BSG Beschluss v. - B 11 AL 2/09 C

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGG § 178a

Instanzenzug: LSG Hessen, L 7/10 AL 1153/03 vom LSG Hessen, B 11 AL 1/08 B vom SG Frankfurt/M., S 15 AL 580/00

Gründe

I

Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom mit Beschluss vom - B 11 AL 1/08 B - als unzulässig verworfen. Gegen diesen seiner Prozessbevollmächtigten am zugestellten Beschluss hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch Schriftsatz vom - eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am gleichen Tag - Anhörungsrüge erhoben. Der Schriftsatz vom enthält Ausführungen, das BSG habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Mit drei Schreiben vom hat der Kläger selbst - ohne Beteiligung seiner Prozessbevollmächtigten - die am Beschluss des Senats vom mitwirkenden Berufsrichter jeweils wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt; zur Begründung hat er dabei jeweils Vorbringen aus der früheren Beschwerdebegründung vom sowie der Anhörungsrüge vom wiederholt. Mit einem weiteren von ihm selbst verfassten Schreiben vom hat der Kläger im Übrigen Gegenvorstellung gegen den die Nichtzulassungsbeschwerde verwerfenden Beschluss des BSG erhoben; auch in diesem Schreiben wiederholt der Kläger das Vorbringen aus der Beschwerdebegründung vom bzw der Anhörungsrüge vom .

Der Senat hat die vom Kläger selbst verfassten Schreiben vom seiner Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom unter Hinweis auf § 73 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugeleitet und Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Prozessbevollmächtigte hat sich hierzu nicht geäußert.

II

Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung bleiben ohne Erfolg.

1. Die Anhörungsrüge ist unbegründet.

a) Der Senat geht davon aus, dass die Rüge durch die beim BSG zugelassene Prozessbevollmächtigte innerhalb der Frist des § 178a Abs 2 Satz 1 SGG erhoben worden ist und dass auch die Darlegungserfordernisse des § 178a Abs 2 Satz 5 SGG iVm § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG erfüllt sind.

b) Über die Anhörungsrüge entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss der Berufsrichter ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 4, 5, 6; stRspr). Einer Entscheidung durch die Berufsrichter steht nicht entgegen, dass der Kläger privatschriftlich beim BSG Befangenheitsgesuche gegen diese eingereicht hat. Denn die Gesuche sind offensichtlich unzulässig und damit unbeachtlich.

Wie in § 73 Abs 1 und Abs 4 SGG klargestellt ist, müssen sich vor dem BSG die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 11. und - 5 B 143/07 und 5 B 145/07) zu der entsprechenden Regelung in § 67 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entschieden, dass sowohl das Ablehnungsgesuch als auch die Anhörungsrüge eines nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägers unzulässig ist. Der erkennende Senat stimmt dieser Rechtsprechung zu. Hiervon ausgehend ist auch im vorliegenden Fall wegen des Vertretungszwangs für das Anhörungsrügeverfahren festzuhalten, dass die vom Kläger selbst und nicht von seiner für ihn das Anhörungsrügeverfahren betreibenden Prozessbevollmächtigten gestellten Ablehnungsgesuche schon nicht wirksam angebracht sind. Der teilweise in der Literatur unter Hinweis auf § 78 Abs 5 Zivilprozessordnung iVm § 202 SGG vertretenen, abweichenden Auffassung (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl, Kap IX, RdNr 236; Littmann in Lüdtke, SGG, 3. Aufl, § 73 RdNr 17) folgt der Senat nicht, da er insoweit § 73 Abs 4 SGG als abschließende Regelung versteht (vgl auch BT-Drucks 16/3655, S 96 zu § 73 Abs 4 SGG und S 97 zu § 67 Abs 4 VwGO einerseits bzw BT-Drucks aaO S 93 zu § 11 Abs 4 Arbeitsgerichtsgesetz andererseits).

Unabhängig davon sind die Ablehnungsgesuche des Klägers auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] (vgl ua Beschluss vom , 2 BvR 513/06, veröffentlicht in juris) als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Der Kläger hat nämlich keine konkreten Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit eines der abgelehnten Richter angeführt, sondern im Wesentlichen nur das zur Begründung der Anhörungsrüge dem Gericht schon vorliegende Vorbringen wiederholt. Dass ein Befangenheitsgrund nicht konkret geltend gemacht wird, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass die Prozessbevollmächtigte trotz des Hinweises des Senats (Schreiben vom ) auf das gesonderte Vorbringen des Klägers davon abgesehen hat, ein Ablehnungsgesuch anzubringen.

c) Entgegen dem Vorbringen der Anhörungsrüge verletzt der Beschluss vom nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör.

aa) Der Senat hat seine Entscheidung, wonach durch die Beschwerdebegründung des Klägers der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargelegt worden ist, keineswegs auf eine Begründung gestützt, die nicht dem entspricht, "was der Kläger vorgetragen hat". Der Senat hat vielmehr - wie aus Ziffer 1 des Beschlusses vom unzweifelhaft hervorgeht - das gesamte Vorbringen der Beschwerdebegründung zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung zur Kenntnis genommen, in jeder in Betracht kommenden Hinsicht gewürdigt und alle Ausführungen in seine Erwägungen einbezogen. Wenn der Kläger im Rahmen der Anhörungsrüge nun vorträgt, er habe die grundsätzliche Bedeutung "nicht damit begründet, dass sein Vermögen noch bei Eintritt in die Rente vorhanden war, sondern damit, dass sein Fall für eine Vielzahl von Fällen zutrifft und daher von allgemeinem Interesse ist", so widerspricht er damit einerseits teilweise seinen Ausführungen unter Ziffer 2 der Beschwerdebegründung vom (S 2, letzter Absatz) und verkennt andererseits grundlegend die Anforderungen an die Darlegung grundsätzlicher Bedeutung. Denn - wie ebenfalls im Beschluss vom ausgeführt - reicht für eine formgerechte Darlegung nicht schon das Vorbringen aus, an der Entscheidung des BSG über die Sachfrage liege ein allgemeines Interesse vor; erforderlich sind vielmehr insbesondere Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und zur Klärungsfähigkeit einer sich stellenden Rechtsfrage. Diese Darlegungserfordernisse stellen weder eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie noch des rechtlichen Gehörs dar (vgl BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7).

