BSG Urteil v. - B 8 SO 7/13 R

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers - kein Anspruch nach § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 - keine Weiterleitung des Antrags - nachrangige Leistungspflicht - Deckungsgleichheit der Leistungen - Kinder- und Jugendhilfe - Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege - Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie - Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des § 54 Abs 3 SGB 12 - sozialgerichtliches Verfahren - Verkennung des Streitgegenstandes durch das LSG - Entscheidung über die Höhe des Erstattungsanspruchs trotz Erlasses nur eines Grundurteils durch das Sozialgericht)

Leitsatz

Seit dem kann ein Anspruch auf Eingliederungshilfe in der Form einer Betreuung in einer Pflegefamilie, der auch die Kosten für den Lebensunterhalt umfasst, nur bestehen, wenn der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. In der Zeit davor kommt die Betreuung in Pflegefamilien als ambulante Maßnahme nur ohne die Kosten für den Lebensunterhalt in Betracht.

Gesetze: § 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 14 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB 9, § 14 Abs 1 S 2 SGB 9, § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 14 Abs 4 S 1 SGB 9, § 14 Abs 6 S 1 SGB 9, § 6 Abs 1 Nr 6 SGB 9, § 10 Abs 4 S 1 SGB 8, § 10 Abs 4 S 2 SGB 8, § 27 SGB 8, § 33 SGB 8, § 39 Abs 1 S 1 SGB 8, § 53 Abs 1 S 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 SGB 12, § 54 Abs 3 S 1 SGB 12, § 55 SGB 9, § 130 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 304 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: SG Magdeburg Az: S 19 SO 94/07 Urteilvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Az: L 8 SO 20/09 Urteil

Tatbestand

1Im Streit ist (noch) die Erstattung von Kosten, die die Klägerin (als Trägerin der Jugendhilfe) in der Zeit vom bis für die Unterbringung der 2003 geborenen L H (H) in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.

2Die 2003 geborene H ist mehrfach behindert (geistige Behinderung, hochgradige Sehbehinderung und weitere körperliche Behinderungen). Die Klägerin hatte ihr auf Antrag (vom ) im Namen des Beklagten Eingliederungshilfe (Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) iVm § 55 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) zunächst ambulant für die Zeit ab und anschließend für die Zeit ab teilstationär in einer integrativen Kindertagesstätte in Mgewährt.

3Ab bewilligte sie - H lebte seit in einer Pflegefamilie - als Trägerin der Jugendhilfe auf einen weiteren Antrag (vom ) Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege nach § 27 iVm § 33 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) "vorbehaltlich bis zur Klärung ggf über SGB XII vorübergehend in einer heilpädagogischen Pflegestelle" (Bescheid vom ) und zahlte an die Pflegeeltern Pflegegeld nach § 39 SGB VIII. Die Klägerin stellte im Namen der H erfolglos beim Beklagten einen Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe (ablehnendes Schreiben des Beklagten vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Außerdem verlangte sie die Erstattung der Kosten.

4Da der Beklagte auch diesem Antrag nicht entsprach, erhob sie Klage, gerichtet auf Erstattung von Leistungen dem Grunde nach unter Aufhebung des Bescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht (SG) Magdeburg hat den Widerspruchsbescheid vom aufgehoben und den Beklagten verurteilt, "der Klägerin Hilfen in noch zu beziffernder Höhe ab dem gemäß § 102 SGB X zu erstatten" (Urteil vom ). Zu erstatten seien die "aufgewandten Kosten". Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Nachdem die Klägerin die Klage auf die Zeit vom bis beschränkt, eine Aufstellung über die Kosten vorgelegt und beantragt hat, die auf Aufhebung des SG-Urteils gerichtete Berufung des Beklagten zurückzuweisen, "soweit sich der Erstattungsanspruch in Höhe von 44 419,22 Euro auf den Zeitraum bis " beziehe, hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt das Urteil des SG aufgehoben, "soweit der Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin mehr als 8020,70 Euro, dh auch Kosten der Aufwendungen für die Zeit bis , zu erstatten"; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ).

5Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet gegen den "Bescheid vom in der Fassung" eines "Bescheids vom sowie des Widerspruchsbescheids vom " zulässig. Sie sei jedoch nur so weit begründet, als die Erstattung der Kosten für die Zeit ab dem geltend gemacht werde. Anspruchsgrundlage sei § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Die Klägerin sei aufgrund § 43 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) als zuerst angegangene Leistungsträgerin verpflichtet gewesen, vorläufige Leistungen zu erbringen. Der Beklagte sei jedoch bis zum nicht vorrangig zuständig gewesen. Erst mit dem zum in Kraft getretenen § 54 Abs 3 SGB XII habe der Gesetzgeber geregelt, dass auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfeleistung sein könne. Die Betreuung in einer Familie als Vollzeitpflege sei nach der zuvor geltenden Rechtslage weder eine ambulante noch eine stationäre Leistung der Eingliederungshilfe iS von § 13 Abs 1 SGB XII iVm §§ 53, 54 Abs 1 SGB XII. Daher habe die Klägerin einen Anspruch auf die Erstattung der von ihr bezifferten Kosten in Höhe von 8020,70 Euro für die Zeit vom bis . Es bestehe kein Anlass, die Deckung des Grundbetrages (für den Lebensunterhalt) von der Erstattung auszunehmen; denn Sinn des § 54 Abs 3 SGB XII sei es gerade, eine geteilte Zuständigkeit (des Sozial- und Jugendhilfeträgers) zu vermeiden.

6Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Ziel der Kostenerstattung für die Zeit bis . Sie rügt insoweit eine fehlerhafte Auslegung des § 10 Abs 4 SGB VIII sowie der §§ 53, 54 SGB XII. Bereits nach § 54 Abs 1 SGB XII sei der Katalog des § 54 SGB XII dem Wortlaut nach ("insbesondere") offen ausgestaltet gewesen; mit der Erweiterung des § 54 SGB XII um seinen Abs 3 (Hilfe für Betreuung in einer Pflegefamilie) sei kein neuer Leistungstatbestand für Kinder und Jugendliche geschaffen worden. Sie ist der Ansicht, ihr stehe deshalb auch ein Erstattungsanspruch betreffend die Zeit vom bis zu und

7beantragt insoweit,das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

9Er hält die Auffassung des LSG hinsichtlich der Rechtslage bis für zutreffend, macht aber geltend, das LSG habe zu Unrecht für die Zeit ab eine Erstattungspflicht auch hinsichtlich der Kosten für Hs Lebensunterhalt angenommen. Außerdem sei das Kindergeld abzuziehen.

10Insoweit beantragt die Klägerin,die Anschlussrevision zurückzuweisen.

Gründe

11Die Revision ist zulässig; dies gilt auch für die Anschlussrevision, die im Sozialgerichtsgesetz (SGG) zwar nicht ausdrücklich geregelt, aber auch hier statthaft ist (§ 202 SGG iVm § 554 Zivilprozessordnung <ZPO>; vgl BSG SozR 4-1500 § 144 Nr 4 RdNr 16 mwN). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Einzelnen sind erfüllt. Die Anschlussrevision steht im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision, dem Erstattungsbegehren der Klägerin. Die Anschlussrevision ist auch innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach der Zustellung der Revisionsbegründung beim Revisionsbeklagten (vgl § 202 SGG iVm § 554 Abs 2 Satz 2 und Abs 3 Satz 1 ZPO) erklärt und begründet worden.

12Die Anschlussrevision ist im Sinne einer endgültigen Aufhebung des LSG-Urteils in der Sache begründet, soweit das LSG im Berufungsverfahren auf ein (Teil-)Grundurteil des SG eine Entscheidung über die konkrete Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs für die Zeit ab getroffen hat (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Soweit es die dann im Wege der Anschlussrevision (nur noch dem Grunde nach) betroffene Höhe des für diese Zeit geltend gemachten Erstattungsanspruchs und den mit der Revision geltend gemachten Erstattungsanspruch für die Zeit bis betrifft, ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

13Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist aufgrund des Vorbringens der Beteiligten ohne Rücksicht auf ungenau formulierte Anträge - selbst wenn sie auf gerichtlichen Vorschlägen beruhen - als wahres Begehren anders als im Klage- und Berufungsverfahren nicht mehr die Anfechtung ergangener Bescheide über die Ablehnung der Eingliederungshilfe (zu dieser prozessualen Möglichkeit der Klägerin § 97 SGB VIII); damit ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, welche Bescheide aufgrund der Entscheidung des LSG und in welchem Umfang aufgehoben sind. Die Beteiligten haben den Anfechtungsteil in der Sache auch zu Recht ausgeklammert, weil die Entscheidung über Erstattungsansprüche der Klägerin nicht von der Wirksamkeit der zur Eingliederungshilfe ergangenen Bescheide abhängig ist. Der Klägerin stand nämlich ein Wahlrecht zwischen der Verfolgung der Eingliederungshilfeansprüche als Verfahrens- und Prozessstandschafterin nach § 97 SGB VIII und der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegen den Beklagten zu (vgl dazu näher: Schneider in juris PraxisKommentar <jurisPK> SGB VIII, 2014, § 97 RdNr 27 mwN auch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG>; Armbruster in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 95 SGB XII RdNr 17 ff und 109 ff). Von den die Eingliederungshilfeleistungen ablehnenden Bescheiden des Beklagten konnten vorliegend ohnedies keine im Erstattungsverfahren bindende Wirkungen ausgehen. Denn im Ausgangsschreiben vom hat sich der Beklagte lediglich darauf berufen, die Klägerin sei überhaupt nicht berechtigt, diesen Anspruch zu betreiben, und im Widerspruchsbescheid hat er im Ergebnis zu Recht eine eigene Leistungspflicht - wenn auch mit fehlerhafter Begründung - verneint. Aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin den Rehabilitationsantrag nicht an den Beklagten weitergeleitet hat, ist sie selbst gemäß § 14 SGB IX zur Erbringung von Eingliederungshilfeleistungen zuständig geworden (hierzu später), und der Beklagte durfte deshalb Leistungen überhaupt nicht mehr bewilligen.

14Zur Klarstellung des Entscheidungstenors wird darauf hingewiesen, dass das LSG nach der Zurückverweisung der Sache mithin nicht mehr über das ursprüngliche Anfechtungsbegehren zu entscheiden hat. Insoweit ist auch im Revisionsverfahren unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten Streitgegenstand ein Erstattungsanspruch dem Grunde nach für die Zeit vom bis (Revision) und ein dem Grunde nach niedrigerer Erstattungsanspruch für die Zeit vom bis (Anschlussrevision; dazu näher später); für die Zeit danach hat sich der Rechtsstreit durch die Klagebeschränkung während des Berufungsverfahrens erledigt (§ 102 Abs 1 SGG).

