Umsatzsteuerbarkeit der Aufstockungsbeträge zum bisherigen Gehalt, nicht aber der Abfindungen, die im Zusammenhang mit der
Übertragung von Arbeitsverhältnissen auf Transfergesellschaften gezahlt werden
Leitsatz
1. Übernimmt der bisherige Arbeitgeber gegenüber einer Transfergesellschaft (mit Trägerzulassung im Sinne des § 178 Abs. 3
SGB III) in den ersten 12 Monaten nach Eintritt des Arbeitnehmers in die Transfergesellschaft die Aufstockung des Transferkurzarbeitergeldes
von 60 % bzw. 67 % auf 80 % des bisherigen Nettogehalts je Arbeitnehmer und anschließend (d. h. nach Ablauf des Transferkurzarbeitergeldes)
die gesamten Lohn- und Gehaltskosten einschließlich aller zusätzlichen Arbeitgeberkosten (sogenannte Remanenzkosten), so sind
die von der Transfergesellschaft an den Alt-Arbeitgeber weiterbelasteten Remanenzkosten Teil des umsatzsteuerbaren Entgelts
für eine Leistung der Transfergesellschaft an den Alt-Arbeitgeber. Insoweit ist unerheblich, dass die Transfergesellschaft
die Remanenzkosten ohne Gewinnaufschlag als eine Art Aufwendungsersatz 1:1 an den Alt-Arbeitgeber weiterbelastet, dass sie
keinen Einfluss auf die Höhe der Aufstockungsbeträge hat und dass bei der Abwicklung der Zahlungen ein Treuhänder zwischengeschaltet
ist. Die weiterbelasteten Remanenzkosten sind für die Transfergesellschaft auch keine durchlaufenden Posten.
2. Die Leistung der Transfergesellschaft an den Alt-Arbeitgeber erschöpft sich nicht in der Durchführung der Personalverwaltung
und der Lohn- und Gehaltsabrechnungen, sondern umfasst auch die Übernahme der Beschäftigungsverhältnisse. Die Überführung
der Arbeitnehmer in eine „betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit” (im Streitfall: Klägerin als gesellschaftsrechtlich
selbständige Transfergesellschaft im Sinne des § 111 Abs. 3 Satz 2 SGB III) ist nach § 111 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III Bedingung
für die Zahlung des Transferkurzarbeitergeldes und liegt im Interesse der Alt-Arbeitgeber, die andernfalls unter Beachtung
der Vorgaben der Sozialauswahl betriebsbedingte Kündigungen aussprechen müssten.
3. Die Alt-Arbeitgeber werden durch den Übergang von Arbeitsverhältnissen auf Transfergesellschaften von den bisherigen Pflichten
wie Lohnzahlung, Gewähren des Urlaubsanspruchs, Fortführung der betrieblichen Altersversorgung etc. befreit und können sich
so am Markt besser positionieren, d. h. Sachmittel des abgebenden Unternehmens oder Teile hiervon ohne bestehende Arbeitsverhältnisse
auf einen Dritten übertragen. Die Leistungsempfänger (Alt-Arbeitgeber) bringen die Remanenzkosten als weiteren Anreiz auf,
um Arbeitnehmern den Übergang in die Transfergesellschaft schmackhaft zu machen.
4. Haben die Arbeitnehmer mit oder ohne Wechsel in die Transfergesellschaft zusätzlich einen Anspruch auf Abfindung für den
Verlust des Arbeitsplatzes, der auch bei Übergang des Arbeitsverhältnisses in die Transfergesellschaft fortbesteht und der
Höhe nach gestaffelt je nach Verweildauer in der Transfergesellschaft fällig wird, sobald der Arbeitnehmer die Transfergesellschaft
verlässt, und übernimmt die Transfergesellschaft die Berechnung und Auszahlung der Abfindungszahlungen nur deshalb, weil sie
nach dem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf sie im Besitz der hierfür erforderlichen Daten ist, so gehören die Abfindungen
bei der Transfergesellschaft als durchlaufende Posten nicht zum Entgelt.
Fundstelle(n): DStR-Aktuell 2023 S. 8 Nr. 34 DStR-Aktuell 2024 S. 8 Nr. 12 DStRE 2024 S. 611 Nr. 10 UR 2024 S. 11 Nr. 1 UR 2024 S. 21 Nr. 1 CAAAJ-44059
Preis: €5,00
Nutzungsdauer: 30 Tage
Online-Dokument
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.03.2023 - 1 K 2865/21
Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,
die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen.
Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.