Leitsatz
[1] 1. Der gesetzliche Richter ist nicht gewahrt, wenn er durch eine Ermessensentscheidung des Gerichts bestimmt worden ist ( - AP GG Art. 101 Nr. 59).
2. Es ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar, wenn nach Ablauf der Amtsperiode eines ehrenamtlichen Richters der Verkündungstermin so lange verlegt wird, bis dieser erneut ernannt wird.
Gesetze: GG Art. 101; ZPO § 156; ZPO § 160; ZPO § 165; ZPO § 311; ZPO § 551; ZPO § 554; ArbGG § 60; ArbGG § 69; ArbGG § 73
Instanzenzug: ArbG Offenbach 7 Ca 265/98 vom LAG Hessen 11 Sa 925/99 vom
Tatbestand
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht. Ferner verlangt sie ihre Weiterbeschäftigung sowie die Vergütung für die Monate Mai und Juni 1998.
Die Klägerin hat beantragt,
1. es wird festgestellt, daß zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht;
2. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin vertragsgemäß als Maschinenarbeiterin in der Produktion zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst in Höhe von 4.000,00 DM zu beschäftigen;
3. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Vergütung für den Zeitraum Mai bis Juni 1998 in Höhe von 8.000,00 DM brutto abzüglich ab wöchentlich gezahltem Arbeitslosengeldes in Höhe von 367,08 DM nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat zuletzt im Termin am unter dem Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Launhard und den ehrenamtlichen Richtern Schölermann und Häupl mündlich verhandelt. Am Schluß der mündlichen Verhandlung wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den anberaumt. Der Verkündungstermin wurde durch Beschluß vom aus dienstlichen Gründen aufgehoben, "weil die Beratung mit der Kammer noch nicht habe erfolgen können". Neuer Verkündungstermin wurde bestimmt auf den . Dieser Verkündungstermin wurde aufgehoben, "weil die Beratung mit Rücksicht auf die Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters nicht habe stattfinden können". Der sodann auf den gelegte weitere Verkündungstermin wurde aufgehoben und der Klägerin aufgegeben, mitzuteilen, ob sie mit einer Verwertung der "mitgeteilten Aussage des Zeugen P einverstanden sei". Ferner wurden die Parteien auf die Entscheidung des - hingewiesen. Die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters Schölermann lief am ab.
Der auf den gelegte weitere Verkündungstermin fand wiederum nicht statt. Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Die für den vorgesehene Beratung der Kammer konnte nicht stattfinden, da die Amtszeit eines ehrenamtlichen Richters abgelaufen war und die zu erwartende Wiederernennung mehrere Wochen überfällig war."
Der für Donnerstag, den anberaumte Verkündungstermin wurde mit folgender Begründung aufgehoben:
"Mit Rücksicht darauf, daß die Wiederernennung eines ehrenamtlichen Richters noch nicht abzusehen ist und deshalb eine abschließende Beratung nicht stattfinden kann, wird neuer Verkündungstermin von Amts wegen bestimmt."
Die neue Amtszeit des ehrenamtlichen Richters Schölermann begann am .
Mit Beschluß vom wurde neuer Verkündungstermin für den anberaumt. An diesem Tag wurde nach dem Inhalt des Sitzungsprotokolls in Abwesenheit der Parteien und in Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter Hess und Erb vom Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Launhard folgendes Urteil verkündet:
"Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom (Az:. - 7 Ca 265/98 -) wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen."
Eine von den an der mündlichen Verhandlung am mitwirkenden Richtern unterschriebene Urteilsformel befindet sich in der Verfahrensakte nicht. Das Urteil wurde am abgesetzt, die Urteilsreinschrift gefertigt und zwischen dem 22. Juni und von dem Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsricht Launhard und den ehrenamtlichen Richtern Schölermann und Häupl unterschrieben. Die Zustellung des Urteils fand am statt.
Gründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung.
Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts kann keinen Bestand haben.
I. Zwar führt nicht bereits die in der Verfahrensakte fehlende, von den an der mündlichen Verhandlung mitwirkenden Richtern des Landesarbeitsgerichts unterschriebene Urteilsformel zur Unwirksamkeit des Urteils. Das Landesarbeitsgericht war aber fehlerhaft besetzt, weil der ehrenamtliche Richter Schölermann an der Sachentscheidung nicht hätte mitwirken dürfen.
