BAG Urteil v. - 6 AZR 481/21

Pauschalabgeltung von Zeitzuschlägen

Gesetze: § 7.1 Abs 3 TVöD-F, § 8 Abs 1 TVöD-F, Art 9 Abs 3 GG, § 4 Abs 1 S 1 TVG

Instanzenzug: Az: 9 Ca 3859/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 259/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die pauschale Abgeltung von Zeitzuschlägen für Sonderformen der Arbeit im Rampendienst.

2Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Mitarbeiter im Rampendienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung die Durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Flughäfen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-F) vom Anwendung.

3Der TVöD-F sieht ua. folgende Regelungen vor:

4§ 7.1 TVöD-F entspricht § 42 TVöD-BT-F. Des Weiteren enthält der TVöD-F ua. folgende Regelung:

5Vor der Einführung des TVöD-F bestimmten sich die Zeitzuschläge für Arbeiter in Flughafenbetrieben nach § 22 Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) vom . Dieser lautete auszugsweise:

6Für Mitarbeiter im Rampendienst enthielt die Anlage 4 zum BMT-G (Sondervereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d BMT-G für Arbeiter in Flughafenbetrieben) in Abschnitt II. Rampendienst ua. folgende von § 22 BMT-G abweichende Regelungen:

7Der Kläger erhielt von der Beklagten bis einschließlich Februar 2020 auf der Grundlage des § 7.1 Abs. 3 TVöD-F monatlich einen Zuschlag iHv. 12 % zunächst der Stufe 1, später der Stufe 3 des Tabellenentgelts der Entgeltgruppe 4 TVöD-F gezahlt. Der Zuschlag betrug im Geltendmachungszeitraum zuletzt 319,59 Euro brutto.

8Im Jahr 2018 kam es zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einem Dissens darüber, ob die Zeitzuschläge für Mitarbeiter im Rampendienst nach Einführung des TVöD-F pauschal iHv. 12 % der Stufe 3 des monatlichen Tabellenentgelts der individuellen Entgeltgruppe oder auf der Grundlage der tatsächlich geleisteten Stunden mit einem für alle Sonderformen der Arbeit iSd. § 8 Abs. 1 TVöD-F einheitlichen Zeitzuschlag von 12 % abzugelten seien. Zur Beilegung dieser Meinungsverschiedenheit schlossen sie am mit Wirkung zum die „Betriebsvereinbarung über die Umstellung des Verfahrens zur Bemessung von Zeitzuschlägen nach den §§ 7.1 und 8 TVöD-F für Schichtdienstbeschäftigte im Rampendienst und Schichtdienst- und Wechselschichtdienstbeschäftigte“ (im Folgenden BV Übergangsregelung Zeitzuschläge). Danach wird die bisher gezahlte Pauschale auf dem Stand vom Dezember 2019 so lange eingefroren, bis sie durch die Anrechnung linearer Tariflohnsteigerungen, erstmals ab März 2020, soweit abgeschmolzen ist, dass die Höhe des tatsächlichen Anspruchs auf Zeitzuschläge die Höhe der Pauschale übersteigt.

9Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom verfolgt der Kläger mit seiner Klage den Anspruch auf die Vergütungsdifferenzen für die Monate März, Mai, Juni, Juli und August 2020 und begehrt zudem die Feststellung, dass ihm eine monatliche Pauschale iHv. 12 % der Stufe 3 seines jeweiligen Tabellenentgelts als Ausgleich für die Zeitzuschläge für Sonderformen der Arbeit zu zahlen ist.

10Er hat die Auffassung vertreten, dass § 7.1 Abs. 3 TVöD-F anders als § 8 TVöD-F nicht auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abstelle, sondern wie die Vorgängerregelung in § 5 Satz 1 der Anlage 4 zum BMT-G eine pauschale Abgeltung auf der Grundlage des monatlichen Tabellenentgelts vorsehe. Eine Abkehr von der monatlichen Pauschalvergütung hin zur „Spitzabrechnung“ und der damit einhergehenden Absenkung der Vergütung von Sonderformen der Arbeit für die Mitarbeiter im Rampendienst sei weder von den Tarifvertragsparteien beabsichtigt gewesen noch lasse sich dies dem Wortlaut oder dem Zweck der Tarifnorm entnehmen. Gegen ein solches Tarifverständnis spreche zudem das Fehlen einer Übergangs- bzw. Besitzstandsregelung oder ein gewichteter Durchschnittswert der unterschiedlichen und überwiegend deutlich höheren Zeitzuschlagssätze nach § 8 Abs. 1 TVöD-F.

