BGH Beschluss v. - V ZR 39/23

Nichtzulassungsbeschwerde: Maßgeblichkeit der verlängerten Berufungsbegründungsfrist

Gesetze: § 520 Abs 2 S 3 ZPO

Instanzenzug: Az: 85 S 37/20 WEGvorgehend Az: 75 C 8/20

Gründe

I.

1Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) 1.096,47 € nebst Zinsen zu zahlen; die Feststellungswiderklage hat es abgewiesen. In dem Termin vor dem Amtsgericht war die Beklagte durch einen Rechtsanwalt vertreten worden. Das Urteil ist laut Postzustellungsurkunde der Beklagten persönlich am durch Niederlegung in einen zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten zugestellt worden. Die Beklagte hat mit am , einem Montag, eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom (Mittwoch) hat sie beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum (Montag) zu verlängern. Die Vorsitzende des Berufungssenats hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum (Freitag) verlängert. Die Berufungsbegründungsschrift ist am bei dem Gericht eingegangen. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten nach Beweisaufnahme durch Urteil als unzulässig verworfen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde will die Beklagte eine Entscheidung in der Sache herbeiführen.

II.

2Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden sei. Die Berufungsbegründungsfrist sei bis zum verlängert worden. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum gehabt, weil ihr das erstinstanzliche Urteil bereits am zugestellt worden sei. Die Zustellung sei wirksam. Sie habe nicht an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten erfolgen müssen. Die in dem Termin vor dem Amtsgericht vorgelegte Vollmacht sei auf die Terminsvertretung beschränkt gewesen und habe Zustellungen nicht erfasst. Die Postzustellungsurkunde erbringe den Beweis dafür, dass die Voraussetzungen für die Zustellung durch Niederlegung vorgelegen hätten und der Zusteller den Umschlag mit dem Urteil in den richtigen Briefkasten gelegt habe. Die Beklagte habe den Gegenbeweis nicht geführt. Die Beweisaufnahme habe insoweit ein „non liquet“ ergeben. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist könne der Beklagten nicht gewährt werden.

III.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist das Erreichen einer Wertgrenze nicht erforderlich, da die Berufung als unzulässig verworfen worden ist (§ 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) ist nicht gegeben. Entgegen der Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde beruht die Verwerfung der Berufung als unzulässig nicht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

41. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beklagte die Berufung nicht innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Ohne Erfolg rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht habe den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, indem es die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an die Beklagte persönlich als zulässig angesehen und den angebotenen Sachverständigenbeweis zum Vorliegen eines Zustellmangels nicht erhoben habe (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Rüge ist unbeachtlich, weil es auf den Beginn der verlängerten Berufungsbegründungsfrist nicht ankommt.

5a) Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende Partei gerichtet ist; auf diesen kann sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers grundsätzlich verlassen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 31/98, MDR 1999, 561 mwN; Beschluss vom - V ZB 106/16, NJW-RR 2017, 1145 Rn. 11; , NJW-RR 2008, 1162 Rn. 2). Hat das Berufungsgericht die Begründungsfrist bis zu einem konkret bezeichneten Tag verlängert, kommt es auf den Beginn der verlängerten Frist nicht an, weil das Ende der Frist konkret feststeht (vgl. , NJW-RR 2008, 76 Rn. 8). Verlängert der Vorsitzende die Berufungsbegründungsfrist für eine kürzere Zeit als beantragt, liegt darin in aller Regel zugleich die (stillschweigende) Ablehnung des weitergehenden Antrags (vgl. , NJW 2015, 1966 Rn. 12; Beschluss vom - VIII ZA 4/19, NJW-RR 2020, 313 Rn. 19). Die gerichtliche Verlängerungsverfügung ist maßgeblich und die Berufung innerhalb der verlängerten Frist zu begründen.

6b) Hier ist die Fristverlängerung durch das Berufungsgericht nach ihrem objektiven Inhalt eindeutig. Die Vorsitzende des Berufungssenats hat die Frist zur Begründung der Berufung nur bis zum verlängert. Die Beklagte hat die gerichtliche Frist nicht gewahrt. Auf die Frage, ob das Berufungsgericht die Begründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bis zum - wie beantragt - hätte verlängern müssen, so dass die Berufungsbegründung dann rechtzeitig eingegangen wäre, kommt es nicht an. Deshalb ist es für die Wahrung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ohne Bedeutung, ob das erstinstanzliche Urteil der Beklagten am wirksam zugestellt worden ist; der von dem Berufungsgericht dazu durchgeführten Beweisaufnahme bedurfte es nicht. Der Zeitpunkt der Zustellung des Urteils war nur für die Frage relevant, ob die Fristverlängerung rechtzeitig beantragt worden ist. Ob die Frist wirksam verlängert worden ist, obwohl der darauf gerichtete Antrag erst am gestellt worden ist, bedarf keiner Entscheidung, weil jedenfalls die verlängerte Frist nicht eingehalten ist.

72. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:251023BVZR39.23.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-56303