1. Daß sich in der Verfahrensakte kein Schriftstück mit einer unterschriebenen Urteilsformel befindet, führt nicht zur Annahme eines nichtigen Scheinurteils. Ein solches Scheinurteil, dem keine verfahrensbeendende Wirkung beigemessen werden kann, liegt vor, wenn eine wirksame Verkündung der Entscheidung unterblieben ist oder sie an schweren Mängeln leidet (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge-Germelmann ArbGG 4. Aufl. § 60 Rn. 27 a). Die am erfolgte Verkündung ist aber nicht unwirksam, sondern nur fehlerhaft. An der Wirksamkeit fehlt es nur dann, wenn den an die Verlautbarung eines Urteils zu stellenden Elementarforderungen nicht genügt ist (vgl. BGH GS - GSZ 3/54 - BGHZ 14, 39, 44 ff.; - VI ZB 27/88 - NJW 1989, 1156, 1157).
Die Verkündung eines Urteils (vgl. BGH GS aaO S 44; - BAGE 17, 286 = AP ZPO § 128 Nr. 4, zu I 3 der Gründe) verlangt bei Abwesenheit der Parteien gemäß § 60 Abs. 2, § 69 ArbGG zumindest die Bezugnahme auf die unterschriebene Urteilsformel. Dies setzt mithin deren vorherige schriftliche Niederlegung voraus. Fehlt es daran, so liegt keine wirksame Verkündung vor (so zu § 311 Abs. 4 ZPO: - NJW 1985, 1782, 1783; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 311 [1998] Rn. 9; zustimmend Jauernig NJW 1986, 117, 118). Entsprechendes gilt dann, wenn die zweite Form der Verlautbarung des Urteils gewählt und das Urteil gemäß § 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der mangels Sonderregelung nicht durch § 60 ArbGG verdrängt wird (Germelmann aaO § 60 Rn. 3), durch Verlesung der Urteilsformel verkündet worden wäre. Auch die Verlesung des Urteilstenors setzt also voraus, daß zumindest die Urteilsformel im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt ist ( - NJW 1985, 1782, 1783; aA Jauernig aaO S 117, der die Verkündung des Urteils für wirksam hält, wenn die Urteilsformel nur mündlich mitgeteilt und mangels schriftlicher Fixierung nicht vorgelesen wird).
Zwar enthält die Verfahrensakte im Streitfall kein Schriftstück mit der unterschriebenen Urteilsformel. Gleichwohl ist auf Grund der Beweiswirkung des Protokolls vom davon auszugehen, daß sie im Zeitpunkt der Verkündung vorlag.
Grundsätzlich erbringt die Protokollierung der Verkündung des Urteils nach § 160 Nr. 7 ZPO - die Form der Verkündung braucht nicht genannt zu sein ( - NJW 1994, 3358) - in Verbindung mit der nach § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO vorgeschriebenen Aufnahme der Urteilsformel in das Protokoll Beweis dafür, daß das Urteil auch in diesem Sinne ordnungsgemäß, dh. auf der Grundlage einer schriftlich fixierten und unterschriebenen Urteilsformel verkündet worden ist. Die Beweiskraft des Protokolls gemäß § 165 ZPO entfällt nur, wenn und soweit sie durch äußere Mängel des Protokolls im Sinne von § 419 ZPO ganz oder teilweise aufgehoben oder gemindert ist. Derartige Mängel müssen aus der Protokollurkunde selbst hervorgehen (zum Vorstehenden - NJW 1985, 1782, 1783). Die Klägerin hat den Gegenbeweis der Protokollfälschung, dh. der wissentlich falschen Beurkundung ( aaO), nicht erbracht. Eine Fälschung ist auch nicht ersichtlich. Der Umstand, daß sich nunmehr keine unterschriebene Urteilsformel in der Verfahrensakte befindet, besagt nicht, daß ein derartiges Schriftstück auch im Zeitpunkt der Verkündung des Urteils gefehlt hat.
