BGH Beschluss v. - IX ZA 19/23

Gesetze: § 55 InsO, § 178 Abs 3 InsO

Instanzenzug: Az: 4 S 6/22vorgehend Az: 429 C 7196/21

Gründe

I.

1Der Kläger macht als Vermieter einer Wohnung ein Aussonderungsrecht geltend. Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der I.              UG (nachfolgend: Schuldnerin).

2Die Schuldnerin übernahm für den Kläger die Verwaltung einer Mietwohnung und sollte die Kaution der Mieterin des Klägers insolvenzgeschützt anlegen. Zu diesem Zweck eröffnete die Schuldnerin ein Konto bei einer Bank, auf das die Kaution der Mieterin in Höhe von 1.170 € gebucht wurde. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zahlte die Bank die auf dem vorgenannten Konto befindlichen Gelder an den Beklagten aus. Der Kläger meldete eine Forderung auf Auszahlung der Kaution zur Tabelle an, ohne sich dabei auf ein Aussonderungsrecht zu berufen. Diese Forderung ist zur Tabelle festgestellt.

3Der Kläger nimmt den Beklagten unter Geltendmachung eines Aussonderungsrechts auf Zahlung von 1.170 € in Anspruch und beantragt hilfsweise, den Beklagten zur Ersatzaussonderung zu verurteilen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Der Beklagte beabsichtigt, sich hiergegen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision zu wenden und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II.

4Die für die Durchführung der Revision beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

51. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Feststellung der Forderung zur Tabelle stehe der gerichtlichen Durchsetzung nicht entgegen. Zwar habe die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle gemäß § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. In dem , BGHZ 168, 112) - nach dem ein Anspruch, der als Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt worden ist, gleichwohl unter Berufung auf § 55 InsO in zulässiger Weise gegen die Masse eingeklagt werden kann - habe der dortige Kläger vor Klageerhebung seine Anmeldung zur Tabelle zurückgenommen, worauf die Tabelle entsprechend berichtigt worden sei. Es stelle sich die Frage, ob der Kläger zunächst genötigt sei, seine festgestellte Forderung zurückzunehmen, um sie in zulässiger Weise als Aussonderungsrecht gerichtlich geltend machen zu können. Dies sei nicht der Fall. Da die zugrunde liegende Rechtsfrage noch nicht entschieden sei, sei die Revision zuzulassen gewesen.

62. Der Prozesskostenhilfeantrag ist unbegründet. Ist ein Zulassungsgrund nicht gegeben, kommt es für die Entscheidung nach § 114 ZPO allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache selbst an (vgl. , juris Rn. 2; vom - VIII ZR 182/21, NJW-RR 2022, 518 Rn. 14 mwN; vgl. auch , WM 2020, 2086 Rn. 6 zur PKH-Ablehnung bei zugelassener Rechtsbeschwerde). Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf die Zulässigkeit der Klage zugelassen. Insoweit wäre die Revision durch einstimmigen Beschluss nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil kein Zulassungsgrund besteht und das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage zutreffend bejaht hat. Soweit der Beklagte geltend macht, die Klage sei unbegründet, ist die beabsichtigte Revision des Beklagten unstatthaft, weil es an einer Zulassung der Revision fehlt.

7a) Das Berufungsgericht hat die Revision gegen das Urteil beschränkt auf die Zulässigkeit der Klage zugelassen.

8aa) Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. , WM 2023, 1218 Rn. 7). Es ist anerkannt, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbstständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. , NJW-RR 2005, 715, 716; Beschluss vom - IX ZB 7/22, WM 2023, 1881 Rn. 11 mwN).

9bb) So liegt es hier. Die Frage, die das Berufungsgericht als ungeklärt ansieht, namentlich ob der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen sein könnte, dass die Feststellung der Forderung zur Tabelle der gerichtlichen Durchsetzung derart entgegenstehe, dass der Kläger zunächst genötigt sei, seine zur Tabelle festgestellte Forderung zurückzunehmen, um sie in zulässiger Weise als Aussonderungsrecht gerichtlich geltend machen zu können, betrifft die Zulässigkeit der Klage. Auch die im Rahmen der Beantwortung dieser Frage angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Rechtskraftwirkung der Eintragung in die Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO und zu dem Umstand, dass durch das erstinstanzliche Urteil eine nur einmal vorhandene Forderung ein zweites Mal tituliert worden sei, betreffen das im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfende Fehlen des Prozesshindernisses der entgegenstehenden Rechtskraft. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Revision nur insoweit zulassen wollte, als sich der Beklagte gegen die Bejahung der Zulässigkeit der gegen ihn gerichteten Klage wenden würde.