11Der Kläger hat zuletzt beantragt,

12Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, § 7.1 Abs. 3 TVöD-F stelle nach seinem eindeutigen, von der Vorgängerregelung in § 5 Satz 1 der Anlage 4 zum BMT-G bewusst abweichenden Wortlaut auf die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden iSv. § 8 Abs. 1 TVöD-F ab. Pauschaliert würden lediglich die verschiedenen Zeitzuschläge für die unterschiedlichen geleisteten Sonderformen der Arbeit. Die Neuregelung sei unter Wettbewerbsgesichtspunkten erforderlich gewesen.

13Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

14Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gemäß § 7.1 Abs. 3 TVöD-F Anspruch auf eine leistungsunabhängige monatliche Pauschale iHv. 12 % des Tabellenentgelts der Stufe 3 seiner Entgeltgruppe und auf die Vergütungsdifferenzen für die Monate März, Mai, Juni, Juli und August 2020 in Höhe der insgesamt geltend gemachten 83,05 Euro brutto.

15I. Die zulässige Revision ist begründet.

161. Die Berufung ist zulässig. Die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden Prozessfortführungsvoraussetzungen (vgl. etwa  - Rn. 25 mwN) liegen vor.

17a) Das Landesarbeitsgericht hat das Passivrubrum zutreffend dahingehend berichtigt, dass beklagte Partei die F GmbH ist. Die Klage hat sich trotz der Bezeichnung in der Berufungsschrift vom zu keinem Zeitpunkt gegen die F Handling GmbH gerichtet. Das ergibt die rechtsschutzgewährende Auslegung der Parteibezeichnung (zu den Anforderungen vgl.  - Rn. 41 mwN, BAGE 144, 125).

18b) Der Kläger hat in seiner Berufungsschrift das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts unter Angabe des Aktenzeichens sowie des Verkündungs- und Zustelldatums bezeichnet und im Übrigen eine Abschrift der Entscheidung beigefügt. Dieser ist eindeutig zu entnehmen, dass er die F GmbH in Anspruch nimmt. Die F Handling GmbH war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch zu keinem vorherigen Zeitpunkt an dem Verfahren beteiligt. Damit war weder für das Berufungsgericht noch für die Parteien zweifelhaft, dass sich die Berufung tatsächlich gegen die F GmbH gerichtet hat.

192. Die Klage ist zulässig.

20a) Für den Feststellungsantrag zu 2. besteht das erforderliche Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO (zu den Anforderungen vgl. zB  - Rn. 46 mwN). Der Streit der Parteien betrifft insoweit allein die Frage, ob dem Kläger eine vom Umfang der geleisteten Sonderformen der Arbeit unabhängige monatliche Pauschale zur Abgeltung der Zeiten iSd. § 8 Abs. 1 TVöD-F zusteht. Die konkrete Berechnung der Pauschale ist lediglich eine Rechenaufgabe. Bei einer stattgebenden Entscheidung über den Feststellungsantrag sind über die Höhe der Pauschale daher keine weiteren Streitigkeiten zwischen den Parteien zu erwarten. Der Antrag ermöglicht damit eine umfassende Klärung. Aus diesem Grund steht der Rechtsgedanke des Vorrangs der Leistungsklage für die ab September 2020 bezifferbaren Vergütungsdifferenzen der Zulässigkeit der auf diese Zeit beschränkten Feststellungsklage nicht entgegen (vgl. zB  - Rn. 48).

21b) Der Feststellungsantrag zu 2. ist auch hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zum Bestimmtheitserfordernis bei Feststellungsanträgen vgl.  - Rn. 14). Er bezieht sich seinem Wortlaut nach auf die Vergütung von Zeitzuschlägen für Sonderformen der Arbeit iSv. § 8 Abs. 1 TVöD-F im Wege einer Pauschale iHv. 12 % des monatlichen Tabellenentgelts der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe des Klägers (derzeit Entgeltgruppe 4 TVöD-F). Die Berechnungsgrundlagen für die erstrebte Feststellung sind damit hinreichend konkretisiert.