2. Auch die Nichteinhaltung der Verkündungsfrist - § 60 Abs. 1, § 69 ArbGG - sowie der Umstand, daß das Urteil bei der Verkündung nicht in vollständiger Form abgefaßt war - § 60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG -, stehen der Wirksamkeit der Verkündung nicht entgegen. § 60 Abs. 1 Satz 2 ArbGG (dazu - AP BGB § 613 a Nr. 105, zu I der Gründe) und § 60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG (dazu - nv., zu B I 3 der Gründe mwN) stellen lediglich Ordnungsvorschriften dar, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit der Verkündung führen (vgl. auch - NJW 1989, 1156, 1157).
II. Die von der Klägerin erhobene Besetzungsrüge ist aber - im Gegensatz zur Rüge der fehlenden Entscheidungsgründe - begründet.
1. Verfahrensfehler, die das Revisionsgericht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen hat, sind nur beachtlich, wenn sie bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist gerügt worden sind und die Rüge gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO ordnungsgemäß ausgeführt ist. Dies gilt auch für die absoluten Revisionsgründe des § 551 ZPO ( - BAGE 43, 258 = AP ZPO § 551 Nr. 11; Musielak/Ball ZPO 2. Aufl. § 554 Rn. 11). Die Klägerin hat sowohl die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts als auch das Fehlen von Entscheidungsgründen innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gerügt und zu den jeweiligen Verfahrensrügen konkrete Einzeltatsachen angeführt. Einer Darlegung, daß das Berufungsurteil auch auf dem Verfahrensfehler beruht, bedarf es nicht, weil für die in § 551 ZPO aufgeführten Verfahrensverstöße die Ursächlichkeit der Gesetzesverletzung unwiderleglich vermutet wird (Musielak/Ball ZPO 2. Aufl. § 551 Rn. 1).
2. Die auf § 551 Nr. 7 ZPO gestützte Rüge der fehlenden Entscheidungsgründe ist nicht begründet. Ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil ist im Sinne der zitierten Vorschrift nur dann als nicht mit Gründen versehen anzusehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt und von den Richtern unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden sind ( 1/92 - AP ZPO § 551 Nr. 21; - AP ZPO § 551 Nr. 47, zu I 1 der Gründe). Diese Frist ist eingehalten. Das Berufungsurteil wurde am verkündet und gelangte am und damit vor Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung vollständig abgefaßt und von allen Richtern unterschrieben zur Geschäftsstelle.
Zutreffend ist zwar, daß die Fünfmonatsfrist überschritten wäre, wenn dem Zeitraum zwischen Urteilsverkündung und Übergabe des unterzeichneten Urteils an die Geschäftsstelle der Zeitraum zwischen der letzten mündlichen Verhandlung, die bereits am stattgefunden hatte, und der Verkündung hinzuzurechnen wäre. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, daß das Berufungsurteil erst mit der Verkündung wirksam geworden ist, also bis zu diesem Zeitpunkt über seinen Inhalt hätte erneut beraten und befunden werden können. Zur Sicherung der durch das abnehmende richterliche Erinnerungsvermögen gefährdeten Beurkundungsfunktion des Urteils ist somit auf dessen Verkündung abzustellen, weil erst in diesem Zeitpunkt feststeht, welchen zu beurkundenden Inhalt das Urteil hat. Auch der Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom betraf einen Fall, in dem die Verkündung nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden war, sondern in einem späteren Termin erfolgt war. Dennoch wurde für den Beginn der Fünfmonatsfrist auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellt. Verlängert sich der Zeitraum zwischen mündlicher Verhandlung und Urteilsverkündung durch mehrmalige Verlegung des Verkündungstermins, können die Parteien sich mit der Beschwerde wehren, falls für die Terminverlegung keine erheblichen Gründe im Sinne des § 227 ZPO vorliegen ( - AP ZPO § 551 Nr. 47, zu I 2 der Gründe).
3. Der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Berufungsgerichts gemäß § 551 Nr. 1 ZPO liegt hingegen vor; insofern ist die Revision begründet.
