BFH Beschluss v. - IV B 227/02, IV B 228/02 und IV B 14/03

Gründe

I. Die Beschwerdeführer und Kläger zu 2 (Kläger) haben den Beschwerdeführer zu 1 (Beschwerdeführer) zu ihrer Vertretung vor dem Finanzgericht (FG) bevollmächtigt, als er noch zugelassener Steuerberater war. Nachdem die Bestellung des Beschwerdeführers zum Steuerberater wirksam widerrufen worden war, wies das FG den Beschwerdeführer mit den angefochtenen Beschlüssen als Bevollmächtigten zurück, weil er nicht mehr befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nach niederländischem und belgischem Recht als Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent zugelassen sei, denn auch nach der ab geltenden Fassung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) berechtige diese Zulassung nur zur Teilnahme an einer Eignungsprüfung, nicht aber unmittelbar zur Hilfeleistung in Steuersachen in Deutschland. Der Beschwerdeführer habe zwar gegen die den Widerruf seiner Bestellung zum Steuerberater bestätigenden Entscheidungen des FG und des Bundesfinanzhofs —BFH— (, BFH/NV 2002, 1499) Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet; bis zum Abschluss dieser Verfahren ändere sich jedoch weder etwas an der Rechtskraft des BFH-Beschlusses noch an der Unanfechtbarkeit der Widerrufsverfügung. Schließlich seien auch die angekündigte Verfassungsbeschwerde und Klage zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nicht entscheidungserheblich, weil es sich dabei um außerordentliche Rechtsmittel handele. Über die anhängigen Klagen ist noch nicht entschieden.

Gegen die Zurückweisungsbeschlüsse wenden sich sowohl der Beschwerdeführer als auch die Kläger mit ihren Beschwerden. Auf deren vom Beschwerdeführer und der Rechtsanwältin S unterzeichnete Schriftsätze vom ... September 2002 (in den Verfahren IV B 227/02 und IV B 228/02) und vom ... Dezember 2002 (in den Verfahren IV B 227, 228/02 und IV B 14/03) sowie auf die nur von der Rechtsanwältin S unterzeichneten Schriftsätze vom ... Januar 2003 (in den Verfahren IV B 227, 228/02) und vom ... Februar 2003 (im Verfahren IV B 14/03) zur Begründung der Beschwerden wird Bezug genommen. In den Schriftsätzen vom ... September 2002 und vom ... Dezember 2002 betreffend das Verfahren IV B 14/03 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er kraft seiner Vollmacht für die Kläger den für ihn auftretenden Rechtsanwälten Untervollmacht erteilt und er für sich selbst ebenfalls die betreffenden Rechtsanwälte bevollmächtigt habe.

Der Beklagte (das Finanzamt —FA—) hält die Beschwerden für unzulässig, weil es an deren ordnungsgemäßer Erhebung fehle. Im Übrigen folgt das FA der Auffassung des FG, dass der Beschwerdeführer im Inland nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei.

II. Die in entsprechender Anwendung des § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden gegen die Beschlüsse des FG in den Verfahren 11 K 7503/00 und 11 K 935/00 sowie 11 K 6789/00 sind jedenfalls unbegründet (§ 132 FGO).

1. Die gegen die angefochtenen Entscheidungen des FG erhobenen Beschwerden sind statthaft (§ 128 Abs. 1 FGO); denn die Beschwerdebefugnis steht nicht nur dem zurückgewiesenen Bevollmächtigten, sondern auch den Klägern des jeweiligen Ausgangsverfahrens zu (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 122/96, BFH/NV 1998, 998, und vom IX B 39/86, BFH/NV 1987, 83, sowie vom V B 167/99, V B 168/99, BFH/NV 2000, 874; vom Bundesverfassungsgericht —BVerfG— wurde die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen; Beschluss vom 1 BvR 832/00).