223. Die Klage ist begründet.

23a) Der Kläger kann die Abgeltung von Zeitzuschlägen für Sonderformen der Arbeit iSv. § 8 Abs. 1 TVöD-F in Form einer monatlichen vom Umfang der erbrachten Leistung unabhängigen Pauschale iHv. 12 % seines jeweiligen Tabellenentgelts der Stufe 3 und damit auch die rechnerisch unstreitigen Vergütungsdifferenzen von 83,05 Euro brutto für die streitgegenständlichen Monate in der Zeit von März bis August 2020 beanspruchen. Das ergibt die Auslegung von § 7.1 Abs. 3 TVöD-F (zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge vgl.:  - Rn. 21; - 9 AZR 104/20 - Rn. 24 mwN; - 6 AZR 44/18 - Rn. 27 mwN). Die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbare Auslegung der Tarifnorm durch das Landesarbeitsgericht (vgl. hierzu  - Rn. 14 mwN) hält einer solchen Kontrolle nicht stand.

24aa) Bereits der Wortlaut des § 7.1 Abs. 3 TVöD-F spricht dafür, dass die Zeitzuschläge des § 8 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F für Beschäftigte im Rampendienst mit einer auf das monatliche Entgelt bezogenen Pauschale vergütet werden sollen.

25(1) Zwar nimmt § 7.1 Abs. 3 TVöD-F den gesamten § 8 Abs. 1 TVöD-F in Bezug und erfasst damit auch dessen Abs. 1 Satz 1, der auf die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung abstellt. Ein solches Verständnis der Norm ist aber nicht zwingend. So ergibt zB die Einbeziehung von § 8 Abs. 1 Satz 3 TVöD-F keinen Sinn, da § 7.1 Abs. 3 TVöD-F gerade keine unterschiedlich hohen Zeitzuschlagssätze regelt, bei deren Zusammentreffen der höhere Zuschlag gezahlt werden könnte. Dies lässt auch den Schluss zu, der Verweis beziehe sich nur auf § 8 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F und benenne - entsprechend der in der Vorgängerbestimmung verwendeten Regelungstechnik - lediglich die zuschlagspflichtigen Arbeitszeitformen, die von § 7.1 Abs. 3 TVöD-F erfasst werden sollen.

26(2) Bei wörtlichem Verständnis des § 7 Abs. 3 TVöD-F erhielte der Beschäftigte als Abgeltung für alle von ihm im jeweiligen Monat geleisteten, nach § 8 Abs. 1 TVöD-F zuschlagspflichtigen Sonderformen der Arbeit lediglich 12 % des auf „eine Stunde“ entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts, also 12 % eines einzigen Stundenlohns. Ein solches Verständnis wäre widersinnig und wird auch von der Beklagten nicht vertreten.

27(3) Die Wendung „nach Maßgabe der Entgelttabelle“ lässt ebenfalls keine eindeutigen Rückschlüsse auf das Wortlautverständnis des § 7.1 Abs. 3 TVöD-F zu. Im Zusammenhang mit den Worten „des monatlichen Entgelts“ kann sie genauso gut das Tabellenentgelt meinen.

28(4) Die Satzstellung des Adjektivs „pauschal“ in § 7.1 Abs. 3 TVöD-F spricht jedoch dafür, dass es adverbial und nicht attributiv verwendet worden ist, sich also auf das Verb „abgelten“ und nicht das Substantiv „Zuschlag“ und dessen Höhe bezieht (zur attributiven und adverbialen Verwendung von Adjektiven Duden Richtiges und gutes Deutsch 7. Aufl. S. 38). Attributiv verstanden hätte es des Adjektivs nicht bedurft. Da die Bezugnahme auf § 8 Abs. 1 TVöD-F ohnehin sämtliche Zeitzuschläge erfasst, wäre die bloße Formulierung „… werden mit einem Zuschlag von 12 % … abgegolten“ ausreichend gewesen, ohne hierdurch missverständlich zu sein. Das spricht dafür, dass mit der Wendung „des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts“ lediglich eine sprachliche Anpassung an die Diktion des § 8 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F beabsichtigt war.