§ 551 Nr. 1 ZPO erfaßt auch diejenigen Fälle, in denen über die Rechtsstreitigkeit andere Richter entscheiden als die gesetzlich berufenen ( - AP GG Art. 101 Nr. 59, zu A vor I der Gründe; - 9 AZR 172/97 - AP GVG § 21 e Nr. 4, zu I 1 b der Gründe; - NJW 1993, 600). Aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als dem Verbot der Entziehung des gesetzlichen Richters folgt, daß die Rechtsprechungsorgane nicht anders besetzt werden dürfen, als es in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne vorgesehen ist. "Gesetzlicher Richter" bedeutet, daß sich der für die einzelne Sache zuständige Richter im voraus möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Regelung ergeben muß. Kennzeichen der Gewährleistung des gesetzlichen Richters ist die normative, abstrakt-generelle Vorherbestimmung des jeweils für die Entscheidung zuständigen Richters ( - BAGE 84, 194 = AP ArbGG 1979 § 39 Nr. 3). Willkürlich ist die Bestimmung des Richters bereits dann, wenn die Zuständigkeitsbestimmung von Fall zu Fall im Gegensatz zu einer normativen, abstrakt-generellen Vorherbestimmung des Richters erfolgt. Der gesetzliche Richter ist nicht gewahrt, wenn er durch eine Ermessensentscheidung bestimmt werden kann ( - AP GG Art. 101 Nr. 59, zu A I der Gründe mwN; - 8 AZR 126/95 - BAGE 84, 189 = AP ArbGG 1979 § 39 Nr. 3, zu A I der Gründe mwN).
a) Demgemäß ist ein Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn an der Entscheidung ein ehrenamtlicher Richter mitwirkt, dessen Amtsperiode abgelaufen ist ( - BAGE 11, 119 = AP ZPO § 551 Nr. 2). Gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann nämlich nur derjenige sein, der ein Richteramt inne hat. Das Gericht ist zB dann nicht ordnungsgemäß besetzt, wenn die Berufsrichter nicht nach § 8 DRiG berufen worden sind (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 30). Dementsprechend verliert ein Richter die Eigenschaft des gesetzlichen Richters, wenn er aus dem richterlichen Amt ausscheidet (Vollkommer Richterwechsel nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung im Zivilprozeß NJW 1968, 1309, 1311). Damit war der ehrenamtliche Richter Schölermann mit Ablauf des von der Urteilstätigkeit ausgeschlossen. An diesem Tag war er als ehrenamtlicher Richter aus dem Amt ausgeschieden, da seine Amtsperiode gemäß § 37 Abs. 2, § 20 ArbGG ablief.
§ 73 Abs. 2 ArbGG iVm. § 65 ArbGG - wonach Verfahrensmängel bei der Berufung ehrenamtlicher Richter ungeprüft bleiben - steht dem nicht entgegen. Denn es geht nicht um einen Mangel des Verfahrens bei der Berufung eines ehrenamtlichen Richters, sondern um die Mitwirkung einer Person, die nicht mehr ehrenamtlicher Richter am Landesarbeitsgericht war und deshalb als Richter an der Entscheidung nicht mehr hätte mitwirken dürfen ( aaO).
Inwieweit eine Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters Schölermann an der Sachentscheidung in der Zeit vom bis , während die Amtszeit unterbrochen war, erfolgt ist, ist nach Lage der Verfahrensakten zwar nicht feststellbar, da der Zeitpunkt der Kammerberatung nicht festgehalten ist. Das kann aber dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn die Beratung zu einem späteren Zeitpunkt, in dem die erneute Ernennung zum ehrenamtlichen Richter bereits erfolgt war und somit eine neue Amtszeit lief, stattgefunden haben sollte, durfte der ehrenamtliche Richter Schölermann an der Sachentscheidung nicht mehr mitwirken.
b) Durch die erneute Ernennung zum ehrenamtlichen Richter hat der ehrenamtliche Richter Schölermann die Eigenschaft des gesetzlichen Richters nicht (wieder-) erlangt. Indem das Landesarbeitsgericht nach seinem Ermessen den Verkündungstermin verlegt hat, nachdem die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters Schölermann abgelaufen war, hat es vielmehr die abstrakt-generelle Vorherbestimmung der ehrenamtlichen Richter im konkreten Einzelfall abgeändert. Das ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar ( - AP GG Art. 101 Nr. 59, zu A II der Gründe). Gemäß § 39 ArbGG sind die ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen nach der Reihenfolge einer Liste heranzuziehen, die der Vorsitzende vor Beginn des Geschäftsjahres oder vor Beginn der Amtszeit neu berufener ehrenamtlicher Richter gemäß § 38 Satz 2 ArbGG aufgestellt hat. Hiervon darf grundsätzlich nicht abgewichen werden ( - BAGE 84, 189 = AP ArbGG 1979 § 39 Nr. 3, zu A II der Gründe).
Eine Abweichung von der Liste liegt im Streitfall infolge der unterbliebenen Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO nach dem Ende der Amtszeit des ehrenamtlichen Richters Schölermann am vor. Richtigerweise hätte die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und ein neuer Verhandlungstermin anberaumt werden müssen. Scheidet in der Zeit zwischen Verhandlungsschluß und Urteilsfällung ein ehrenamtlicher Richter aus, so ist der Ausscheidende nicht mehr der gesetzliche Richter. Es kann auch kein anderer ehrenamtlicher Richter an seine Stelle treten; dieser wäre infolge der prozessualen Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des § 309 ZPO ausgeschlossen (Vollkommer aaO S 1311). In diesem Fall muß die Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder eröffnet werden, damit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 GG und § 309 ZPO entsprochen wird (MünchKomm ZPO-Musielak 2. Aufl. § 309 Rn. 12; Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 156 Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 309 Rn. 1; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 309 Rn. 14; nach aA handelt es sich nicht um die Wiedereröffnung der bisherigen, sondern um die Eröffnung einer neuen Verhandlung vor einem anders besetzten Gericht, so Vollkommer aaO S 1309). Im Falle einer Wiedereröffnung hätte die Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts die ehrenamtlichen Richter nach der festgelegten Reihenfolge zu dem anberaumten Termin herangezogen. Zum Kreis der Richter gehörte der ehrenamtliche Richter Schölermann jedoch nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt aus dem Amt ausgeschieden war.
Im Streitfall ist die Bestimmung des ehrenamtlichen Richters Schölermann zur Mitwirkung an der Sachentscheidung auch als willkürlich zu qualifizieren. Hierfür genügt es, wenn der Richter von Fall zu Fall durch eine gerichtliche Ermessensentscheidung im Gegensatz zu einer normativen, abstrakt-generellen Vorherbestimmung festgelegt wird. Dies ist im Streitfall geschehen. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen den zivilprozessualen Regeln nach seinem Ermessen den Verkündungstermin in der Zeit vom mit dem Ziel verlegt, daß im Laufe der Zeit eine erneute Ernennung des ehrenamtlichen Richters Schölermann erfolgen wird. Damit hat es eine Entscheidung über den zur Entscheidung des Rechtsstreits berufenen ehrenamtlichen Richter im Einzelfall getroffen, die Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerade verhindern will. Es soll gerade vermieden werden, daß im Einzelfall durch eine gezielte Auswahl von Richtern das Ergebnis der Entscheidung beeinflußt wird ( - BVerfGE 82, 286). Ob der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts unlautere Motive zugrunde lagen, ist unerheblich ( - AP GG Art. 101 Nr. 59, zu A II der Gründe).
Inwieweit eine andere rechtliche Beurteilung geboten wäre, wenn die erneute Ernennung des ehrenamtlichen Richters nahtlos im Anschluß an die Beendigung seiner Amtszeit erfolgt wäre, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen.
4. Auf die Rüge nach § 551 ZPO ist das angefochtene Urteil, ohne daß es auf eine weitere Sachprüfung ankommt, aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Heilung des Verstoßes gegen die Garantie des gesetzlichen Richters ist nur auf diese Weise möglich ( - AP GG Art. 101 Nr. 59, zu A III der Gründe; - 6 ABR 31/82 - BAGE 43, 258 = AP ZPO § 551 Nr. 11, zu II der Gründe).
III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2002 S. 2612 Nr. 50
DB 2003 S. 296 Nr. 5
XAAAB-94825
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