Bewertungswahlrecht nach § 20 Abs. 2 UmwStG 1977 bei Sacheinbringung eines Mitunternehmeranteils
Leitsatz
Wird ein Mitunternehmeranteil im Wege der Sachgründung in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht und übernimmt die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Mitunternehmerstellung des Einbringenden, so wird das Bewertungswahlrecht gemäß § 20 Abs. 2 UmwStG 1977 für die in dem Mitunternehmeranteil verkörperten Wirtschaftsgüter nicht in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft, sondern in derjenigen der Personengesellschaft ausgeübt. Werden stille Reserven aufgedeckt, ist für die aufnehmende Kapitalgesellschaft eine Ergänzungsbilanz aufzustellen. Eine Bindung an den handelsbilanziellen Wertansatz für den eingebrachten Mitunternehmeranteil in der Eröffnungsbilanz der Kapitalgesellschaft besteht dabei nicht.
Gesetze: UmwStG 1977 § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 3EStG § 5 Abs. 1 Satz 2EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2HGB § 242 Abs. 1
Instanzenzug: (EFG 2002, 151) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Kommanditisten waren am der Beigeladene mit einer Kommanditeinlage von 1 750 000 DM und B mit einer Kommanditeinlage von 100 000 DM. Unter Zustimmung der Gesellschafterversammlung übertrug der Beigeladene am einen Anteil an seiner Einlage in Höhe von 22 000 DM schenkweise auf seinen Sohn, der damit neuer Gesellschafter der Klägerin wurde. Am schied B gegen Abfindung aus dieser aus. Sein GmbH-Anteil wurde am selben Tag von dem Beigeladenen übernommen.
Nach dem Ausscheiden des B und nach der Übernahme seines GmbH-Anteils gründete der Beigeladene am zusammen mit vier weiteren Personen (darunter sein Sohn) eine AG. Von deren Grundkapital in Höhe von 12 Mio. DM übernahmen der Beigeladene Aktien im Nennbetrag von 11 996 000 DM und die übrigen Gründer, die ihre Anteile treuhänderisch für den Beigeladenen hielten, jeweils Aktien im Nennbetrag von 1 000 DM. Während die übrigen Gründer ihre Einlagen in bar zu leisten hatten und auch leisteten, erbrachte der Beigeladene seine Beteiligung durch Einlage seiner Anteile an der GmbH und der Klägerin sowie durch Einlage von Kommanditanteilen an vier weiteren GmbH & Co. Beteiligungs-KG, aus denen ebenfalls zum B als weiterer Kommanditist ausgeschieden war. Dessen Gesamtabfindung betrug zuzüglich zum Stand seiner Kapitalkonten 2 100 000 DM sowie die Option, zwei Eigentumswohnungen verbilligt zu erwerben.
Die Sacheinlagen des Beigeladenen nahm die AG in ihrer dem Gründungsprotokoll beigefügten Satzung zum Wert von 83,5 Mio. DM an. Der Beigeladene erhielt neben den Aktien einen unverzinslichen Darlehensanspruch in Höhe von 71,5 Mio. DM. Das Darlehen sollte in den folgenden Jahren aus zugeflossenen Beteiligungserträgen getilgt werden. Die am erstellte Eröffnungsbilanz der AG wies dementsprechend auf der Aktivseite unter Finanzanlagen/Beteiligungen den nicht näher aufgegliederten Betrag von 83,5 Mio. DM und unter Guthaben bei Kreditinstituten die Einzahlungen der übrigen Gründungsgesellschafter auf die von ihnen gezeichneten Anteile (4 000 DM) sowie auf der Passivseite das gezeichnete Kapital von 12 Mio. DM und als Darlehensverbindlichkeit den Betrag von 71 504 000 DM aus.
Aus dem Gründungsbericht der Gründer der AG (§ 32 des Aktiengesetzes —AktG—) vom geht hervor, wie die Unternehmenswerte der eingebrachten Kommanditanteile und Geschäftsanteile ermittelt wurden. Für die Klägerin wurde danach von stillen Reserven von insgesamt 45 640 000 DM ausgegangen, so dass auf den in die AG eingebrachten Anteil des Beigeladenen ein Wert von (abgerundet) 37 Mio. DM entfiel. Für die eingebrachten GmbH-Anteile ist ein Wert von 9,8 Mio. DM (davon 7,6 Mio. DM anteiliger Wert für die Beteiligung der GmbH an der Klägerin) ausgewiesen. Die Werte wurden im Gründungsprüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der ebenso bestätigt wie im Bericht über die Gründungsprüfung der beauftragten Revisionsgesellschaft (§ 33 Abs. 2 AktG) vom .