29(5) Schließlich lässt die Formulierung „werden … abgegolten“ zwar unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten zu. Sie kann für sich genommen „werden … vergütet“, „… gezahlt“ bzw. „… abgeleistet“ bedeuten. Der Zusammenhang mit dem adverbialen Gebrauch des Adjektivs „pauschal“ lässt jedoch darauf schließen, dass die Zeitzuschläge „en bloc kompensiert“ werden und keine „Spitzabrechnung“ auf der Grundlage tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung erfolgen soll.

30bb) Jedenfalls folgt aus dem sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergebenden Sinn und Zweck (zur Ermittlung des tariflichen Normzwecks durch die Gerichte vgl.  - Rn. 24 mwN, BAGE 154, 118) und aus der Tarifgeschichte mit hinreichender Sicherheit, dass § 7.1 Abs. 3 TVöD-F die pauschale Abgeltung von Sonderformen der Arbeit iSd. § 8 Abs. 1 TVöD-F iHv. 12 % des jeweiligen monatlichen Tabellenentgelts (Stufe 3) für Beschäftigte im Rampendienst regelt (im Ergebnis aA Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Teil II/5 § 42 BT-F Stand Januar 2009 Rn. 10; BeckOK TVöD/Schmidt-Rudloff TVöD-BT-F § 42 Stand Rn. 8). Ein etwaiger Wille der Tarifvertragsparteien zur Abkehr von dieser schon unter dem BMT-G praktizierten Vergütungsform hin zur „Spitzabrechnung“ mit einem einheitlichen Zeitzuschlag iHv. 12 % nur für jede tatsächlich geleistete zuschlagspflichtige Stunde hat in der Tarifnorm keinen hinreichenden Niederschlag gefunden.

31(1) Die Verwendung des Adjektivs „pauschal“ in § 7.1 Abs. 3 TVöD-F weist darauf hin, dass für die Vergütung von Arbeit iSv. § 8 Abs. 1 TVöD-F im Rampendienst eine Form des pauschalen Ausgleichs gewollt ist. Sinn und Zweck von Pauschalierungen ist, vom Nachweis des tatsächlich entstandenen Aufwands im Einzelfall abzusehen und stattdessen die Gewährung der Pauschalleistung an leicht feststellbare objektive Umstände zu knüpfen (vgl.  - zu I 2 a der Gründe mwN). Sie dienen also typischerweise der Generalisierung und damit der Vereinfachung von Abläufen.

32(a) Aufgrund der Besonderheiten bei den Arbeitsabläufen im Rampendienst, der sämtliche Tätigkeiten des Bodenverkehrsdienstes erfasst, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abfertigung der Flugzeuge stehen, zB dem Be- und Entladen, Versorgen und Entsorgen (Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G Teil A 3.4 Flughafenbetriebe Anl. 4 Stand März 2005 Erl. 2; Vogel in Groeger Arbeitsrecht im Öffentlichen Dienst 3. Aufl. § 34 Rn. 34.3), werden regelmäßig sämtliche in § 8 Abs. 1 TVöD-F genannten Zeitzuschläge relevant (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Teil B 4.5 § 7.1 TVöD-F Stand März 2013 Rn. 4). Das hat einen erhöhten Verwaltungs- und Abrechnungsaufwand für diese Beschäftigtengruppe zur Folge. Durch eine pauschalierte Abgeltung dieser verschiedenen zuschlagspflichtigen Tätigkeiten mit ihren vielfältigen Zuschlagshöhen werden die betrieblichen Organisationsabläufe rationalisiert, indem die konkreten Arbeitsformen nicht mehr gesondert erfasst und den einzenen Zeitzuschlägen zugeordnet werden müssen. Ebenso entfällt der Aufwand, nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TVöD-F zu ermitteln, welche Zeitzuschläge bei ihrem Zusammentreffen tatsächlich gezahlt werden. Dies ermöglicht eine praktikable Handhabung in diesem Arbeitsbereich und dient zugleich der Erleichterung bei der Abrechnungskontrolle und damit der Vermeidung von Fehlern (vgl.  - Rn. 76 mwN) sowie einer besseren Kalkulierbarkeit der Kosten.

