Sozialrecht | Abhängige Beschäftigung einer Steuerberaterin (LSG)
Eine Steuerberaterin, die – nach Beendigung einer 18-jährigen Tätigkeit als Angestellte – Mandate derselben Steuerberatungsgesellschaft in deren Namen, überwiegend in deren Kanzleiräumen unter Nutzung der dortigen Ausstattung bearbeitet, teilweise an Dienstbesprechungen teilnimmt und Berichts-, Aktenbearbeitungs- und Aufbewahrungspflichten sowie einer Qualitätskontrolle unterliegt, ist – auch bei überwiegender Vergütung durch eine Umsatzbeteiligung an den von ihr bearbeiteten Mandaten – abhängig beschäftigt (LSG Bayern, Urteil v. - L 16 BA 72/22).
Hintergrund:
Rechtsgrundlage für das Statusfeststellungsverfahren ist § 7a SGB IV i. d. F. vom (a. F.). Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund – der Beklagten – schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren über die Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (§ 7a Abs. 1 SGB IV a. F.). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
Sachverhalt:
Streitig war im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV die Versicherungspflicht der Tätigkeit der Steuerberaterin (Beigeladene zu 2) in der Kanzlei der Klägerin nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit ab .
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH eine Steuerberatungsgesellschaft in A. Sie hat festangestellte und freiberufliche Mitarbeiter. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Steuerberaterin zum vereinbarte die Klägerin mit der Steuerberaterin am schriftlich eine freiberufliche Zusammenarbeit, wonach die Steuerberaterin eigenverantwortlich und fachlich unabhängig tätig werden und handeln sollte. Die Beigeladene zu 2 und die Klägerin beantragten am bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagten) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für die seit ausgeübte Tätigkeit als Steuerberaterin. Beide beantragten die Feststellung, dass eine Beschäftigung nicht vorliegt.
Die Beklagte stellte mit Bescheiden vom fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 2 als Steuerberaterin für die Klägerin über den hinaus im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Auf die Widersprüche hin nahm die Beklagte mit Bescheiden vom jeweils den Bescheid vom hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zurück und stellte fest, dass diese wegen der Befreiung von der Versicherungspflicht nicht besteht. Da die beurteilte Tätigkeit bereits vor dem begonnen worden ist, gilt die Befreiung auch für die über den hinaus ausgeübte Tätigkeit. Im Übrigen wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom mit Widerspruchsbescheiden vom zurück.
Das Sozialgericht verband die dagegen eingelegten Klagen und wies sie mit Urteil vom ab. Zu Recht hat die Beklagte entschieden, dass die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. In der vertraglichen Vereinbarung finden sich dem Willen der Vertragsparteien zufolge zwar Elemente einer selbstständigen Tätigkeit (Recht zur Ablehnung von Mandaten, freie Zeiteinteilung, kein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, umsatzabhängiges Honorar, eigene Beschaffung von Arbeitsmitteln), die Beigeladene zu 2 wird darin aber auch verpflichtet, die Arbeiten mit einem anderen Berufsträger der Kanzlei zu besprechen, die Akten in der Kanzlei aufzubewahren und die Kanzleileitung über die Abarbeitung der Aufträge und auftretende Besonderheiten und Probleme zu informieren. Die Berufung vor dem Landessozialgericht blieb erfolglos.
Hierzu führte das Gericht aus:
Das Berufsrecht der Steuerberater geht zwar grundsätzlich von einer selbstständigen Tätigkeit aus, lässt aber auch den Status als Arbeitnehmer zu. Denn mit dem Beruf des Steuerberaters ist ausdrücklich nicht nur eine freiberufliche Tätigkeit (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 StBerG) vereinbar, sondern auch eine Tätigkeit als Angestellter (§ 58 Satz 1 StBerG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom , BGBl. I 874), insbesondere als Angestellter eines Steuerberaters (§ 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG) oder einer Steuerberatungsgesellschaft (§ 3 Satz 1 Nr. 3 StBerG).
Als entscheidend im Rahmen der Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarung und deren tatsächlicher Umsetzung sind die vorhandene Eingliederung der Beigeladenen zu 2 in den fremden Kanzleibetrieb der Klägerin und das nur sehr gering ausgeprägte Unternehmerrisiko anzusehen. Insgesamt überwiegen die Umstände, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, so dass das Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden war.
Das gewichtigste Merkmal, das vorliegend für eine abhängige Beschäftigung spricht, ist die Eingliederung der Beigeladenen zu 2 in den fremden Kanzleibetrieb der Klägerin. Die Beigeladene zu 2 übt eine Tätigkeit aus, die der Klägerin unmittelbar zuzurechnen ist. Ohne das spezielle Fachwissen der Beigeladenen zu 2 im Bereich der Konzernabschlüsse könnte die Klägerin ihrer Verpflichtung aus den entsprechenden Mandatsverhältnissen gegenüber ihren eigenen Mandanten nicht nachkommen.
Das Unternehmerrisiko ist auch bei eigener Bezahlung von Fortbildungskosten sowie Beiträgen zur Haftpflichtversicherung und dem Berufsverband gering ausgeprägt, wenn die Umsatzbeteiligung an die Steuerberaterin auch bei Zahlungsausfall der Steuerberatungsgesellschaft geleistet wird und in Monaten mit geringer Umsatzbeteiligung Vorschüsse gezahlt werden, so dass ein monatlich relativ gleich bleibendes Einkommen gesichert ist.
Quelle: ; NWB Datenbank (Sti)
Fundstelle(n):
UAAAJ-75245