BGH Beschluss v. - IV ZB 57/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 246; BGB § 263; BGB § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt.; BGB § 823 Abs. 2; StGB § 267; ZPO § 220 Abs. 2; ZPO § 321a; ZPO § 321a Abs. 2; ZPO § 342; ZPO § 574; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; ZPO § 574 Abs. 3; ZPO § 850f Abs. 2; EGZPO § 26 Nr. 10

Instanzenzug: LG Hamburg 319 O 38/96 vom OLG Hamburg v vom

Gründe

I. Die Klägerin hat als alleinige gesetzliche Erbin ihres Vaters den Beklagten, dessen Bruder, u.a. auf Zahlung von 50.000 DM in Anspruch genommen, weil er einen Blankoscheck des Erblassers in dessen Wohnung unberechtigt an sich genommen, eigenmächtig ausgefüllt und eingelöst habe. Widerklagend hat der Beklagte die Erstattung von Beerdigungskosten in Höhe von 6.704,20 DM verlangt. Das Landgericht hat den Beklagten am zur Zahlung von 50.000 DM verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Hinsichtlich der Klageforderung hat das Landgericht offen gelassen, ob sie nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 246, 263, 267 StGB begründet sei; jedenfalls ergebe sich aus dem Vorbringen des Beklagten zu einer angeblichen Schenkung des Erblassers, dass er den geforderten Betrag nach § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB wegen Nichteintritts des mit der Schenkung bezweckten Erfolgs zurückzahlen müsse.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des Landgerichts aufzuheben, soweit er zur Zahlung von 50.000 DM verurteilt worden war, und die Klage auch insoweit abzuweisen. Nach Ablauf der Berufungsfrist hat die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und darüber hinaus im Hinblick auf die sich aus § 850f Abs. 2 ZPO ergebenden, erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten festzustellen, dass der Beklagte auch aufgrund unerlaubter Handlung hafte (vgl. BGHZ 152, 166 ff.). Da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom nicht vertreten war, hat das Berufungsgericht ein Versäumnisurteil nach den Anträgen der Klägerin erlassen. Dagegen ist rechtzeitig Einspruch eingelegt worden. Mit einem weiteren Schriftsatz vom hat der Beklagtenvertreter beantragt, unter Abänderung des Versäumnisurteils das Urteil des Landgerichts teilweise dahin zu ändern, dass der Beklagte nur 43.295,80 DM nebst Zinsen zu zahlen habe. Zur Begründung wird ausgeführt, der Beklagte rechne gegenüber dem Anspruch auf 50.000 DM mit den von ihm ursprünglich widerklagend verlangten Beerdigungskosten in Höhe von 6.704,20 DM auf. Die Feststellung einer Haftung des Beklagten auch aus unerlaubter Handlung sei nicht gerechtfertigt. Nach verschiedenen Hinweisen des Gerichts hat der Beklagte schließlich seine Berufung ohne Einwilligung der Klägerin zurückgenommen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten in dem angefochtenen Beschluss vom des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt und ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Weiter hat es das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ergangene Versäumnisurteil für wirkungslos und das für rechtskräftig erklärt. Die Rechtsbeschwerde werde nicht zugelassen. Gegen diesen Beschluss hat sich die Klägerin mit einer Gegenvorstellung gewandt, der das Berufungsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Klägerin hat gegen den Beschluss des Berufungsgerichts vom Rechtsbeschwerde eingelegt mit dem Antrag, diesen Beschluss aufzuheben, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, und die Wirkungen des Versäumnisurteils wiederherzustellen. Sie hält eine Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall aufgrund des Plenarbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 1924, 1926 f. für statthaft. Das Rechtsmittel sei auch begründet, weil das Berufungsgericht Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe. Das Berufungsgericht setze sich nicht mit dem Einwand der Klägerin auseinander, dass der Beklagte nur teilweise Einspruch eingelegt habe; deshalb sei das Versäumnisurteil, soweit es eine Haftung des Beklagten auch aus unerlaubter Handlung feststelle, rechtskräftig geworden. Im Übrigen sei die Auffassung des Berufungsgerichts, durch den Einspruch sei der Rechtsstreit in die Lage vor Antragstellung der Klägerin im Termin vom zurückversetzt worden, so dass der Beklagte die Berufung ohne Einwilligung der Klägerin habe zurücknehmen können (§ 515 Abs. 1 ZPO a.F.), offensichtlich unrichtig, weil der Rechtsstreit gemäß § 342 ZPO in die Lage vor Eintritt der Versäumnis zurückversetzt werde, die nach § 220 Abs. 2 ZPO aber erst am Schluss der Verhandlung, also nach den Anträgen der Klägerin, eingetreten sei.

