BFH Urteil v. - III R 93/03 BStBl 2009 II S. 905

Kein Kindergeld für geduldete Ausländer

Leitsatz

Ausländer, die sich im Rahmen einer ausländerrechtlichen Duldung im Inland aufhalten, haben keinen Anspruch auf Kindergeld.

Gesetze: AufenthG § 60aAufenthG § 101AufenthG § 102AuslG 1990 § 56 Abs. 1 und 2EStG § 62 Abs. 2GG Art. 3 Abs. 1GG Art. 6 Abs. 1

Instanzenzug: (EFG 2004, 273) (Verfahrensverlauf)

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat mit seiner Ehefrau drei in der Zeit von 1981 bis 1992 geborene Söhne.

Der Kläger und seine Familie sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien/Herzegowina. Die Familie lebt seit dem in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Ausländerrechtlich waren sie hier zunächst nur geduldet.

Der Kläger war von Juli bis Oktober 1992 nichtselbständig tätig. Seit dem betreibt er im Rahmen einer GbR einen Imbisswagen.

Ab August 1999 war der Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis i.S. von § 15 des seinerzeit geltenden Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (AuslG 1990). Aufgrund seines Kindergeldantrages vom erhält der Kläger Kindergeld für seine drei Söhne seit August 1999.

Am beantragte der Kläger die rückwirkende Bewilligung von Kindergeld für die Zeit von Juni 1992 bis Juli 1999. Diesen Antrag lehnte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) mit Bescheid vom ab. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger Kindergeld nur noch für die Zeit von Juli 1997 bis Juli 1999 begehrte, ab. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 273 veröffentlicht.

Das FG führte im Wesentlichen aus, § 62 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) beschränke den Kreis der kindergeldberechtigten Ausländer auf solche Personen, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung i.S. von § 27 AuslG 1990 bzw. einer Aufenthaltserlaubnis nach § 15 AuslG 1990 seien. Im maßgeblichen Zeitraum habe der Kläger keinen dieser Aufenthaltstitel besessen. Andere Aufenthaltstitel berechtigten nach dem eindeutigen Wortlaut von § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG hingegen nicht zum Kindergeldbezug. Die gesetzliche Regelung sei verfassungskonform.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Kindergeld nach Art. 28 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (im Folgenden deutsch-jugoslawisches Abkommen) vom (BGBl II 1969, 1437, 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom (BGBl II 1975, 389, 390) und der Bekanntmachung vom (BGBl II 1992, 1196), da er kein Arbeitnehmer im Sinne dieses Abkommens gewesen sei.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom C-262/96 (Slg. 1999, I-2685) habe ein Arbeitnehmer aufgrund der Abkommen über soziale Sicherheit Anspruch auf Kindergeld, auch wenn er nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei, sondern —wie er— nur nach § 56 AuslG geduldet sei. Nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen hätten Staatsangehörige aus Bosnien/Herzegowina Anspruch auf Kindergeld, wenn sie in der Bundesrepublik eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübten bzw. Krankengeld oder Arbeitslosengeld bezögen. Die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbständigen hinsichtlich der Kindergeldberechtigung verletze den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, ihm für seine drei Söhne Kindergeld für die Zeit von Juli 1997 bis einschließlich Juli 1999 zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger für die Zeit von Juli 1997 bis Juli 1999 kein Kindergeld für seine drei Söhne zusteht.

1. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 hing der Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld davon ab, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG 1990) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) war. Eine Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG 1990), Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) oder eine Duldung (§§ 55, 56 AuslG 1990) reichte nicht aus.

Diese vom FG für verfassungskonform gehaltene Regelung hielt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für die wortgleiche Regelung in § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom (BGBl I, 2353) insoweit für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, als die Gewährung von Kindergeld von der Art des Aufenthaltstitels abhing (, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114). Die Zielsetzung der Vorschrift, Familienleistungen nur für ausländische Staatsangehörige vorzusehen, die sich voraussichtlich auf Dauer in der Bundesrepublik aufhalten, hat das BVerfG nicht beanstandet. Es hat lediglich die Unterscheidung nach den Aufenthaltstiteln für ungeeignet gehalten, dieses Ziel zu erreichen.

§ 62 Abs. 2 EStG ist deshalb durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom —AuslAnsprG— (BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) neu gefasst worden unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG und der Systematik der Aufenthaltstitel nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im BundesgebietAufenthaltsgesetz— (AufenthG) vom (BGBl I 2004, 1950), das ab das AuslG 1990 abgelöst hat (vgl. BTDrucks 16/1368, S. 8).

