Gründe
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Finanzgericht (FG) erkannt, dass der gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) erlassene Bescheid vom i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den ihm von seiner Mutter mit notariellem Hofübergabevertrag vom übertragenen landwirtschaftlichen Betrieb (Hof mit bewirtschafteten Grundstücken, Hofzubehör) rechtmäßig ist.
Das FG hielt alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anfechtungstatbestands des § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) vom 20. Mai 1898 in der maßgebenden Fassung für erfüllt und auch die vom Kläger formalrechtlich gegen den angefochtenen Duldungsbescheid vorgebrachten Einwände für nicht durchgreifend. Zwar sei dem Kläger entgegen § 91 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vor Erlass des Bescheids kein rechtliches Gehör gewährt worden. Falls eine vorherige Anhörung überhaupt vor Erlass eines solchen Bescheids erforderlich sei (§ 91 Abs. 2 Nr. 5 AO 1977), sei der Mangel jedenfalls durch die Nachholung der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Einspruchsverfahren geheilt worden (§ 126 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AO 1977). Soweit der Kläger geltend mache, sein Recht auf Gehör sei unheilbar dadurch verletzt, dass ihm auf Grund der Vorgehensweise des FA der Rechtsweg zu den Zivilgerichten abgeschnitten worden sei, verkenne er, dass die vorherige Anhörung gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 nicht dazu diene, den Zugang zu einem bestimmten Rechtsweg bzw. die Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Rechtswegen zu eröffnen. Da es ferner den Finanzbehörden frei stehe, Maßnahmen nach dem AnfG im Verwaltungswege durch Erlass eines Duldungsbescheids zu ergreifen, komme es bei der Frage einer Gehörsverletzung und deren Heilung auf diesen Einwand des Klägers nicht an.
Schließlich sei der Duldungsbescheid auch nicht deshalb aufzuheben, weil mit Wirkung zum 9. (gemeint ist 1.) Januar 1999 das Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (AnfG 1999) in der Neufassung des Art. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom (BGBl I, 2911) in Kraft getreten sei. Denn diese Neuregelung sei zumindest nicht auf solche Fälle anwendbar, in denen die Anfechtung von den Finanzbehörden durch Duldungsbescheid vor dem geltend gemacht worden und gegen die eine finanzgerichtliche Klage anhängig sei.
Gegen dieses Urteil des FG richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die dieser ausschließlich auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt. Das FA ist der Beschwerde entgegen getreten.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der beiden von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen hinreichend i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat, denn diesen Fragen kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.
1. Die Frage, ob die Unterlassung der Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass eines Duldungsbescheids gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 noch geheilt werden kann, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht klärungsbedürftig. Sie ist eindeutig zu bejahen und offensichtlich so zu entscheiden, wie es das FG getan hat (s. zu diesem Kriterium , BFH/NV 1995, 229, m.w.N.).
Das FG hat unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. grundlegend bereits das Senatsurteil vom VII R 120/82, BFHE 138, 10, BStBl II 1983, 398) zutreffend ausgeführt, dass es dem FA frei steht, Maßnahmen nach dem AnfG (statt durch Klage vor den ordentlichen Gerichten gemäß § 9 AnfG) im Verwaltungswege durch Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 zu ergreifen. Der Kläger verkennt, dass hiernach nicht er als Anfechtungsgegner, sondern allein das FA als Steuergläubiger und Anfechtender die Wahl hat, den Anfechtungsanspruch mittels Klage vor dem Zivilgericht oder mittels Duldungsbescheid im Verwaltungsverfahren, nach dessen Durchführung dann das FG angerufen werden kann, durchzusetzen. Angesichts dieser Sachlage ist es nicht ersichtlich, wie dem Kläger infolge der unterlassenen Anhörung durch das FA der Zivilrechtsweg abgeschnitten sein sollte. Denn selbst wenn das FA den Kläger vorher angehört hätte, hätte es ohne weiteres das Verwaltungsverfahren durchführen und den Kläger damit vor das FG zwingen können.
Daran ändert auch die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) anerkannte Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage nichts, welche der Kläger nach erfolgter Anhörung vor dem Zivilgericht mit dem Ziel hätte erheben können, die Berechtigung des FA, sich der Gläubigeranfechtung zu berühmen, anzugreifen (, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1991, 1061). Denn allein dadurch verliert das FA sein Recht, einen Duldungsbescheid zu erlassen, nicht. Wenn die Zivilgerichte nach Auffassung des BGH nicht an die im Duldungsbescheid einer Finanzbehörde getroffene Regelung gebunden sind, solange dieser Bescheid nicht unanfechtbar geworden ist (, BGHZ 112, 363, NJW 1991, 700), kann umgekehrt das FA auch nicht daran gehindert sein, einen Duldungsbescheid zu erlassen, selbst wenn eine negative Feststellungsklage vor dem Zivilgericht bereits erhoben ist. Der gegenteiligen Auffassung von Kilger/Huber (Anfechtungsgesetz, 8. Aufl. 1995, § 9 IV. 4. b), wonach es der Duldungspflichtige in der Hand habe, durch Erhebung der negativen Feststellungsklage den Erlass eines Duldungsbescheids zu verhindern und den Streit endgültig vor die Zivilgerichte zu ziehen, folgt der Senat nicht. Sie wird der gegenteiligen Wertung des § 191 Abs. 1 AO 1977 nicht gerecht. Denn wäre diese Auffassung richtig, hätte die vorherige Anhörung im Verwaltungsverfahren die Folge, dass nunmehr der über die mögliche oder bevorstehende Anfechtung unterrichtete Beteiligte die Finanzbehörde stets vor das Zivilgericht zwingen und dadurch die Anfechtung durch Duldungsbescheid immer vereiteln könnte (im Ergebnis ebenso Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 191 AO 1977 Rz. 146; Nieuwenhuis, Die Gläubigeranfechtung des Finanzamts durch Duldungsbescheid: Rechtsunsicherheit ohne Ende?, Betriebs-Berater —BB— 1991, 1307).
