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Nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht (HGB)
1. Definition und Funktionen
Die in Gestalt der nichtfinanziellen (Konzern-)Erklärung oder eines gesonderten nichtfinanziellen (Konzern-)Berichts auftretende nichtfinanzielle Berichterstattung ergänzt die aus Jahresabschluss und Lagebericht (ohne nichtfinanzielle Erklärung) bzw. Konzernabschluss und Konzernlagebericht (ohne nichtfinanzielle Konzernerklärung) bestehende finanzielle Berichterstattung um Aspekte, die sich nicht in der kaufmännischen Rechnungslegung niederschlagen.
Aufgabe der nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht auf Unternehmens- und Konzernebene ist es, die Transparenz der Sozial- und Umweltberichterstattung der Unternehmen und Konzerne aller Branchen auf ein vergleichbares hohes Niveau zu heben und durch die Offenlegung dieser Informationen das Vertrauen von Verbrauchern in die Unternehmen und deren Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte zu steigern. Zusätzlich soll mit der Offenlegung auch eine stärkere Verankerung der nichtfinanziellen Aspekte im Verhalten von Unternehmen bewirkt werden. Die nichtfinanzielle Berichterstattung hat somit primär sowohl eine Informationsfunktion als auch eine Rechenschaftslegungsfunktion und sekundär auch eine verhaltensbeeinflussende Funktion (vgl. ).
Im Kern sollen zu diesem Zweck Angaben gemacht werden, die sowohl für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Bericht erstattenden Einheit als auch für das Verständnis der Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die einzelnen nichtfinanziellen Aspekte (vgl. Abschnitt 4.2.3) erforderlich sind.
Die nichtfinanzielle (Konzern-)Berichterstattungspflicht kann entweder durch eine nichtfinanzielle (Konzern-)Erklärung erfüllt werden, um die der (Konzern-)Lagebericht erweitert wird (vgl. § 289b Abs. 1 Satz 1 HGB bzw. § 315b Abs. 1 Satz 1 HGB), oder durch einen inhaltlich gleichwertigen gesonderten nichtfinanziellen (Konzern-)Bericht gem. § 289b Abs. 3 HGB bzw. § 315b Abs. 3 HGB (vgl. Abschnitte 2.1 und 2.2).
Die nichtfinanzielle Erklärung des zur Aufstellung des Konzernabschlusses verpflichteten Mutterunternehmens darf mit der nichtfinanziellen Konzernerklärung zusammengefasst werden, sofern das Mutterunternehmen auch einen zusammengefassten Lagebericht erstellt (DRS 20.245). Ebenso besteht die Möglichkeit der Zusammenfassung des gesonderten nichtfinanziellen Berichts des Mutterunternehmens und des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (DRS 20.248).
Die EU (Rat und Parlament) verabschiedete Ende 2022 eine die bisherige CSR-Richtlinie ändernde neue Richtlinie (Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, ABl EU 2022 Nr. L 322 S. 15; abrufbar unter https://go.nwb.de/26x2y), die – nach Umsetzung in deutsches Recht (spätestens bis ) – zunächst die bislang von der nichtfinanziellen Berichterstattung erfassten (Mutter-)Unternehmen betreffen wird. Bei Umsetzung der aktuellen Richtlinie (EU) 2022/2464 würde sich eine deutliche Ausweitung des Anwenderkreises der zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten (Mutter-)Unternehmen ergeben. Die Europäische Kommission plant im Rahmen der Omnibus I-Pakets, den Kreis der künftig zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten (Mutter-)Unternehmen Initiative auf Unternehmen hingegen deutlich zu beschränken, sodass im Falle der Umsetzung der Vorschläge weniger (Mutter-)Unternehmen zur (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericherstattung verpflichtet sein werden als derzeit nur nichtfinanziellen (Konzern-)Berichterstattung (vgl. Richtlinienvorschlag COM (2025) 81; abrufbar unter https://commission.europa.eu/document/download/892fa84e-d027-439b-8527-72669cc42844_en?filename=COM_2025_81_EN.pdf; abgerufen am ).