15Ein im Rahmen des Anschlussrevisionsantrags von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel liegt darin, dass das LSG den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens verkannt hat (§ 123 SGG). Während das SG neben der Aufhebung des Widerspruchsbescheids im Rahmen der im Revisionsverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Anfechtungsklage nur - insoweit antragsgemäß - in der vorliegenden Form zu Unrecht über den Erstattungsanspruch dem Grunde nach ("aufgewandte", "zu beziffernde" Kosten) entschieden hat (§ 130 Abs 1 SGG), hat das LSG unter Berücksichtigung seines (fehlerhaften) Tenors und der Entscheidungsgründe über die genaue Leistungshöhe (8020,70 Euro) befunden, ohne dass ein entsprechender Antrag der Klägerin überhaupt vorlag. Diese selbst hat vielmehr im Schriftsatz vom ausdrücklich ausgeführt, mit der Aufstellung der Kosten keine Klageerweiterung beabsichtigt zu haben. Mit seiner Entscheidung hat das LSG damit verkannt, dass der Rechtsstreit mit der Berufung des Beklagten insoweit bei ihm überhaupt nicht angefallen ist. Eine Entscheidung über die genaue Höhe des Erstattungsanspruchs hat das SG nicht getroffen; sie bleibt ggf einem Nachverfahren beim SG vorbehalten (vgl nur BSG SozR 3-4100 § 56 Nr 15 S 71; SozR 4-3100 § 18c Nr 2).

16Das Vorbringen der Klägerin vor dem SG im Hinblick auf den Erstattungsanspruch aus eigenem Recht ist nämlich als neben der Anfechtungklage gegen die Ablehnung der Eingliederungshilfe erhobene echte Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) im Gleichordnungsverhältnis zwischen den beteiligten Behörden auszulegen. Soweit das SG auf diese Leistungsklage entschieden hat, handelt es sich um ein (Teil-)Zwischenurteil (vgl § 130 Abs 1 SGG und § 202 SGG iVm § 301 ZPO; dazu allgemein nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 130 RdNr 4e mwN). Dass das SG antragsgemäß zusätzlich den Widerspruchsbescheid aufgehoben hat, ändert hieran nichts. Damit wurde lediglich über die ursprünglich zugleich anhängig gemachte Anfechtungsklage (im Sinne der Klägerin) durch Endurteil entschieden. Das Zwischenurteil erledigt den Rechtsstreit jedoch nicht abschließend; es steht nur hinsichtlich des Rechtsmittels wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 202 SGG iVm § 304 Abs 2 ZPO einem Endurteil gleich (vgl nur BSGE 61, 217 ff = SozR 3100 § 19 Nr 18). Es kann dahinstehen, ob nach Erlass eines beantragten erstinstanzlichen Grundurteils im Berufungsverfahren, insbesondere in Fällen eines Zwischenurteils über den Grund, überhaupt eine Klageerweiterung (§ 99 SGG) zu einem bezifferten Antrag durch einfache Erklärung, durch Berufung oder Anschlussberufung zulässig ist. Jedenfalls hätte dies eines entsprechenden Antrags bedurft, an dem es vorliegend gerade mangelt.

17Sonstige von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Die Frage nach einem unzulässigen Insichprozess für den Fall, dass der Klägerin selbst die Wahrnehmungszuständigkeit für die Eingliederungshilfe anstelle des Beklagten übertragen worden wäre (dazu später), stellt sich nicht, weil sich die Klage ohnedies gegen den Beklagten als juristische Person richtet. Wäre die Klägerin selbst wahrnehmungszuständig, wäre die Klage vielmehr unbegründet.

18Auch eine Beiladung der H gemäß § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) war nicht erforderlich. Danach sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Vorliegend handelt es es sich um einen Erstattungsstreit zweier Träger der Rehabilitation auf der Basis des § 14 SGB IX (dazu sogleich). In diesem Fall wird die Position des leistungsberechtigten Sozialleistungsempfängers nicht berührt (vgl nur: BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 2 RdNr 9; Senatsurteil vom - B 8 SO 6/12 R - RdNr 10).

19Ob ein Erstattungsanspruch der Klägerin für die Zeit bis dem Grunde nach besteht, kann indes nicht abschließend beurteilt werden. Anspruchsgrundlage dafür kann nur § 104 SGB X iVm § 14 SGB IX sein. Nach § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX hat der mit einem Rehabilitationsantrag angegangene Rehabilitationsträger nach einer Prüfung seiner Zuständigkeit bei deren Fehlen den Antrag unverzüglich an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten. Tut er dies - wie vorliegend - nicht, wird er selbst umfassend für die erforderlichen Rehabilitationsleistungen zuständig (Abs 2 Satz 1). Für die Anwendung des § 14 Abs 1 und 2 SGB IX genügt es, dass die Klägerin als kreisfreie Stadt ein Rehabilitationsträger (dazu §§ 69 Abs 1, 85 SGB VIII iVm § 1 Abs 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom - Gesetz- und Verordnungsblatt <GVBl> 236) iS des § 6 Abs 1 Nr 6 SGB IX (BSGE 101, 207 ff RdNr 28 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 7) und bei ihr der maßgebliche Antrag gestellt worden ist.

20Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl allgemein nur: Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 010 Einführung RdNr 332 mwN, Stand September 2013; Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 26 mwN) war der Antrag vom zumindest auch als Rehabilitationsantrag auszulegen: H wollte die Leistung unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt erhalten. Entscheidungserheblich ist für die Anwendung des § 14 SGB IX nicht, ob die nach dem SGB VIII erbrachten Leistungen solche der Teilhabe waren (vgl zu dieser Frage andererseits für die Leistungspflicht des Erstattungspflichtigen: BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20 RdNr 9; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 15).

21Die Klägerin war auch trotz von Anfang an bestehender nachrangiger Zuständigkeit (§ 10 Abs 4 SGB VIII; im Einzelnen später) unzuständig iS des § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX (im Ergebnis ebenso ohne nähere Begründung BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 2), weil Sinn des § 14 SGB IX die Vermeidung von Streitigkeiten zwischen mehreren Rehabilitationsträgern ist (grundlegend BSGE 93, 283 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1). Dass Nachrangigkeit gerade zwei nebeneinander, wenn auch gestufte, Zuständigkeiten voraussetzt, hindert dann aber nicht die Anwendung des § 14 SGB IX.

22Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX ist zwar ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht erst aufgrund eines an sie weitergeleiteten Antrages zuständiger Rehabilitationsträger geworden ist. Für die Beurteilung ist insoweit der Antrag vom ohne Bedeutung. Maßgeblicher Antrag ist vielmehr der vom ; diesen hat die Klägerin nicht weitergeleitet und hierdurch ihre Zuständigkeit als erstangegangener Träger nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX begründet. Der vorangegangene Antrag vom , auf den zunächst ambulante und anschließend durch die Betreuung in der integrativen Kindertagesstätte teilstationäre Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bewilligt worden sind, ist dagegen für die Abgrenzung von erstangegangenem und zweitangegangenem Träger schon deshalb nicht (mehr) erheblich, weil mit dem Antrag auf Unterbringung in einer Pflegefamilie eine neue Teilhabeleistung beantragt und nicht nur im Rahmen des Erstantrags eine modifizierende Ergänzung angestrebt oder der ursprüngliche Antrag wiederholt wurde (vgl Luik in jurisPK SGB IX, 2010, § 14 RdNr 55). Der so vorgenommenen Abgrenzung entspricht auch die Regelung des § 14 Abs 6 SGB IX, wonach der (erstangegangene) Träger der Rehabilitation, der bei der Prüfung von Amts wegen erkennt, dass ein weiterer Rehabilitationsbedarf entstanden ist, für den er nicht zuständig nach § 6 Abs 1 SGB IX ist, wegen einer Entscheidung über diesen neuen Bedarf einen Antrag entsprechend § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX an den zuständigen Träger weiterleiten muss; in diesem Fall ist also ein Zuständigkeitswechsel im Gesetz durchaus vorgesehen.

23Ein Erstattungsanspruch nach allgemeinen Vorschriften ist mit § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX aber nicht ausgeschlossen und ergibt sich regelmäßig aus § 104 SGB X (stRspr; grundlegend BSGE 98, 267 ff RdNr 10 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 4). § 102 SGB X iVm § 43 Abs 1 SGB I findet - anders als das LSG meint - auch vorliegend keine Anwendung. § 102 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des BSG in Fällen des § 14 SGB IX nur in Ausnahmefällen anwendbar, in denen sich der erstangegangene Rehabilitationsträger einem Leistungszwang ausgesetzt sieht, der demjenigen des zweitangegangenen Trägers vergleichbar ist (BSGE 104, 294 ff RdNr 15 = SozR 4-3250 § 14 Nr 9: "in Fällen der vorliegenden Art"; in "Fortentwicklung der Rechtsprechung des 1. Senats"). Ein solcher Ausnahmefall ist schon deshalb auszuschließen, weil sich auch ohne die Existenz des § 14 SGB IX der Erstattungsanspruch nur aus § 104 SGB X ergeben würde (dazu auch BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 2). Für eine Anwendung des § 102 SGB X genügt nicht der Umstand, dass die Klägerin ihre Jugendhilfeleistungen als vorläufig bezeichnet hat (BVerwGE 142, 18 ff RdNr 14 ff mwN); dies hat keine Bindungswirkung für das Erstattungsverfahren (BVerwG aaO). Die Regelung des § 14 SGB IX geht ohnedies der des vom LSG angewandten § 43 SGB I vor (BSGE 109, 56 ff RdNr 11 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1).

24Nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Ein Fall des § 103 SGB X liegt nicht vor; denn diese Norm regelt nur den Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist. Ein Anspruch der H gegen die Klägerin wegen der Vollzeitpflege in der Pflegefamilie wäre aber auch ohne § 14 SGB IX nicht nachträglich entfallen. Vielmehr beruft sich die Klägerin gerade darauf, dass sie nach § 10 Abs 4 Satz 2 SGB VIII nachrangig leistungsverpflichteter Träger sei. Der damit allein denkbare Erstattungsanspruch des § 104 SGB X setzt als Grundkonstellation voraus, dass gestufte Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen. Ob vorliegend zwei derart miteinander konkurrierende Leistungspflichten unterschiedlicher Sozialleistungsträger bestanden (sog Leistungsidentität), lässt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

