Das Aus für das Soli-Aus
BVerfG verwirft Beschwerde
Mit Spannung wurde das BVerfG-Urteil über das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG 1995) erwartet. Das BVerfG urteilte hierzu am NWB YAAAJ-88497, dass die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen wird und demnach das SolZG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Dies erleichtert mutmaßlich auch die Verhandlungen über einen möglichen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD, da die angespannten öffentlichen Haushalte nun vorerst nicht auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag, im Kassenjahr 2024 noch 12,6 Mrd. €, verzichten müssen. Der Gesetzgeber hatte mit der gesetzlichen Anpassung zum SolZG in 2019 bewirkt, dass der Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer nur noch von 10 % der Steuerpflichtigen gezahlt wird. Dies wurde im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags als ein erster Schritt angesehen (BT-Drucks. 19/14103, S. 9).
Insgesamt bleibt das BVerfG mit seinem Urteil weit hinter den überwiegenden Forderungen aus dem steuerrechtlichen Schrifttum, wonach das SolZG 1995 verfassungswidrig sei, zurück. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen und anführen, dass das BVerfG jedenfalls für die aktuelle Situation nur sehr lose Schranken gesetzt hat. So sei es nicht zu beanstanden, dass das SolZG zeitlich nicht befristet wurde. Entscheidend für die zeitliche Geltung sei vielmehr, inwieweit für den Bund ein aufgabenbezogener Mehrbedarf vorläge. Der Solidaritätszuschlag decke insoweit anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt aus. Hierbei sei es auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber sich gerade für dieses Instrument einer Ergänzungsabgabe entschieden habe. Der Solidaritätszuschlag ist jedenfalls nicht subsidiär zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, so dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, finanzielle Bedarfsspitzen des Bundes durch eine Veränderung bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer auszugleichen. Das BVerfG stellt in seinem Urteil ferner fest, dass der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes bei Erlass des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 noch nicht in evidenter Weise entfallen sei. Ein solcher Mehrbedarf sei zwar kontinuierlich zu überprüfen und damit auch zu rechtfertigen, gleichwohl läge ein solcher Mehrbedarf infolge der deutschen Wiedervereinigung wohl noch bis 2030 vor. Auch sei es nicht zu beanstanden, wenn der Solidaritätszuschlag durch Anwendung einer Freigrenze nach § 4 Satz 2 SolZG mit einer stark sozialpolitischen Komponente ausgestattet ist.
Das BVerfG hat sich damit sehr klar geäußert und den Ball zurück an die Politik gespielt. Wenn der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden soll, wofür es gute Gründe geben kann, dann ist dies eben eine politische Frage, die auch so zu beantworten ist. Zugleich billigt das BVerfG aber auch, dass der Solidaritätszuschlag fortan als Reichensteuer 2.0 fungieren kann. Vor diesem Hintergrund ist meine persönliche Einschätzung, dass noch einige Jahre ins Land ziehen werden, bevor wir den letzten Schritt, den vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags, erleben werden, so wie es in dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 bereits 2019 angekündigt wurde.
Frank Hechtner
Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 881
SAAAJ-88635