Einkommensteuer | Ermittlung des tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn (BFH)
Erzielt der Steuerpflichtige einen Veräußerungsgewinn, der sowohl dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende als auch in voller Höhe zu besteuernde Gewinne enthält, wird der Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) für Zwecke der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 und 3 EStG tarifermäßigt zu besteuernden Gewinne vorrangig mit dem Veräußerungsgewinn verrechnet, auf den das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden ist (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Der Kläger erzielte einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 EStG. Dieser setzt sich zusammen aus einem dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden und einem anderen, in vollem Umfang steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Das Finanzamt (FA) rechnete den Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) anteilig auf die in dem Veräußerungsgewinn enthaltenen steuerpflichtigen Halbeinkünfte und im Übrigen auf den in diesem Gewinn enthaltenen voll steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn an (entsprechend H 16 (13) EStH 2009).
Hierzu führt der BFH weiter aus: Der Freibetrag im Sinne des § 16 Abs. 4 EStG ist vorrangig von dem, dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsgewinn abzuziehen. Dem steht die Wertung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht entgegen, wonach im Halbeinkünfteverfahren ermittelte Veräußerungsgewinne keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift sind. Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass nur solche Gewinne der ermäßigten Besteuerung unterliegen, die in vollem Umfang zu besteuern sind. Nach Ansicht des Gesetzgebers sind hingegen Gewinne, die im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens zu ermitteln sind, bereits hierdurch steuerlich begünstigt. Der Gesetzgeber hat deshalb zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung solche Veräußerungsgewinne aus der ermäßigten Besteuerung des § 34 EStG herausgenommen. Hingegen hat der Gesetzgeber die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens nicht zum Anlass genommen, die nach diesen Vorschriften zu ermittelnden Veräußerungsgewinne aus dem Anwendungsbereich des § 16 Abs. 4 EStG auszunehmen. Die Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung und damit die vorrangige Verrechnung dieses Freibetrags mit nicht tarifbegünstigten Veräußerungsgewinnen bewirkt auch nicht, solche Gewinne zusätzlich zu begünstigen. Vielmehr führt der Grundsatz der Meistbegünstigung lediglich dazu, dem Steuerpflichtigen, soweit wie möglich, die ihm gesetzlich zustehende Tarifermäßigung für seine in vollem Umfang der Besteuerung unterliegenden Veräußerungsgewinne zu erhalten. Demgegenüber würde eine anteilige Verrechnung dieses Freibetrags mit tarifbegünstigten und mit nicht tarifbegünstigten Einkünften dazu führen, dass der Steuerpflichtige allein deshalb, weil er auch einen nicht tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn erzielt, die Tarifermäßigung des § 34 EStG nicht in vollem Umfang im gesetzlichen Rahmen in Anspruch nehmen könnte.
Anmerkung: Der BFH widerspricht damit der Auffassung, nach der der Freibetrag entsprechend den jeweiligen Anteilen der nach § 34 Abs. 3 EStG und nach dem Halbeinkünfteverfahren zu versteuernden Gewinne am Gesamtgewinn aufzuteilen ist (vgl. NWB WAAAB-73362, unter II. und H 16 (13) EStH 2009). Dieser Auffassung hatte sich auch ein Teil der Literatur angeschlossen (Reiß in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 16 Rz 282; ebenso wohl Blümich/Stuhrmann, § 16 EStG Rz 453a).
Quelle: BFH online
Fundstelle(n):
CAAAF-15601