DBA-Schweiz | u.a. Grenzgängereigenschaft bei Teilzeitbeschäftigung (FG)
Eine Rückkehr aus dem
Tätigkeitsstaat wird an den Tagen nicht verlangt, an denen sich der Grenzgänger
aus beruflichen oder privaten Gründen nicht in den Tätigkeitsstaat begeben hat.
Am Arbeitsort verbrachte arbeitsfreie Tage (insbesondere Urlaubs- und
Krankheitstage, arbeitsfreie Samstage, Sonntage und Feiertage, Arbeitstage im
Wohnsitzstaat oder einem Drittstaat) sind in diese Beurteilung nicht
einzubeziehen. Bei einem Teilzeitbeschäftigten, der nur tageweise im anderen
Staat beschäftigt ist, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen durch
proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage vorzunehmen
(;
Revision anhängig, BFH-Az. VI R 31/24).
Hintergrund: Ungeachtet
des
Art. 15
DBA-Schweiz können Gehälter, Löhne und ähnliche
Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem
Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieser ansässig ist,
Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz. Nach
Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz kommt
Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz dann
nicht zur Anwendung, wenn es sich um einen in einem Vertragsstaat ansässigen
Grenzgänger handelt. Grenzgänger ist jede in einem Vertragsstaat ansässige
Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort
regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach
Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur
dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten
Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsübung nicht
an ihren Wohnsitz zurückkehrt,
Art.
15a Abs. 2 DBA-Schweiz.
Sachverhalt: Die
Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger Grenzgänger i.S.v.
Art.
15a Abs. 2 DBA-Schweiz ist: Der Kläger erzielte im Jahr
2019 mit einem Beschäftigungsumfang von 90 % Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit bei einer Firma in der Schweiz. Sowohl in Deutschland als auch in der
Schweiz verfügte er über eine ständige Wohnstätte. Sein Lebensmittelpunkt
befand sich in Deutschland. Das FA unterwarf den Arbeitslohn des Klägers in
voller Höhe der deutschen Besteuerung. Hiergegen wandte der Kläger ein,
Art. 15
DBA-Schweiz weise das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem
Tätigkeitsstaat zu. Nur als Ausnahme normiere
Art. 15a
DBA-Schweiz das Besteuerungsrecht im Wohnsitzstaat. Der
Kläger sei jedoch kein Grenzgänger gewesen, da er an mehr als 60 Tagen im Jahr
2019 berufsbedingt nicht von der Arbeit zu seinem Wohnsitz nach Deutschland
zurückgekehrt sei.
Die Richter des FG
Baden-Württemberg gaben der Klage statt:
Die in der Schweiz erzielten
Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen nicht der
Besteuerung in Deutschland.
Denn der Kläger ist er kein
Grenzgänger i.S.d.
Art. 15a Abs. 1 Satz 1
DBA-Schweiz. Er ist nach Überzeugung des Senats an mehr
als 54 Tagen im Jahr 2019 berufsbedingt nicht von der Arbeit zu seinem Wohnsitz
nach Deutschland zurückgekehrt.
Eine Rückkehr aus dem
Tätigkeitsstaat wird an den Tagen nicht verlangt, an denen sich der Grenzgänger
aus beruflichen oder privaten Gründen nicht in den Tätigkeitsstaat begeben hat.
Am Arbeitsort verbrachte arbeitsfreie Tage (insbesondere Urlaubs- und
Krankheitstage, arbeitsfreie Samstage, Sonntage und Feiertage, Arbeitstage im
Wohnsitzstaat oder einem Drittstaat) sind in diese Beurteilung nicht
einzubeziehen.
Ein tägliches Überqueren der
Grenze zur Schweiz ist für die Begründung der Grenzgängereigenschaft nicht
erforderlich, ein gelegentliches Überqueren jedoch nicht ausreichend. Die
hierfür erforderliche Anzahl an Grenzüberschreitungen bestimmt sich nach den
tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls.
Bei einem
Teilzeitbeschäftigten, der nur tageweise im
anderen Staat beschäftigt ist, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen
durch proportionale Kürzung im Verhältnis der
Arbeitstage, das heißt bei einem Beschäftigungsumfang von 90%
wie im Streitfall auf 54 Tage, vorzunehmen.
Der Senat ist nach den
Gesamtumständen des Streitfalls davon überzeugt, dass der Kläger an mindestens
54 Tagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht von der Schweiz nach Deutschland
zurückgekehrt ist und daher nicht als Grenzgänger anzusehen
war.
Nach der Rechtsprechung des BFH
erfolgt eine Nichtrückkehr „aufgrund der Arbeitsausübung” u.a.
dann, wenn dem Steuerpflichtigen eine
Rückkehr nach Deutschland
nicht möglich oder nicht zumutbar ist (vgl.
,
BFH/NV 2010,
647).
Mit der Einführung des Begriffs
„zumutbar” hat der BFH den unbestimmten Rechtsbegriff
„aufgrund der Arbeitsausübung” durch einen anderen unbestimmten
Rechtsbegriff ersetzt, den er bisher nicht näher definiert hat, der jedoch in
anderen rechtlichen Zusammenhängen vielfach Verwendung findet. Hierbei wird
regelmäßig auf die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls
abgestellt.
Nach Auffassung des Gerichts
ist für die Beurteilung, ob eine Rückkehr „zumutbar ist”,
nicht allein auf die Entfernung der Arbeitsstätte zum Wohnort
und die Reisezeit abzustellen (so jedoch z.B. die
Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft v.
).
Denn
Konsultationsvereinbarungen haben keine Rechtsnormqualität und binden die
Gerichte nicht (vgl.
,
BFH/NV 2014,
341 und v.
- V R
12/08,
BStBl II 2012,
61).
Maßgebend für
die Auslegung des Begriffs der „Zumutbarkeit der Rückkehr” sind
vielmehr die Art der Tätigkeit, der Arbeitsbeginn, das Arbeitsende, die
Entfernung und die Zeitdauer für eine Fahrt zwischen inländischer Wohnung und
Arbeitsort.
Hinweis:
Das FG hat die Revision
zugelassen, da die Konsultationsvereinbarung v.
(vgl.
-CHE/07/10015-09,
BStBl I 2018, 1103) und die Frage,
welche Bedeutung sie für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „auf
Grund ihrer Arbeitsübung” i.S.v.
Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz hat,
noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung war. Diese wurde
eingelegt und ist unter dem Az. VI R 31/24 beim BFH
anhängig.
Quelle:
;
NWB Datenbank (il)
Anmerkung: Nachricht am
um das BFH-Az. ergänzt. (il)