EuGH Urteil v. - C-338/10

Antidumpingzoll auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte mit Ursprung in China

Leitsatz

Die Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18. Dezember 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China ist ungültig.

Instanzenzug: ,

Entscheidungsgründe:

1Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18. Dezember 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 350, S. 35, im Folgenden: endgültige Verordnung).

2Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Grünwald Logistik Service GmbH (im Folgenden: GLS) gegen das Hauptzollamt Hamburg-Stadt führt, weil die Finanzbehörde auf von der Klägerin des Ausgangsverfahrens aus China eingeführte Mandarinenkonserven einen vorläufigen Antidumpingzoll erhoben hat.

Rechtlicher Rahmen

3Die Vorschriften über die Anwendung von Antidumpingmaßnahmen durch die Europäische Union finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom (ABl. L 340, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Grundverordnung).

4Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung sieht vor:

"Im Fall von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft erfolgt die Ermittlung des Normalwerts auf der Grundlage des Preises oder des rechnerisch ermittelten Wertes in einem Drittland mit Marktwirtschaft oder des Preises, zu dem die Ware aus einem solchen Drittland in andere Länder sowie in die Gemeinschaft verkauft wird; falls dies nicht möglich ist, erfolgt die Ermittlung auf jeder anderen angemessenen Grundlage, einschließlich des für die gleichartige Ware in der Gemeinschaft tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises, der erforderlichenfalls um eine angemessene Gewinnspanne gebührend berichtigt wird.

Ein geeignetes Drittland mit Marktwirtschaft wird auf nicht unvertretbare Weise unter gebührender Berücksichtigung aller zum Zeitpunkt der Auswahl zur Verfügung stehenden zuverlässigen Informationen ausgewählt. Ferner werden die Terminzwänge berücksichtigt, und es wird, soweit angemessen, ein Drittland mit Marktwirtschaft herangezogen, das Gegenstand der gleichen Untersuchung ist.

Die von der Untersuchung betroffenen Parteien werden alsbald nach der Einleitung des Verfahrens über die Wahl des Drittlandes mit Marktwirtschaft unterrichtet und erhalten eine Frist zur Stellungnahme von zehn Tagen."

5Nach Randnr. 42 der Verordnung (EG) Nr. 642/2008 der Kommission vom zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 178, S. 19, im Folgenden: vorläufige Verordnung) wurde gemäß Art. 2 Abs. 7 der Grundverordnung vorläufig beschlossen, den Normalwert für alle ausführenden Hersteller im Stichprobenverfahren oder auf einer anderen angemessenen Grundlage zu ermitteln, in diesem Fall anhand der tatsächlich in der Union für die gleichartige Ware gezahlten oder zu zahlenden Preise.

6Randnr. 58 der vorläufigen Verordnung enthält folgende statistischen Angaben zu den Einfuhrmengen der betroffenen Ware aus China:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"Einfuhrmenge
2002/03
2003/04
2004/05
2005/06
UZ
VR China (in Tonnen)
51 193
65 878
49 584
61 456
56 108"

7Der Untersuchungszeitraum betraf nach Randnr. 12 der vorläufigen Verordnung die Zeit vom bis .

8Im 18. Erwägungsgrund der endgültigen Verordnung werden unter Hinweis darauf, dass keine weiteren Stellungnahmen vorliegen, die Feststellungen unter den Randnrn. 38 bis 45 der vorläufigen Verordnung zur Ermittlung des Normalwerts bestätigt. Im 26. Erwägungsgrund der endgültigen Verordnung werden die Feststellungen unter Randnr. 58 der vorläufigen Verordnung zu den Einfuhrmengen der betroffenen Ware bestätigt.

9Der 17. Erwägungsgrund der endgültigen Verordnung lautet:

"Nach Einführung der vorläufigen Maßnahmen erhoben alle drei in die Stichprobe einbezogenen kooperierenden ausführenden Hersteller aus ... China und zwei unabhängige Einführer aus der Gemeinschaft Einwände gegen die Verwendung von Preisen des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft für die Berechnung des Normalwerts. Es wurde vorgebracht, dass der Normalwert auf Grundlage der Produktionskosten in ... China hätte berechnet werden müssen, wobei gegebenenfalls zur Berücksichtigung der Unterschiede zwischen dem [Unionsmarkt] und dem [chinesischen] Markt ... Berichtigungen hätten vorgenommen werden sollen. Hierzu ist zu bemerken, dass die Verwendung von Informationen aus einem Nichtmarktwirtschaftsland, insbesondere von Unternehmen, denen keine [Marktwirtschaftsbehandlung] gewährt wurde, den Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 7 Buchstabe a der Grundverordnung zuwiderlaufen würde. Der Einwand wird daher zurückgewiesen. Es wurde ebenfalls geltend gemacht, dass Preisdaten aus allen anderen Einfuhrländern oder einschlägige veröffentlichte Informationen angesichts des Fehlens einer Zusammenarbeit mit einem Vergleichsland eine vernünftige Lösung gewesen wären. Anders als bei den von der Kommission verwendeten Daten wäre bei solchen allgemeinen Informationen jedoch keine Überprüfung und Abgleichung im Hinblick auf ihre Exaktheit gemäß den Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 8 der Grundverordnung möglich gewesen. Der Einwand wird daher zurückgewiesen. Es wurde kein weiterer Einwand vorgebracht, durch den Zweifel daran aufkommen konnten, dass die von der Kommission angewandte Methodik den Bestimmungen des Artikels 2 Absatz 7 Buchstabe a der Grundverordnung entspricht und dass sie in diesem besonderen Fall die einzige vernünftige Grundlage für die Berechnung des Normalwerts darstellt."

10Art. 1 Abs. 1 und 2 der endgültigen Verordnung bestimmt:

"(1) Es wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren von unter die KN-Position 2008 fallenden zubereiteten oder haltbar gemachten Mandarinen (einschließlich Tangerinen und Satsumas), Clementinen, Wilkings und ähnliche Kreuzungen von Zitrusfrüchten, ohne Zusatz von Alkohol, auch mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln, mit Ursprung in der Volksrepublik China, die unter den KN-Codes 2008 30 55, 2008 30 75 und ex 2008 30 90 eingereiht werden (TARIC-Codes 2008 30 90 61, 2008 30 90 63, 2008 30 90 65, 2008 30 90 67, 2008 30 90 69).

(2) Die Höhe des endgültigen Antidumpingzolls für die in Absatz 1 beschriebene, von den nachfolgend aufgeführten Unternehmen produzierte Ware wird wie folgt festgelegt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Unternehmen
EUR/Tonne Nettogewicht
TARIC-Zusatzcode
Yichang Rosen Foods Co., Ltd, Yichang, Zhejianf
531,2
A886
Huangyan Nr. 1 Canned Food Factory, Huangyan, Zhejiang
361,4
A887
Zhejiang Xinshiji Foods Co., Ltd, Sanmen, Zhejiand und dessen verbundener Hersteller Hubei Xinshiji Foods Co., Ltd, Dangyang City, Hubei Province
490,7
A888
Kooperierende, aber nicht in die Stichprobe einbezogene ausführende Hersteller, wie im Anhang aufgeführt
499,6
A889
Alle übrigen Unternehmen
531,2
A999

11Art. 3 Abs. 1 der endgültigen Verordnung bestimmt:

"Die Sicherheitsleistungen für den vorläufigen Antidumpingzoll gemäß der [vorläufigen] Verordnung ... werden in Höhe des vorläufigen Zolls endgültig vereinnahmt."

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

12GLS ist ein Unternehmen, das Mandarinenkonserven aus China in die Union einführt.

13Mit Anmeldung vom meldete GLS die Einfuhr einer Partie Mandarinenkonserven des Codes 2008 3055 900 der Kombinierten Nomenklatur an. Mit Zollanmeldung vom überführte GLS die Partie in den freien Verkehr. Nach Erlass der vorläufigen Verordnung und vor Erlass der endgültigen Verordnung setzte das Hauptzollamt Hamburg-Stadt einen vorläufigen Antidumpingzoll in Form einer Sicherheit fest. Mit Schreiben vom legte GLS Einspruch gegen diese Maßnahme ein. Nachdem der Einspruch zurückgewiesen worden war, erhob GLS am Klage beim Finanzgericht Hamburg.

14Das Finanzgericht Hamburg hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist eine von der Kommission im Verfahren nach der Grundverordnung erlassene Antidumping-Regelung unwirksam, weil die Kommission sie unter Zugrundelegung eines auf einer "anderen angemessenen Grundlage" ermittelten Normalwerts (hier: anhand der tatsächlich in der Gemeinschaft für gleichartige Ware gezahlten oder zu zahlenden Preise) ohne weiter gehende Ermittlungen hinsichtlich eines Normalwerts erlassen hat, nachdem in einem Vergleichsland, das von der Kommission als solches zunächst in den Blick genommen worden war, zwei Unternehmen ergebnislos angeschrieben worden waren - wobei sich das eine gar nicht gemeldet hat und das andere seine Kooperationsbereitschaft angezeigt, auf den sodann übersandten Fragebogen jedoch nicht mehr gemeldet hat - und die Kommission von Verfahrensbeteiligten auf ein weiteres mögliches Vergleichsland hingewiesen worden war?

15Der Gerichtshof hat der Kommission mit Beschluss vom aufgegeben, u. a. die zum verfügbaren Eurostat-Statistiken für die Jahre 2005 bis 2008 über die Einfuhren in die Gemeinschaft der in Art. 1 der endgültigen Verordnung erwähnten Waren, "die unter den KN-Codes [Codes der Kombinierten Nomenklatur] 2008 30 55, 2008 30 75 und ex 2008 30 90 eingereiht werden", vorzulegen.

16Die Kommission hat dieser zum Zweck der Beweisaufnahme ergangenen Anordnung Folge geleistet und dem Gerichtshof folgende statistischen Angaben zu den Einfuhren der genannten Waren (in Tonnen) vorgelegt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"Einfuhrmenge
2002/03
2003/04
2004/05
2005/06
2006/07 (UZ)
China
51 282,60
65 895,00
49 590,20
61 456,30
56 157,20
Israel
4 247,00
3 536,20
4 045,20
3 634,90
4 674,00
Swasiland
3 903,10
3 745,30
3 785,70
3 841,00
3 155,50
Türkei
2 794,30
3 632,30
3 021,40
2 273,80
2 233,60
Thailand
235,80
457,90
485,10
532,50
694,80"

Zur Vorlagefrage

17Das Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob die endgültige Verordnung ungültig ist, weil die Kommission den Normalwert der in Rede stehenden Ware unter Missachtung der Erfordernisse nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung auf der Grundlage der für gleichartige Ware in der Union tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preise ermittelt hat, ohne die gebotene Sorgfalt aufzubieten, um diesen Wert auf der Grundlage der für die gleiche Ware in einem Drittland mit Marktwirtschaft üblichen Preise festzulegen.

18Nach Art. 3 Abs. 1 der endgültigen Verordnung werden die Sicherheitsleistungen für den vorläufigen Antidumpingzoll gemäß der vorläufigen Verordnung in Höhe des vorläufigen Zolls endgültig vereinnahmt. Da GLS angesichts dieses Umstands keinerlei Rechtswirkungen der vorläufigen Verordnung geltend machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Neotype Techmashexport/Kommission und Rat, C-305/86 und C-160/87, Slg. 1990, I-2945, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist davon auszugehen, dass die Vorlagefrage nur die Gültigkeit der endgültigen Verordnung betrifft.

19Erstens bildet im Dumpingbereich die Ermittlung des Normalwerts eine der wesentlichen Etappen zur Feststellung eines möglichen Dumpings. In Art. 2 Abs. 1 der Grundverordnung ist als allgemeiner Grundsatz festgelegt, dass sich der Normalwert grundsätzlich auf die Preise stützt, die im normalen Handelsverkehr von unabhängigen Abnehmern im Ausfuhrland gezahlt wurden oder zu zahlen sind.