10cc) Die Beschränkung ist wirksam. Die Zulassung der Revision kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Zulässigkeit der Klage beschränkt werden. Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte. Dies ist in Bezug auf die Zulässigkeit der Klage der Fall, über die gemäß § 280 ZPO vorab durch Zwischenurteil entschieden werden kann (vgl. , NJW 2018, 1880 Rn. 23 mwN; Urteil vom - V ZR 153/18, ZfIR 2019, 676 Rn. 6).

11b) Soweit das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ist dem Beklagten Prozesskostenhilfe unbeschadet der für den Senat bindenden Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nicht zu bewilligen, weil die Revision durch Beschluss nach § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen wäre. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Revision hat hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage keine Aussicht auf Erfolg.

12aa) Die Rechtssache hat weder eine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Beantwortung der Rechtsfrage, die das Berufungsgericht zur Zulassung der Revision veranlasst hat, ist nicht zweifelhaft. Sie lässt sich anhand der Rechtsprechung des Senats ohne weiteres beantworten. Es besteht deshalb kein Klärungsbedarf.

13(1) Nach der Rechtsprechung des Senats (, BGHZ 168, 112 ff) kann ein Anspruch, der als Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt worden ist, gleichwohl unter Berufung auf § 55 InsO in zulässiger Weise gegen die Masse eingeklagt werden, weil Masseforderungen auch durch Anmeldung, Anerkennung und Feststellung nicht zu Insolvenzforderungen werden (vgl. aaO Rn. 15). Die Rechtskraftwirkung gemäß § 178 Abs. 3, § 183 InsO schließt die spätere Geltendmachung desselben Anspruchs als Masseforderung nicht aus (vgl. aaO Rn. 15, 17). Die Bestimmungen über die Feststellung der Forderungen (§§ 174 ff InsO) beziehen sich nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes nur auf Insolvenzforderungen. Damit dient das besondere Feststellungsverfahren nicht zur Klärung der rechtlichen Einordnung eines Anspruchs als Insolvenzforderung, sondern setzt die Anmeldung einer Insolvenzforderung voraus (vgl. aaO Rn. 17).

14(2) Aus dem Urteil des Senats vom (IX ZR 15/04, BGHZ 168, 112) folgt, dass die Rechtskraftwirkung gemäß § 178 Abs. 3, § 183 InsO die spätere Geltendmachung desselben Anspruchs als Aussonderungsrecht nicht ausschließt. Das ist auch in der Literatur anerkannt (vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 178 Rn. 35; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 178 Rn. 65 f; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2010, § 178 Rn. 18); weitere Leitsätze des Senats zur Zulässigkeit der Klage sind nicht erforderlich.

15(3) Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nicht erforderlich, dass ein Gläubiger nach irrtümlicher Anmeldung und Feststellung seines Anspruchs auf Aussonderung zur Tabelle zunächst die Löschung der Eintragung bewilligt, bevor er kraft seines besseren Rechts den Insolvenzverwalter gerichtlich auf Erfüllung in Anspruch nimmt. Die Rechtskraftwirkung von Feststellung und Eintragung nach § 178 Abs. 3 InsO ist auf Insolvenzforderungen zu begrenzen (vgl. , BGHZ 168, 112 Rn. 20).

16(4) An einer Einschränkung der Zulässigkeit einer Klage besteht auch kein anerkennenswertes Interesse. Ein Insolvenzverwalter kann gegenüber einem Gläubiger, der nach irrtümlicher Anmeldung und Eintragung seines Anspruchs kraft seines besseren Rechts von dem Verwalter Erfüllung begehrt, ohne die Löschung der Eintragung zu bewilligen, die Erfüllung wegen widersprüchlichen Verhaltens verweigern (vgl. , BGHZ 168, 112 Rn. 17). Insoweit handelt es sich um eine Frage, die im Rahmen der Begründetheit der Klage Bedeutung erlangen kann.

17bb) Die beabsichtigte Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anspruch, der als Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt worden ist, gleichwohl unter Berufung auf § 47 InsO in zulässiger Weise eingeklagt werden kann. Die Feststellung der Forderung zur Tabelle steht der gerichtlichen Geltendmachung nicht derart entgegen, dass der Kläger nach irrtümlicher Anmeldung und Eintragung seines Anspruchs zunächst die Löschung der Eintragung bewilligen müsste, bevor er den Insolvenzverwalter gerichtlich auf Erfüllung des geltend gemachten Aussonderungsrechts in Anspruch nimmt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:211223BIXZA19.23.1

Fundstelle(n):
MAAAJ-60059