Zwischen der Anhörung bzw. der unterlassenen Anhörung und der Frage, in welchem Gerichtszweig über die Rechtmäßigkeit der Anfechtung letztendlich entschieden wird, besteht nach alldem somit keine Kausalität. Schon deshalb kann die Argumentation des Klägers nicht durchdringen. Denn wenn die Anhörung für die Frage des Rechtswegs unerheblich ist, kann auch der Anhörungspflicht nach § 91 Abs. 1 AO 1977 vor dem Erlass eines Duldungsbescheids keine höhere Qualität als in anderen Fällen zukommen. Es besteht daher kein Grund für die Annahme, etwaige Mängel der Anhörung könnten in solchen Fällen nicht mehr im Einspruchsverfahren geheilt werden.
2. Die weitere vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob am noch nicht bestandskräftige Duldungsbescheide im Hinblick auf das AnfG 1999, bei dem nach einer im Fachschrifttum vertretenen Auffassung eine Anfechtung durch Duldungsbescheid nicht mehr zulässig sei, aufzuheben seien (auch noch in der Revisionsinstanz), ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Denn es ergibt sich klar aus dem Gesetz (s. dazu z.B. , BFH/NV 1994, 712), dass vor dem erlassene Duldungsbescheide durch das AnfG 1999 nicht berührt werden sollen.
Nach der Übergangsregelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999 ist das bisherige, nach Satz 1 dieser Vorschrift aufgehobene AnfG weiter auf die Fälle anwendbar, bei denen die Anfechtbarkeit vor dem ”gerichtlich” geltend gemacht worden ist. Dieser rechtsförmlichen gerichtlichen Geltendmachung des Rückgewähranspruchs (vgl. § 9 AnfG) entspricht bei der Geltendmachung des Rückgewähranspruchs im Verwaltungsverfahren der Erlass des Duldungsbescheids. Denn § 191 Abs. 1 AO 1977 enthält nur insoweit eine Spezialregelung, als darin für das Verwaltungsverfahren die Inanspruchnahme des Anfechtungsgegners durch Verwaltungsakt anstelle durch Klage zulässig ist (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 191 AO 1977 Rz. 188). Daher wahren sowohl Klageerhebung als auch Erlass des Duldungsbescheids die Anfechtungsfristen (vgl. Senatsurteil vom VII R 43/83, BFHE 141, 106, BStBl II 1984, 576). Die Übergangsregelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999 ist daher so zu verstehen, dass das bisherige AnfG weiter auf alle Fälle anzuwenden ist, bei denen die Anfechtbarkeit vor dem entweder durch Klage vor dem Zivilgericht oder mittels Duldungsbescheid geltend gemacht worden ist. Da der streitgegenständliche Duldungsbescheid bereits im Jahr 1995 ergangen ist, ist das neue Anfechtungsrecht des AnfG 1999 für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids ohne Bedeutung. Es kann daher hier dahinstehen, ob das AnfG 1999 tatsächlich die ihm vom Kläger beigemessene Wirkung hat (s. aber § 191 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz AO 1977 i.d.F. von Art. 17 Nr. 14 des Steuerbereinigungsgesetzes —StBereinG 1999— vom , BGBl I, 2601 i.V.m. Art. 97 § 11b Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung —EGAO 1977— i.d.F. von Art. 18 Nr. 5 StBereinG 1999).
Einer vertieften Auseinandersetzung mit der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage hinsichtlich der Übergangsregelung anhand des teilweise gegensätzlichen Schrifttums bedarf es nicht, nachdem der Gesetzgeber die Frage in Art. 97 § 11b Satz 2 i.d.F. von Art. 18 Nr. 5 StBereinG 1999 definitiv dahingehend entschieden hat, dass § 20 Abs. 2 Satz 2 AnfG 1999 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass der Erlass eines Duldungsbescheids vor dem der gerichtlichen Geltendmachung vor dem gleichsteht. Da diese nunmehr gesetzlich ausdrücklich festgeschriebene Auffassung der bisherigen Betrachtungsweise einer Gleichstellung von Klageerhebung und Erlass eines Duldungsbescheids in der Rechtsprechung des Senats entspricht, stellt sich die Frage einer etwa unzulässigen Rückwirkung nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 821 Nr. 7
SAAAA-66072