20Zweitens wird nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung im Fall von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft der Normalwert in Abweichung von den Bestimmungen in den Abs. 1 bis 6 dieser Vorschrift grundsätzlich auf der Grundlage des Preises oder des rechnerisch ermittelten Wertes in einem Drittland mit Marktwirtschaft ermittelt. Die genannte Vorschrift soll die Berücksichtigung der in Ländern ohne Marktwirtschaft geltenden Preise und Kosten verhindern, da diese Parameter dort normalerweise nicht das Ergebnis der auf den Markt einwirkenden Kräfte sind (vgl. Urteil vom , Rotexchemie, C-26/96, Slg. 1997, I-2817, Randnr. 9).

21Nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung wird ein geeignetes Drittland mit Marktwirtschaft auf nicht unvertretbare Weise unter gebührender Berücksichtigung aller zum Zeitpunkt der Auswahl zur Verfügung stehenden zuverlässigen Informationen ausgewählt. Die Unionsorgane müssen unter Berücksichtigung der sich anbietenden Alternativen versuchen, ein Drittland zu finden, in dem der Preis einer gleichartigen Ware unter Bedingungen gebildet wird, die mit denen des Ausfuhrlands möglichst vergleichbar sind, wobei es sich um ein Marktwirtschaftsland handeln muss.

22Die Ausübung des Ermessens der Unionsorgane unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung. Was die Wahl des Vergleichslands angeht, ist insbesondere zu prüfen, ob die Organe bei der Ermittlung der Geeignetheit des ausgewählten Landes wesentliche Umstände außer Acht gelassen haben und ob der Akteninhalt so sorgfältig geprüft worden ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Normalwert auf angemessene und nicht unvertretbare Weise bestimmt worden ist (Urteil vom , Nölle, C-16/90, Slg. 1991, I-5163, Randnrn. 12 und 13).

23Drittens erfolgt nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung die Ermittlung des Normalwerts von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft auf der Grundlage des Preises oder des rechnerisch ermittelten Wertes in einem Drittland mit Marktwirtschaft oder des Preises, zu dem die Ware aus Drittländern mit Marktwirtschaft in andere Länder sowie in die Union verkauft wird, oder, falls dies nicht möglich ist, auf jeder anderen angemessenen Grundlage.

24Wie aus dem Wortlaut und dem Aufbau von Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung hervorgeht, ist die Hauptmethode für die Ermittlung des Normalwerts im Fall von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft die Methode "des Preises oder des rechnerisch ermittelten Wertes in einem Drittland mit Marktwirtschaft" oder "des Preises, zu dem die Ware aus einem solchen Drittland in andere Länder sowie in die [Union] verkauft wird". Für die Fälle, in denen dies nicht möglich ist, ist eine subsidiäre Methode festgelegt, wonach die Ermittlung des Normalwerts "auf jeder anderen angemessenen Grundlage [erfolgt], einschließlich des für die gleichartige Ware in der [Union] tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises, der erforderlichenfalls um eine angemessene Gewinnspanne gebührend berichtigt wird".

25Die Verwendung dieser Ausdrücke in Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung zeigt, dass mit dem Vorrang, der der in dieser Bestimmung vorgeschriebenen Hauptmethode eingeräumt ist, bezweckt wird, eine angemessene Ermittlung des Normalwerts im Ausfuhrland durch Auswahl eines Drittlands zu erreichen, in dem der Preis einer gleichartigen Ware unter Bedingungen gebildet wird, die mit denen des Ausfuhrlands möglichst vergleichbar sind, wobei es sich um ein Marktwirtschaftsland handeln muss.

26Das Ermessen, über das die Unionsorgane bei der Auswahl eines Vergleichslands verfügen, ermächtigt diese folglich nicht, von dem Erfordernis abzusehen, ein Drittland mit Marktwirtschaft auszuwählen, sofern dies möglich ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 97 seiner Schlussanträge dargelegt hat, können die Organe nämlich von der allgemeinen Regel, die in Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung für die Ermittlung des Normalwerts der Waren aus Ländern ohne Marktwirtschaft aufgestellt wird, nur dann abweichen und sich auf eine andere angemessene Grundlage stützen, wenn diese allgemeine Regel nicht angewandt werden kann.

