BGH Beschluss v. - 4 StR 157/24

Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 7 Ks 5120 Js 27895/21

Gründe

1Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang freigesprochen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat mit Urteil vom (4 StR 479/22) das angefochtene Urteil mit den Feststellungen auf. Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Angeklagten wegen Beihilfe zur „vorsätzlichen“ Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten. Das das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom erhebt der Angeklagte Gegenvorstellung gegen den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts, beantragt hilfsweise die gerichtliche Entscheidung des Revisionsgerichts sowie höchst hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Revision.

21. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, dessen es über eine bloße Gegenvorstellung hinaus zur Anfechtung des landgerichtlichen Verwerfungsbeschlusses bedurfte (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO), ist jedenfalls unbegründet (vgl. hierzu allgemein auch ). Denn das Rechtsmittel des Angeklagten ist unzulässig.

3a) Wie schon die Einlegung der Revision mit Schriftsatz vom ist auch die unter dem eingereichte Revisionsbegründung der Verteidigerin unwirksam. Denn diese hat beide Prozesshandlungen nicht in der vorgeschriebenen Form vorgenommen.

4aa) Nach dem seit dem geltenden § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte unter anderem die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Ein von der verantwortenden Person lediglich einfach signierter Schriftsatz muss dabei von ihr persönlich (vgl. Rn. 11 mwN) auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 32a Abs. 3 und 4 StPO). Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung. Ihre Nichteinhaltung bewirkt die Unwirksamkeit der Erklärung (vgl. ‒ 2 StR 110/22 Rn. 3; Beschluss vom – 4 StR 68/22 Rn. 3 mwN).

5bb) Ihre einfach signierten Schriftsätze hat die Verteidigerin nicht auf dem hier einzig in Betracht kommenden sicheren Übermittlungsweg zwischen ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und der elektronischen Poststelle des Landgerichts eingereicht (§ 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO).

6Das Adjektiv „sicher“ bezieht sich insoweit nicht auf Fragen der IT-Sicherheit oder des Ausfallschutzes, sondern darauf, dass aufgrund entsprechender technischer Sicherungsmaßnahmen bei Nutzung eines solchen Übermittlungswegs ein sicherer Rückschluss auf die Identität des Absenders möglich ist (vgl. Rn. 6). Der besondere Kommunikationskanal ersetzt die Identifikationsfunktion der Unterschrift (Müller, NZS 2018, 207, 209). Den hiermit verbundenen Anforderungen werden die Eingaben der Verteidigerin nicht gerecht. Die erforderliche eigenhändige Versendung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) dokumentiert. Dieser wird nur an einer Nachricht angebracht, wenn das Postfach in einem sicheren Verzeichnisdienst geführt wird und der Postfachinhaber zu dem Zeitpunkt, zu dem die Nachricht erstellt wird, sicher an dem Postfach angemeldet ist (vgl. BAGE 171, 28 Rn. 27; Müller, NZS 2018, 207, 209; Biallaß, NJW 2021, 789). Beim Empfänger führt die Übersendung dann zu dem Prüfergebnis „sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“. Der vHN ist maßgeblich für die freibeweisliche Prüfung einer formgerechten Einreichung. Fehlt er, kann nicht von einem Eingang auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO ausgegangen werden (vgl. Rn. 2, 5; Beschluss vom – 2 StR 162/22 Rn. 6; s. auch BVerwG, NVwZ 2022, 649 Rn. 6 ff.; BAGE 171, 28 Rn. 25 ff.). So liegt es hier. Denn die Prüfvermerke des Landgerichts weisen aus, dass die Revision und ihre Begründung lediglich „per EGVP“ übersandt wurden.