25Der Anspruch scheitert allerdings nicht bereits an einer (eigentlichen) Unzuständigkeit des Beklagten. Für eine Leistungserbringung in Form der Eingliederungshilfe gegenüber H wäre dieser vielmehr - sieht man von § 14 SGB IX ab - sachlich und örtlich zuständig; die Klägerin war auch nicht (ggf) als örtlicher Träger der Sozialhilfe für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe selbst wahrnehmungszuständig. In S-A sind aufgrund einer Heranziehung durch das Land als überörtlichem Sozialhilfeträger (vgl § 2 Abs 1 Gesetz zur Ausführung des SGB XII <AGSGB XII> vom - GVBl 8 - iVm § 3 Abs 3 SGB XII), der für Leistungen der Eingliederungshilfe sachlich zuständig ist (§ 97 Abs 3 SGB XII iVm § 3 Nr 1 AGSGB XII), die Landkreise und kreisfreien Städte zwar mit der Durchführung dieser Aufgabe betraut. Mit dieser Heranziehung wird in S-A allerdings keine Wahrnehmungszuständigkeit für die Leistungserbringung begründet (zum Begriff der Wahrnehmungszuständigkeit zuletzt Urteil des Senats vom - B 8 SO 11/12 R -, SozR 4-3500 § 106 Nr 1 RdNr 16); denn sie erbringen diese Leistungen insoweit nicht im eigenen Namen, sondern entscheiden im Namen des zuständigen Trägers, also des Landes (§ 6 Satz 2 AGSGB XII).

26Wäre die als Jugendhilfe erbrachte Betreuung in der Familie auch als Eingliederungshilfe nach dem SGB XII möglich, regelt § 10 Abs 4 Satz 2 SGB VIII, dass Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem SGB VIII vorgehen. Für den Vorrang der Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII genügt dabei bereits jede Überschneidung der Leistungsbereiche; es ist dafür nicht (weiter gehend) erforderlich, dass der Schwerpunkt des Hilfebedarfs bzw -zwecks im Bereich einer der den Eingliederungsbedarf auslösenden Behinderungen liegt oder eine von ihnen für die konkrete Maßnahme ursächlich ist (vgl zuletzt BVerwGE 142, 18 ff RdNr 31 mwN). Damit kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung, die Betreuung der H nicht mehr in der Herkunftsfamilie, sondern in einer Pflegefamilie vornehmen zu lassen, im Ausgangspunkt auf die Notwendigkeit zur Intervention durch das Jugendamt wegen eines (bislang nicht weiter aufgeklärten) Erziehungsdefizits bei der Betreuung durch die Mutter zurückgeht, wie der Beklagte meint. Für die Beurteilung der Leistungsidentität ist schließlich ohne Bedeutung, wem der jeweilige Anspruch nach der Systematik des SGB VIII und des SGB XII zusteht; entscheidend ist nur, dass die Bedarfe derselben Person - vorliegend der H - gedeckt werden ( 5 C 6.11 -, Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr 6).

27Die Leistungsidentität verlangt zum einen - wenn wie vorliegend mit der Leistung der nachrangigen Leistungspflicht nachgekommen, sie nicht als nach § 14 SGB IX zuständig Gewordener erbracht werden soll -, um im Erstattungsverhältnis eine Lastenverschiebung zu vermeiden (zu diesem Gesichtspunkt BSGE 98, 267 ff RdNr 16 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4), eine inhaltlich rechtmäßige Leistungserbringung nach den für die eigene Leistung geltenden Vorschriften (vgl BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 20), zum anderen aber, dass die Voraussetzungen der Leistungserbringung auch durch den vorrangig Verpflichteten vorliegen (vgl nur: grundlegend BSGE 74, 36 ff = SozR 3-1300 § 104 Nr 8; BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2; BVerwGE 99, 114 ff). Schließlich bestimmt sich anders als bei Anwendung des § 102 SGB X der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Vorschriften (§ 104 Abs 3 SGB X), was sich auch auf den Anspruchsgrund auswirken kann.

28Ob die Klägerin an H Hilfen zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 27 SGB VIII iVm §§ 33, 39 SGB VIII) rechtmäßig erbracht hat, hat das LSG im Einzelnen nicht geprüft. Zur Beurteilung der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Leistungserbringung fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen; aus der Bezugnahme auf die von der Klägerin vorgelegten Aufstellungen ergibt sich hierzu nichts. Ebenso wenig lässt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG entscheiden, ob und inwieweit H gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Betreuung in der Pflegefamilie als Leistung der Eingliederungshilfe nach §§ 19 Abs 3, 53, 54 SGB XII iVm § 55 SGB IX gehabt hätte.

