entsprechenden Antrag stellt und hieran ein berechtigtes Interesse besteht, daß ein mündlicher Verwaltungsakt schriftlich bestätigt wird. Der schriftliche Verwaltungsakt muß die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters usw. enthalten. Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können Unterschrift und Namensangabe fehlen. Bei wesentlicher Ergänzung eines Formulars liegt jedoch kein formularmäßiger Verwaltungsakt vor. Die fehlende Unterschrift bei maschineller Erstellung eines Bescheids verstößt nicht gegen das Verfassungsrecht ( BStBl II S. 554).
Die Frage der Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt (Bedingung, Befristung, Auflage, Widerrufsvorbehalt) regelt § 120 AO. Sie sind grds. nur zulässig bei Verwaltungsakten, die auf einer Ermessensentscheidung der Behörde beruhen. S. 3818Einem Verwaltungsakt im Rahmen der gebundenen Verwaltung dürfen sie nur beigefügt werden, wenn sie u. a. durch Rechtsvorschrift zugelassen sind.
Eine schriftliche Begründung eines schriftlichen oder schriftlich bestätigten Verwaltungsakts sieht § 121 Abs. 1 AO vor, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. So ist eine nicht begründete Ermessensentscheidung der Verwaltung im Regelfall rechtsfehlerhaft ( BStBl II S. 493). Ausnahmen von der schriftlichen Begründung s. § 121 Abs. 2 AO.
34. Bekanntgabe des Verwaltungsakts
Der Verwaltungsakt ist nach § 122 Abs. 1 AO demjenigen bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 AO ist entsprechend anwendbar. Zur Bekanntgabe eines zusammengefaßten ESt-Bescheids an Ehegatten ist jedem von ihnen eine Urschrift des Steuerbescheids zu übermitteln, wenn sie sich nicht gegenseitig zur Empfangnahme von Steuerbescheiden bevollmächtigt haben ( BStBl II S. 603). Zur Zusammenfassung und Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen gegen Ehegatten vgl. z. B. (BStBl 1989 II S. 257). § 122 Abs. 1 Satz 3 AO stellt die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Bevollmächtigten in das pflichtgemäße Ermessen der FinBeh. Aus der Mitwirkung eines StB bei der Steuererklärung folgt nicht, daß das FA den Steuerbescheid dem StB bekanntgeben muß ( BStBl 1981 II S. 31). Ausführlich Harenberg, NWB F. 2 S. 6041.
Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Geltungsbereich der AO (in anderen Fällen greift § 123 Satz 2 AO ein) durch die Post übermittelt wird, gilt bei Übermittlung an einen Beteiligten innerhalb der Bundesrepublik am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post und bei Übermittlung an einen Beteiligten außerhalb der Bundesrepublik einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat nach § 122 Abs. 2 AO die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Zum ”Zweifel” an der Bekanntgabe vgl. z. B. (BStBl 1990 II S. 108). Die öffentliche Bekanntgabe von Verwaltungsakten regelt § 122 Abs. 3 und 4 AO; die Zustellung schriftlicher Verwaltungsakte § 122 Abs. 5 AO. § 123 AO sieht die Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen vor. Zur Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten im Ausland s. Klos/Carl, NWB F. 2 S. 5895.
35. Wirksamkeit des Verwaltungsakts
Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, nach § 124 Abs. 1 AO in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Keine Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei klarer und eindeutiger Aufgabe des Bekanntgabewillens nach abschließender Zeichnung der Aktenverfügung ( BStBl 1989 II S. 344). Eine PersGes erlischt bei Übernahme des Gesamthandvermögens durch einen Gesellschafter. Eine Bekanntgabe eines USt-Bescheids nach Erlöschen der Gesellschaft ist unwirksam. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben wird, nicht mit dem Inhalt der Aktenverfügung. Die Überschreitung der verwaltungsintern geregelten Zeichnungsbefugnis beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit des Steuerbescheids. Ein Verwaltungsakt bleibt nach § 124 Abs. 2 AO wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Ein nichtiger Verwaltungsakt ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 124 Abs. 3 AO unwirksam.
36. Nichtigkeit des Verwaltungsakts
Nach der Generalklausel in § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. In § 125 Abs. 2 AO werden zur Erleichterung der Handhabung der Generalklausel konkrete Fälle aufgezählt, in denen Nichtigkeit zu bejahen ist, ohne daß es noch einer S. 3819Prüfung bedarf, ob die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 AO vorliegen. § 125 Abs. 3 AO enthält demgegenüber einen Katalog von Fehlern, die nicht zwingend zur Nichtigkeit führen. Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, daß die FinBeh den Verwaltungsakt ohne diesen nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Die FinBeh kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen. Auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat. Der Antrag ist nicht fristgebunden. Der nichtige Verwaltungsakt hat keine Rechtswirkungen; aus ihm darf nicht vollstreckt werden.
37. Heilung von Verfahrens- und Formfehlern
Bestimmte Verfahrens- und Formfehler können nach § 126 AO nachträglich geheilt werden. Die in der Vorschrift genannten Fehler sind meist nicht so schwerwiegend, daß es das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen verlangen würde, in derartigen Fällen den Verwaltungsakt aufzuheben und zu ändern. Nachgeholt werden können danach die Stellung eines Antrags, die erforderliche Begründung eines Verwaltungsakts, die Anhörung der Beteiligten sowie die Mitwirkung eines Ausschusses oder einer anderen Behörde. Es ist nicht auszuschließen, daß der Stpfl. die Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs versäumt, weil dem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung fehlt oder die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlaß des Verwaltungsakts unterblieben ist. Für diese Fälle, in denen der Fehler ursächlich für die Fristversäumnis ist, räumt § 126 Abs. 3 AO einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein.
38. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern
Nach § 127 AO, der auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten ist, kann die Aufhebung eines gem. § 125 AO nichtigen Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. § 127 AO gilt grds. nicht für Ermessensentscheidungen ( BStBl II S. 483). Er ist auch bei Schätzung der Besteuerungsgrundlagen anwendbar.
39. Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts
Eine Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt kann bei Vorliegen der in § 128 AO genannten Voraussetzungen erfolgen.
40. Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten
Nach § 129 AO kann die FinBeh Schreibfehler, Rechenfehler und andere offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Die offenbare Unrichtigkeit muß nicht aus dem Steuerbescheid ersichtlich sein. Sie kann auch nach Ergehen eines Änderungsbescheids aufgrund eines Einspruchs noch vorliegen. Ein fehlerhafter Abrechnungsbescheid rechtfertigt eine Berichtigung, ebenso ist zu berichtigen ein Eingabewertbogen bei vorangegangener fehlerhafter aktenkundiger Berechnung. Auch beim Erstellen eines EDV-Programms können ”mechanische”, eine Berichtigung rechtfertigende Fehler auftreten. Rechtsfehler können nicht nach § 129 AO berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten sind auch dann keine Rechtsfehler, wenn sie unrichtige Steuerfestsetzungen zur Folge haben ( BStBl II S. 531). Das Übersehen eines Grundlagenbescheids ist keine offenbare Unrichtigkeit, wohl aber Eintragung einer falschen Kennziffer im Eingabewertbogen ( BStBl 1992 II S. 52). Bei berechtigtem Interesse des Stpfl. ist zu berichtigen. Gegen die Ablehnung eines Berichtigungsanspruchs ist der Einspruch gegeben. S. 3820
41. Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts
Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann nach § 130 Abs. 1 AO, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Entscheidung hat die FinBeh nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Wegen der Reihenfolge der anzustellenden Prüfungen vgl. AEAO zu § 130 Nr. 2. Nicht begünstigende rechtswidrige Verwaltungsakte können jederzeit zurückgenommen werden, auch wenn die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen ist. Ein begünstigender Verwaltungsakt darf jedoch nach § 130 Abs. 2 AO nur dann zurückgenommen werden, wenn er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen, durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung, erwirkt worden ist oder ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, z. B. unzutreffende Angaben im Antrag auf Verlängerung der Steuererklärungsfrist, oder seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
42. Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts
Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann nach § 131 Abs. 1 AO, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müßte oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 131 Abs. 2 AO ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten oder mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat oder die FinBeh aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde, was nur bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung von Bedeutung ist. Zum Widerruf einer Bewilligung unter Nachschieben von Gründen vgl. (BStBl 1988 II S. 364). Ein Steuererlaß kann nicht widerrufen werden. Die nachträgliche Verbesserung der Liquiditäts- oder Vermögenslage ist unbeachtlich.
43. Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung im Rechtsbehelfsverfahren
Nach § 132 AO gelten die Vorschriften über Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten auch während eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens und während eines finanzgerichtlichen Verfahrens.
Übersicht über die Abgabenordnung - Erfassung der Steuerpflichtigen; AnzeigepflichtenX. Erfassung der Steuerpflichtigen; Anzeigepflichten
Zur Erfassung von der Besteuerung unterliegenden Personen und Unternehmen können die Gemeinden für die FinBeh eine Personenstands- und Betriebsaufnahme durchführen (§ 134 AO). Die Grundstückseigentümer sind verpflichtet, bei der Personenstands- und Betriebsaufnahme Hilfe zu leisten, insbesondere durch Angabe der Personen, die auf dem Grundstück Wohnung, Wohnräume, eine Betriebsstätte, Lagerräume oder sonstige Geschäftsräume unterhalten (§ 135 AO). Die Anzeigepflicht nach § 137 AO dient der stl. Erfassung von Körperschaften, Vereinigungen und Vermögensmassen. § 138 Abs. 1 AO regelt Anzeigepflichten, die der stl. Erfassung der Gewerbetreibenden, der Land- und Forstwirte und der freiberuflichen Tätigkeiten dienen. § 138 Abs. 2 AO sieht eine Anzeigepflicht für Gründung und Erwerb von Betrieben im Ausland sowie die Beteiligung an ausländ. PersGes und den Erwerb einer wesentlichen Beteiligung an ausländ. KapGes vor.
Übersicht über die Abgabenordnung - MitwirkungspflichtXI. Mitwirkungspflichten
44. Führung von Büchern und Aufzeichnungen
a) Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten § 140 AO
nach anderen Gesetzen
Durch § 140 AO werden die in anderen Gesetzen als den Steuergesetzen begründeten Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten zu einer stl. Pflicht, soweit die Bücher und Aufzeichnungen für die Besteuerung von Bedeutung sind. In Betracht kommen insbesondere die Buchführungsvorschriften des HGB, des AktG, GmbHG und GenG. Außerdem sind für eine Reihe von Gewerbezweigen besondere Bücher vorgeschrieben. Es handelt sich in diesen Fällen um die sog. außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, die für das Steuerrecht nutzbar gemacht werden.
b) Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger § 141 AO
§ 141 AO hat gegenbüber § 140 AO nur subsidiäre Bedeutung. Er erfaßt einen über § 140 AO hinausgehenden Kreis von Buchführungspflichtigen, und zwar nur Land- und Forstwirte sowie Gewerbetreibende. Für freie Berufe besteht keine Buchführungspflicht, sie sind aber für Zwecke der USt aufzeichnungspflichtig nach § 22 UStG. Es kommen folgende Buchführungsgrenzen in Betracht: Umsatz von mehr als 500 000 DM im Kj, BV von mehr als 125 000 DM, selbstbewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche (luf) Flächen mit einem Wirtschaftswert (§ 46 BewG) von mehr als 40 000 DM, Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 48 000 DM für nach dem begonnene Wj (vor : 36 000 DM), Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft (LuF) von mehr als 48 000 DM für nach dem begonnene Wj (vor : 36 000 DM).
Ein Überschreiten der genannten Grenzen hat zur Folge, daß der Stpfl. verpflichtet ist, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen. §§ 238, 240 bis 242 Abs. 1, 243 bis 256 HGB gelten entsprechend.
Die Grenzwerte für den Beginn der Buchführungspflicht beziehen sich auf den einzelnen Betrieb i. S. des EStG, d. h. im wesentlichen auf einen Betrieb i. S. der §§ 14, 16 EStG bzw. § 7 Abs. 1 EStDV. Bei der Ermittlung der Buchführungsgrenze nach dem Wirtschaftswert der selbstbewirtschafteten luf Flächen (§ 141 Abs. 1 Nr. 3 AO) bleiben Nebenbetriebe außer Betracht ( BStBl II S. 606).
Die Buchführungspflicht setzt mit dem Beginn des Wj ein, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung der FinBeh folgt, die oben erwähnten Grenzen seien überschritten. Die Aufforderung ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt. Die Verpflichtung endet nach Ablauf eines vollen Wj, nachdem die FinBeh festgestellt hat, daß deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Auch bei Erhöhung der Buchführungsgrenzen durch Gesetz endet sie nicht ohne eine Feststellung nach § 141 Abs. 2 Satz 2 AO ( BStBl II S. 782). Für einen gepachteten luf Betrieb endet sie mit Auslaufen des Pachtverhältnisses ( BStBl 1986 II S. 431). S. 3878
Die Buchführungspflicht geht nach § 141 Abs. 3 AO auf denjenigen über, der den Betrieb im ganzen übernimmt.
c) Ergänzende Vorschriften für Land- und Forstwirte § 142 AO
Nach § 141 Abs. 1 Nr. 1, 3 oder 5 AO zur Buchführung verpflichtete Land- und Forstwirte haben neben den jährlichen Bestandsaufnahmen und den jährlichen Abschlüssen ein Anbauverzeichnis zu führen, in dem nachzuweisen ist, mit welchen Fruchtarten die selbstbewirtschafteten Flächen im abgelaufenen Wj bestellt waren. Es sind demnach kein Ernteverzeichnis, kein Viehregister und kein Naturalregister mehr zu führen.
d) Aufzeichnung des Wareneingangs § 143 AO
§ 143 AO verpflichtet alle gewerblichen Unternehmer, den Wareneingang gesondert aufzuzeichnen. Ein besonderes Wareneingangsbuch braucht jedoch nicht geführt zu werden. Bei buchführenden Gewerbetreibenden reicht es aus, wenn der Wareneingang innerhalb der Buchführung gesondert aufgezeichnet wird. Die neben § 143 AO bestehenden besonderen Aufzeichnungspflichten nach § 22 Abs. 3 UStG bleiben unberührt. Beide Vorschriften verfolgen verschiedene Zwecke und sind verschieden weit. Die Aufzeichnung des Wareneingangs dient insbesondere der Überprüfung des Buchführungsergebnisses durch Nachkalkulation. Die Aufzeichnung nach dem UStG 1980 dagegen dient dem Nachweis der Vorsteuerabzugsbeträge. Beide Aufzeichnungen können jedoch zusammengefaßt werden, sofern damit den nach § 143 AO und nach dem UStG gestellten Anforderungen genügt wird. Wegen der aufzuzeichnenden Waren usw. vgl. § 143 Abs. 2 AO und wegen der erforderlichen Angaben § 143 Abs. 3 AO.
e) Aufzeichnung des Warenausgangs § 144 AO
§ 144 AO dient - ebenso wie § 143 AO - einer wirksamen Kontrolle der Betriebsvorgänge beim aufzeichnungspflichtigen Unternehmer, im besonderen Maße aber auch der Kontrolle der vollständigen Erfassung des Wareneingangs beim Abnehmer des Unternehmers. Dem dient insbesondere die Verpflichtung, Namen und Anschrift des Abnehmers aufzuzeichnen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 AO). Aufzeichnungspflichtig sind die in § 144 Abs. 1 AO näher bezeichneten gewerblichen Unternehmer. Die Aufzeichnungen müssen die in § 144 Abs. 3 AO genannten Angaben enthalten. Nach § 144 Abs. 4 AO ist der Unternehmer verpflichtet, über den aufzeichnungspflichtigen Warenausgang einen Beleg zu erteilen, der die vorerwähnten Angaben sowie seinen Namen oder die Firma und seine Anschrift enthält. Soweit aufgrund von § 14 Abs. 5 UStG eine Gutschrift an die Stelle einer Rechnung tritt oder aufgrund des § 14 Abs. 6 UStG Erleichterungen gewährt werden, gelten diese auch im Rahmen des § 144 AO.
f) Allgemeine Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnung § 145 AO
Gem. § 145 Abs. 1 AO muß die Buchführung so beschaffen sein, daß sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Die Aufzeichnungen sind nach § 145 Abs. 2 AO so vorzunehmen, daß der Zweck, den sie erfüllen sollen, erreicht wird. Eine mittels Fotografie durchgeführte Inventur ist nicht ordnungsmäßig, wenn sie nur von Sachverständigen des betreffenden Geschäftszweigs innerhalb angemessener Frist nachgeprüft werden kann.
g) Ordnungsvorschriften für Buchführung und Aufzeichnungen § 146 AO
Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, zeitgerecht und der Zeitfolge nach geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden. Sie sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. § 146 Abs. 4 AO verbietet allgemein, eine Bu- S. 3879chung/Aufzeichnung in einer Weise zu verändern, daß deren ursprünglicher Inhalt nicht mehr feststellbar ist, z. B. bei automatisierter Datenverarbeitung, Löschung von Buchungen usw. Die sog. Offene-Posten-Buchhaltung sowie die Führung von Büchern/Aufzeichnungen auf Datenträgern werden bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zugelassen.
h) Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen § 147 AO
Nach § 147 Abs. 3 AO sind Bücher, Aufzeichnungen, Inventare, Bilanzen sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen 10 Jahre, empfangene Handels- und Geschäftsbriefe, Wiedergaben der abgesandten Handels- und Geschäftsbriefe, Buchungsbelege und sonstige für die Besteuerung bedeutsame Unterlagen 6 Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind.
i) Bewilligung von Erleichterungen § 148 AO
Die FinBeh kann für einzelne Fälle oder für bestimmte Gruppen Erleichterungen bewilligen. Sie können auch rückwirkend bewilligt und widerrufen werden.
45. Steuererklärungen
Die einzelnen Steuergesetze bestimmen, wer zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet ist, z. B. § 56 EStDV, § 31 ErbStG, § 25 GewStDV, § 18 UStG. Zur Abgabe einer Erklärung ist auch verpflichtet, wer hierzu von den FinBeh aufgefordert wird. Die Aufforderung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen (§ 149 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO). Nach § 149 Abs. 2 AO sind Steuererklärungen, die sich auf ein Kj oder einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, spätestens 5 Monate danach abzugeben. Für Stpfl. mit Gewinnen aus LuF nach einem vom Kj abweichenden Wj endet die Frist nicht vor Ablauf des dritten Monats, der auf den Schluß des in dem Kj begonnenen Wj folgt.
Form und Inhalt bestimmt § 150 AO. Die Erklärung ist, soweit nicht eine mündliche Erklärung zugelassen ist, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben. Hat der Stpfl. nach den Steuergesetzen die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben, so ist eine Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Stpfl. infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands usw. an der Unterschrift gehindert ist (§ 150 Abs. 3 AO, lex specialis zu § 80 Abs. 1 AO). Eine Blankounterschrift auf Aufklebezetteln ist keine eigenhändige Unterschrift. Zur Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens vgl. § 150 Abs. 6 AO.
Bei Nichtabgabe oder verspäteter Abgabe der Steuererklärung sieht § 152 AO die Möglichkeit vor, einen Verspätungszuschlag zu verhängen, der 10 v. H. der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Meßbetrags nicht übersteigen und höchstens 10 000 DM betragen darf. Der Verspätungszuschlag ist eine Nebenleistung i. S. des § 3 Abs. 3 AO (vgl. Nr. 6). Die Ermessenskriterien der Fristüberschreitung können durch Zu-/Abschläge berücksichtigt werden ( BStBl II S. 543). Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten kann in einem zusammengefaßten ESt-Bescheid erfolgen ( BStBl II S. 540). Zu den Folgen der Nichtabgabe von Steuererklärungen s. Klos, NWB F. 2 S. 5023.
Zur Berichtigung fehlerhafter Erklärungen, insbesondere fehlerhafter Steuererklärungen, ist der Stpfl. gem. § 153 AO verpflichtet, wenn er nachträglich ihre Unrichtigkeit/Unvollständigkeit erkennt. S. a. Weyand, NWB F. 2 S. 5259. S. 3880
46. Kontenwahrheit
§ 154 AO verbietet die Errichtung von Konten sowie die Wertsachenverwahrung, die Wertsachenverpfändung und die Verschaffung eines Schließfachs unter unrichtigem Namen und gebietet den Kontenführern usw., sich Gewißheit über die Person des Verfügungsberechtigten zu verschaffen. Insbesondere sind die Kreditinstitute verpflichtet, sicherzustellen, daß sie bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für ein Auskunftsersuchen in der Lage sind, auch darüber Auskunft zu geben, über welche Konten/Schließfächer eine bestimmte Person verfügungsberechtigt ist. Bei Verstoß gegen das eingangs erwähnte Verbot dürfen Guthaben, Wertsachen und Schließfachinhalt nur mit Zustimmung des zuständigen FA herausgegeben werden.
Übersicht über die Abgabenordnung - Festsetzungs- und FeststellungsverfahrenXII. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren
47. Steuerfestsetzung
Steuern werden nach § 155 Abs. 1 AO durch Steuerbescheid festgesetzt, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. - Eine andere Regelung enthält § 167 AO für die Steueranmeldung und Entrichtung der Steuern durch Verwendung von Steuerzeichen und -stemplern. - Als Steuerbescheid ist der dem Stpfl. nach § 122 Abs. 1 AO bekanntgegebene Verwaltungsakt anzusehen (vgl. Nr. 34). Dies gilt auch für maschinell erstellte Steuerbescheide. Unter den Begriff der Steuerfestsetzung fällt auch die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer sowie die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung. Die Ablehnung einer Steuerfestsetzung muß von der Freistellung unterschieden werden. Die ”NV-Mitteilung” ist keine Steuerfestsetzung. Ihr kann der Erklärungsinhalt beizumessen sein, daß keine LSt nachgefordert wird; sie unterliegt dann den für Steuerbescheide geltenden Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. AO ( BStBl II S. 565). Nach § 155 Abs. 2 AO kann ein Steuerbescheid erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde. Schulden mehrere Stpfl. eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefaßte Steuerbescheide nach § 155 Abs. 3 AO ergehen. Gegen zusammenveranlagte Ehegatten können Einzelbescheide oder ein zusammengefaßter Bescheid ergehen ( BStBl II S. 583). Die Bekanntgabe zusammengefaßter Bescheide an Familien wird durch § 155 Abs. 5 AO erleichtert.
48. Absehen von Steuerfestsetzung, Abrundung
Durch Rechtsverordnung kann der BMF bestimmen, daß von der Festsetzung von Steuern und stl. Nebenleistungen abgesehen wird, wenn der zu bestimmende Betrag nicht 20 DM übersteigt. Er kann ferner die Abrundung von Steuern und stl. Nebenleistungen bestimmen, wobei mindestens auf 10 Deutsche Pfennige abzurunden ist und der Abrundungsbetrag 5 DM nicht überschreiten darf. Der BMF hat von der Ermächtigung in § 156 Abs. 1 AO Gebrauch gemacht und die KleinbetragsVO v. (BGBl I S. 2255) erlassen.
49. Form und Inhalt der Steuerbescheide
Wegen ihrer besonderen Bedeutung schreibt § 157 Abs. 1 Satz 1 AO für Steuerbescheide grds. Schriftform vor, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Sie müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen. Ferner ist in schriftlichen Steuerbescheiden anzugeben, wer die Steuer schuldet. § 157 Abs. 1 Satz 3 AO sieht die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung vor. Ihr Fehlen hat zur Folge, daß nach § 356 Abs. 2 AO die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht zu laufen beginnt und der Steuerbescheid noch binnen eines Jahres nach seinem Erlaß angefochten werden kann. Nach § 157 Abs. 2 AO können grds. die einzelnen Grundlagen des Steuerbescheids, wie z. B. der Gewinn, die Höhe der Sonderausgaben, nicht selbständig angefochten werden. Der Rechtsbehelf muß sich gegen die im Steuerbescheid festgesetzte Steuer selbst richten. S. 3881
50. Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern
§ 160 Abs. 1 AO versagt regelmäßig die stl. Berücksichtigung von Schulden und anderen Lasten, BA, WK und anderen Ausgaben, wenn der Gläubiger oder Empfänger der FinBeh auf deren Aufforderung nicht benannt wird. Die FinBeh hat bei Anwendung der Vorschrift nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfahren. Bei Ertragsteuern ist § 160 AO auf Schulden, deren Ansatz sich in der Jahresbilanz erfolgsneutral vollzogen hat, nicht anwendbar; Rechtsgrundlage für die Erfassung verdeckter Betriebseinnahmen ist § 162 AO ( BStBl II S. 759). Das Recht der FinBeh, den Sachverhalt zu ermitteln, bleibt nach § 160 Satz 2 AO unberührt. Das Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 102 AO wird nicht eingeschränkt (§ 160 Abs. 2 AO). Ausführlich Halaczinsky, NWB F. 2 S. 5691.
51. Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
§ 162 Abs. 1 AO enthält den Grundsatz, daß die FinBeh die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen hat, wenn sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Um eine möglichst zutreffende Schätzung zu erreichen, hat die FinBeh alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Eine Verständigung über schwierig zu ermittelnde Umstände ist zulässig. Als Schätzungsmethode ist eine Schätzung von Einkünften aufgrund einer privaten Geldverbrauchsrechnung zulässig. Grobe Schätzungsfehler bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlage führen regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des Steuerbescheids ( BStBl 1993 II S. 259). Nach § 162 Abs. 2 AO ist insbesondere zu schätzen, wenn der Stpfl. über seine Angaben keine Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides Statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt, Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden. Nach § 162 Abs. 3 AO können in den Fällen des § 155 Abs. 2 AO die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. Ausführlich Schmidt-Liebig, NWB F. 17 S. 1161.
52. Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen
Die Erhebung der Steuer kann unbillig sein. § 163 AO regelt die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen, § 227 AO (vgl. Nr. 67) den Erlaß der festgesetzten Steuern. Nach welcher Vorschrift im einzelnen vorzugehen ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Falls. Bei Sachunbilligkeit wird vornehmlich die Anwendung des § 163 AO in Betracht kommen. Voraussetzung für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist, daß die Festsetzung oder Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Keine Billigkeitsmaßnahme kommt in Betracht, wenn eine PersGes sich gegen die Grundsätze der Gepräge-Rspr. gewehrt, zuvor aber Vorteile hieraus in Anspruch genommen hat ( BStBl II S. 259), auch nicht bei Änderung der Rspr., wenn diese vom Stpfl. bereits eingeplant war ( BStBl II S. 261). Eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist nicht zwingend von einem entsprechenden Antrag des Betroffenen abhängig, wenn auch ein Antrag regelmäßig vorliegen wird. Liegen Billigkeitsgründe vor, so kommen in erster Linie nach § 163 Abs. 1 AO die niedrigere Festsetzung der Steuer und das Außerachtlassen steuererhöhender Besteuerungsgrundlagen in Betracht. Aus Billigkeitsgründen kann mit Zustimmung des Stpfl. zugelassen werden, daß bei den Steuern vom Einkommen einzelne Besteuerungsgrundlagen zu einem späteren/früheren Zeitpunkt berücksichtigt werden. Es handelt sich hierbei um keinen endgültigen Steuererlaß, sondern um eine Verlagerung des Steueranspruchs auf spätere VZ. S. 3882
Die Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden. Steuerbescheide und Entscheidungen über abweichende Festsetzung sind selbständige Verwaltungsakte, die mit unterschiedlichen Rechtsbehelfen anfechtbar sind ( BStBl 1978 II S. 305). Daher ist gegen die Versagung einer Billigkeitsmaßnahme, auch wenn sie mit der Steuerfestsetzung verbunden ist, stets die Beschwerde gegeben. Vgl. ab 1996 Nr. 89.
53. Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
Eines der wichtigsten Elemente im Steuerfestsetzungsverfahren stellt die Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung dar. Die Vorschrift gilt für sämtliche Festsetzungen, für die die Vorschriften über das Steuerfestsetzungsverfahren Anwendung finden.
Der Vorbehalt der Nachprüfung ist eine Nebenbestimmung i. S. des § 120 AO, die bei Steuerbescheiden nur zulässig ist, wenn sie ausdrücklich - wie bei § 164 AO - im Gesetz vorgesehen ist. Eine Begründung für den Vorbehalt ist gesetzlich nicht vorgesehen und daher auch nicht erforderlich. Ein zwar im Berechnungs- bzw. Eingabewertbogen vermerkter, aber nicht im Steuerbescheid angegebener Vorbehalt hat keine Wirkung. Eine erstmalige Anordnung des Vorbehalts bei der Änderung eines Steuerbescheids im Klageverfahren ist nur mit Zustimmung des Stpfl. zulässig. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist zulässig bei allen Festsetzungen, für die die Vorschriften über das Steuerfestsetzungsverfahren gelten, z. B. bei Steuervergütungen, Zulagen, Prämien, gesonderten Feststellungen, Steuermeßbeträgen, Zinsen.
Solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, kann die spätere Überprüfung vorbehalten bleiben und die Steuer aufgrund der Angaben des Stpfl. oder aufgrund vorläufiger Überprüfung unter Vorbehalt festgesetzt werden. Der Vorbehalt erfaßt die Festsetzung insgesamt; eine Beschränkung auf Einzelpunkte ist unzulässig.
Solange der Vorbehalt wirksam ist, bleibt der gesamte Steuerfall ”offen”. Eine Abweichung von der Steuererklärung ist bei einer Veranlagung unter Nachprüfungsvorbehalt zulässig ( BStBl 1984 II S. 6). Die Steuerfestsetzung kann bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist jederzeit - auch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist - und dem Umfang nach uneingeschränkt von Amts wegen oder auch auf Antrag des Stpfl. aufgehoben werden. Auch eine mehrmalige Änderung ist zulässig. Liegt kein Änderungsantrag des Stpfl. vor, braucht die FinBeh die Vorbehaltsfestsetzung nicht nachzuprüfen. Aufhebung/Änderung einer Steuerfestsetzung ist mit Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig. Für die Aufhebung des Vorbehalts gelten die Formvorschriften für Steuerbescheide. Sie müssen schriftlich ergehen und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten (§ 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 AO). Bei Aufhebung/Änderung einer Vorbehaltsfestsetzung sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes nach § 176 AO zu beachten. Gegen die Aufhebung des Vorbehalts in der Einspruchsentscheidung ist Klage, nicht erneuter Einspruch gegeben. Wird der Vorbehalt nicht ausdrücklich aufgehoben, entfällt er mit Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Verlängerung der Festsetzungsfrist für hinterzogene oder leichtfertig verkürzte Steuern (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO) verlängert nicht die Wirksamkeit des Vorbehalts, es ergeben sich aber Auswirkungen auf die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 1 bis 6, 9 und 11 bis 13 AO.
Gegen eine Vorbehaltsfestsetzung kann der Stpfl. innerhalb der Einspruchsfrist nach § 348 Abs. 1 Nr. 1 AO Einspruch einlegen. Nach Ablauf der Einspruchsfrist kann er nur noch Antrag auf Änderung der Vorbehaltsfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO stellen. Nach Änderung der Vorbehaltsfestsetzung gem. § 164 Abs. 2 AO kann der Stpfl. gegen den neuen Bescheid innerhalb der Einspruchsfrist nach § 348 Abs. 1 AO Einspruch einlegen. Wird der Vorbehalt ohne eine Änderung der Steuerfestsetzung aufgehoben, kann der Stpfl. gegen die dann erstmalig ohne Vorbehalt wirkende Steuerfestsetzung uneingeschränkt Einspruch einlegen. S. 3883
54. Vorläufige Steuerfestsetzung; Aussetzung der Steuerfestsetzung
Eine Steuer kann nach § 165 Abs. 1 AO insoweit vorläufig festgesetzt werden, als ungewiß ist, ob und inwieweit die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. § 165 AO entbindet aber nicht die FinBeh von der Ermittlungspflicht über die zutreffende Bemessungsgrundlage ( BStBl II S. 1043). Die vorläufige Steuerfestsetzung ist nur im Hinblick auf ungewisse Tatsachen zulässig ( BStBl II S. 648). Gestattet ist ausdrücklich die Anwendung von völkerrechtlichen Normen vor ihrer Ratifizierung und Verkündung. Vorläufige Steuerfestsetzungen sind auch möglich, wenn das BVerfG die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem GG festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist, sowie bei Anhängigkeit eines (Muster-)Verfahrens bei dem EuGH, BVerfG oder einem anderen obersten Bundesgericht. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. Die Steuerfestsetzung kann auch gegen oder ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt werden. Die vorläufige Steuerfestsetzung kann nach § 165 Abs. 3 AO mit einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden. Ein ursprünglich angeordneter Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 AO bleibt auch wirksam, wenn er in einem nachfolgenden Änderungsbescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird ( BStBl 1989 II S. 9).
55. Festsetzungsverjährung
Die AO unterscheidet zwischen der Verjährung der noch nicht festgesetzten Steuer und der Verjährung des Zahlungsanspruchs.