In ihrer mit der Steuererklärung vorgelegten Schlussbilanz zum Ende des ersten Rumpfwirtschaftsjahres am erhöhte die AG ihre Beteiligung an der Klägerin um 16 695 603 DM auf nunmehr 53 695 603 DM. Zugleich wurde der Annahmewert laut Gründungsbericht für die Beteiligung der AG an einer der vier weiteren, von B eingebrachten Beteiligungs-GmbH & Co. KG in derselben Höhe ermäßigt, so dass der Wertansatz für die Beteiligungen der AG insgesamt unverändert 83,5 Mio. DM betrug.
Unter Zugrundelegung dieser Werte erfasste auch die Klägerin in der zum für die neue Kommanditistin, die AG, erstellten Ergänzungsbilanz stille Reserven in Höhe von (53 695 603 DM ./. 1 728 000 DM Buchkapital =) 51 967 603 DM und errechnete sie in ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 1988 den Veräußerungsgewinn des Beigeladenen mit 61 662 603 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte dem nicht. Er vertrat die Auffassung, dass für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns die Annahmewerte laut Gründungsbericht maßgeblich seien. Er errechnete daraus einen Veräußerungsgewinn des Beigeladenen für die Übertragung des Kommanditanteils an der Klägerin auf die AG in Höhe von 44 621 375 DM; zugleich kürzte er in der für die AG bei der Klägerin geführten Ergänzungsbilanz die Abgänge von 12 023 513 DM auf 9 454 999 DM (Differenz 2 568 514 DM). Dementsprechend wurde der Gewinn für das Streitjahr einheitlich und gesondert festgestellt.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 151 abgedruckt.
Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG München zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses ist zu Unrecht von einer Bindung an die Wertansätze in der von der AG aufgestellten Eröffnungsbilanz ausgegangen. Die tatrichterlichen Feststellungen reichen aber nicht aus, um die bei der Klägerin in der für die AG geführten Ergänzungsbilanz anzusetzenden Werte abschließend zu bestimmen.
1. Wird ein Mitunternehmeranteil in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft im Wege der Sacheinlage eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft, so darf die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes —UmwStG— 1977). Der Buchwert ist der Wert, mit dem der Einbringende das eingebrachte Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Sacheinlage nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung anzusetzen hat (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977). Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 1977 gilt der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile.
2. Im Streitfall wurden in der von der Klägerin für die AG geführten Ergänzungsbilanz die Wirtschaftsgüter des von dem Beigeladenen in die AG eingebrachten Mitunternehmeranteils an der Klägerin nicht mit ihren Buchwerten, sondern mit aufgestockten Beträgen angesetzt. Allerdings besteht unter den Beteiligten Streit darüber, ob die hiernach angesetzten Werte von jenem Wert abweichen durften, der sich für den eingebrachten Mitunternehmeranteil nach Aufklärung des FG aus der von der AG bei ihrer Errichtung aufgestellten Eröffnungsbilanz (§ 242 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) ergab. Das FA und das FG haben dies verneint, die Klägerin bejaht dies. Letzterem ist nach der festgestellten Sachlage beizupflichten. Auf den Wertansatz in der Eröffnungsbilanz kommt es nicht an.
a) Wird —wie im Streitfall— ein einzelner Mitunternehmeranteil eingebracht und übernimmt demzufolge die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Mitunternehmerstellung des Einbringenden, wird das maßgebliche Bewertungswahlrecht nicht in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft, sondern in derjenigen der Personengesellschaft, hier der Klägerin, ausgeübt. Denn aus steuerlicher Sicht stellt der Mitunternehmeranteil kein Wirtschaftsgut dar (Senatsurteil vom I R 242/81, BFHE 145, 359, BStBl II 1986, 333). Er ist in der Steuerbilanz der aufnehmenden Kapitalgesellschaft deswegen zwar auszuweisen, jedoch nicht zu bewerten. Die Bewertung obliegt vielmehr der Personengesellschaft. In deren Steuerbilanz ist das Bewertungswahlrecht für das Wirtschaftsjahr auszuüben, in welches die Einbringung fällt. Werden stille Reserven aufgedeckt, ist für die aufnehmende Kapitalgesellschaft (als neue Kommanditistin) eine Ergänzungsbilanz aufzustellen, in der der Betrag, um den der von der Kapitalgesellschaft gewählte Ansatz den Buchwert des Mitunternehmeranteils übersteigt, auf die Wirtschaftsgüter der Mitunternehmerschaft zu verteilen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG—; vgl. z.B. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz. 686, § 24 Rz. 141.3; Friedrichs in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 20 Rz. 189).
b) Eine Bindung an die (Handels-)Bilanz der Kapitalgesellschaft infolge des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG; vgl. dazu Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 20 UmwStG Rz. 679, 1194 ff.) besteht dabei nicht. Bei den Ansätzen in der Ergänzungsbilanz handelt es sich um rein steuerliche Werte, die sich —nur— in der Gewinnfeststellung der (fortbestehenden) Mitunternehmerschaft niederschlagen. Diese allein, nicht aber die neue Kommanditistin entscheidet über den Wertansatz in der Ergänzungsbilanz. Dass das Bewertungswahlrecht für das eingebrachte Betriebsvermögen unter den gesetzlichen Bedingungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1977 von der Kapitalgesellschaft und nicht von der Personengesellschaft auszuüben ist, ändert daran nichts. Zum einen bezieht sich der betreffende handelsbilanzielle Wertansatz auf den eingebrachten Mitunternehmeranteil, nicht aber auf die in diesem Anteil verkörperten Wirtschaftsgüter. Zum anderen nimmt der einbringungsbedingt neue Gesellschafter der Personengesellschaft dann, wenn er —wie im Streitfall— an dieser mehrheitlich beteiligt ist, die Wahlrechtsausübung durchaus in eigener Person, wenn auch über die Personengesellschaft wahr. Ist er nur Minderheitsgesellschafter und kann er deswegen seinen Willen bei dieser nicht durchsetzen, bliebe es deswegen ggf. beim Buchwertansatz. Im Ergebnis kommt es jedenfalls nicht zu dem vom FA angenommenen Wertverknüpfungszwang oder zu den vom FG angenommenen Reflexwirkungen (im Ergebnis ebenso z.B. Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 20 UmwStG Rz. 686, und § 24 UmwStG Rz. 141.3 ff., 146; Patt in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 20 UmwStG n.F. Rz. 169; Herrmann in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 20 UmwStG Rz. 114; s. auch Senatsurteil in BFHE 145, 359, BStBl II 1986, 333; , BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401; vom VIII R 72/87, BFHE 169, 219, BStBl II 1992, 958, 960, jeweils für Sonderbilanzen; anders Friedrichs in Haritz/Benkert, a.a.O., § 20 Rz. 189).
c) Im Streitfall steht fest, dass die Klägerin die Werte der Wirtschaftsgüter, die durch den eingebrachten Mitunternehmeranteil des Beigeladenen repräsentiert werden, in der für die AG geführten Ergänzungsbilanz mit 53 695 603 DM ausgewiesen hat. Unterstellt, durch diesen Wertansatz wurden die Teilwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter nicht überschritten, konnte sie den Veräußerungsgewinn des Beigeladenen im Rahmen ihrer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung hiernach —wie geschehen und unabhängig von jenen 37 Mio. DM, mit denen die Beteiligung an der Klägerin in der Eröffnungsbilanz der AG in der nicht näher spezifizierten Gesamtposition Finanzanlagen/ Beteiligungen enthalten war— mit 61 662 603 DM errechnen (vgl. auch Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 24 UmwStG Rz. 144).
3. Die unter den Beteiligten weiterhin streitige Frage, ob der einmal gewählte Wertansatz von der aufnehmenden Kapitalgesellschaft später geändert werden kann (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG), muss nicht mehr beantwortet werden (vgl. dazu einerseits Senatsurteil vom I R 191/77, BFHE 133, 278, BStBl II 1981, 620; BStBl I 1998, 268 Tz. 20.33; andererseits Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 20 UmwStG Rz. 689 ff.; Merkert in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 20 UmwStG Rz. 96; Patt in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., § 20 UmwStG n.F. Rz. 170).
4. Da die Vorinstanz eine abweichende Auffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von der Klägerin angesetzten Werte jene Teilwerte überschreiten, welche von der AG als Höchstwerte angesetzt werden durften. Diese Feststellungen sind im 2. Rechtsgang nachzuholen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 804
BB 2003 S. 2165 Nr. 41
BB 2003 S. 2565 Nr. 48
BFH/NV 2003 S. 1515
BFH/NV 2003 S. 1515 Nr. 11
BStBl II 2004 S. 804 Nr. 18
DB 2003 S. 2208 Nr. 41
DStR 2003 S. 1743 Nr. 41
DStRE 2003 S. 1368 Nr. 22
FR 2003 S. 1173 Nr. 22
INF 2003 S. 771 Nr. 20
KÖSDI 2003 S. 13899 Nr. 10
SAAAA-71703