7Dabei steht auch kein technischer Fehler im elektronischen Postfach des Landgerichts in Rede. Dagegen sprechen bereits die auf dokumentiert sicherem Übermittlungsweg zurückgesandten Empfangsbekenntnisse der Verteidigerin. Zudem weisen auch ihre vorgelegten eigenen Prüfprotokolle für beide Prozesshandlungen als Übermittlungsweg lediglich die Versendung per EGVP aus. Damit korrespondiert die in diesen Protokollen unerwähnte Transportsignatur hinsichtlich des vHN (vgl. hingegen das Muster eines Prüfprotokolls, abgedruckt in Bundesrechtsanwaltskammer, beA-Anwenderhandbuch, Stand: Juni 2024, S. 148 ff.). Der Vortrag der Verteidigerin, es handele sich um eine „(inhaltlich unrichtige) Anzeige“ aus von ihr nicht nachvollziehbaren technischen Gründen, kann nicht zur Bejahung eines sicheren Übermittlungsweges beitragen. Vielmehr zeigen auch ihre Ausführungen, wonach zehn stichprobenartig ausgewählte Sendeprotokolle von ihr wie von ihrem Kollegen diesen „inhaltlich unrichtigen Hinweis“ enthielten, dass die Verteidigerin im Fall eigenhändig vorgenommener Versendungen ihrer Schriftsätze eine hierfür unzureichende technische Infrastruktur vorhält (vgl. zur auch ausgeschlossenen Ersatzeinreichung in einem solchen Fall Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 328/22 Rn. 2 mwN). Wird damit dem Empfänger die Überprüfung einer formgerechten Übersendung elektronischer Dokumente durch den im System hierfür vorgesehenen vHN vorenthalten, kann kein sicherer Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 StPO angenommen werden.

8b) Der Verwerfung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass dem Angeklagten – mit der Folge, dass der Verwerfungsbeschluss des Landgerichts gegenstandslos würde (vgl. Rn. 2; Beschluss vom – 2 StR 54/20 Rn. 2 mwN) – auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision zu bewilligen wäre. Vielmehr sind die Wiedereinsetzungsanträge vom unzulässig.

9aa) Das einfach signierte Wiedereinsetzungsgesuch ist gleichermaßen nur als EGVP-Nachricht beim Landgericht eingegangen (vgl. Prüfvermerk Bl. 957 HA). Der Antrag ist nach dem zuvor Ausgeführten damit nicht in der Form gestellt, die für die versäumte Handlung der Revisionseinlegung gemäß § 32a Abs. 3 und 4, § 32d Satz 2, § 45 Abs. 2 Satz 2, § 341 Abs. 1 StPO vorgeschrieben ist (vgl. Rn. 3; Beschluss vom – 3 StR 89/22 Rn. 7 ff.). Dies führt zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs (vgl. Rn. 5 mwN); im Hinblick auf die Revisionsbegründung gilt dies auch wegen der insoweit schon nicht versäumten Frist (vgl. , BGHSt 30, 335, 338).

10bb) Darüber hinaus enthält das Wiedereinsetzungsgesuch nicht die erforderlichen Angaben dazu, wann der Angeklagte selbst Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses erlangte (vgl. zu den Darlegungserfordernissen Rn. 2 mwN; Beschluss vom – 3 StR 560/18 Rn. 3). Angesichts des bereits unter dem erteilten Hinweises des Landgerichts auf die Formunwirksamkeit der Einlegung und Begründung der Revision versteht sich hier auch nicht von selbst, dass die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO eingehalten ist.

11cc) Für eine nach § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist ist kein Raum. Denn die Revisionseinlegung ist nicht wirksam nachgeholt. Zudem ist mangelndes Verschulden des Angeklagten mit Blick auf den Hinweis und den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts sowie die ihm übersandte Antragsschrift des Generalbundesanwalts auch nicht offenkundig (vgl. dazu Rn. 5; Beschluss vom – 4 StR 68/22 Rn. 7; Beschluss vom – 1 StR 267/72, BGHSt 25, 89, 90 ff.).

122. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. ). Das Landgericht hat dem Angeklagten bereits die Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050624B4STR157.24.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-70314