Die Festsetzungsfrist wird in § 169 Abs. 1 AO dahin geregelt, daß eine Steuerfestsetzung sowie die Aufhebung oder Änderung einer Festsetzung nicht mehr zulässig sind, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist ist eingehalten, wenn der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der zuständigen FinBeh verlassen hat und alle weiteren Voraussetzungen eingehalten wurden oder wenn bei öffentlicher Zustellung vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid oder eine Benachrichtigung nach § 15 VwZG ausgehändigt wird. Die Feststellungsfrist wird hinsichtlich aller Beteiligten bereits dadurch gewahrt, daß der Feststellungsbescheid vor Fristablauf nur einem Beteiligten bekanntgegeben wird ( BStBl 1994 II S. 3).
Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 AO für Zölle und Verbrauchsteuern 1 Jahr und für Besitz- und Verkehrsteuern 4 Jahre. Eine Verlängerung der Festsetzungsfrist kommt für alle Steuern bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf 5 Jahre und bei Steuerhinterziehung auf 10 Jahre in Betracht. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kj, in dem die Steuer entstanden oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. Abweichend von diesem Grundsatz wird im Wege der Anlaufhemmung der Fristbeginn in den Fällen des § 170 Abs. 2 bis 6 AO hinausgeschoben.
Die Festsetzungsverjährung kennt keine Unterbrechung, wohl aber eine Ablaufhemmung, durch die das Ende der Festsetzungsfrist hinausgeschoben wird. § 171 Abs. 1 bis 14 AO zählt die für eine Ablaufhemmung maßgebenden Tatbestände auf. Keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO durch Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung ( BStBl 1992 II S. 124).
56. Bestandskraft
Die §§ 172 ff. AO regeln die Durchbrechung der materiellen Bestandskraft (Verbindlichkeit einer Verwaltungsentscheidung). Sie ist von der formellen Be- S. 3884standskraft (Unanfechtbarkeit) zu unterscheiden. Diese liegt vor, soweit ein Verwaltungsakt nicht oder nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten werden kann. Unanfechtbarkeit bedeutet aber nicht Unabänderbarkeit. Ausführlich zur Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten Orlopp, NWB F. 2 S. 5657.
Die Aufhebung und Änderung von fehlerhaften, Zölle und Verbrauchsteuern betreffenden Steuerbescheiden ist nach § 172 AO zulässig. Eine Aufhebung/Änderung eines andere Steuern betreffenden Bescheids ist zulässig, wenn der Stpfl. zustimmt oder seinem Antrag entsprochen wird. Aufhebung/Änderung eines Steuerbescheids ist ferner zulässig bei Erlaß durch eine sachlich unzuständige Behörde, durch Anwendung unlauterer Mittel sowie bei sonst gesetzlich zugelassener Aufhebung/Änderung, ausgenommen §§ 130, 131 AO; es muß eine klar erkennbare gesetzgeberische Wertentscheidung zur Durchbrechung der Bestandskraft vorliegen ( BStBl 1991 II S. 55).
Aufhebung/Änderung von Steuerbescheiden nach § 173 AO, soweit neue Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Diese Formulierung stellt klar, daß es keine Gesamtaufrollung gibt. Zum Begriff ”neue Tatsachen” vgl. (BStBl 1993 II S. 569). Entsprechendes gilt, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer niedrigeren Steuer führen, bekannt werden. Allerdings darf den Stpfl. kein grobes Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) daran treffen, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Die besondere Bedeutung der Außenprüfung wird durch § 173 Abs. 2 AO dadurch hervorgehoben, daß Steuerbescheide, die nach einer Außenprüfung ergangen sind, nur dann noch wegen neuer Tatsachen/Beweismittel aufgehoben oder geändert werden können, wenn eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.
Das Problem der widerstreitenden Steuerfestsetzung soll durch § 174 AO gelöst werden. Aufhebung/Änderung eines Steuerbescheids, wenn ein bestimmter Sachverhalt mehrfach zuungunsten eines oder mehrerer Stpfl. berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, oder ein bestimmter Sachverhalt mehrfach zugunsten eines/mehrerer Stpfl. berücksichtigt worden ist oder ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, daß er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt. Für den Fall, daß die FinBeh oder das Gericht aufgrund eines Rechtsbehelfs oder aus anderen Gründen eine Steuerfestsetzung zugunsten des Stpfl. ändert, können ohne Rücksicht auf die etwaige Bestandskraft einer anderen Steuerfestsetzung nachträglich die richtigen stl. Folgerungen gezogen werden. Eine Einschränkung enthält § 174 Abs. 5 AO für die Fälle, in denen die richtige stl. Folge gegenüber einem Dritten zu ziehen wäre; der Hinzugezogene/Beigeladene hat die Rechtsstellung eines notwendig Beigeladenen.
Erlaß, Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden in sonstigen Fällen kommt nach § 175 Abs. 1 AO in Betracht, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), dem Bindungswirkung für diesen Bescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird oder soweit ein Ereignis eintritt, das Wirkung für die Vergangenheit hat. Als rückwirkendes Ereignis gilt nach § 175 Abs. 2 AO auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, daß diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muß, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, daß sie die Grundlage für die Gewährung einer Steuervergünstigung bildet. Ein nachträgliches Ereignis liegt nur bei Änderung des Sachverhalts, den das FA bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, vor. Ein rückwirkendes Ereignis ist z. B. die nachträgliche Herabsetzung des Veräußerungspreises oder ein Antrag auf Realsplitting bei nachträglicher Zustimmung des Leistungsempfängers.
Erlaß, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen oder eines Schiedsspruchs nach einem Vertrag i. S. des § 2 AO kommt nach § 175a AO in Betracht. S. 3885
Vertrauensschutz bei Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden gewährt § 176 AO. Zuungunsten des Stpfl. darf nicht berücksichtigt werden, daß das BVerfG die Nichtigkeit eines Gesetzes feststellt, auf dem die bisherige Steuerfestsetzung beruht; ein oberster Gerichtshof des Bundes eine Norm, auf der die bisherige Steuerfestsetzung beruht, nicht anwendet, weil er sie für verfassungswidrig hält; sich die Rspr. eines obersten Gerichts des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der FinBeh angewandt worden ist, oder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht im Einklang stehend bezeichnet worden ist.
Eine Berichtigung von materiellen Fehlern ist nach § 177 AO möglich. Das sind alle Fehler einschließlich offenbarer Unrichtigkeiten i. S. des § 129 AO, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht. Liegen die Voraussetzungen der Berichtigung nach § 177 Abs. 1 und 2 AO nebeneinander vor, sind die oberen und unteren Grenzen der Fehlerberichtigung unabhängig voneinander zu ermitteln ( BStBl 1994 II S. 77).
57. Gesonderte Feststellungen
Die Besteuerungsgrundlagen werden nur in den Fällen des § 180 AO und in den sonst in den Steuergesetzen bestimmten Fällen gesondert festgestellt (§ 179 Abs. 1 AO). Die gesonderte Feststellung ist selbständig anfechtbar und kann bestandskräftig werden. Der Stpfl. kann die in ihr getroffenen Feststellungen nur mit Rechtsbehelfen gegen die gesonderte Feststellung selbst, nicht aber gegen den Steuerbescheid, dem die gesonderte Feststellung zugrunde liegt, angreifen. Nach § 179 Abs. 2 AO richtet sich der Feststellungsbescheid gegen denjenigen, dem der Gegenstand zuzurechnen ist. Sind dies mehrere, so ist die gesonderte Feststellung ihnen gegenüber einheitlich vorzunehmen. Bei mittelbarer Beteiligung, insbesondere bei geheimgehaltener Unterbeteiligung, kann eine besondere gesonderte Feststellung vorgenommen werden.
Nach § 180 Abs. 1 AO werden insbesondere gesondert festgestellt: (1) die Einheitswerte nach Maßgabe des BewG; (2) die estpfl. und kstpfl. Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen, z. B. Sondervergütungen i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, Sonderbetriebseinnahmen, Sonder-BA, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte ihnen zuzurechnen sind; (3) die Einkünfte aus LuF, Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit, wenn nach den Verhältnissen zum Schluß des Gewinnermittlungszeitraums das für die gesonderte Feststellung zuständige FA nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist, oder (4) der Wert der vstpfl. WG (§§ 114 bis 117a BewG), der Schulden und der sonstigen Abzüge, wenn diese stl. mehreren Personen zuzurechnen sind. So ist z. B. im gesonderten Feststellungsverfahren zu entscheiden bei Zweifeln über die Steuerpflicht von Einkünften oder der beteiligten Personen ( BStBl 1986 II S. 239). Keine gesonderte Feststellung jedoch von Einkünften aus einer typischen Unterbeteiligung ( BStBl 1988 II S. 186). Gem. § 180 Abs. 2 i. V. mit der VO v. können über die in § 180 Abs. 1 AO genannten Fälle hinaus bestimmte Besteuerungsgrundlagen gesondert und für mehrere Personen einheitlich festgestellt werden. Nach § 180 Abs. 4 AO gilt § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO nicht für Arbeitsgemeinschaften, deren alleiniger Zweck in der Erfüllung eines einzigen Werkvertrags oder Werklieferungsvertrags besteht.
Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß, also die §§ 134 bis 217 AO. S. 3886
Die Feststellungsbeteiligten sollen nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AO einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen. Bei Fehlen eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten genügt Bekanntgabe an einen der Beteiligten ( BStBl II S. 979), wobei der Hinweis genügt, daß der Bescheid für und gegen alle Beteiligten wirkt ( BStBl 1986 II S. 127).
58. Festsetzung von Steuermeßbeträgen und Zerlegungsverfahren
§ 184 Abs. 1 AO überläßt es den einzelnen Steuergesetzen, die Fälle zu bestimmen, in denen Steuermeßbeträge zu ermitteln sind; gegenwärtig gilt dies für die GrSt und die GewSt. Mit der Festsetzung der Meßbeträge wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Es gelten die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung, also die §§ 134 bis 217 AO, sinngemäß. Für das Zerlegungsverfahren gelten alle Vorschriften für das Steuermeßbetragsverfahren einschließlich der Erklärungs- und Bekanntgaberegelungen.
59. Haftungsbescheide, Duldungsbescheide
Die Vorschrift regelt den Erlaß von Haftungs- und Duldungsbescheiden gegen denjenigen, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet oder die Vollstreckung zu dulden hat. Voraussetzung ist das Bestehen materiell-rechtlicher Haftungs- und Duldungsvorschriften. Vgl. §§ 69 bis 77 AO, aber auch die Haftungsvorschriften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, soweit sie auf Steuerschulden anwendbar sind, wie z. B. § 128 HGB. Haftungs- und Duldungsbescheide sind schriftlich zu erteilen. Es haftet z. B. der Gesellschafter einer GbR für die USt-Schulden der Gesellschaft ( BStBl 1986 II S. 156) - ausführlich hierzu Harenberg, NWB F. 2 S. 5491 - sowie für die mit dem Hauptanspruch zusammenhängenden Säumnis- und Verspätungszuschläge ( BStBl II S. 952); keine Beschränkung der Gesellschafterhaftung durch Vereinbarungen der Gesellschafter ( BStBl II S. 939). Eine Haftung kann sich ferner z. B. aus § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB oder auch aus § 11 Abs. 2 GmbHG sowie aus § 25 HGB ergeben. Vor Erlaß eines Haftungsbescheids gegen Angehörige der beratenden Berufe gibt die FinBeh der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 191 Abs. 2 AO).
