Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Doppelte Haushaltsführung
Langenkämper, Doppelte Haushaltsführung, infoCenter;
Schmidt, Reisekosten, Grundlagen;
;
Bruschke, Doppelte Haushaltsführung, DStz 14/2018 S. 507;
Carlé, Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland sind die tatsächlichen Unterkunftskosten maßgeblich für den Werbungskostenabzug, NWB 47/2023 S. 3172;
Dürr, Keine doppelte Haushaltsführung bei zumutbarer Fahrzeit zwischen Ort des Hausstands und erster Tätigkeitsstätte?, DStZ 9/2017 S. 323;
Erdwiens/Schmidt, Die gelungene Reform des lohnsteuerlichen Reisekostenrechts - Rückblick und aktuelle Bestandsaufnahme unter Einbeziehung der in der Bundesfinanzakademie durchgeführten Schulungsmaßnahmen, in: Festschrift - 70 Jahre Bundesfinanzakademie, Otto Schmidt Verlag 2021, S. 247 ff.;
;
;
;
;
Heine/Trinks, Kostenbeteiligung im Rahmen der doppelten Haushaltsführung, ;
;
;
;
Krümpel, Wechsel einer doppelten Haushaltsführung, SSP 1/2020, S. 11;
;
;
Seifert, Dienstwagen und Familienheimfahrten, StuB 7/2023 S. 310;
;
;
Strahl, Nutzung eines Dienstwagens für Familienheimfahrten unter Zuzahlungen des Arbeitnehmers, NWB 40/2022 S. 2809;
;
;
Strohner/Gödtel, Reisekosten, 3. Aufl. 2017, NWB Rn. 801 ff.;
A. Problemanalyse
1Einleitung
Kosten der Lebensführung – wie beispielsweise für Wohnen und Verpflegung – können steuerrechtlich nicht geltend gemacht werden, da sie grundsätzlich zu den nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten zählen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verlangt, dass ein Arbeitnehmer flexibel reagiert. In vielen Fällen ist es ihm deshalb nicht möglich, täglich zu seiner Hauptwohnung zurückzukehren. Diesen Umstand hat der Gesetzgeber erkannt und unterstützt die Flexibilität des Arbeitnehmers. Unter dem Begriff der doppelten Haushaltsführung hält das Einkommensteuerrecht Vergünstigungen bereit. Denn abweichend zu der Grundaussage, dass Kosten der Lebensführung keine Berücksichtigung finden, werden notwendige Mehraufwendungen, die dem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, als Werbungskosten begünstigt. Jedoch nur insoweit sie vom Arbeitgeber nicht steuerfrei ersetzt werden. Die Voraussetzungen und den Umfang der begünstigten Wohn-, Verpflegungs- und Fahrtkosten regeln die Bestimmungen der lohnsteuerlichen doppelten Haushaltsführung.
2Anwendbarkeit
Die doppelte Haushaltsführung eines nichtselbständig Tätigen (Arbeitnehmer) bilden die Hauptanwendungsfälle. Der Gesetzgeber gewährt die Vergünstigung auch für die übrigen Überschusseinkünfte. Die praktische Relevanz ist gering und spielt allenfalls bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine Rolle. Bedeutsamer und anerkannt sind die Fälle der doppelten Haushaltsführung bei den selbständig Tätigen mit Gewinneinkünften, dort im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs.
3Definition
Eine steuerlich zu berücksichtigende doppelte Haushaltsführung besteht, wenn ein Steuerpflichtiger an seiner ersten Tätigkeitsstätte arbeitet, dort wohnt und an einem entfernten Ort einen eigenen Hausstand unterhält.
4Keine Befristung
Die beruflich begründete doppelte Haushaltsführung wird steuerlich unbefristet anerkannt. Der Werbungskostenabzug für Arbeitnehmer bzw. der steuerfreie Arbeitgeberersatz ist bei langjähriger (beruflich veranlasster) doppelter Haushaltsführung für den gesamten Zeitraum der Beschäftigung möglich.
5Verpflegungsmehraufwand begrenzt
Die Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwendungen ist dagegen weiterhin auf die ersten drei Monate als maximale Zeitdauer begrenzt. Die Begrenzung des Abzugs ist laut BFH verfassungsgemäß. Eine Unterbrechung kann zu einem Neubeginn führen, wenn diese mindestens vier Wochen andauert.