33(b) Eine solche effektive Verschlankung dieser Verwaltungsabläufe mit einer entsprechenden Kostenreduzierung wird jedoch nur erreicht, wenn sich die Pauschalierung nicht lediglich auf einzelne Parameter wie etwa die Festsetzung der Zeitzuschlagshöhe auf einheitlich 12 % für sämtliche Sonderformen der Arbeit bezieht, sondern eine vom Umfang der einzelnen tatsächlich geleisteten Arbeit unabhängige Pauschale mit einem bestimmten Prozentsatz des monatlichen Tabellenentgelts gezahlt wird. Andernfalls reduzierte sich der Erfassungs- und Abrechnungsaufwand nur geringfügig (in diesem Sinn wohl auch Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Teil B 4.5 § 7.1 TVöD-F Stand März 2013 Rn. 4). Das würde die Zielsetzung einer Pauschalierung, eine Leistung nicht im Detail, sondern nach einem Durchschnittswert abzugelten (vgl.  - Rn. 76 mwN), allerdings konterkarieren.

34(2) Die Tarifgeschichte belegt dieses Normverständnis.

35(a) Unter der Geltung des BMT-G hatten die Tarifvertragsparteien in § 5 der Anlage 4 zum BMT-G die Vergütung von Zeitzuschlägen für die Beschäftigten im Rampendienst dadurch geregelt, dass sie zunächst durch Verweisung auf § 22 BMT-G klargestellt hatten, welche konkreten Zeitzuschläge erfasst und welche - zB Erschwerniszuschläge bzw. Schichtzulagen - nicht einbezogen werden sollten. Sodann hatten sie die Vergütungsform, nämlich die Gewährung einer leistungsunabhängigen Pauschale iHv. 12 % des Monatsgrundlohns, bestimmt. Vor diesem Hintergrund und in Kenntnis dieses Regelungsverständnisses haben sie in § 7.1 Abs. 3 TVöD-F als Nachfolgeregelung dieselbe Verweisungstechnik angewendet und auf § 8 Abs. 1 TVöD-F Bezug genommen, der die gleichen Zeitzuschläge wie § 22 BMT-G umfasst. Hätten sie in § 7.1 Abs. 3 TVöD-F einen so tiefgreifend gewandelten Inhalt bei der Abgeltung von Sonderformen der Arbeit im Rampendienst vornehmen wollen, wie es nach dem Normverständnis der Beklagten der Fall wäre, hätten sie diesen Änderungswillen unmissverständlich deutlich machen müssen. Dazu hätten sie einen klärenden Zusatz wie beispielsweise „Die Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden“ in § 7.1 Abs. 3 TVöD-F aufnehmen müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr haben sich die Tarifvertragsparteien im Wesentlichen auf sprachliche Anpassungen an den TVöD-F beschränkt, wie etwa die Ersetzung des im TVöD nicht mehr existierenden „Monatsgrundlohns“ durch die Wendung „monatliches Entgelt … der jeweiligen Entgeltgruppe nach Maßgabe der Entgelttabelle“, mit der das entsprechende monatliche Tabellenentgelt gemeint ist, zeigt. Eine inhaltliche Anpassung an § 8 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F erfolgte lediglich hinsichtlich der zugrunde zu legenden Entgeltstufe, die von Stufe 1 auf Stufe 3 erhöht worden ist.

36(b) Gegen eine beabsichtigte Abkehr von der monatlichen Pauschalvergütung im Rampendienst spricht auch, dass die Bestimmungen in den §§ 2 und 3 der Anlage 4 zum BMT-G - etwa zur täglichen Dauer der Arbeitszeit und zur Verpflichtung, dienstplanmäßig Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen zu leisten - als Sonderregelungen für den Rampendienst im TVöD-F weggefallen sind und nunmehr die für alle unter den TVöD-F fallenden Mitarbeiter geltenden Vorschriften Anwendung finden. Die Vorschriften zum Ausgleich von Arbeitszeiten in den §§ 4 und 5 der Anlage 4 zum BMT-G wurden dagegen als Sonderregelungen für diese Beschäftigtengruppe beibehalten und in § 7.1 TVöD-F zusammengeführt. Auch dies spricht entscheidend gegen einen Willen der Tarifvertragsparteien, die Regelung zur Pauschalabgeltung der Zeitzuschläge für Sonderformen der Arbeit grundlegend umzustellen.