Baumüller, Unternehmensspezifische Angaben in der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß ESRS,
Baumüller/Schönauer, Die neue Wesentlichkeit in der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung, PiR 4/2023 S. 131
Brom, Die ESRS-Standards zum Thema „Umwelt“, RWZ 7-8/2023, S. 205
Fleischer/Kerschbaumer, Die ESRS-Standards der EFRAG zur Governance, RWZ 7-8/2023, S. 226
Kajüter, Nichtfinanzielle Berichterstattung nach dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, DB 2017 S. 617
Kirsch, Lagebericht und Konzernlagebericht (HGB), infoCenter
Kirsch, Weglassen nachteiliger Angaben in der nichtfinanziellen (Konzern)-Erklärung, DStZ 7/2018 S. 231
Kirsch, Erneute Änderung des DRS 20 durch DRÄS 12,
Kirsch, CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz: Zusätzliche Informationspflichten für die Aufstellung des Lageberichts, BBP 2017 S. 157
Kirsch, Die nichtfinanzielle Konzernerklärung unter Beachtung der ESRS (DRSC-AH 5),
Kirsch/Huter/Höbener, B 510 Inhalt des Lageberichts, in Böcking u. a. (Hrsg.), Beck'sches Handbuch der Rechnungslegung, Stand September 2024
Kirsch/Wege, Die nichtfinanzielle Konzernerklärung im DAX 30, PiR 9/2018, S. 243
Kliem/Schäfer/Schönberger, § 315c HGB, in Grottel u. a. (Hrsg.), Beck'scher Bilanzkommentar, 14. Aufl. 2024
Lüdenbach, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und zu weiteren Gesetzesänderungen, StuB 7/2024, S. 241
Mock, Die Leitlinien der Europäischen Kommission zur CSR-Berichterstattung, DB 2017 S. 2144
Mock, § 289c HGB, in Hachmeister u. a. (Hrsg.) Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022
Schneider/Walcher, Ein Überblick über die neuen Standards in der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Sozialbereich (ESRS S1-4), RWZ 7-8/2023, S. 218
2. Aufstellungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten
2.1. Unternehmensbezogene Aufstellungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten
Die Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung betrifft folgende Unternehmen (erstmalige Anwendungsverpflichtung für die nach dem beginnenden Geschäftsjahre:
Kapitalgesellschaften,
Personengesellschaften, bei denen nicht mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist,
SE (europäische Aktiengesellschaften),
Genossenschaften,
Kreditinstitute, rechtsformunabhängig,
Versicherungsunternehmen, rechtsformunabhängig,
sofern diese folgende Größenmerkmale (grundsätzlich an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen; vgl. § 289b Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. mit § 267 Abs. 4 und 5 HGB) erfüllen:
Es handelt sich um eine große Kapitalgesellschaft i. S. des § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB (Fiktion des § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB ist nicht ausreichend!);
im Jahresdurchschnitt sind mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt.
Zusätzlich müssen Kapitalgesellschaften, SE und Personenhandelsgesellschaften i. S. des § 264a HGB und Genossenschaften zur Auslösung der nichtfinanziellen Berichtspflicht noch kapitalmarktorientiert i. S. des § 264d HGB sein.
Da der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie (EU) 2022/2464 nicht fristgerecht in deutsches Recht transformiert hat, haben die vorstehend genannten Unternehmen bis auf Weiteres eine nichtfinanzielle Erklärung abzugeben.
Nach der Richtlinie (EU) 2022/2464 (siehe Abschnitt 1) sollen über die bereits zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichteten Unternehmen in der sog. zweiten Welle alle großen Kapitalgesellschaften und in der dritten Welle zusätzlich alle kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften i. S. des § 264d HGB (ausgenommen Kleinstunternehmen, Micros) sowie kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen und in der vierten Welle Unternehmen aus Drittländern mit einem Nettoumsatz von über 150 Mio. € in der EU, wenn sie mindestens ein Tochterunternehmen oder eine Zweigniederlassung in der EU haben und bestimmte Schwellenwerte überschreiten, der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen (vgl. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2022/2464). Auf Vorschlag der EU-Kommission hat das Europäische Parlament am beschlossen die erstmalige Verpflichtung zur Aufstellung eines (Konzern-)Nachhaltigkeitsberichts für Unternehmen der sog. zweiten und dritten Welle um 2 Jahre auf 2027 bzw. 2028 zu verschieben (https://datenbank.nwb.de/Dokument/1066521/?starter=nl_proplus). Nach dem Richtlinienvorschlag COM (2025) 81 (abrufbar unter https://commission.europa.eu/document/download/892fa84e-d027-439b-8527-72669cc42844_en?filename=COM_2025_81_EN.pdf; Abruf ) plant die Europäische Kommission eine deutliche Reduzierung des Anwenderkreises, welche einen Nachhaltigkeitsbericht aufstellen müssen. Nach Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2013/34/EU-E sollen künftig nur solche in der EU (bzw. EWR) ansässige Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht aufstellen müssen, wenn diese
im Durchschnitt mehr als 1.000 Arbeitnehmer haben und
große Unternehmen i. S. der Bilanzrichtlinie sind (d. h. einen Umsatz von mehr als 50 Mio. € oder eine Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. € oder beides aufweisen).
Die Offenlegung der nichtfinanziellen Erklärung erfolgt im Rahmen der Offenlegung des Lageberichts nach § 325 HGB.
Die nichtfinanzielle Erklärung kann durch einen inhaltlich gleichwertigen gesonderten nichtfinanziellen Bericht ersetzt werden, wenn dieser entweder zusammen mit dem Lagebericht nach § 325 HGB offengelegt wird oder auf der Internetseite der Gesellschaft spätestens vier Monate nach dem Abschlussstichtag und mindestens für zehn Jahre öffentlich zugänglich gemacht wird, sofern der Lagebericht auf diese Veröffentlichung unter Angabe der Internetseite Bezug nimmt (vgl. § 289b Abs. 3 Satz 1 HGB).
Nach Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (EU) 2022/2464 bildet künftig die Nachhaltigkeitsberichterstattung einen Bestandteil des Lageberichts (vgl. ergänzend Erwägungsgrund (57) der Richtlinie (EU) 2022/2464), und zwar in einem eigens dafür vorgesehenen eigenen Abschnitt (vgl. Art. 19a Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/34/EU i. d. F. der Richtlinie (EU) 2022/2464).
Eine Befreiung von der nichtfinanziellen Berichtspflicht ist für Tochterunternehmen unter folgenden kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen möglich: