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Grundlagen - Stand: 29.07.2022

Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

Hildegard Schmalbach

Dieses Dokument wird nicht mehr aktualisiert und entspricht möglicherweise nicht dem aktuellen Rechtsstand.

I. Definition der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

An die Stelle des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens trat mit Wirkung ab dem die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UStG).

Für bestimmte im Inland ausgeführte Umsätze schulden Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen Rechts als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer. Abweichend vom überholten Abzugsverfahren werden sie alleiniger Steuerschuldner und nicht bloß Haftender neben dem Leistenden. Insbesondere als Auftraggeber ausländischer Dienstleister und Werklieferer haben sie den Wechsel der Steuerschuldnerschaft zu beachten.

Ziel dieses Reverse-Charge-Verfahrens ist die Sicherung der Steueransprüche des Staates und eine Erleichterung des Besteuerungsverfahrens.

In den danach folgenden Jahren hat der § 13b UStG ständige Erweiterungen und Modifizierungen erfahren.

Eine Ausdehnung dieses Systems einer Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf alle Arten von Umsätzen ist mit dem allgemeinen Reverse-Charge-Modell seit längerem in der Diskussion. Auf EU-Ebene wurden die Weichen dahingehend gestellt, dass zukünftig den EU-Staaten eine optionale und temporäre Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens für bestimmte betrugsanfällige Konstellationen ermöglicht wird. In der Folge sind entsprechende Erweiterungen im nationalen Steuerrecht beschlossen worden. Weitere Spielräume für schnelle nationale Reaktionen auf neue erhebliche Betrugsaktivitäten wurden auf EU-Ebene beschlossen. Mit Wirkung ab dem wurde in § 13b Abs. 10 UStG die Möglichkeit geschaffen, durch entsprechende Verordnungen tätig zu werden.

Stets wurden die gesetzlichen Änderungen durch teilweise recht ausführliche BMF-Schreiben begleitet. Ausführliche Erläuterungen finden sich im Umsatzsteuer-Anwendungserlass zu § 13b.

Die von der europäischen Kommission am vorgeschlagenen grundlegende Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie ist anders als geplant noch nicht bis zum realisiert worden. Das Reverse-Charge Verfahren als Übergangsregelung soll nun bis zum weitergeführt werden. Tiefgreifende Änderungen sind damit erst einmal vertagt.

Durch das JStG 2020 wurde die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren) erweitert auf Telekommunikationsdienstleistungen an sog. Wiederverkäufer mit dem Ziel, Umsatzsteuerausfälle zu verhindern (ab ).

Zu den Änderungen durch das JStG 2020 siehe den NWB Reform Radar sowie den Beitrag von Hörster, Jahressteuergesetz 2020 - Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, NWB 2/2021 S. 92.

II. Steuerschuldner

1. Unternehmer

Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts haben den Wechsel der Steuerschuldnerschaft zu beachten. Gemeinnützige Vereine, Stiftungen und andere Non-Profit-Organisationen sollten sich darauf einstellen. Auch Kleinunternehmer, pauschalierende Landwirte und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, sind von der Vorschrift betroffen. § 19 Abs. 1 Satz 3 UStG stellt insofern ausdrücklich klar, dass der Kleinunternehmer als Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG abzuführen hat. Der Anwendung des § 13 b UStG steht auch nicht entgegen, wenn neben dem Unternehmer eine weitere Person zu den Leistungsempfängern gehört, die ihrerseits jedoch nicht zum Kreis der von § 13b UStG betroffenen Steuerschuldner gehört.

2. Ansässigkeit

Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Leistungsempfänger im Inland ansässig sind. Insofern kann ein im Ausland ansässiger Unternehmer, auch ohne im Inland Umsätze zu erbringen, vom Wechsel der Steuerschuldnerschaft betroffen sein (Abschn. 13b.1 Abs. 1 Satz 2 UStAE).

3. Bauleister

Hinsichtlich der an ihn erbrachten Bauleistungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG) ist der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner, wenn er selbst Bauleistungen erbringt. Für den Nachweis wurde der Vordruck UST 1TG zur Verfügung gestellt.

Bei einer Organschaft kommt es nur darauf an, dass der Organträger die Eingangsleistungen als Bauleistungen bezieht. Ausschlaggebend sind dessen Außenumsätze.

Ausgelöst durch das haben Gesetzgebung und Verwaltung gravierende Veränderungen vollzogen. Innerhalb des Jahres 2014 sind deshalb drei Zeitabschnitte zu unterscheiden.

  • Situation vor dem (Altregelung):

    Der Leistungsempfänger einer Bauleistung wurde dann als Steuerschuldner angesehen, wenn er ein Unternehmer war, der selbst Bauleistungen erbrachte. Nicht im Gesetz selbst, wohl aber im Anwendungserlass war bestimmt, dass er diese Bauleistungen auch nachhaltig erbringen musste (Abschn.13b.3 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Nachhaltigkeit sollte gegeben sein, wenn der Leistungsempfänger Bauleistungen erbracht hatte, deren Bemessungsgrundlage mehr als 10 % seines Weltumsatzes betrug. Diesen schwierigen Fragen konnte der Leistungsempfänger entgehen, indem er eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG verwendete; damit wurde er grds. als Leistungsempfänger auch Steuerschuldner. Besonderheiten für juristische Personen, Arbeitsgemeinschaften sowie im Bereich der Organschaft sind zu beachten. Mit hat der BFH jedoch verworfen, dass es zu einem Wechsel der Steuerschuldnerschaft kommen kann, wenn die empfangene Bauleistung nicht unmittelbar für die Erbringung einer (eigenen) Bauleistung verwendet wird.

  • Situation vom bis zum :

    Mit der Veröffentlichung des und eines ersten im Bundessteuerblatt am greifen geänderte Grundsätze.

    Der Leistungsempfänger einer Bauleistung ist nur dann Steuerschuldner, wenn er die an ihn erbrachte Leistung selbst unmittelbar für die Erbringung von Bauleistungen verwendet hat. Damit wird die Entscheidung des BFH umgesetzt, der größere Rechtssicherheit für den Leistungserbringer gefordert hatte. Es kommt nicht darauf an, dass der Unternehmer mindestens 10 % seines Weltumsatzes als Bauleistung erbringt. Auch kommt der Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG keine besondere Bedeutung zu. Die Vereinfachungsregelung („Dispositionsrecht”) bezüglich der einvernehmlichen Anwendung des § 13b UStG in bestimmten Zweifelsfällen wurde ebenfalls beseitigt. Ein weiteres BMF Schreiben befasst sich insbesondere mit der Behandlung von Anzahlungen.

  • Situation ab :

    Mit Wirkung ab dem wurde die Gesetzeslage geändert. Der Leistungsempfänger einer Bauleistung ist dann Steuerschuldner, wenn er selbst nachhaltig Bauleistungen ausführt (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG). Die unmittelbare Verwendung der Eingangsleistung für die Erbringung eigener Bauleistungen wird nicht mehr gefordert. Nachhaltigkeit liegt vor, wenn die Bauleistungen mindestens 10 % des Weltumsatzes des Leistungsempfängers ausmachen. Der Nachweis ist durch eine besondere Bescheinigung (USt1 TG) zu erbringen.

    Indem nunmehr alle wesentlichen Merkmale der Nachhaltigkeit unmittelbar im Gesetzestext aufgenommen wurden, soll die erforderliche Rechtssicherheit gewährleistet sein und die Schwierigkeiten vermieden werden, die Verwendung jeder Eingangsleistung für eine Bauleistung überprüfen zu müssen.

  • Korrekturen:

    Die notwendigen Korrekturen der in einer Vielzahl von Steuerfällen zu Unrecht erfolgten Anwendung der Regelungen des § 13b UStG („Altfälle“ mit Leistungserbringung vor dem ) gestalten sich für die Unternehmer wie auch die Steuerverwaltung kompliziert. Die Rückabwicklung soll grds. so ablaufen, dass nach einem entsprechenden Antrag des Bauträgers auf Erstattung der von ihm zu Unrecht (nach 13b UStG) abgeführten Umsatzsteuer bei dem Bauunternehmer die Änderung der Umsatzsteuerveranlagung unter Einbeziehung der nun von ihm geschuldeten Umsatzsteuer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG angekündigt und später umgesetzt wird. Der Bauunternehmer weist nach Rechnungskorrektur die Umsatzsteuer offen aus. Anschließend tritt der Bauunternehmer seinen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt ab, was die Aufrechnung mit dem Bauträger ermöglicht. Der Gesetzgeber wollte damit eine Regelung schaffen, um bei Rückerstattung der gezahlten Steuern an den nur vermeintlichen Steuerschuldner nachträglich doch noch den eigentlichen Steuerschuldner belasten und Steuerausfälle vermeiden zu können.

    Insbesondere die zur Abwicklung geschaffene Spezialnorm des § 27 Abs. 19 UStG wurde kontrovers diskutiert und wirft weiterhin viele Probleme auf, auch wenn der BFH sich zu deren Verfassungsmäßigkeit zwischenzeitlich () positiv geäußert hat und auch der BGH die Anwendbarkeit zugrunde legt. Der Umfang der Mitwirkungspflichten des Leistungserbringers (Abtretenden) beschäftigt zunehmend die Gerichte.

    Über den Wortlaut des § 27 Abs. 19 UStG hinaus sollte nach Ansicht der Finanzverwaltung zur Verhinderung größerer Steuerausfälle den Erstattungsanträgen des Leistungsempfängers nur gefolgt werden, soweit die nachträgliche Zahlung des Umsatzsteuerbetrages durch den Bauträger an den Bauleister nachgewiesen wurde oder mit dem Erstattungsanspruch des Bauträgers gegen die vom Bauleister abgetretene zivilrechtliche Forderung aufgerechnet werden kann. Nachdem jedoch der BFH mit seinem Urteil vom dieser Auffassung deutlich entgegengetreten ist, hat die Finanzverwaltung diese Position aufgegeben und das angepasst. Auch zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung und zur Verzinsung liegt höchstrichterliche Rechtsprechung vor.

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