60. Außenprüfung
Die §§ 193 ff. AO regeln das Institut der Außenprüfung (Ap), das eine außerordentlich wichtige Maßnahme der FinBeh zur Erfassung des stl. erheblichen Sachverhalts ist. Ausführlich Bilsdorfer, NWB F. 17 S. 1109.
Die Zulässigkeit der Ap regelt § 193 AO, wobei unterschieden wird zwischen Stpfl., die einen gewerblichen oder luf Betrieb unterhalten oder freiberuflich tätig sind (§ 193 Abs. 1 AO), und den übrigen Stpfl. (§ 193 Abs. 2 AO). Der Stpfl. hat kein Recht auf Durchführung einer Ap, sondern es liegt im pflichtgemäßen Ermessen der FinBeh, ob eine Ap durchgeführt wird. Eine Ap kann auch dann nach § 193 Abs. 1 AO angeordnet werden, wenn nur die Frage geprüft wird, ob überhaupt ein Gewerbebetrieb unterhalten wird. Die Begründung der Anordnung muß grds. mit dem Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO erfolgen. Auch die Anordnung einer Ap für einen bereits geprüften Zeitraum (Zweitprüfung) ist grds. zulässig, ebenso die Wiederholung einer auf einer nichtigen Prüfungsanordnung beruhenden Ap. Für eine Ap aus besonderem Anlaß (außerhalb des üblichen Turnus) müssen Gründe in den betrieblichen Verhältnissen des Stpfl. vorliegen. Eine Bestandsaufnahmeprüfung ist aber keine Ap. Zur Abgrenzung einer routinemäßigen Ap von einer Ap aus besonderem Anlaß vgl. (BStBl 1989 II S. 4).
Die Ap dient in ihrem sachlichen Umfang gem. § 194 Abs. 1 AO der Ermittlung der stl. Verhältnisse des Stpfl. Sie kann eine oder mehrere Steuerarten, einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen oder sich auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Im einzelnen entscheidet die FinBeh hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie kann sich auch auf Steueransprüche erstrecken, die S. 3887möglicherweise verjährt sind. I. d. R. umfaßt der Prüfungszeitraum die letzten drei Besteuerungszeiträume, für die vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Steuererklärungen für die Ertragsteuern vorliegen. § 194 Abs. 2 AO ermöglicht eine Ausdehnung der Ap aus Zweckmäßigkeitsgründen auf die stl. Verhältnisse von Gesellschaftern usw. Werden anläßlich der Ap stl. Verhältnisse anderer Personen festgestellt, so kann die FinBeh diese Feststellungen nach § 194 Abs. 3 AO als Kontrollmaterial für die Überprüfung dieser Personen verwenden.
Zuständig für die Durchführung von Ap sind die für die Besteuerung zuständigen FinBeh (§ 195 AO). Sie können andere FinBeh mit der Ap beauftragen.
In einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung mit Rechtsbehelfsbelehrung bestimmt die FinBeh nach § 196 AO den Umfang der Ap. Sie kann auch von einem mit der Durchführung der Ap beauftragten FA erlassen, vom Leiter der Ap-Stelle veranlaßt und unterschrieben werden und ist auch dann rechtmäßig, wenn dieser nicht vom FA-Vorsteher beauftragt war, Prüfungsanordnungen zu erlassen.
Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung sowie des voraussichtlichen Prüfungsbeginns und der Namen der Prüfer erfolgt an den Stpfl., bei dem die Ap durchgeführt werden soll, angemessene Zeit vor Prüfungsbeginn (§ 197 Abs. 1 AO), wenn der Prüfungszweck dadurch nicht gefährdet wird. Eine kurzfristige Anberaumung einer Ap bei drohender Verjährung ist aber möglich. Die Festlegung des Prüfungsbeginns und die Prüfungsanordnung sind selbständige Verwaltungsakte ( BStBl II S. 445). Der Stpfl. kann auf die Einhaltung der Frist verzichten. Auf seinen Antrag soll nach § 197 Abs. 2 AO der Beginn der Ap auf einen anderen Zeitpunkt verlegt werden, wenn dafür wichtige Gründe glaubhaft gemacht werden.
Der Prüfer hat sich bei seinem Erscheinen unverzüglich auszuweisen und den Beginn der Prüfung unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen (§ 198 AO). Die Beurkundung des Beginns der Ap ist deshalb wichtig, weil der Beginn der Ap nach § 171 Abs. 4 AO zur Hemmung der Festsetzungsfrist führt.
Der Prüfer hat die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, zugunsten wie zuungunsten des Stpfl. zu prüfen. Dies entspricht der in § 88 Abs. 2 AO getroffenen Regelung. Ausreichendes rechtliches Gehör während der Ap besteht, da der Stpfl. während der Ap über die festgestellten Sachverhalte und die möglichen Auswirkungen zu unterrichten ist, wenn dadurch Zweck und Ablauf der Ap nicht beeinträchtigt werden.
Die Mitwirkungspflichten des Stpfl. regelt § 200 AO. Er hat insbesondere Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis erforderlichen Erläuterungen zu geben. Der Stpfl. braucht diese Pflichten nicht persönlich zu erfüllen. Er kann sich dabei anderer geeigneter Personen bedienen. Auskünfte von anderen Betriebsangehörigen dürfen eingeholt werden, wenn der Stpfl. oder die von ihm benannten Personen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Grds. hat der Stpfl. die Unterlagen, Bücher usw. in seinen Geschäftsräumen vorzulegen, bei Fehlen geeigneter Geschäftsräume Vorlage in der Wohnung des Stpfl. oder an Amtsstelle. Eine Durchführung der Ap in den Geschäftsräumen ist kein Verstoß gegen Art. 13 GG ( BStBl 1989 II S. 180). Dieser Schutz gilt für die Wohnräume. Daher ist die Prüfung in den Wohnräumen nur eine Wahlmöglichkeit des Stpfl. An einer Prüfung beim Steuerberater kann der Stpfl. ein schützenswertes Interesse haben. Über einen Antrag, die Ap an einem anderen Ort durchzuführen, hat die FinBeh nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ap S. 3888findet während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit statt. Bei der Betriebsbesichtigung soll der Betriebsinhaber oder sein Beauftragter hinzugezogen werden.
Eine Schlußbesprechung über das Ergebnis der Ap ist gem. § 201 AO abzuhalten. Dadurch wird ausreichendes rechtliches Gehör gewährt. Eine Schlußbesprechung erübrigt sich, wenn sich durch die Ap keine Änderungen ergeben haben oder wenn der Stpfl. auf die Durchführung der Schlußbesprechung verzichtet. In der Schlußbesprechung sind insbesondere strittige Sachverhalte sowie die rechtliche Würdigung der Prüfungsfeststellungen und ihre stl. Auswirkungen zu erörtern. Die straf- und bußgeldrechtliche Würdigung der festgestellten Tatsachen ist nicht Gegenstand der Schlußbesprechung.
Über das Ergebnis der Ap ist ein schriftlicher Bericht (Prüfungsbericht) zu erteilen, der die für die Besteuerung erheblichen Prüfungsfeststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die Änderungen der Besteuerungsgrundlagen darstellt (s. § 202 AO). Ergeben sich keine Änderungen der Besteuerungsgrundlagen, so genügt eine schriftliche Mitteilung an den Stpfl. Eine Verpflichtung der FinBeh zur Übersendung des Prüfungsberichts vor dessen Auswertung besteht nur, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird. Für eine Klage auf Übersendung des Berichts ist der Finanzrechtsweg gegeben.
Eine abgekürzte Ap findet nach § 203 AO bei den Stpfl. statt, bei denen eine Ap in regelmäßigen Zeitabständen nach den Umständen des Falls von der FinBeh nicht für erforderlich gehalten wird. In diesen Fällen beschränkt sich die Prüfung auf die wesentlichen Besteuerungsgrundlagen. Andererseits sind eine Schlußbesprechung und die antragsgebundene Zusendung des Prüfungsberichts vor seiner Auswertung nicht zwingend vorgeschrieben. Die Verpflichtung, die Prüfungsfeststellungen spätestens mit den Steuerbescheiden zu übersenden, sichern dem Stpfl. auch im Rahmen der abgekürzten Ap die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung erforderliche Sach- und Rechtsaufklärung.
61. Verbindliche Zusage aufgrund einer Außenprüfung
Neben der gesetzlich geregelten verbindlichen Zusage aufgrund einer Ap wird es weiterhin die nicht gesetzlich geregelte verbindliche Auskunft der FinBeh geben (vgl. Nr. 2, b).
Eine verbindliche Zusage wird nach § 204 AO nur auf Antrag und nur im Anschluß an eine Ap erteilt. Sie bezieht sich nur auf einen für die Vergangenheit geprüften und im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalt. Die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung dieses Sachverhalts muß für die geschäftlichen Maßnahmen des Stpfl. von Bedeutung sein. Aus Beweisgründen müssen nach § 205 Abs. 1 AO verbindliche Zusagen schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet sein. In der Auskunft muß der zugrunde gelegte Sachverhalt genannt werden; dabei kann auf den im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalt Bezug genommen werden. Neben der Entscheidung müssen die Entscheidungsgründe, die in Frage kommenden Steuern und der Zeitraum angegeben werden. Deckt sich der später verwirklichte Sachverhalt mit dem der verbindlichen Zusage zugrunde gelegten Sachverhalt, so ist die Zusage nach § 206 AO für die Besteuerung bindend. Keine Bindungswirkung entsteht jedoch, wenn die Zusage zuungunsten des Stpfl. dem geltenden Recht widerspricht. Die verbindliche Zusage tritt gem. § 207 AO außer Kraft, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung beruht, geändert werden. Die FinBeh kann die Bindungswirkungen für die Zukunft wieder beseitigen. Eine rückwirkende Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig, falls der Stpfl. zustimmt oder wenn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 AO vorliegen (vgl. Nr. 41).
62. Steuerfahndung (Zollfahndung)
Aufgabe der Steuerfahndung ist nach § 208 Abs. 1 AO die Erforschung von Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten, die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Erforschung von Steuerstraftaten und S. 3889-ordnungswidrigkeiten sowie die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Die Befugnisse der Steuerfahnder entsprechen denen der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Soweit es um die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen geht, bleiben gewisse Mitwirkungspflichten des Stpfl. bestehen. Die Mitwirkungspflicht kann jedoch wegen möglicher Selbstbezichtigung nicht erzwungen werden. Aus der Bezugnahme auf § 393 Abs. 1 AO ergibt sich im übrigen, daß der Stpfl. über die Rechtslage zu belehren ist. § 208 Abs. 2 AO stellt klar, daß die Fahndung auch für sonstige stl. Ermittlungen eingesetzt werden darf, wenn die zuständige FinBeh darum ersucht, und daß sie im übrigen zuständig ist für die ihr sonst im Rahmen der Zuständigkeit der FinBeh übertragenen Aufgaben. Durch die in § 208 AO vorgesehene Regelung ändert sich an den Aufgaben und Befugnissen der FÄ (HZÄ) nichts.