29Leistungsidentität liegt unter diesen Voraussetzungen vor, wenn bei einem Kind behinderungsbedingt Entwicklungsstörungen sowohl in körperlicher als auch in geistiger Hinsicht bestehen, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft führen, und dadurch Betreuungsleistungen sowohl Maßnahmen der Jugendhilfe als auch der Eingliederungshilfe zu erbringen sind (so bereits BVerwGE 125, 96 ff RdNr 9; dazu auch Küfner, Das Jugendamt 2007, 8 ff). Neben einem erzieherischen Defizit kann eine behinderungsbedingt erforderliche (zur Voraussetzung der Erforderlichkeit § 53 Abs 3 SGB XII iVm § 4 Abs 1 und 2 SGB IX) Eingliederungshilfeleistung im Sinne der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Betracht kommen, wenn eine über die Erziehung hinausgehende qualitative Betreuung erfolgt, die dem Kind das Leben in der Gemeinschaft außerhalb der Familie ermöglichen soll (ähnlich Nellissen in jurisPK SGB VIII, 2014, § 33 RdNr 62; Tillmanns, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 33 SGB VIII RdNr 7; so wohl auch Kunkel/Kepert in Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl 2014, § 33 RdNr 11). Unschädlich ist, dass die Vollzeitpflege im Leistungskatalog des § 54 Abs 1 SGB XII nicht genannt ist; denn dessen Aufzählung ist ausdrücklich nicht abschließend. Aus der Einfügung des § 54 Abs 3 SGB XII mit Wirkung ab lässt sich für die Zeit vor Inkrafttreten nicht entnehmen, gerade die Betreuung in einer Pflegefamilie sei bei einem grundsätzlich offenen Leistungskatalog als Eingliederungshilfe ausgeschlossen gewesen. Es sollte insoweit lediglich für eine bis dahin in der Praxis aufgetretene Abgrenzungsproblematik eine ausdrückliche Regelung geschaffen und so im Ergebnis eine Neuordnung der Zuständigkeiten nur für die Zukunft erreicht werden (vgl BT-Drucks 16/13417, S 6; im Einzelnen sogleich).

30Zu Unrecht ist deshalb das LSG davon ausgegangen, dass Leistungen der Eingliederungshilfe wegen Betreuung in einer Pflegefamilie erst seit Inkrafttreten des § 54 Abs 3 SGB XII idF des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus (vom - BGBl I 2495) in Betracht kommen. Zwar handelt es sich bei der Betreuung in einer Familie nicht um die Hilfe in einer Einrichtung iS des SGB XII; denn es fehlt an den eine Einrichtung kennzeichnenden Merkmalen eines in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher Leitung zusammengefassten Bestandes an personellen und sächlichen Mitteln, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist (vgl zuletzt Urteil des Senats vom - B 8 SO 11/12 R -, SozR 4-3500 § 106 Nr 1, RdNr 19 mwN). Das bedeutet aber nicht, dass die Erbringung von Vollzeitpflege in Pflegefamilien als ambulante Maßnahme der sozialhilferechtlichen Eingliederungsleistung ausscheidet.

31Um die vorliegend denkbare Leistungsidentität abschließend prüfen zu können, wird das LSG nach der Zurückverweisung deshalb Feststellungen dazu treffen müssen, ob bei H neben der Betreuung in der integrativen Kindertagesstätte ein zusätzlicher Bedarf für Eingliederungsmaßnahmen nach §§ 53 Abs 1 Satz 1, 54 Abs 1 Satz 2 SGB XII iVm § 55 Abs 1 und 2 SGB IX bestand und eine über die reine Erziehung hinausgehende Förderung in der Pflegefamilie erfolgt ist. Bis zur Einfügung des § 54 Abs 3 SGB XII zum war allerdings der Träger der Jugendhilfe im Fall der Betreuung in einer Pflegefamilie selbst bei bestehender Sozialhilfebedürftigkeit des Kindes nach § 10 Abs 4 Satz 1 SGB VIII für den Lebensunterhalt vorrangig zuständig (so bereits BVerwGE 125, 96 ff). Ein ggf bestehender Erstattungsanspruch wäre deshalb in der Zeit vom bis auf die Kosten der Erziehung beschränkt; nur insoweit sind die Leistungen ggf gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich, wie dies der in § 10 Abs 4 Satz 2 SGB VIII normierte Nachrang der Kinder- und Jugendhilfe gegenüber der Sozialhilfe voraussetzt (vgl dazu BVerwGE 109, 325 ff). Die Sicherstellung des Lebensunterhalts eines Kindes ist - wie hier im Rahmen der Vollzeitpflege - zwar eine Leistung nach dem SGB VIII (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB VIII iVm §§ 32 bis 35, § 35a Abs 2 Nr 2 bis 4 SGB VIII). Dies gehört jedoch bei der Betreuung eines Kindes in einer Pflegefamilie, bei der es sich - wie ausgeführt - nicht um eine stationäre Leistung handelt (vgl zur stationären Leistung aber § 35 Abs 1 Satz 1 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom - BGBl I 2670), nicht zugleich zu den integralen (vgl in anderem Zusammenhang: BSGE 99, 252 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 3; B 8/9b SO 12/07 R) Aufgaben der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (zu diesem Gesichtspunkt auch BVerwGE 142, 18 ff RdNr 35). Von der Erstattung sind deshalb die in den Leistungen nach § 39 SGB VIII enthaltenen Bestandteile für den Lebensunterhalt auszunehmen. Dies wird ggf im Nachverfahren zu berücksichtigen sein.

32Für die Erstattung ist allerdings ohne Bedeutung, ob mit den Pflegeeltern Verträge nach §§ 75 ff SGB XII, insbesondere eine Vergütungsvereinbarung, getroffen ist. Weder handelt es sich bei der Betreuung in einer Pflegefamilie um die Leistung in einer Einrichtung (s oben) noch um die Leistung eines ambulanten Dienstes iS des § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Die durch die Pflegeeltern anfallenden Tätigkeiten können nicht als Dienstleistung an einer Person (zu dieser Definition Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 75 SGB XII RdNr 70 mwN) verstanden werden; dies würde den persönlichen Beziehungen der Betroffenen nicht gerecht werden. Deshalb stehen die entsprechenden Leistungen des § 33 SGB VIII ebenfalls nicht unter dem Vorbehalt von Vergütungsvereinbarungen (dazu §§ 78a, 39 SGB VIII).

33Schließlich kann für den Grund der Erstattungsforderung von Bedeutung sein, ob Einkommen und Vermögen der H - auf das der Pflegeeltern kommt es nicht an - einzusetzen wäre (§ 19 Abs 3 SGB XII iVm § 104 Abs 3 SGB X). Eine privilegierte Maßnahme liegt jedenfalls nicht vor (vgl § 92 Abs 2 SGB XII). Die Anwendung des sog Bruttoprinzips (trotz zu berücksichtigenden Vermögens und/oder Einkommens volle Leistung gegen zumutbaren Aufwendungsersatz) scheidet mangels einschlägiger Regelung aus, sodass es keiner Entscheidung bedarf, wie dann zu verfahren wäre (vgl allgemein zum Bruttoprinzip BSGE 114, 147 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 92a Nr 1). Das Kindergeld wäre allerdings nicht abzuziehen, sondern lediglich, soweit es überhaupt H als Einkommen zuzuordnen wäre (dazu § 82 Abs 1 Satz 3 SGB XII) oder tatsächlich erzielt sein sollte, im Rahmen der Einkommensgrenzen der §§ 85 ff SGB XII zu berücksichtigen.

34Für die (vom SG ggf im Nachverfahren zu prüfende) Höhe des Erstattungsanspruchs sei angemerkt, dass das SGB XII keine nähere Regelung über die Art und Höhe der Leistung enthält, sodass diese gemäß § 17 Abs 2 SGB XII ins Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt sind. Da eine Orientierung im Rahmen dieses Ermessens an § 39 SGB VIII indes angebracht ist, sind erstattungsfähig die Kosten - ohne den Lebensunterhalt -, die den Leistungen nach § 39 SGB VIII entsprechen (zu diesem Gedanken allgemein nur BSG SozR 1300 § 104 Nr 6). Im Rahmen des Erstattungsverfahrens kann mithin der Erstattungspflichtige dem Erstattungsberechtigten nicht entgegenhalten, er hätte das Ermessen anders ausgeübt. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die vom Erstattungsberechtigten erbrachten Leistungen im Rahmen des ansonsten vom Erstattungspflichtigen auszuübenden Ermessens bewegen.

35Auf die Anschlussrevision des Beklagten kann auch über die Zeit vom bis nicht abschließend entschieden werden, weil entgegen der Ansicht des Beklagten ab Kosten für den Lebensunterhalt im Rahmen des Erstattungsbegehrens nicht mehr auszunehmen sind (dazu später), andererseits eine niedrigere Höhe des Erstattungsanspruchs daraus resultieren könnte, dass ebenso wie für die Zeit bis ausreichende tatsächliche Feststellungen dazu fehlen, ob ein Erstattungsanspruch überhaupt besteht. Wäre dies der Fall, wäre dem mit der Anschlussrevision verfolgten Begehren des Beklagten - wenn auch mit anderer Begründung - Rechnung getragen.

36Dem kann nicht entgegengehalten werden, mit der vom Senat bereits von Amts wegen vorgenommenen Änderung des LSG-Urteils (vom bezifferten Leistungsurteil in ein Grundurteil) dürfte nicht mehr geprüft werden, ob die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch ab überhaupt vorliegen. Dies würde den rechtlichen Interessen des Beklagten bei der aus dem Verfahrensfehler des LSG resultierenden prozessualen Situation nicht gerecht werden. Da einerseits das SG ein Grundurteil (auch betreffend die Leistungshöhe) dahin erlassen hat, dass die gesamten Kosten erstattungspflichtig sind, und diese nur noch zu beziffern seien, andererseits im Sozialgerichtsverfahren auch ein Grundurteil im Rahmen eines Höhenstreits möglich ist (vgl dazu nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 130 RdNr 2d mwN), hätte sich der durch das Urteil belastete Beklagte dagegen auch allein wegen der Höhe wehren können. Wenn aber im Höhenstreit alle Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sind, um zu einer höheren Leistung zu gelangen (vgl nur BSGE 94, 109 ff RdNr 5 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1), muss Gleiches für den umgekehrten Fall gelten, wenn sich der Betroffene mit dem Ziel einer errechenbaren Minderung der Leistung wehrt. Auch in dieser Konstellation liefe eine Beschränkung der Prüfung auf eine unzulässige Elementenfeststellung hinaus (zu diesem Gesichtspunkt auch Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 11 mwN). Vorliegend ist das Ziel der Anschlussrevision - ausgehend von dem zu Unrecht vom LSG bezifferten ausgeurteilten Zahlbetrag - in der Höhe genau errechen- und bezifferbar (Abzug der Leistungsbestandteile für den Lebensunterhalt und des Kindergeldes vom Gesamtbetrag, dieser auf 8020,70 Euro vom LSG bestimmt). Selbst wenn diese beiden Aspekte nicht zu einer geringeren Erstattungssumme führen würden, könnte sich die gleichwohl errechenbare Minderung immer noch daraus ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Erstattung überhaupt nicht vorlagen. So liegt die Sache hier. Damit würden im Nachverfahren allerdings nur noch der Umfang der aufgewendeten Kosten und die Höhe eines Abzugs wegen des Lebensunterhalts und eines gezahlten Kindergelds zu prüfen sein. Eine im Ergebnis niedrigere Erstattungsforderung darf sich insoweit für die Klägerin nicht ergeben.

