BGH Beschluss v. - VII ZB 62/14

Berufungsbegründungsfrist: Auslegung einer gewährten Fristverlängerung

Leitsatz

Beantragt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers, die Frist für die Berufungsbegründung "um einen Monat bis zum zu verlängern", obgleich die Monatsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO bis zum läuft, und verlängert der Vorsitzende auf diesen Antrag hin die Frist für die Berufungsbegründung bis zum , so ist diese Fristverlängerungsverfügung in aller Regel nach ihrem objektivem Inhalt dahin zu verstehen, dass damit die Frist für die Berufungsbegründung - unter abschließender Verbescheidung des Fristverlängerungsantrags - lediglich bis zum verlängert und ein etwa weitergehender Antrag stillschweigend abgelehnt worden ist (Fortführung von , NJW-RR 1989, 1278).

Gesetze: § 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 520 Abs 2 S 2 ZPO, § 520 Abs 2 S 3 ZPO

Instanzenzug: Az: 10 U 81/14vorgehend Az: 28 O 167/13

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt von der Beklagten restliches Honorar für Ingenieurleistungen nebst Zinsen sowie Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten.

2Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom ganz überwiegend stattgegeben. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am zugestellt worden.

3Im Anschluss an die Einlegung der Berufung im Namen der Beklagten hat deren Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung "um einen Monat bis zum zu verlängern".

4Am hat die stellvertretende Vorsitzende des Berufungssenats Folgendes verfügt:

"Auf begründeten Antrag des Beklagtenvertreters wird die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum verlängert."

5Die auf den datierte und an das Berufungsgericht adressierte Berufungsbegründung ist vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten per Telefax am um 23.53 Uhr versehentlich an das erstinstanzliche Landgericht gefaxt worden. Da das Telefaxgerät des Landgerichts defekt war, ist das Telefax auf dem Server des Landgerichts gespeichert und am Morgen des beim Landgericht ausgedruckt und an das Berufungsgericht weitergeleitet worden, bei dem es noch am selben Tag eingegangen ist. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung nochmals am direkt an das Berufungsgericht gefaxt (Eingang: , 8:07 Uhr).

6Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, von einer Verspätung der Berufungsbegründung am könne nicht ausgegangen werden; die Frist für die Berufungsbegründung sei erst am abgelaufen. Vorsorglich hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung beantragt.

7Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht diesen Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Frist für die Berufungsbegründung sei nur bis zum verlängert worden. Eine andere Auslegung komme auch unter Berücksichtigung des Fristverlängerungsantrags vom nicht in Betracht. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung könne der Beklagten nicht gewährt werden. Sowohl das Wählen der falschen Telefaxnummer als auch das rechtzeitige Unterlassen der Beantragung einer weiteren Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung stellten ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dar, das sich diese nach § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse.

8Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten. Der angefochtene Beschluss verletze die Beklagte in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör. Das Berufungsgericht habe den Fristverlängerungsantrag der Beklagten vom unter Verkennung wesentlicher Auslegungsgrundsätze interessenwidrig dahingehend ausgelegt, dass mit ihm nur eine Fristverlängerung von weniger als einem Monat, nämlich bis zum , begehrt werde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei der Fristverlängerungsantrag vom dahin auszulegen, dass eine Fristverlängerung von einem vollen Monat bis zum begehrt worden sei. Das Berufungsgericht habe den Inhalt des Fristverlängerungsantrags verkannt und übersehen, dass über einen Teil des Verlängerungsantrags (Zeitraum bis zum ) noch gar nicht entschieden worden sei. Diese ausstehende Entscheidung über die Fristverlängerung müsse nachgeholt werden, was auf den rechtzeitig gestellten Antrag auch nach Ablauf der Frist erfolgen könne.

II.

9Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (, NJW 2012, 3516 Rn. 7 = ZfBR 2012, 765; Beschluss vom - I ZB 97/08, juris Rn. 5 m.w.N.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör.

101. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte die Berufung entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat.

11a) Es kann dahin stehen, ob die Auslegung des Berufungsgerichts, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei von der Beklagten nur bis zum beantragt worden, richtig ist. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, sie habe die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum beantragt, was der Verlängerung um einen Monat entspräche, verhilft dies der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Denn mit der Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden des Berufungs-senats vom ist die Frist für die Berufungsbegründung lediglich bis zum verlängert und ein etwa weitergehender Fristverlängerungsantrag stillschweigend abgelehnt worden.

12b) Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende Partei gerichtet ist (vgl. , NJW-RR 2009, 643 Rn. 13 m.w.N.). Verlängert der Vorsitzende die Berufungsbegründungsfrist für eine kürzere Zeit als beantragt, liegt darin in aller Regel zugleich die (stillschweigende) Ablehnung des weitergehenden Antrags und nicht ein Vorbehalt, insoweit erst noch entscheiden zu wollen (vgl. , NJW-RR 1989, 1278, 1279; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 520 Rn. 16).

13Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Verfügung der stellvertretenden Vorsitzenden vom nach ihrem objektiven Inhalt dahin zu verstehen, dass damit die Frist für die Berufungsbegründung - unter abschließender Verbescheidung des Fristverlängerungsantrags - lediglich bis zum verlängert und ein etwa weitergehender Antrag stillschweigend abgelehnt worden ist. Der der genannten Verfügung beigefügte Hinweis, dass mit einer weiteren Fristverlängerung nur bei rechtzeitiger Vorlage - oder anwaltlicher Versicherung - einer Einwilligungserklärung der Gegenseite gerechnet werden kann, ändert an dieser Auslegung nichts. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Verfügung vom zunächst auch selbst im Sinne einer abschließenden Verbescheidung des Fristverlängerungsantrags verstanden.

142. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

III.

15Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                      Kartzke                       Jurgeleit

          Graßnack                      Sacher

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
IBR 2015 S. 338 Nr. 6
NJW 2015 S. 1966 Nr. 27
NJW 2015 S. 8 Nr. 20
DAAAE-89614