Übersicht über die Abgabenordnung - Erhebungsverfahren63. Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis
Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) sind nach § 218 Abs. 1 AO die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die stl. Nebenleistungen festgesetzt werden. Bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240 AO). Eine Steueranmeldung steht einem Steuerbescheid gleich. Streitigkeiten über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis müssen die FinBeh durch Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 AO entscheiden, der gegenüber §§ 130, 131 AO eine vorgreifliche Sonderregelung enthält. Beim Erlaß eines Abrechnungsbescheids besteht keine Bindung an die Anrechnungsverfügung ( BStBl 1994 II S. 147).
64. Zahlungsaufforderung bei Haftungsbescheiden
Während in § 191 AO die Frage des Erlasses eines Haftungsbescheids geregelt ist (vgl. Nr. 59), bestimmt § 219 AO, unter welchen Voraussetzungen aufgrund eines Haftungsbescheids Zahlung verlangt werden kann. Der Haftungsschuldner darf, soweit nichts anderes bestimmt ist, nur auf Zahlung in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, daß die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Ausnahmen von dieser Einschränkung bestehen u. a. für die Haftung des Steuerhinterziehers, des Steuerhehlers und des Steuerabzugsverpflichteten. Diese Personen, die aufgrund dieser Vorschriften haften, können sofort in Anspruch genommen werden, ohne daß sich die FinBeh zunächst an den Steuerschuldner wenden muß.
65. Fälligkeit
Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich gem. § 220 AO nach den einzelnen Steuergesetzen. Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, daß in einem nach § 254 AO erforderlichen Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt worden ist. § 221 AO sieht eine abweichende Fälligkeitsbestimmung für Stpfl. vor, die eine Verbrauchsteuer oder die USt mehrfach nicht rechtzeitig entrichtet haben.
66. Stundung
Die FinBeh können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise gem. § 222 AO stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erheb- S. 3890liche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint, z. B. mögliche Gefährdung bei einer Tilgungslaufzeit von mindestens 10 Jahren ohne Sicherheitsleistung ( BStBl II S. 514). Stundung soll i. d. R. nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Ausschluß der Stundung bei Steuerentrichtung durch einen Dritten. Für den Entrichtungspflichtigen, z. B. den ArbG, bleibt die Stundung jedoch möglich, wenn er selbst Steuerschuldner ist, z. B. bei LSt-Pauschalierung. Hat er jedoch Steuerabzugsbeträge schon einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, bereits eingenommen, ist insoweit die Stundung gleichfalls ausgeschlossen. Ausführlich Orlopp, NWB F. 2 S. 5029.
67. Zahlung, Aufrechnung, Erlaß, Verjährung
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen durch Zahlung, Aufrechnung, Erlaß und Verjährung. Das Erlöschen der Ansprüche ist ein privatrechtlicher Vorgang und nach privatem Recht zu beurteilen.
§ 224 AO enthält nähere Einzelheiten über den Zahlungsverkehr. Zahlungen sind an die zuständige Kasse zu entrichten. Außerhalb des Kassenraums können Zahlungsmittel nur einem Amtsträger übergeben werden, der zur Annahme von Zahlungsmitteln außerhalb des Kassenraums ermächtigt worden ist und sich hierüber ausweisen kann. Entsprechend den unterschiedlichen Zahlungsarten bestimmt § 224 Abs. 2 AO den Zeitpunkt einer wirksam geleisteten Zahlung an die FinBeh. Die Vorschrift ist vor allem bedeutsam für die Berechnung von Zinsen und Säumniszuschlägen. Einzahlungen sind nur noch mit Zahlschein oder Postanweisung möglich. Zahlungen der FinBeh sind unbar zu leisten. Bei Angabe eines falschen Kontos hat der Stpfl. die Verlustgefahr für einen Erstattungsbetrag zu tragen ( BStBl 1988 II S. 41). § 224a AO läßt die Hingabe von Kunstgegenständen an Zahlungs Statt zu. § 225 AO regelt die Reihenfolge der Tilgungen bei freiwilliger, aber nicht ausreichender Zahlung für mehrere Schuldbeträge.
Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des BGB, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 226 Abs. 1 AO). Der Stpfl. kann gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Der Steuergläubiger kann mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nicht aufrechnen, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlußfrist erloschen sind. Die Aufrechnung erfolgt durch schriftliche oder mündliche Erklärung gegenüber dem FA bzw. dem Stpfl. Die wirksam erklärte Aufrechnung bewirkt, daß die sich deckenden gegenseitigen Forderungen im Zeitpunkt der Aufrechnung als erloschen gelten. Voraussetzung für die Aufrechnung ist u. a. Gegenseitigkeit der Forderungen. Für Zwecke der Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner des Anspruchs auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet. Bei Aufrechnung durch den Stpfl. ist keine Kassenidentität erforderlich ( BStBl II S. 949). Die Aufrechnungserklärung des FA ist kein Verwaltungsakt. Das FA darf bei Aufrechnung mit Ansprüchen die Forderungen selbst bestimmen, gegen die es aufrechnen will. Ausführlich Halfar, NWB F. 2 S. 5593.
Während § 163 AO (vgl. Nr. 52) die Möglichkeit eröffnet, bereits im Festsetzungsverfahren aus Billigkeitsgründen die Steuer niedriger festzusetzen, kann nach § 227 AO eine bereits festgesetzte Steuer ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre (Erlaßbedürftigkeit) und Erlaßwürdigkeit gegeben ist. Der Erlaß ist eine reine Ermessensentscheidung der FinBeh. Die Gerichte können nachprüfen, ob sich die Auslegung der Behörde im Rahmen des Ermessensspielraums hält. Zu den Voraussetzungen, die es ermöglichen, bereits bestandskräftig festgesetzte Steuern im Billigkeitsverfahren sachlich zu überprüfen, vgl. BStBl 1988 II S. 512). Bis zum Wegfall des § 227 Abs. 2 AO durch Art. 26 Nr. 25 StMBG oblag es grds. den obersten FinBeh, Steuererlasse auszusprechen. Die Zuständigkeit ist S. 3891jetzt durch (BStBl I S. 93 und 94) geregelt. Gegen die Ablehnung eines beantragten Erlasses steht dem Stpfl. die Beschwerde gem. § 349 AO (ab : Einspruch gem. § 347 AO) zu. Ausführlich Carl/Klos, NWB F. 2 S. 6199.
Der Zahlungsverjährung unterliegen gem. § 228 AO die Steueransprüche. Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre. Beginn der Verjährung nach § 229 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kj, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, nicht jedoch vor Ablauf des Kj, in dem die Festsetzung eines Steueranspruchs, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung nach § 129 AO wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt. Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung gleich. Ist ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt nach § 229 Abs. 2 AO die Verjährung mit Ablauf des Kj, in dem der Haftungsbescheid wirksam geworden ist. Die Verjährung ist nach § 230 AO gehemmt, solange der Anspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten 6 Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt werden kann. Die Verjährung wird nach § 231 Abs. 1 AO unterbrochen bei Vorliegen einer der in der Vorschrift aufgeführten Maßnahmen. Ein Vollstreckungsaufschub bewirkt nur dann eine Unterbrechung der Verjährung, wenn er dem Vollstreckungsschuldner mitgeteilt worden ist ( BStBl II S. 742). Zu den Unterbrechungshandlungen gehört auch die schriftliche Geltendmachung eines Anspruchs durch den Stpfl. Sie dauert fort, bis über seinen Antrag rechtskräftig entschieden ist. § 231 Abs. 2 AO legt die Dauer der Unterbrechung für wichtige Fälle fest. Sobald die Unterbrechung endet, beginnt mit Ablauf des laufenden Kj eine neue Verjährung. Die Unterbrechung tritt nur hinsichtlich des jeweiligen Betrags ein, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezogen hat. Durch die Verjährung erlöschen der Steueranspruch und die von ihm abhängigen Zinsen. Ausführlich Domann, NWB F. 2 S. 4707.
68. Verzinsung
Grundsätzlich werden nach § 233 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Ansprüche auf stl. Nebenleistungen und die entsprechenden Erstattungsansprüche werden nicht verzinst. Nach der AO kommen folgende Zinsen in Betracht:
Vollverzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen (§ 233a AO). Erhebung von Nachzahlungszinsen auch dann, wenn das FA die Bearbeitung der Steuererklärung schuldhaft verzögert ( BStBl 1994 II S. 81).
Stundungszinsen (§ 234 AO). Wird der Steuerbescheid nach Ablauf der Stundung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, bleiben bis dahin entstandene Zinsen unberührt. Zinsen nach § 233a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
Hinterziehungszinsen (§ 235 AO). Schuldner dieser Zinsen ist der Steuerschuldner ( BStBl II S. 689). Hinterziehungszinsen können auch nach dem Tod des Stpfl. festgesetzt werden. Bei der Festsetzung aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen muß das FA/FG von der Steuerverkürzung überzeugt sein; dabei ist der Grundsatz in dubio pro reo zu beachten. Der Geschäftsführer einer GmbH, der Steuern zu ihrem Vorteil hinterzieht, ist kein Schuldner der Hinterziehungszinsen. Eine Aufhebung/Änderung der Steuerfestsetzung oder ihre Berichtigung nach § 129 AO nach Ende des Zinslaufs berührt nicht die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Zur Anrechnung von Zinsen nach § 233a AO vgl. § 235 Abs. 4 AO. Ausführlich Krabbe, NWB F. 2 S. 5251.
Prozeßzinsen auf Erstattungsbeträge (§ 236 AO). Keine Erstattungszinsen nach ausgesetztem Einspruchsverfahren sowie nach einer erfolgreichen Klage S. 3892gegen einen Haftungsbescheid. Zur Anrechnung von Zinsen nach § 233a AO vgl. § 236 Abs. 4 AO. Zur Aufhebung/Änderung usw. eines Zinsbescheids vgl. § 236 Abs. 5 AO.
Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung (§ 237 AO). Die Verzinsung nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO gilt nach § 237 Abs. 1 Satz 2 AO entsprechend bei Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheids. Zur Aufhebung/Änderung usw. eines Zinsbescheids vgl. § 237 Abs. 5 AO. Die Zinsen betragen nach § 238 Abs. 1 AO für jeden Monat 1/2 v. H.
69. Säumniszuschläge
Nach § 240 AO wird der Säumniszuschlag, der ungeachtet des Verschuldens allein durch Zeitablauf entsteht, bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer fälligen Steuer oder zurückzuzahlenden Steuervergütung erhoben. Er entsteht nicht, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge bestehen. Der Säumniszuschlag beträgt für jeden angefangenen Monat der Säumnis 1 v. H. des auf volle 100 DM nach unten abgerundeten rückständigen Betrags. Bei stl. Nebenleistungen entstehen keine Säumniszuschläge. Bei einer Säumnis bis zu 5 Tagen werden keine Säumniszuschläge erhoben, ausgenommen bei Übergabe/Übersendung von Zahlungsmitteln (§ 224 Abs. 2 Nr. 1 AO). Eine Sonderregelung besteht für Fälle der Gesamtschuldnerschaft. Auch bei Vollstreckungsaufschub entstehen Säumniszuschläge; besteht Streit hierüber, entscheidet die FinBeh durch Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO ( BStBl II S. 429).
70. Sicherheitsleistung
In § 241 AO werden die Sicherheiten genannt, unter denen der zur Sicherheitsleistung Verpflichtete wählen kann. Nach § 245 AO kann die FinBeh allerdings auch andere Sicherheiten annehmen. Die Annahmewerte bestimmen sich nach § 246 AO.
Übersicht über die Abgabenordnung - VollstreckungXIV. Vollstreckung
Die VollstrA v. i. d. F. v. (BStBl I S. 283) gilt für das Vollstreckungsverfahren der Bundes- und Landesbehörden. Die VollzA v. i. d. F. v. (BStBl I S. 279) gilt für die Ausübung der Vollstreckung, soweit sie durch Vollziehungsbeamte der Vollstreckungsbehörden (FA, HZA) durchgeführt wird.
71. Allgemeine Vorschriften
Die FinBeh können nach § 249 AO Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Vollstreckungsbehörde sind die FÄ/HZÄ. Als Vollstreckungsgläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche gilt nach § 252 AO die Körperschaft, der die Vollstreckungsbehörde angehört. Vollstreckungsschuldner ist gem. § 253 AO derjenige, gegen den sich ein Vollstreckungsverfahren nach § 249 AO richtet.
72. Voraussetzungen der Vollstreckung
Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung nach § 254 AO erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist, regelmäßig ein Leistungsgebot vorliegt und seit der Bekanntgabe des Leistungsgebots mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Kein Leistungsgebot ist erforderlich, wenn eine aufgrund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht worden ist, oder bei Säumniszuschlägen und Zinsen, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden, was auch sinngemäß für Vollstreckungskosten gilt. Zur Vorbereitung der Vollstreckung können die FinBeh nach § 249 Abs. 2 Satz 1 AO die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln. Eine Einstel- S. 3892lung und Beschränkung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 257 AO möglich. Zu Beginn und Beendigung des Vollstreckungsverfahrens s. Kraemer, NWB F. 2 S. 5231.
73. Vollstreckung in das bewegliche Vermögen; Pfändungsbeschränkungen
Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen (z. B. bewegliche Sachen, Forderungen) erfolgt durch Pfändung und anschließende Verwertung. Sie wird ausgeführt durch Vollziehungsbeamte, die zur Vollstreckung durch schriftlichen Auftrag der Vollstreckungsbehörde ermächtigt werden, der vorzuzeigen ist (§ 285 AO). Der Vollziehungsbeamte hat folgende Befugnisse (§ 287 AO): Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen sowie von Behältnissen, soweit dies der Zweck der Vollstreckung erfordert. Öffnenlassen von verschlossenen Türen und Behältnissen, Gewaltanwendung bei Widerstand sowie Nachsuchen um Unterstützung durch Polizeibeamte. Für die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist das Amtsgericht zuständig. Das Betreten von Geschäfts- und Betriebsräumen zur Pfändung ausgelegter Waren durch Vollziehungsbeamte ist jedoch ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluß zulässig ( BStBl 1989 II S. 55).
Die Pfändung darf nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Deckung der beizutreibenden Geldbeträge und Kosten der Vollstreckung erforderlich ist (§ 281 Abs. 2 AO; Verbot der Überpfändung). Überpfändungen sind jedoch zulässig, wenn z. B. nur pfändbare Sachen mit höherem Wert vorhanden sind. Zulässig sind die Austauschpfändung, die vorläufige Austauschpfändung, z. B. Pfändbarkeit unpfändbarer Gegenstände gegen Gestellung von Ersatzstücken, die Vorwegpfändung (Pfändung von z. Z. unpfändbaren, demnächst pfändbar werdenden Sachen) sowie die Anschlußpfändung (Pfändung bereits gepfändeter Sachen; vgl. § 295 AO i. V. mit §§ 811 - 812 und 813 Abs. 1 - 3 ZPO; § 307 AO).
Neben den allgemeinen Pfändungsbeschränkungen besteht eine Reihe von Pfändungsverboten für bestimmte bewegliche Sachen, z. B. alle dem persönlichen Gebrauch oder Haushalt dienenden Sachen, die der Schuldner zu seiner Berufsausübung oder einer seiner Verschuldung angemessenen, bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung benötigt, z. B. Kleidung, Wäsche, Geräte, Fernsehgerät, auch wenn der Vollstreckungsschuldner zusätzlich noch über ein Rundfunkgerät verfügt ( BStBl II S. 416).
74. Pfändung von Forderungen
Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen und dem Schuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung zu enthalten (Pfändungsverfügung; § 309 Abs. 1 AO). Wegen der Pfändung von Hypotheken- und Wechselforderungen vgl. §§ 310, 312 AO. Ausführlich Kowalewsky, NWB F. 2 S. 5889.
75. Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen
Auf die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind nach § 322 AO die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften, namentlich die §§ 864 - 871 ZPO und des ZVG anzuwenden.
76. Vollstreckung wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen
Ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann nach § 328 AO mit Zwangsmitteln (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) durchgesetzt werden. Das einzelne S. 3893Zwangsmittel darf nach § 329 AO 5 000 DM nicht übersteigen. Die Zwangsmittel müssen regelmäßig vorher angedroht werden (§ 332 AO). Ausführlich Klein, NWB F. 2 S. 5237.
77. Einwendungen gegen die Vollstreckung
Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind nach § 256 AO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen. Der Einspruch ist gegeben gegen den Aufteilungsbescheid nach § 279 AO (vgl. § 348 Abs. 1 Nr. 8 AO), Verwaltungsakte über die Festsetzung von Vollstreckungskosten nach § 337 AO (vgl. § 348 Abs. 1 Nr. 10 AO) sowie Verwaltungsakte i. S. des § 251 AO (vgl. § 348 Abs. 1 Nr. 11 AO). Die übrigen Verwaltungsakte im Vollstreckungsverfahren können mit der Beschwerde gem. § 349 AO angefochten werden. S. u. XV, XVI.
Übersicht über die Abgabenordnung - Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren bis 1995XV. Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren bis 1995
Das Rechtsbehelfsverfahren nach der AO ist gegeben in Abgabenangelegenheiten, in Vollstreckungsangelegenheiten sowie in Steuerberatungsangelegenheiten (§ 347 Abs. 1 Nr. 1-3 AO).
78. Einspruch
Der Einspruch ist nur zulässig gegen die in § 348 AO aufgezählten Verwaltungsakte, auch soweit sie für Zwecke der Vorauszahlungen erteilt werden. Einspruch ist bei Anschein der Bekanntgabe des Steuerbescheids zulässig ( BStBl II S. 543). Gegen die Ablehnung eines Antrags auf GrSt-Erlaß gem. § 33 GrStG ist als abgabenrechtlicher außergerichtlicher Rechtsbehelf der Einspruch gegeben ( BStBl 1989 II S. 13).
79. Beschwerde, Untätigkeitsbeschwerde
In anderen als den in § 348 AO aufgeführten Fällen ist nach § 349 AO die Beschwerde gegeben, insbesondere bei Ablehnung von Stundungs- und Erlaßanträgen sowie bei Festsetzung von Verspätungszuschlägen. Beschwerde ist gegeben gegen den Verwaltungsakt, der über den Antrag gem. § 363 Abs. 2 AO entscheidet, das Verfahren ruhen zu lassen ( BStBl II S. 944). Gegen Billigkeitsentscheidungen ist die Beschwerde gegeben, auch dann, wenn die FinBeh die Entscheidung zugleich mit der Zinsfestsetzung in einem Bescheid verbindet ( BStBl 1988 II S. 402). Die sog. Untätigkeitsbeschwerde ist nach § 349 Abs. 2 AO zulässig, wenn über einen Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht in angemessener Zeit sachlich entschieden ist. Keine Beschwerde (keine Untätigkeitsbeschwerde) gibt es gegen Verwaltungsakte der obersten FinBeh des Bundes/der Länder, der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein und gegen Entscheidungen des Zulassungsausschusses der OFD in Angelegenheiten des StBerG (§ 349 Abs. 3 AO). Gegen diese Verwaltungsakte ist unmittelbar Klage/Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 2 FGO zu erheben.
80. Rechtsbehelfsbefugnis
Zur Einlegung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs ist nur befugt, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein (§ 350 AO); bei einheitlichen Feststellungsbescheiden i. S. des § 352 Abs. 2 AO auch jeder Mitberechtigte. Sonderregelungen gelten nach § 352 Abs. 1 AO bei PersGes. Zur Rechtsbehelfsbefugnis des Rechtsnachfolgers vgl. § 353 AO und zur Bindungswirkung von Verwaltungsakten, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, vgl. § 351 AO.
81. Rechtsbehelfsverzicht
Auf Einlegung eines Rechtsbehelfs kann nach § 354 AO nach Erlaß des Verwaltungsakts verzichtet werden. Bei Steueranmeldungen kann der Verzicht be- S. 3895reits bei deren Abgabe unter der Voraussetzung ausgesprochen werden, daß die Steuer nicht abweichend von der Anmeldung festgesetzt wird. Durch den Verzicht wird der Rechtsbehelf unzulässig. Der Verzicht ist gegenüber der zuständigen FinBeh schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären. Eine nachträgliche Geltendmachung der Unwirksamkeit des Verzichts kommt nach einem Jahr nach Abgabe der Verzichtserklärung nicht mehr in Betracht.
82. Rechtsbehelfsbelehrung
Die Rechtsbehelfsfrist für die Einlegung des Einspruchs beginnt nach § 356 Abs. 1 AO nur, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf und die FinBeh, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch dann fehlerhaft, wenn ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt worden ist ( HFR 1980 S. 31).
83. Rücknahme des Rechtsbehelfs
Bis zur Bekanntgabe der Entscheidung kann der außergerichtliche Rechtsbehelf gem. § 362 AO zurückgenommen werden. Die Rücknahmeerklärung muß schriftlich oder zur Niederschrift abgegeben werden. Durch die Rücknahme tritt in Anpassung an allgemeine prozeßrechtliche Grundsätze (vgl. § 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 126 Abs. 2 VwGO) der Verlust des eingelegten Rechtsbehelfs ein. Wegen der nachträglichen Geltendmachung der Unwirksamkeit der Rücknahme vgl. Nr. 81 a. E.
84. Frist und Form der außergerichtlichen Rechtsbehelfe
Einspruch und Beschwerde müssen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts schriftlich oder durch Telegramm, Fernschreiber, Fernkopierer oder Teletex - nicht durch Telefon - eingelegt oder zur Niederschrift erklärt werden (§§ 355 Abs. 1, 357 Abs. 1 AO), und zwar bei der FinBeh, deren Verwaltungsakt angefochten oder bei der ein Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts gestellt worden ist. Unrichtige Bezeichnung eines Rechtsbehelfs ist unschädlich (§ 357 Abs. 1 Satz 4 AO). Die Untätigkeitsbeschwerde ist nach § 355 Abs. 2 AO unbefristet. Rechtsbehelfseinlegung vor Bekanntgabe des Verwaltungsakts ist unwirksam ( BStBl II S. 551). Ein Einspruch gegen einen Zusammenveranlagungsbescheid ist nicht ohne weiteres auch für einen Ehegatten eingelegt ( BStBl 1985 II S. 296). Die Berechnung der Fristen ergibt sich aus § 108 AO i. V. mit §§ 187 bis 193 BGB. Bei der Beschwerde genügt die Einlegung bei der zur Entscheidung berufenen FinBeh (§ 357 Abs. 2 Satz 2 AO). Die schriftliche Anbringung bei einer anderen Behörde ist unschädlich, wenn der Rechtsbehelf vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist einer der Behörden übermittelt wird, bei der sie nach § 357 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 AO angebracht werden kann. Bei der Einlegung soll der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Rechtsbehelf gerichtet ist. Es soll angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt werden. Ferner sollen die
85. Beteiligte, Hinzuziehung zum Verfahren, Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen
Beteiligte am außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren sind nach § 359 AO, wer den Rechtsbehelf eingelegt hat und wer zum Verfahren hinzugezogen wird. Von Amts wegen oder auf Antrag können nach § 360 Abs. 1 AO andere hinzugezogen werden, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die S. 3896Entscheidung berührt werden. Vor der Hinzuziehung ist derjenige zu hören, der den Rechtsbehelf eingelegt hat. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen muß die Hinzuziehung erfolgen (Rechtsanspruch). Von der zur Entscheidung über den Rechtsbehelf berufenen FinBeh ist nach § 358 AO zu prüfen, ob der Rechtsbehelf zulässig und in der vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt ist. Fehlt es an einer der Zulässigkeitsvoraussetzungen, so ist der Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen.
86. Aussetzung der Vollziehung
Die Einlegung des Rechtsbehelfs hemmt die Wirkung des Steuerbescheids nicht und hält die Steuererhebung nicht auf (§ 361 AO). Von Amts wegen oder auf Antrag kann unter bestimmten Voraussetzungen notfalls gegen Sicherheitsleistung die Vollziehung ganz oder teilweise ausgesetzt werden. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine Hemmung der Vollziehung tritt ein bei Einlegung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung, wenn nicht im öffentlichen Interesse die hemmende Wirkung ganz oder teilweise beseitigt wird. Keine Vollziehungsaussetzung und keine Aussetzungszinsen während einer anhängigen Verfassungsbeschwerde ( BStBl II S. 320). Zur Aussetzung der Vollziehung bei Einkommen unter dem Existenzminimum vgl. (BStBl II S. 876). Ausführlich von Bornhaupt, NWB F. 2 S. 5331.
87. Rechtsbehelfsentscheidung
Über den Einspruch entscheidet die FinBeh, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung (§ 367 AO), die schriftlich abzufassen, zu begründen, mit Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und den Beteiligten bekanntzugeben ist (§ 366 AO). Die über den Einspruch entscheidende FinBeh hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der angefochtene Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Rechtsbehelfsführers abgeändert werden (Verböserung). Falls eine Verböserung in Betracht kommt, ist dem Rechtsbehelfsführer vorher rechtliches Gehör zu gewähren. Falls die FinBeh dem Einspruch abhilft, ist keine Einspruchsentscheidung erforderlich. Über die Beschwerde entscheidet die FinBeh, deren Verwaltungsakt mit der Beschwerde angefochten ist oder von der mit der Beschwerde der Erlaß eines Verwaltungsakts begehrt wird (§ 368 AO). Hilft sie der Beschwerde nicht ab, so ist sie der zur Entscheidung nächsthöheren FinBeh vorzulegen. Bei der Beschwerde gibt es keine Verböserung.
88. Kosten
Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren ist nicht kostenpflichtig.
Übersicht über die Abgabenordnung - Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren ab 1996XVI. Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren ab 1996
Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren ist durch Art. 4 Grenzpendlergesetz v. (BGBl I S. 1395) geändert worden. Damit zusammenhängende Folgeänderungen enthält das Gesetz in Art. 6 für die FGO. Der durch Art. 5 Grenzpendlergesetz eingefügte Art. 97 § 18 Abs. 3 EGAO enthält Übergangsregelungen. In Kraft treten die geänderten Vorschriften der AO nach Art. 11 Grenzpendlergesetz am 1. 1. 96. Ausführlich Scheurmann-Kettner/Szymczak, NWB F. 2 S. 6219.
89. Zusammenfassung von Einspruch und Beschwerde
Einspruch und Beschwerde sind zu einem einheitlichen Rechtsbehelf, dem Einspruch, zusammengefaßt worden. Die Entscheidung durch die nächsthöhere Behörde - sog. Devolutiveffekt - in den bisherigen Beschwerdefällen ist wegge- S. 3897fallen. Bestehen bleibt alternativ der Antrag auf schlichte Änderung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO. Gegen Verwaltungsakte in den in § 347 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Angelegenheiten ist als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft. Der Einspruch ist außerdem statthaft, wenn geltend gemacht wird, über einen Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts sei ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden (Untätigkeitseinspruch). § 348 AO zählt die Fälle auf, in denen ein Einspruch nicht statthaft ist. Die bisherige Aufzählung ist damit entfallen. Der bisherige § 349 AO (Beschwerde) und § 368 AO (Entscheidung über die Beschwerde) wurden gestrichen. Redaktionelle Folgeänderungen listet das Grenzpendlergesetz in Art. 4 Nr. 15 für die AO und in Art. 6 Nr. 2, 4, 5 und 7 für die FGO auf.
90. Einspruchsbefugnis bei einheitlicher Feststellung
Nach § 352 Abs. 1 AO können einheitliche Feststellungsbescheide unabhängig von der Art der in die Feststellung einbezogenen Besteuerungsgrundlagen angefochten werden. Einspruch einlegen gegen einheitliche Feststellungsbescheide können die zur Vertretung berufenen Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der Einspruchsbevollmächtigte i. S. des § 352 Abs. 2 AO. Ist kein zur Vertretung berufener Geschäftsführer bzw. Einspruchsbevollmächtigter vorhanden, kann jeder Gesellschafter usw., gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, Einspruch einlegen. Ausgeschiedene Gesellschafter usw. sind stets persönlich einspruchsbefugt. Die auf Fragen der einzelnen Beteiligung beschränkte persönliche Einspruchsbefugnis wird in § 352 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AO geregelt. Über die Einspruchsbefugnis des Empfangsbevollmächtigten ist eine Belehrung vorgeschrieben. Jeder Feststellungsbeteiligte hat außerdem das Recht, zu widersprechen. Die Klagebefugnis gegen einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide gem. § 48 FGO wurde entsprechend geregelt (Art. 6 Nr. 3 Grenzpendlergesetz).
91. Hinzuziehung in Massenverfahren
In Fällen, in denen eine notwendige Hinzuziehung nach § 360 Abs. 3 AO von mehr als 50 Personen in Betracht kommt, kann die FinBeh anordnen, daß nur solche Personen hinzugezogen werden müssen, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. § 360 Abs. 5 AO.
92. Aussetzung/Ruhen von Rechtsbehelfsverfahren
In § 363 Abs. 2 AO werden die Voraussetzungen für ein Ruhen von Rechtsbehelfsverfahren erweitert. Ist wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig und wird der Einspruch hierauf gestützt, ruht das Einspruchsverfahren kraft Gesetzes, soweit die Steuer nicht nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig festgesetzt wurde. Ferner kann mit Zustimmung der obersten FinBeh durch öffentlich bekanntzugebende Allgemeinverfügung für bestimmte Gruppen gleichgelagerter Fälle das Einspruchsverfahren insoweit auch in anderen als den in § 363 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO genannten Fällen ruhen. Das Einspruchsverfahren ist fortzusetzen, wenn der Einspruchsführer dies beantragt oder die FinBeh dies dem Einspruchsführer mitteilt. Bei Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung/Ruhen des Verfahrens oder bei Widerruf der Aussetzung/des Ruhens kann die Rechtswidrigkeit der Ablehnung/des Widerrufs nur durch Klage gegen die Einspruchsentscheidung geltend gemacht werden. S. 3898
93. Mündliche Erörterung
Nach § 364a AO soll die FinBeh auf Antrag des Einspruchsführers, der an keine Form und Frist gebunden ist, vor Erlaß einer Einspruchsentscheidung den Sach- und Rechtsstand erörtern. Weitere Beteiligte können zu der mündlichen Erörterung geladen werden, wenn die FinBeh das für sachdienlich hält. Die FinBeh kann auch ohne Antrag eines Einspruchsführers diesen und weitere Beteiligte zu einer Erörterung laden. Von einer Erörterung mit mehr als 10 Beteiligten kann die FinBeh absehen, wenn diese keinen gemeinsamen Vertreter bestellen. Die Beteiligten können sich auch durch einen Bevollmächtigten (§ 80 AO) vertreten lassen. Die FinBeh kann das persönliche Erscheinen anordnen. Das Erscheinen des Einspruchsführers bzw. weiterer Beteiligter kann nicht nach § 328 AO erzwungen werden.
94. Befristung nachträglichen Tatsachenvortrags
§ 364b AO bezweckt, einer Verschleppung des Verfahrens entgegenzuwirken. Die FinBeh kann dem Einspruchsführer eine Frist setzen (1) zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt, (2) zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte oder (3) zur Bezeichnung von Beweismitteln oder zur Vorlage von Urkunden, soweit er dazu verpflichtet ist. Nach Ablauf der von der FinBeh gesetzten Frist können die vorgenannten Erklärungen und Beweismittel nicht mehr berücksichtigt werden. Eine Verböserung des Verwaltungsakts nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO ist bei Vorliegen der Voraussetzungen möglich. Bei Überschreiten der Frist gelten die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO entsprechend. Gegen § 364b AO werden rechtsstaatliche Bedenken erhoben (vgl. z. B. Stbg 1994 S. 195; s. a. Burhoff, NWB F. 2 S. 6251).
Der in § 76 FGO eingefügte neue Abs. 3 begrenzt die Sachaufklärungsfrist des FG. Soweit Erklärungen und Beweismittel i. S. des § 364b Abs. 1 AO nicht oder verspätet vorgebracht wurden, kann sie das FG zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden.
95. Änderung des Verfahrensgegenstandes
Erweitert wurde § 365 Abs. 3 AO auf Berichtigungen nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeiten bei Erlaß eines Verwaltungsakts sowie auf Fälle, in denen ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen Verwaltungsakts tritt, z. B. wenn er wegen eines Mangels in der Bekanntgabe unwirksam ist. Durch diese Erweiterung wird dem Stpfl. ein weiterer Einspruch erspart.
96. Inkrafttreten und Übergangsregelungen
Die Neuregelungen des außergerichtlichen Rechtshelfsverfahrens (Art. 4 Grenzpendlergesetz) und damit zusammenhängende Folgeänderungen (u. a. FGO, Art. 6 des Gesetzes) treten nach Art. 11 des Gesetzes am in Kraft.
Art. 5 Grenzpendlergesetz fügt Art. 97 § 18 Abs. 3 EGAO ein. Danach richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nach den bis zum geltenden AO-Vorschriften. Bei Entscheidung über den Rechtsbehelf nach diesem Zeitpunkt bestimmen sich Art und Verfahren nach den neuen Vorschriften über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren. Bei Einlegung einer Beschwerde vor dem erfolgt demnach die Entscheidung über sie nach dem durch Einspruchsentscheidung.
Fundstelle(n):
NWB Fach 2 Seite 6271 - 6312
NWB1994 Seite 3801 - 3898
TAAAA-72705