Die neue Regelung ist mit Wirkung vom in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen —wie im Streitfall— das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG). Da § 62 Abs. 2 EStG an die Aufenthaltstitel nach dem AufenthG anknüpft, ist bei vor dem verwirklichten Sachverhalten zu klären, inwieweit die Aufenthaltsrechte nach dem AuslG 1990 den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstiteln entsprechen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus den §§ 101 ff. AufenthG, welche die Fortgeltung bisheriger Aufenthaltsrechte regeln. Es ist zu prüfen, in welcher Form die im streitbefangenen Zeitraum vorhandenen Aufenthaltsrechte nach den §§ 101 ff. AufenthG fortgelten würden bzw. fortgegolten hätten und ob sie zu den Aufenthaltstiteln gehören, die nach § 62 Abs. 2 EStG Voraussetzung für den Bezug von Kindergeld sind. Dies entspricht den Regelungen zur Anwendung der ebenfalls geänderten §§ 1 Abs. 3 BKGG, 1 Abs. 6 des Bundeserziehungsgeldgesetzes und 1 Abs. 2a des Unterhaltsvorschussgesetzes. Danach werden die Aufenthaltsgenehmigungen nach dem AuslG den Aufenthaltstiteln nach dem AufenthG entsprechend den Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG gleichgestellt (Art. 1 Nr. 5, Art. 3 Nr. 2 und Art. 4 Nr. 2 AuslAnsprG).

2. Nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld, wenn er über eine Niederlassungserlaubnis verfügt. Auch aus einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, kann sich unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld ergeben. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges im Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG kann einen Kindergeldanspruch begründen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Buchst. c EStG). Ein Aufenthalt aufgrund einer Duldung berechtigt auch nach neuem Recht nicht zum Bezug von Kindergeld.

Eine vor dem erteilte Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt als Niederlassungserlaubnis fort (§ 101 Abs. 1 AufenthG). Die übrigen Aufenthaltsgenehmigungen —Aufenthaltsbewilligung nach §§ 28, 29 AuslG 1990 oder Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 (vgl. § 5 AuslG 1990)— gelten fort als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt (§ 101 Abs. 2 AufenthG).

Duldungen bleiben nach § 102 AufenthG für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer weiter wirksam. Nach Ablauf der Geltungsdauer ist zu entscheiden, ob eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt werden kann oder die Duldung nach § 60a AufenthG zu verlängern ist (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 102).

3. Der Kläger hatte im maßgeblichen Zeitraum keine Aufenthaltsgenehmigung i.S. von § 5 AuslG 1990, die nach § 101 AufenthG hätte fortgelten können. Nach den Feststellungen des FG war er zwar Bürgerkriegsflüchtling, besaß aber keine für derartige Fälle ausnahmsweise vorgesehene Aufenthaltsbefugnis i.S. des § 32a AuslG 1990 für Ausländer aus Kriegs- und Krisengebieten. Er war nach eigenen Angaben lediglich geduldet i.S. von §§ 55, 56 AuslG 1990.

Unerheblich ist, dass der Kläger erwerbstätig war. Die geduldeten erwerbstätigen Ausländer sind bewusst von dem Bezug von Kindergeld ausgeschlossen worden. Sie sollten bei der Neuregelung des Kindergeldes in § 62 Abs. 2 EStG nicht berücksichtigt werden, weil nach dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom für diese Personen eine befriedigende Lösung nach dem AufenthG vorgesehen ist (vgl. BTDrucks 16/1368, S. 8).

4. Die neue gesetzliche Regelung begegnet nach Auffassung des Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 zur Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des 1. SKWPG steht dem Ausschluss der nur geduldeten Ausländer vom Kindergeld in § 62 Abs. 2 EStG nicht entgegen.

Zwar sind die Rechtsgrundsätze dieser Entscheidung auch als Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 62 Abs. 2 EStG heranzuziehen. Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber ausschließlich die Nichtgewährung von Kindergeld für Ausländer, die nicht über eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung, sondern nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfügten. Das BVerfG hat insoweit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, als die Gewährung des Kindergeldes allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing. Mit der dem Streitfall zugrunde liegenden Rechtsfrage, ob ein nur geduldeter Ausländer vom Kindergeld ausgeschlossen werden darf, hat sich das BVerfG hingegen noch nicht befasst.

b) Der Senat hält die Nichtgewährung von Kindergeld für geduldete Ausländer, auch wenn sie sich wie der Kläger über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik aufhalten und erwerbstätig sind, für vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein Gestaltungsspielraum zu. Für den Gesetzgeber ergeben sich aber aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Der hierbei zu berücksichtigende Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG von Ehe und Familie enthält keine Beschränkung auf Deutsche. Ob eine gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114).

bb) Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Ausländern mit den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Aufenthaltstiteln und Ausländern, die lediglich geduldet sind, bestehen hinreichende sachliche Gründe.

Während die herkömmlichen Aufenthaltstitel i.S. des AuslG 1990 bzw. des AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik begründen, die regelmäßig als Vorstufe eines Daueraufenthalts anzusehen sind, gilt dies bei einer bloßen Duldung nicht (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 1999, § 56 AuslG Rz 2).