6Abgrenzung zur Auswärtstätigkeit
Unterbringungs- und Verpflegungsmehraufwendungen können bei Auswärtstätigkeiten im Rahmen der Reisekosten steuerlich geltend gemacht werden Da dafür aber hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen andere Grundsätze gelten, sind beide strikt voneinander zu trennen. Es ist stets zu prüfen, welche Art von Unterkunftskosten geltend gemacht wird.
Die doppelte Haushaltsführung verlangt neben einer Hauptwohnung eine Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte, um der dortigen Tätigkeit schneller nachgehen zu können. Bei der beruflichen Auswärtstätigkeit dagegen wird die Tätigkeit gerade nicht an der ersten Tätigkeitsstätte, sondern außerhalb der Wohnung an einer anderen Tätigkeitsstätte ausgeübt.
A hat neben seiner Hauptwohnung in Hamburg noch eine Zweitwohnung in München. In München geht er innerhalb der Woche einer Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber an der ersten Tätigkeitsstätte nach (= doppelte Haushaltsführung).
B hat eine Wohnung in Hamburg. Dort ist er bei seinem Arbeitgeber an der ersten Tätigkeitsstätte beschäftigt. Der Arbeitgeber beauftragt ihn, in der nächsten Woche, einen Kunden in München zu besuchen (= Auswärtstätigkeit).
7Weitere abziehbare Mehraufwendungen
Neben den Kosten der Unterkunft und der Geltendmachung von Verpflegungsmehraufwand können Fahrtkosten und Umzugskosten zum Ansatz gebracht werden.
8Erhebliche Rechtsänderungen
Durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom wurden die bisherigen steuerlichen Bestimmungen zum steuerlichen Reisekostenrecht zum neu geregelt. Mit dieser Reform des lohnsteuerlichen Reisekostenrechts haben sich im Bereich der doppelten Haushaltsführung wesentliche Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage ergeben.
9BMF-Schreiben
Das BMF-Schreiben „Zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab “ vom erläutert die Änderungen aus Sicht der Verwaltung, welche durch die gesetzlichen Neuregelungen bei der doppelten Haushaltsführung entstanden sind. Dieses wurde geändert durch das „Ergänzte BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab “. Des Weiteren wurde ein aktualisiertes BMF-Schreiben erlassen. Dabei werden insbesondere die neue BFH-Rechtsprechung zum lohnsteuerlichen Reisekostenrecht und die ab geltenden gesetzlichen Beträge für Verpflegungsmehraufwendungen und Sachbezugswerte berücksichtigt sowie insbesondere die Änderungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung eingearbeitet.
Wie alle anderen BMF-Schreiben soll auch dieses zur Planungssicherheit und Rechtsklarheit beitragen, da Steuerpflichtige sich darauf berufen können, dass ein Sachverhalt von der Finanzverwaltung in der im BMF-Schreiben dargestellten Art und Weise entschieden wird. Wie bei Steuer-Richtlinien ist durch ein BMF-Schreiben nur die Finanzverwaltung in der Rechtsanwendung gebunden. Der Bürger kann sich auf die Anwendung berufen, aber ebenso eine andere Rechtsauffassung vertreten. Insbesondere sind die Gerichte nicht daran gebunden.
10Wesentliche Punkte auf einen Blick
Insgesamt wurden im Rahmen der doppelten Haushaltsführung drei wesentliche Punkte im BMF-Schreiben angesprochen. Diese betreffen:
die Frage des Vorliegens eines eigenen Hausstands von ledigen Arbeitnehmern am Lebensmittelpunkt,
die berufliche Veranlassung,
die Berücksichtigung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen und
die Höhe der Unterkunftskosten im Inland.
11Eigener Hausstand am Lebensmittelpunkt
Das Vorliegen eines eigenen Hausstands setzt neben dem Innehaben einer Wohnung aus eigenem Recht als Eigentümer oder Mieter bzw. aus abgeleitetem Recht als Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte sowie Mitbewohner auch eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (laufende Kosten der Haushaltsführung) voraus (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG). Nach dem BMF-Schreiben genügt es nicht, wenn der Arbeitnehmer z. B. im Haushalt der Eltern lediglich ein oder mehrere Zimmer unentgeltlich bewohnt oder wenn dem Arbeitnehmer eine Wohnung im Haus der Eltern unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird.
Eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung ist darzulegen. Sie kann bei volljährigen Kindern, die bei ihren Eltern oder einem Elternteil wohnen, nicht mehr generell unterstellt werden. Die anders lautende Rechtsprechung des BFH ist zurückgeführt worden und überholt.