bb) Es trifft nicht zu, dass der Senat Vorbringen der Beschwerdebegründung zum Vorliegen eines Verstoßes gegen die Denkgesetze nicht berücksichtigt hätte. Der Senat hat vielmehr unter Ziffer 3 des Beschlusses vom näher ausgeführt, weshalb dieses Vorbringen keine den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechende Bezeichnung eines Verfahrensmangels enthält. Im gleichen Abschnitt des Beschlusses hat sich der Senat auch mit dem Einwand des Klägers befasst, bereits das LSG habe ihm in entscheidungserheblicher Weise das rechtliche Gehör versagt; insoweit ist in keiner Weise ersichtlich, inwiefern Rechtsprechung des BVerfG zum Grundsatz des rechtlichen Gehörs (etwa BVerfGE 86, 133 = DVBl 1992, 1215 oder BVerfGE 96, 205 = NJW 1997, 2310 oder BVerfG NJW 2000, 131) verkannt worden sein könnte.

cc) Ebenso unzutreffend ist die Behauptung, das BSG habe in dem Beschluss vom zum Zulassungsgrund der Abweichung nur abstrakte Ausführungen gemacht, ohne die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argumente zur Kenntnis zu nehmen. Wie aus Ziffer 2 des Beschlusses hervorgeht, hat der Senat vielmehr das Vorbringen der Beschwerdebegründung sehr wohl zur Kenntnis genommen und dieses dahingehend gewürdigt, dass ein abstrakter Rechtssatz des LSG nicht dargestellt ist. Dass es für den Zulassungsgrund der Abweichung auf einen Widerspruch im Grundsätzlichen und damit auf tragende abstrakte Rechtssätze ankommt, ist ebenfalls unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Dem Kläger gelingt es auch im Rahmen der Anhörungsrüge nicht, einen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung unvereinbaren abstrakten Rechtssatz des LSG aufzuzeigen. Mit der Behauptung, es sei "schlicht unwahr", dass das LSG auf Seite 7 seines Urteils die Prüfung der Zweckbestimmung unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorgenommen habe, wendet sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit des genannten Senatsbeschlusses. Damit verkennt er, dass das Verfahren der Anhörungsrüge nicht dazu vorgesehen ist, die fristgebundene Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nachzuholen oder zu ergänzen und zur erneuten Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu stellen (stRspr, vgl ).

dd) Soweit der Kläger vorträgt, die Nichtbeteiligung der ehrenamtlichen Richter an einer die Nichtzulassungsbeschwerde verwerfenden Entscheidung des BSG sei grundgesetzwidrig, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass damit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iS des § 178a SGG gerügt wäre (zur Nichtanwendung des § 178a SGG auf Verstöße gegen das Gebot des gesetzlichen Richters vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5; Zeihe, SGG, § 178a RdNr 42b). Unabhängig davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG davon auszugehen, dass es mit Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz vereinbar ist, wenn die ehrenamtlichen Richter am BSG an Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden nur dann mitwirken, wenn über die Begründetheit zu befinden ist (BVerfGE 48, 246 = SozR 1500 § 160a Nr 30); diese Rechtsprechung ist trotz einer früheren abweichenden Meinung auch in späteren Entscheidungen bestätigt worden (vgl ua BVerfGE 91, 93 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5).

ee) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers kann schließlich entgegen dem Vorbringen der Anhörungsrüge nicht darin gesehen werden, dass hinsichtlich der Verwertbarkeit des Vermögens willkürlich die Grenze einer vernünftigen Auslegung staatlichen Rechts überschritten und damit gegen Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen worden sei. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag - wie oben ausgeführt - schon nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine Anhörungsrüge entspricht, weist der Senat den Vorwurf einer willkürlichen Überschreitung der Grenzen einer vernünftigen Auslegung des anzuwendenden Rechts zurück.

2. Die Gegenvorstellung ist jedenfalls unbegründet.

a) Der Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass mit dem von der Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Schriftsatz vom neben der Anhörungsrüge sinngemäß auch eine Gegenvorstellung erhoben werden sollte. Dies ergibt sich daraus, dass der genannte Schriftsatz vom auch Vorbringen enthält, das sich nicht unmittelbar auf den Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs bezieht. Auf den vom Kläger ohne Beteiligung seiner Prozessbevollmächtigten verfassten weiteren Schriftsatz vom kommt es also nicht an.

b) Es kann offen bleiben, ob die Gegenvorstellung, die nach Einführung der Anhörungsrüge noch unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise als zulässig angesehen wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3 RdNr 4 mwN), auch unter den vorliegend gegebenen Umständen zulässig ist. Sie ist jedenfalls unbegründet. Der Senat hält nach erneuter Überprüfung unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers an seiner Entscheidung vom einschließlich der gegebenen Begründung fest.

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs 4 Satz 3 SGG).

4. Die Kostenentscheidung im Verfahren über die Anhörungsrüge beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
IAAAD-21680