DBA-Schweiz | u.a. Grenzgängereigenschaft bei Teilzeitbeschäftigung (FG)
Eine Rückkehr aus dem
Tätigkeitsstaat wird an den Tagen nicht verlangt, an denen sich der Grenzgänger
aus beruflichen oder privaten Gründen nicht in den Tätigkeitsstaat begeben hat.
Am Arbeitsort verbrachte arbeitsfreie Tage (insbesondere Urlaubs- und
Krankheitstage, arbeitsfreie Samstage, Sonntage und Feiertage, Arbeitstage im
Wohnsitzstaat oder einem Drittstaat) sind in diese Beurteilung nicht
einzubeziehen. Bei einem Teilzeitbeschäftigten, der nur tageweise im anderen
Staat beschäftigt ist, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen durch
proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage vorzunehmen
(;
Revision zugelassen).
Hintergrund: Ungeachtet des Art. 15 DBA-Schweiz können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieser ansässig ist, Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz kommt Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz dann nicht zur Anwendung, wenn es sich um einen in einem Vertragsstaat ansässigen Grenzgänger handelt. Grenzgänger ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt, Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger Grenzgänger i.S.v. Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz ist: Der Kläger erzielte im Jahr 2019 mit einem Beschäftigungsumfang von 90 % Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei einer Firma in der Schweiz. Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz verfügte er über eine ständige Wohnstätte. Sein Lebensmittelpunkt befand sich in Deutschland. Das FA unterwarf den Arbeitslohn des Klägers in voller Höhe der deutschen Besteuerung. Hiergegen wandte der Kläger ein, Art. 15 DBA-Schweiz weise das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat zu. Nur als Ausnahme normiere Art. 15a DBA-Schweiz das Besteuerungsrecht im Wohnsitzstaat. Der Kläger sei jedoch kein Grenzgänger gewesen, da er an mehr als 60 Tagen im Jahr 2019 berufsbedingt nicht von der Arbeit zu seinem Wohnsitz nach Deutschland zurückgekehrt sei.
Die Richter des FG Baden-Württemberg gaben der Klage statt:
Die in der Schweiz erzielten Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen nicht der Besteuerung in Deutschland.
Denn der Kläger ist er kein Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz. Er ist nach Überzeugung des Senats an mehr als 54 Tagen im Jahr 2019 berufsbedingt nicht von der Arbeit zu seinem Wohnsitz nach Deutschland zurückgekehrt.
Eine Rückkehr aus dem Tätigkeitsstaat wird an den Tagen nicht verlangt, an denen sich der Grenzgänger aus beruflichen oder privaten Gründen nicht in den Tätigkeitsstaat begeben hat. Am Arbeitsort verbrachte arbeitsfreie Tage (insbesondere Urlaubs- und Krankheitstage, arbeitsfreie Samstage, Sonntage und Feiertage, Arbeitstage im Wohnsitzstaat oder einem Drittstaat) sind in diese Beurteilung nicht einzubeziehen.
Ein tägliches Überqueren der Grenze zur Schweiz ist für die Begründung der Grenzgängereigenschaft nicht erforderlich, ein gelegentliches Überqueren jedoch nicht ausreichend. Die hierfür erforderliche Anzahl an Grenzüberschreitungen bestimmt sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls.
Bei einem Teilzeitbeschäftigten, der nur tageweise im anderen Staat beschäftigt ist, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen durch proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage, das heißt bei einem Beschäftigungsumfang von 90% wie im Streitfall auf 54 Tage, vorzunehmen.
Der Senat ist nach den Gesamtumständen des Streitfalls davon überzeugt, dass der Kläger an mindestens 54 Tagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht von der Schweiz nach Deutschland zurückgekehrt ist und daher nicht als Grenzgänger anzusehen war.
Nach der Rechtsprechung des BFH erfolgt eine Nichtrückkehr „aufgrund der Arbeitsausübung” u.a. dann, wenn dem Steuerpflichtigen eine Rückkehr nach Deutschland nicht möglich oder nicht zumutbar ist (vgl. , BFH/NV 2010, 647).
Mit der Einführung des Begriffs „zumutbar” hat der BFH den unbestimmten Rechtsbegriff „aufgrund der Arbeitsausübung” durch einen anderen unbestimmten Rechtsbegriff ersetzt, den er bisher nicht näher definiert hat, der jedoch in anderen rechtlichen Zusammenhängen vielfach Verwendung findet. Hierbei wird regelmäßig auf die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls abgestellt.
Nach Auffassung des Gerichts ist für die Beurteilung, ob eine Rückkehr „zumutbar ist”, nicht allein auf die Entfernung der Arbeitsstätte zum Wohnort und die Reisezeit abzustellen (so jedoch z.B. die Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft v. ).
Denn Konsultationsvereinbarungen haben keine Rechtsnormqualität und binden die Gerichte nicht (vgl. , BFH/NV 2014, 341 und v. - V R 12/08, BStBl II 2012, 61).
Maßgebend für die Auslegung des Begriffs der „Zumutbarkeit der Rückkehr” sind vielmehr die Art der Tätigkeit, der Arbeitsbeginn, das Arbeitsende, die Entfernung und die Zeitdauer für eine Fahrt zwischen inländischer Wohnung und Arbeitsort.
Das FG hat die Revision zugelassen, da die Konsultationsvereinbarung v. (vgl. -CHE/07/10015-09, BStBl I 2018, 1103) und die Frage, welche Bedeutung sie für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „auf Grund ihrer Arbeitsübung” i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz hat, noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung war.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
MAAAJ-86414