Vielmehr wird mit der nach § 56 Abs. 2 AuslG 1990 auf ein Jahr bzw. nunmehr nach § 60a Abs. 1 AufenthG auf grundsätzlich sechs Monate befristeten erneuerbaren Duldung nur die Abschiebung zeitweise ausgesetzt —Aussetzung der Vollziehung der Ausreiseverpflichtung bzw. Abschiebungsstopp— und die grundsätzlich bestehende Ausreisepflicht des Ausländers nicht beseitigt. Damit ist der geduldete Aufenthalt nicht strafbar —§ 56 Abs. 1 und 2 AuslG 1990 bzw. § 60a AufenthG— (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 60a AufenthG Rz 14).

Die Erwägung des Gesetzgebers, das Kindergeld nur Ausländern zu gewähren, die aufgrund eines Aufenthaltstitels einen rechtmäßigen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet haben und bei denen im Unterschied zu lediglich geduldeten Ausländern auch eine langfristige Integration ihrer Familien in der Bundesrepublik beabsichtigt ist, ist vor diesem Hintergrund hinreichend sachlich gerechtfertigt.

5. Nach zutreffender Entscheidung des FG hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen, da er nicht als Arbeitnehmer tätig war.

Nach Art. 28 Abs. 1 des Abkommens i.d.F. vom (BGBl II 1975, 390) haben Personen Anspruch auf deutsches Kindergeld, die in der Bundesrepublik beschäftigt sind und den in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Leistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung beziehen. Da sich das Abkommen nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d (BGBl II 1969, 1439) sachlich auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer bezieht, sind beschäftigte Personen i.S. des Art. 28 des Abkommens nur Arbeitnehmer (ständige Rechtsprechung, z.B. , BSGE 86, 115; , BFH/NV 2004, 1638, m.w.N. zur Rechtsprechung).

Die sachliche Beschränkung des Abkommens auf Kindergeld für Arbeitnehmer verstößt entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn sie beruht darauf, dass nach dem —in den Teilrepubliken unterschiedlichen— jugoslawischen Recht nur Arbeitnehmer Anspruch auf Kindergeld hatten. Die gegenseitig eingegangenen Verpflichtungen konnten also nur durch eine Beschränkung des sachlichen Kindergeldbereichs auf das „Kindergeld für Arbeitnehmer” im Gleichgewicht gehalten werden (BSG-Urteil in BSGE 86, 115). Das im Völkerrecht geltende Prinzip der Gegenseitigkeit (vgl. dazu z.B. , Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1991, 661) ist ein sachlicher Grund, der die unterschiedliche Behandlung von selbständig und nichtselbständig tätigen Personen rechtfertigt.

Auch aus dem vom Kläger zitierten EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2685 lässt sich kein anderes Ergebnis herleiten.

Das Urteil betraf einen Anspruch auf Kindergeld nach dem Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei. Als (kindergeldberechtigter) Arbeitnehmer gilt danach jede Person, die für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert ist. Die in der Bundesrepublik lebende türkische Staatsangehörige, die keine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis, sondern nur eine —nach § 62 Abs. 2 EStG a.F. nicht zum Bezug von Kindergeld berechtigende— Aufenthaltsbewilligung besaß, war nach Auffassung des EuGH als Arbeitnehmerin im Sinne des Abkommens anzusehen, weil für sie —obwohl sie nicht erwerbstätig war— nach deutschem Recht Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als gezahlt galten. Nach der Entscheidung des EuGH durfte der Kindergeldanspruch der türkischen Staatsangehörigen nach dem Assoziierungsabkommen nicht von einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis abhängig gemacht werden.

Die Frage, ob der Anspruch auf Kindergeld nach einem zwischenstaatlichen Abkommen davon abhängt, dass der Anspruchsberechtigte einen zum Bezug von Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG berechtigenden Aufenthaltstitel besitzt, stellt sich im Streitfall aber nicht, weil der Kläger —anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall— die Voraussetzungen des Abkommens (hier sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bzw. Bezug von Kranken- oder Arbeitslosengeld) nicht erfüllt.

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 905
BB 2007 S. 1153 Nr. 21
BFH/NV 2007 S. 1234 Nr. 6
BStBl II 2009 S. 905 Nr. 22
DB 2007 S. 1122 Nr. 20
DStRE 2007 S. 839 Nr. 13
DStZ 2007 S. 366 Nr. 12
EStB 2007 S. 206 Nr. 6
FR 2008 S. 147 Nr. 3
GStB 2007 S. 271 Nr. 8
INF 2007 S. 407 Nr. 11
IStR 2007 S. 410 Nr. 11
KÖSDI 2007 S. 15580 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2008 S. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2007 S. 1676
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2008 S. 2628
SJ 2007 S. 4 Nr. 11
StB 2007 S. 242 Nr. 7
StBW 2007 S. 5 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2007 S. 516
WAAAC-44432