27Dementsprechend hat der Gerichtshof nach der in Randnr. 22 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung im Rahmen seiner Prüfung der Gültigkeit der endgültigen Verordnung zu untersuchen, ob die Unionsorgane wesentliche Umstände außer Acht gelassen haben und ob der Akteninhalt mit der gebotenen Sorgfalt geprüft worden ist.

28Im vorliegenden Fall wurde keinem der ausführenden Hersteller in China Marktwirtschaftsbehandlung gewährt, und der Normalwert wird für alle diese ausführenden Hersteller gemäß Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung auf jeder anderen angemessenen Grundlage ermittelt, d. h. anhand der Daten, die in den Betrieben der Hersteller in der Union, die bei der Untersuchung kooperierten, überprüft wurden. In den Erwägungsgründen 17 und 18 der endgültigen Verordnung, die die Feststellungen der vorläufigen Verordnung bestätigen, wird klargestellt, dass kein weiterer Einwand vorgebracht worden sei, durch den Zweifel an der Methode für die Ermittlung des Normalwerts hätten aufkommen können. Insbesondere wird festgestellt, dass Preisdaten aus allen anderen Einfuhrländern oder einschlägige veröffentlichte Informationen angesichts des Fehlens einer Zusammenarbeit mit einem Vergleichsland keine vernünftige Lösung gewesen wären, weil bei solchen Informationen keine Überprüfung gemäß den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 8 der Grundverordnung möglich gewesen wäre. Nach Randnr. 40 der vorläufigen Verordnung hat die Kommission die Suche nach potenziellen Vergleichsländern fortgesetzt und - erfolglos - zwei Unternehmen aus Thailand zur Mitarbeit aufgefordert.

29Was dies betrifft, hat die Kommission in der Bekanntmachung der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. 2007, C 246, S. 15) erklärt, dass die betroffene Ware nach den im Antrag enthaltenen Informationen nicht in großen Mengen außerhalb der Union und Chinas hergestellt wird, und die interessierten Parteien aufgefordert, zur Auswahl des Vergleichslands gemäß Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung Stellung zu nehmen. In Randnr. 41 der vorläufigen Verordnung heißt es, dass zwei chinesische ausführende Hersteller und ein Verband von Einführern es abgelehnt hatten, den Normalwert auf der Grundlage der in der Union gezahlten oder zu zahlenden Preise zu ermitteln, aber keinen angemessenen Alternativvorschlag vorgelegt hatten.

30Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung, wonach die in dieser Bestimmung vorgeschriebene Hauptmethode, die Ermittlung des Normalwerts auf der Grundlage des Preises oder des rechnerisch ermittelten Wertes in einem Drittland mit Marktwirtschaft, Vorrang genießt, verpflichtet jedoch die Unionsorgane, mit der gebotenen Sorgfalt die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen, darunter insbesondere die Eurostat-Statistiken, zu prüfen, um zu untersuchen, ob ein Vergleichsland im Sinne dieser Bestimmung berücksichtigt werden kann.

31Insbesondere würde das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel, zu versuchen, ein Vergleichsland zu finden, in dem der Preis einer gleichartigen Ware unter Bedingungen gebildet wird, die mit denen des Ausfuhrlands möglichst vergleichbar sind, gefährdet, wenn der Begriff der "zur Verfügung stehenden zuverlässigen Informationen" im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung nur die vom Antragsteller in seinem Antrag beigebrachten Informationen oder später von den interessierten Parteien im Rahmen der Untersuchung übermittelte Auskünfte erfasste.

32Wie der Generalanwalt in den Nrn. 101 und 102 seiner Schlussanträge dargelegt hat, ist die Kommission verpflichtet, von Amts wegen alle zur Verfügung stehenden Informationen zu prüfen, weil sie bei einer Antidumpinguntersuchung nicht die Rolle eines Schiedsrichters hat, dessen Befugnisse sich auf die Entscheidung in Anbetracht der Informationen und Beweise beschränkten, die von den von der Untersuchung betroffenen Parteien vorgelegt wurden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 3 und 4 der Grundverordnung ersuchen kann, ihr Auskünfte zu erteilen und alle erforderlichen Nachprüfungen und Kontrollen durchzuführen.

33Aus den Eurostat-Statistiken, die dem Gerichtshof vorgelegt wurden und in Randnr. 16 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, geht hervor, dass in den Jahren 2002/03 bis 2006/07 nicht unerhebliche Einfuhren der in Art. 1 der endgültigen Verordnung erwähnten Waren der KN-Codes 2008 30 55, 2008 30 75 und ex 2008 30 90 aus Drittländern mit Marktwirtschaft in die Union erfolgten. Es handelte sich insbesondere um Einfuhren aus Israel, Swasiland, der Türkei und Thailand.

34Da die während der Untersuchung verfügbaren Eurostat-Daten Hinweise darauf enthalten, dass in Drittländern mit Marktwirtschaft in nicht unerheblichen Mengen Waren hergestellt werden, die mit der betroffenen Ware vergleichbar sind, musste die Kommission von Amts wegen prüfen, ob eines dieser Länder als Vergleichsland im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung in Frage kam. Die Kommission durfte sich nicht darauf beschränken, einen einzigen Fragebogen an zwei thailändische Unternehmen zu senden und aus dem Ausbleiben einer Antwort zu schließen, dass der Normalwert nicht auf der Grundlage der in einem Drittland mit Marktwirtschaft üblichen Preise ermittelt werden konnte. Zum einen hatten die Einfuhren aus Thailand einen eindeutig geringeren Umfang als diejenigen aus Israel, Swasiland und der Türkei. Dass die thailändischen Unternehmen eine Zusammenarbeit ablehnten, entband die Kommission daher nicht von ihrer Verpflichtung, die Daten zu prüfen, die in Bezug auf andere Drittländer mit Marktwirtschaft zur Verfügung standen. Zum anderen wird im 17. Erwägungsgrund der endgültigen Verordnung lediglich festgestellt, dass die Berechnung des Normalwerts auf der Grundlage der Preise in der Union die einzige vernünftige Grundlage für die Berechnung darstellt, ohne dass dargelegt wird, aus welchen Gründen keines der oben genannten Drittländer mit Marktwirtschaft außer Thailand als Vergleichsland berücksichtigt werden konnte, was deutlich macht, dass die Unionsorgane die aus den Daten der Eurostat-Statistiken hervorgehenden Informationen nicht mit der gebotenen Sorgfalt geprüft haben.

35Schließlich ist das von der Kommission in der Sitzung vorgetragene Argument zurückzuweisen, dass die Eurostat-Statistiken, die aufgrund der zum Zweck der Beweisaufnahme ergangenen Anordnung des Gerichtshofs vorgelegt worden seien, großenteils Einfuhren von Pampelmusen und Orangen betroffen hätten, da sie sich auf Waren aller drei einschlägigen Codes der Kombinierten Nomenklatur bezogen hätten. Zum einen betrafen nämlich die Statistiken, deren Vorlage verlangt worden war, die "betroffene Ware", d. h. die in Art. 1 der endgültigen Verordnung erwähnten Waren. Zum anderen ergibt ein Vergleich zwischen den in Randnr. 58 der vorläufigen Verordnung wiedergegebenen statistischen Angaben zur "betroffenen Ware" aus China und den dem Gerichtshof im vorliegenden Verfahren übermittelten Statistiken, dass sich Letztere allein auf die Einfuhren der betroffenen Ware bezogen.

36Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission und der Rat die Erfordernisse nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. a der Grundverordnung missachtet haben, weil sie den Normalwert der in Rede stehenden Ware auf der Grundlage der für gleichartige Ware in der Union tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preise ermittelt haben, ohne die gebotene Sorgfalt aufzubieten, um diesen Wert auf der Grundlage der für die gleiche Ware in einem Drittland mit Marktwirtschaft üblichen Preise festzulegen.

37Somit ist auf die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu antworten, dass die endgültige Verordnung ungültig ist.

Kosten

38Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Die Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18. Dezember 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China ist ungültig.

Fundstelle(n):
QAAAE-09504