12Kostenbeteiligung
Bagatellbeträge reichen für eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung nicht aus.
Nach Auffassung der Verwaltung ist von einer finanziellen Beteiligung oberhalb der Bagatellgrenze auszugehen, wenn die Barleistungen des Arbeitnehmers mehr als 10 % der monatlich anfallenden Kosten der laufenden Kosten der Haushaltsführung betragen. Beispielsweise Aufwendungen für:
Miete,
Mietnebenkosten,
Kosten für Lebensmittel und
andere Dinge des täglichen Bedarfs.
Liegen die Barleistungen unter 10 %, kann der Arbeitnehmer eine hinreichende finanzielle Beteiligung auf andere Art und Weise darlegen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern mit den Steuerklassen III, IV oder V nimmt das BMF eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Haushaltsführung ohne entsprechenden Nachweis an und unterstellt diese.
13Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen
Die Regelungen zur Berücksichtigung der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen gelten im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung ebenfalls. Die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen nach § 9 Abs. 4a Satz 3 EStG betragen für:
die als Werbungskosten abzugsfähigen inländischen Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 1 EStG für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist = 28 €,
die als Werbungskosten abzugsfähigen inländischen Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 2 EStG für den An- oder Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet = 14 € und
die als Werbungskosten abzugsfähigen inländischen Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer ohne Übernachtung außerhalb seiner Wohnung mehr als acht Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist = 14 €.
Für Beschäftigungsorte im Ausland gelten besondere Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten.
14Dreimonatsfrist
Die Beschränkung der Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate gilt bei der doppelten Haushaltsführung weiterhin. Um die Berechnung der Dreimonatsfrist zu vereinfachen, ist eine rein zeitliche Bemessung der Unterbrechungsregelung eingeführt worden. Danach führt eine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte zu einem Neubeginn der Dreimonatsfrist, wenn sie mindestens vier Wochen dauert. Die gilt aufgrund des Gesetzeswortlauts ausdrücklich für Fälle der doppelten Haushaltsführung (vgl. § 9 Abs. 4a Satz 12 mit Verweis auf Satz 7 EStG).
15Unterkunftskosten im Inland
Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung im Inland werden die dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandenen Aufwendungen für die Nutzung der Wohnung oder Unterkunft höchstens bis zu einem Betrag von 1.000 € im Monat anerkannt. Eine Prüfung von Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen ist nicht erforderlich.
Die frühere Rechtsprechung des BFH, die als Obergrenze der Aufwendungen 60 qm x Durchschnittsmiete im Inland festlegte, ist überholt.
Auf die Zahl der Wohnungsnutzer (Angehörige) kommt es nicht an. Es ist unerheblich, ob der Arbeitnehmer die Zweitwohnung am Beschäftigungsort allein oder mit mehreren Personen bewohnt.
Unterkunftskosten im Ausland
Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland haben sich bei den Unterkunftskosten dagegen keine Änderungen ergeben. Es sind weiterhin die notwendigen und angemessenen Unterkunftskosten vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzbar bzw. beim Arbeitnehmer als Werbungskosten abzugsfähig.
16 Einstweilen frei
B. Problemlösungen
17Überblick
Die nachfolgenden Problemlösungen konzentrieren sich vorwiegend auf Fragen, welche die Voraussetzungen (Tatbestandsmerkmale) der doppelten Haushaltsführung für Arbeitnehmer betreffen. Daneben werden die abziehbaren Mehraufwendungen dargestellt. Dazu werden die korrespondierenden Fragen eines möglichen steuerfreien Arbeitgeberersatz bei der doppelten Haushaltsführung angesprochen.
I. Begriff der doppelten Haushaltsführung
18Zwei Haushalte
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach dem Gesetz (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG) nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und am Beschäftigungsort (= erste Tätigkeitsstätte) wohnt (= zweiter Haushalt).
Erforderlich ist also eine Aufteilung der ansonsten üblichen einheitlichen Haushaltsführung auf zwei verschiedene Wohnungen.
Eine doppelte Haushaltsführung setzt demnach:
einen eigenen Hausstand am Wohnort des Lebensmittelpunkts und
eine Wohnung am Ort der Beschäftigung – erste Tätigkeitsstätte – voraus (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG).
Weiterhin unbeachtlich ist, wie oft der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort tatsächlich übernachtet.