II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und war daher zu verwerfen.

1. Der angegriffene Beschluss ist nach dem erlassen worden. Deshalb findet für das vorliegende Verfahren gemäß § 26 Nr. 10 EGZPO neues Zivilprozessrecht Anwendung. Das Berufungsgericht hat die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 ZPO nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenüber Beschlüssen nicht eröffnet. Danach wäre der Beschluss nur mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar, wenn dies im Gesetz bestimmt wäre (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das ist nicht der Fall: Eine Anfechtung des Beschlusses, der als Folge wirksamer Berufungsrücknahme den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung ausspricht, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen, ist nicht vorgesehen (§ 516 Abs. 3 ZPO). Gegenüber der Erklärung der Wirkungslosigkeit eines bereits ergangenen, noch nicht rechtskräftigen Urteils eröffnet das Gesetz jedenfalls nicht die Rechtsbeschwerde (vgl. §§ 269 Abs. 5, 567 ZPO n.F.). Das sieht auch die Beschwerde nicht anders.

2. Der Ansicht der Klägerin, trotz fehlender Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde müsse das Rechtsmittel dennoch als zulässig angesehen werden, wenn nur so Rechtsschutz gegen Verletzungen des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährleistet werden könne, folgt der Senat nicht.

a) Wie das Bundesverfassungsgericht in der von der Klägerin angeführten Plenarentscheidung NJW 2003, 1924, 1927 feststellt, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, die Anrufung einer weiteren Instanz vorzusehen; vielmehr genügt die Möglichkeit einer einmaligen gerichtlichen Selbstkontrolle durch das Ausgangsgericht (iudex a quo). Diesen Anforderungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem § 321a ZPO mit Wirkung ab durch das Anhörungsrügengesetz vom (BGBl. I S. 3220) ergänzt worden ist, das § 574 ZPO aber unverändert gelassen hat. Die Neuregelung ist zwar auch auf Entscheidungen vor ihrem Inkrafttreten anzuwenden, soweit die nach § 321a Abs. 2 ZPO einzuhaltenden Fristen noch nicht abgelaufen sind (BVerfG NJW 2005, 3059). Das gilt im vorliegenden Fall aber nicht, weil die Klägerin den angegriffenen Beschluss des Berufungsgerichts bereits am erhalten hat und daraus die von ihr geltend gemachten Grundrechtsverstöße erkennen konnte. Für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes hat es mit den in der Rechtsprechung zugelassenen außerordentlichen Rechtsbehelfen sein Bewenden (BVerfG NJW 2003, 1924, 1929; 3687, 3688).

b) Ein außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof ist seit der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz auch dann nicht statthaft, wenn die angegriffene Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt oder aus sonstigen Gründen "greifbar gesetzwidrig" ist; in einem solchen Fall ist vielmehr die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf (fristgebundene) Gegenvorstellung zu korrigieren (BGHZ 150, 133 ff.; 159, 14, 18 f.; BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 91/03 - NJW 2003, 3137 unter II; vom - IXa ZB 182/03 - NJW 2004, 2529 unter III 3 a). Hier hat die Klägerin am Gegenvorstellungen erhoben, denen das Berufungsgericht mit Beschluss vom nicht abgeholfen hat, ohne dies näher zu begründen. Weiteren Rechtsschutz aufgrund ihrer am eingegangenen Rechtsbeschwerde steht der Klägerin auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu.

c) Im Übrigen ist die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar. Der zunächst uneingeschränkt eingelegte Einspruch des Beklagten richtete sich nach dessen Schriftsatz vom jedenfalls auch gegen die im Versäumnisurteil titulierte Feststellung einer unerlaubten Handlung. Das ist sowohl vom Berufungsgericht als auch von der Klägerin nicht anders verstanden worden, wie deren Schriftsatz vom (S. 2 f.) zeigt. Damit ist der Rechtsstreit hier durch den Einspruch auch bezüglich des - auf der unselbstständigen Anschlussberufung der Klägerin beruhenden - Teils des Versäumnisurteils in die Lage vor Antragstellung im Termin vom zurückversetzt worden. Dieser Auffassung steht § 220 Abs. 2 ZPO nicht entgegen (vgl. - NJW 1993, 861 unter II 3).

Fundstelle(n):
DAAAB-98961

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein