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Immobilienübertragungen auf die nächste Generation – steuerliche Gestaltungsansätze
Teil 1: Auswirkungen eines Immobiliennießbrauchs im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge
Oft werden Immobilien ohne Vorbereitungen erst beim Ableben mittels Erbfolge übertragen. Dabei kann die frühzeitige Planung und Vorbereitung der Immobilienübertragung nicht nur steuerliche Vorteile bieten, sondern oftmals auch Diskussionen der Erben(gemeinschaft) bezüglich der Wertermittlung und der fairen Aufteilung von Vermögen verhindern. Immobilien spielen daher bei der steuerlichen Beratung der vorweggenommenen Erbfolge eine zentrale Rolle.
In der dreiteiligen Beitragsreihe „Immobilienübertragungen auf die nächste Generation – steuerliche Gestaltungsansätze“ werden die steuerlichen Optimierungspotenziale erläutert. Auf die mehrmalige Nutzung von schenkungsteuerlichen Freibeträgen, Vorteile durch ein mögliches Steuersatzgefälle zwischen Eltern und Kindern sowie grunderwerbsteuerliche Privilegien wird detailliert eingegangen.
Im ersten von drei Teilen der Beitragsreihe wird auf eine in der Praxis sehr häufig genutzte, aber oftmals steuerlich nicht optimal umgesetzte Möglichkeit der frühzeitigen Immobilienübertragung eingegangen. Gemeint sind „Nießbrauchrechte“ an (bebauten) Grundstücken. Der vorliegende Beitrag stellt die beiden gängigsten Formen des Nießbrauchs – den Vorbehalts- und den Zuwendungsnießbrauch – dar und zeigt Gestaltungsansätze und Praxisprobleme in der Schenkung-, Einkommen- und der Grunderwerbsteuer auf.
Im zweiten von drei Teilen wird die unentgeltliche, vollentgeltliche sowie teilentgeltliche Übertragung näher beleuchtet. Im dritten Teil wird die Übertragung mittels Familiengesellschaften dargestellt.
Der Vorbehaltsnießbrauch stellt eine gute Möglichkeit dar, erbschaftsteuerliche Freibeträge im Zuge von Immobilienübertragungen optimal zu nutzen und zu planen. Dazu kann die finanzielle Absicherung der Seniorengeneration gesichert werden.
Auch der Zuwendungsnießbrauch stellt eine innerfamiliäre Gestaltungsmöglichkeit dar, um insbesondere den jährlichen Grundfreibetrag von minderjährigen und/oder studierenden Kindern nutzen zu können. Insofern können Vermietungseinkünfte teilweise die Ausbildung von Kindern finanzieren.
Um die Vorteile von Nießbrauchsgestaltungen zu realisieren, sollten notwendige Abstimmungen mit Dienstleistern und Ansprechpartnern gut strukturiert und geplant sein. Ansonsten könnten die steuerlichen bzw. monetären Vorteile von Nießbrauchsgestaltungen schnell in den Hintergrund rücken.
I. Vorbehaltsnießbrauch
Bei einem Vorbehaltsnießbrauch überträgt der bisherige Eigentümer einer Sache – im vorliegenden Fall einer Immobilie – das Eigentum an einen Dritten und behält sich gleichzeitig das Nutzungsrecht, also den Nießbrauch an der übertragenen Sache, zurück. Das „Nutzungsrecht der Sache“ bedeutet im Nachfolgenden die „Vereinnahmung von (Miet-)Einkünften“, also die Fruchtziehung. Die Mietzahlungen sind an den Nießbrauchberechtigen zu zahlen. Der Beschenkte wird zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstücks und wird in Abteilung I des Grundbuchs eingetragen. Der Beschenkte wird also Träger von Rechten und Pflichten, ist verantwortlicher Ansprechpartner für Städte, Gemeinden, Verwaltungen und hat den Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG) zu beachten. Das Nießbrauchrecht hingegen wird als dingliche Last zugunsten des bisherigen Eigentümers (Schenker) in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen. Das Nießbrauchrecht ist ein höchstpersönliches Recht, weshalb es unvererblich und unübertragbar ist (§ 1059 BGB).
1. Erbschaft-, Schenkungsteuer und Bewertung
Für Zwecke des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes handelt es sich bei der Übertragung eines Grundstücks unter Nießbrauchvorbehalt zunächst einmal um eine steuerbare Zuwendung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i. V. mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, da hier trotz eines vorbehaltenen Nießbrauchrechts eine (teilweise) unentgeltliche Übertragung vorliegt. Aufgrund der Belastung durch das Nießbrauchrecht liegt insofern S. 296eine „gemischte Schenkung“ vor. Da die Schenkung einer Immobilie zwingend bei einem Notar erfolgen muss, sind sowohl der Schenker als auch der Beschenkte nicht anzeigepflichtig (§ 30 Abs. 3 Satz 2 ErbStG).
Der Nießbrauch bietet im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer den Vorteil, dass dieser den Wert des zugewandten Vermögens in Höhe des Kapitalwerts mindert. Damit kann der Wert des Nießbrauchs die steuerliche Bemessungsgrundlage der Schenkung im Rahmen der Steuerfestsetzung mindern. Bei Gestaltungen steht beim Nießbrauchrecht somit häufig die Bewertung des Rechts im Vordergrund. Auf die Bewertung wird im Folgenden näher eingegangen.