Allerdings gilt der Vertretungszwang nach § 62a FGO auch für die Einlegung einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Bevollmächtigten (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 111/89, BFH/NV 1990, 447, und vom IV B 141/01, BFH/NV 2002, 53). Soweit der Beschwerdeführer daher für sich selbst und für die Kläger vor dem BFH persönlich aufgetreten ist, fehlt es ihm an der Postulationsfähigkeit. Nach Auffassung des FA erfüllt aber auch die für den Beschwerdeführer und die Kläger aufgetretene Rechtsanwältin S das Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung nicht, weil es an einer wirksamen Bevollmächtigung durch den Beschwerdeführer selbst fehle, wenn die von ihm beauftragte Rechtsanwältin lediglich einen vorbereiteten Schriftsatz unterzeichne. Zweifeln an der Postulationsfähigkeit der Rechtsanwältin braucht der Senat indessen nicht weiter nachzugehen, da die Beschwerden jedenfalls unbegründet sind.

2. Das FG hat den Beschwerdeführer mit Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO als Bevollmächtigten zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war (vgl. , BFH/NV 2000, 326).

a) Der Beschwerdeführer war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen worden war. Der Widerrufsbescheid ist bestandskräftig, weil die gegen den Bescheid gerichtete Klage durch Urteil des FG abgewiesen und das Urteil durch Zurückweisung der dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 1499 rechtskräftig geworden ist.

b) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ändern etwaige vom Beschwerdeführer gegen den genannten BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1499 und das diesem Beschluss vorausgegangene Urteil des FG Köln anhängig gemachte Wiederaufnahmeverfahren (§ 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 der ZivilprozessordnungZPO—) nichts an der Rechtskraft dieser Entscheidungen und damit an der Bestandskraft des Widerrufsbescheids. Denn trotz des rechtsmittelähnlichen Charakters der Wiederaufnahmeklage ist sie doch kein wirkliches Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft der beanstandeten Entscheidungen suspendieren würde (vgl. Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., Vor § 578 Rn. 1). Solange die Wiederaufnahmeklage daher keinen Erfolg hat, bleibt es bei der Rechtskraft des Beschlusses in BFH/NV 2002, 1499, und damit der Bestandskraft des Widerrufsbescheids (vgl. , BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119).

c) Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung die vom Beschwerdeführer gegen die genannten, den Widerruf seiner Bestellung zum Steuerberater bestätigenden Entscheidungen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte. Denn diese ist vom nicht zur Entscheidung angenommen worden.

d) Zutreffend hat das FG auch eine Befugnis des Beschwerdeführers verneint, in den anhängigen Verfahren als Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent aufzutreten. Der VII. Senat des , VII S 41/02 (BStBl II 2003, 422) gegenüber dem Beschwerdeführer entschieden, dass ein Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent, der in den Niederlanden bzw. Belgien ein Büro hat, aber in Deutschland dauerhaft ansässig ist, in Deutschland nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist und deshalb auch nicht im finanzgerichtlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigter tätig werden darf (vgl. auch , BFH/NV 2000, 577).

Wie der BFH weiter entschieden hat, bezieht sich die durch Art. 1 Nr. 2 des Siebten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom (BGBl I 2000, 874) in das StBerG aufgenommene Befugnis zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen (§ 3 Nr. 4 StBerG) nur auf die Fälle grenzüberschreitender Hilfeleistungen in Steuersachen (gl.A. Urteil des , Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2001, 869); § 3 Nr. 4 StBerG dient so der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben aus Art. 49 Abs. 1, 50 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 2002 Nr. C 325/1). Eine solche grenzüberschreitende Hilfeleistung in Steuersachen hat der Beschwerdeführer im Streitfall aber nicht erbracht. Der beschließende Senat schließt sich deshalb der Auffassung des VII. Senats des BFH im Beschluss VII B 330/02, VII S 41/02 und des Niedersächsischen FG in EFG 2001, 869 in vollem Umfang an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe dieser Entscheidungen.

e) Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auch auf eine dem EG-Vertrag widersprechende diskriminierende Behandlung der europäischen Steuerberater gegenüber den europäischen Rechtsanwälten, deren Berufsausübung in einem anderen Mitgliedstaat durch die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABlEG 1998 Nr. L 77/36) im einzelnen geregelt ist. Aus dieser auf der Grundlage von Art. 49 und Art. 57 EGV a.F. (jetzt: Art. 40 und Art. 47 EG) ergangenen Richtlinie folgt jedoch noch kein Anspruch der steuerberatenden Berufe in den einzelnen EG-Mitgliedstaaten auf eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften. Denn zum einen sind die steuerberatenden Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten —wenn überhaupt— so unterschiedlich geregelt, dass es nur schwer möglich sein dürfte, sie generell in ihrer beruflichen Qualität mit Rechtsanwälten zu vergleichen; zum anderen aber lässt sich eine für einen bestimmten Berufsstand und dessen Besonderheiten getroffene Regelung nicht ohne weiteres auf einen anderen übertragen. Wollte man auch insoweit gemeinschaftsrechtlich einheitliche Niederlassungsvoraussetzungen schaffen, so wäre ebenso wie für Rechtsanwälte eine besondere Richtlinie der EG i.S. von Art. 47 Abs. 2 EG erforderlich (BFH-Beschluss VII B 330/02, VII S 41/02). Im Übrigen können auch dem Rechtsanwalt, der seinen Beruf auf der Grundlage der Richtlinie 98/5/EG in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, als dem, in dem er seine Qualifikation erworben hat, unter Umständen Beschränkungen auferlegt werden, denen der inländische Berufsträger nicht unterliegt, ohne dass darin eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht läge (Entscheidung des , EuGHE I 2000, 9131 zu Rn. 20, 23 bis 25).

f) Schließlich vermag der Senat dem Beschwerdeführer auch nicht in der Beurteilung des Widerrufstatbestands des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG als einer gemeinschaftswidrigen Diskriminierung deutscher Steuerberater zu folgen. Nach dieser Vorschrift ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist. Diese im Allgemeininteresse der Bundesrepublik Deutschland gebotene Regelung verstößt weder gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (, BFH/NV 2001, 69) noch gegen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit.

Die Berufsaufgaben des Steuerberaters dienen der Steuerrechtspflege, einem wichtigen Gemeinschaftsgut (, BVerfGE 21, 173, 179). Dazu gehört auch die Wahrnehmung der Interessen der Steuerpflichtigen. Deren Interesse werden aber durch zerrüttete Vermögensverhältnisse des Steuerberaters potentiell gefährdet, weil die Gefahr besteht, dass der Steuerberater das Vertrauen seiner Auftraggeber missbraucht oder deren Interessen sonst durch den bestehenden oder vermuteten Vermögensverfall beeinträchtigt werden (vgl. , BFHE 126, 384, BStBl II 1979, 170, und vom VII R 84/80, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740). Gegenüber dem Allgemeininteresse, diese Gefährdung von Auftraggeberinteressen zu vermeiden, muss das Interesse des betroffenen Steuerberaters an der Fortführung seines Berufs zurücktreten. Dabei ist die Regelung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar, denn die Ordnung seiner Vermögensverhältnisse liegt allein im Verantwortungsbereich des Steuerberaters und kann von ihm so gestaltet werden, dass sie mit den Anforderungen, die sein beruflicher Status an ihn stellt, übereinstimmt (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 69).

g) Nach alledem sieht der beschließende Senat in den vom Beschwerdeführer beanstandeten Regelungen des StBerG keine unzulässige Beschränkung der durch Art. 43 ff. EG gewährleisteten Niederlassungsfreiheit und der durch Art. 49 ff. EG gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit. Er hat insoweit auch keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften in dem Sinne, dass mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar wären ( 283/81, EuGHE 1982, 3415). Im Streitfall ist daher, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, auch ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG nicht erforderlich.

3. Die Beschwerde der Kläger gegen die Zurückweisung ihres Prozessbevollmächtigten ist aus den gleichen Gründen unbegründet wie die entsprechende Beschwerde des Beschwerdeführers.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1222
AAAAA-70455