37Für die Zeit ab Inkrafttreten des § 54 Abs 3 SGB XII zum ergibt sich nämlich eine andere Beurteilung möglicher Leistungsansprüche der H (unter Einschluss von Kosten des Lebensunterhalts) und damit der Erstattungsansprüche als für die davor liegende Zeit (dazu oben). Ab diesem Zeitpunkt müssen für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe in der Form einer Betreuung in einer Pflegefamilie die qualifizierten Voraussetzungen des § 54 Abs 3 SGB XII erfüllt sein. Eine Leistung der Eingliederungshilfe ist danach auf die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie, soweit eine geeignete Person, die einer Erlaubnis nach § 44 SGB VIII bedarf, Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. Unter den genannten Voraussetzungen hat der Gesetzgeber jede erforderliche Betreuung eines behinderten Kindes in einer Pflegefamilie typisierend als Eingliederungshilfe normiert, aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass ab diesem Zeitpunkt jegliche Betreuung - ob als neuer oder fortbestehender Leistungsfall - nur noch nach den genannten Kriterien als erforderliche und geeignete Leistung zur Verwirklichung der Eingliederungszwecke des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 und 2 SGB IX anzusehen ist.

38Erfüllt die ab dem Inkrafttreten des § 54 Abs 3 SGB XII an H erbrachte Leistung der Klägerin die in dieser Norm genannten weiteren Voraussetzungen für eine Eingliederungshilfe, ist der Beklagte indes für die Maßnahme ab diesem Zeitpunkt insgesamt erstattungspflichtig. Nur diesen Schluss lässt die ebenfalls zum erfolgte Änderung des § 28 Abs 5 SGB XII (jetzt § 27a Abs 4 Satz 3 SGB XII) zu. Danach soll die Unterbringung in einer Pflegefamilie regelmäßig zu einer abweichenden Bemessung der Regelsätze für den notwendigen Lebensunterhalt führen; diese Änderung ist im Hinblick auf § 54 Abs 3 SGB XII erfolgt (BT-Drucks 16/13417, S 6). Sie macht deutlich, dass der Träger der Sozialhilfe auch für die mit der Unterbringung verbundenen Kosten zum Lebensunterhalt als einem integralen Bestandteil der Maßnahme aufzukommen hat.

39Mit dem neuen Leistungstatbestand in § 54 Abs 3 SGB XII sollte ermöglicht werden, dass auch Hilfe für die Betreuung in einer Familie als Alternative zur vollstationären Betreuung in Anspruch genommen wird, wenn dies dem Wohle des Kindes dient. Außerdem sollte eine Gleichbehandlung mit seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen erreicht werden und zugleich die üblicherweise aus den unterschiedlichen Leistungszielen resultierende gespaltene Trägerschaft (Sozialhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe) beendet werden (BT-Drucks 16/13417, S 6). Dieses gesetzgeberische Ziel einer abschließenden Abgrenzung der Fallgruppen voneinander verlangt, dass Leistungen zur Betreuung von Kindern in einer Pflegefamilie über den hinaus regelmäßig nur noch möglich sind, wenn die einschränkend eingeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben.

40Diese Auslegung im Sinne einer übergangslosen Neuregelung, die teilweise günstiger, teilweise ungünstiger ist als die alte Regelung, wird dadurch gestützt, dass das SGB XII anders als das Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in § 66 SGB II und das Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) in § 422 SGB III keine spezielle Übergangsregelung für bereits begonnene Maßnahmen enthält. Einer Vertrauensschutzregelung bedarf es ohnedies in Fällen der vorliegenden Art, in denen Leistungen nach dem SGB VIII gewährt worden sind und nur die Kostenerstattung zwischen den Leistungsträgern betroffen ist, nicht. Ob in anderen Übergangsfällen, in denen ausschließlich Leistungen nach den früheren Vorschriften der Eingliederungshilfe (s dazu oben) erbracht worden sind, geeignete Lösungen (etwa Analogie zu § 66 SGB II und § 422 SGB III) zu suchen sind, kann offen bleiben.

41Soweit es die Berücksichtigung von Kindergeld betrifft, gelten entgegen der Ansicht des Beklagten die gleichen Grundsätze wie für die Zeit bis . Abgesehen davon, dass Kindergeld ggf schon bei § 39 SGB VIII nach dessen Abs 6 leistungsmindernd wirkt und damit auf die Höhe der Erstattungsforderung durchschlägt, ist es, wenn es denn Einkommen der H ist, nur nach Maßgabe der Einkommensgrenzen der §§ 85 ff SGB XII zu berücksichtigen.

42Das LSG wird bei seiner Entscheidung auch zu prüfen haben, ob im Hinblick darauf, dass es sich bei dem SG-Urteil nur um ein Teil-Endurteil, verbunden mit einem Teil-Zwischenurteil, handelt, eine Kostenentscheidung zu ergehen hat (vgl dazu nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 193 RdNr 2b); ggf ist die Kostenentscheidung des SG aufzuheben. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2 Satz 1, 45 Abs 2, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz. Die für die Streitwertbestimmung maßgeblichen Gesichtspunkte ergeben sich für den Revisionsantrag der Klägerin aus deren Angaben zum Umfang des Erstattungsanspruchs; für die Anschlussrevision ist der Auffangstreitwert von 5000 Euro zugrunde zu legen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2014:250914UB8SO713R0

Fundstelle(n):
FAAAE-85536