37(3) Für dieses Verständnis spricht ferner, dass eine „Spitzabrechnung“ mit einem einheitlichen Zeitzuschlag von nur 12 % auf jede tatsächlich geleistete zuschlagspflichtige Arbeitsstunde zu einer erheblichen Schlechterstellung der Beschäftigten im Rampendienst gegenüber einer Abrechnung nach § 8 Abs. 1 TVöD-F, wie sie für die übrigen Beschäftigtengruppen erfolgen muss, führt. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien allein für die Rampendienstmitarbeiter eine derart einschneidende Tarifänderung vornehmen wollten, ohne zumindest eine Übergangsregelung zu treffen oder den mit 12 % gegenüber den Zeitzuschlägen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F deutlich niedrigeren Zuschlagssatz - auch nur geringfügig - anzuheben, lassen sich § 7.1 Abs. 3 TVöD-F nicht ausreichend deutlich entnehmen. Zudem fehlt es an erkennbaren Anhaltspunkten dafür, warum die Rampendienstmitarbeiter geringere Zuschläge als alle anderen Beschäftigtengruppen - auch die übrigen Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste - erhalten sollen.

38(4) Die Einholung einer Tarifauskunft zum Verständnis der Regelung in § 7.1 Abs. 3 TVöD-F war nicht veranlasst. Diese darf nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein; die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen Begriffen ist vielmehr Sache der Gerichte für Arbeitssachen (st. Rspr., vgl. etwa  - Rn. 24 mwN; - 6 AZR 320/20 - Rn. 32 mwN).

39b) Der Anspruch des Klägers auf eine pauschale Abgeltung von Arbeit iSd. § 8 Abs. 1 TVöD-F iHv. 12 % seines monatlichen Tabellenentgelts ist auch nicht durch die BV Übergangsregelung Zeitzuschläge ausgeschlossen. Dieser steht die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. Ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Vergütung von Sonderformen der Arbeit für Beschäftigte im Rampendienst durch § 7.1 Abs. 3 TVöD-F abschließend geregelt ist. Die BV Übergangsregelung Zeitzuschläge ist insgesamt unwirksam.

40aa) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn diese in einem nach seinem räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrag enthalten ist und der Betrieb in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kommt es nicht an. Ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG liegt nicht erst dann vor, wenn ein Tarifvertrag insgesamt zum Inhalt einer Betriebsvereinbarung gemacht wird. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG soll vielmehr verhindern, dass auch einzelne Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisten. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Ein Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung in der Betriebsvereinbarung. Die Tarifwidrigkeit einzelner Regelungen einer Betriebsvereinbarung führt nicht notwendig zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB ist eine Betriebsvereinbarung nur teilunwirksam, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Das folgt aus dem Normcharakter der Betriebsvereinbarung, der es gebietet, im Interesse der Kontinuität eine einmal gesetzte Ordnung aufrechtzuerhalten, soweit sie ihre Funktion auch ohne den unwirksamen Teil noch entfalten kann (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 20 mwN, BAGE 170, 172; - 1 AZR 213/18 - Rn. 41, BAGE 167, 264).

41bb) Die Betriebsparteien haben wegen ihrer unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob § 7.1 Abs. 3 TVöD-F zu einer Abkehr von der Monatspauschale hin zu einer Abrechnung auf Grundlage der tatsächlich geleisteten Sonderformen der Arbeit mit einem einheitlichen Zeitzuschlag von 12 % führt, in der BV Übergangsregelung Zeitzuschläge eine Übergangsbestimmung für die Mitarbeiter im Rampendienst getroffen. Diese betrifft nicht nur einen abgrenzbaren Teil, sondern den gesamten Regelungsgegenstand des § 7.1 Abs. 3 TVöD-F, der die Art und Weise der Vergütung von Sonderformen der Arbeit im Rampendienst vorsieht, und damit auch die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung im Ganzen.

42cc) Die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gegenstand der BV Übergangsregelung Zeitzuschläge einer Angelegenheit der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt. Ein solches Mitbestimmungsrecht setzt nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG voraus, dass keine zwingende tarifliche Regelung besteht, an die der Arbeitgeber gebunden ist. Einer normativen Bindung der betriebszugehörigen Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) bedarf es hierfür nicht. Das gilt auch dann, wenn es sich bei der das Mitbestimmungsrecht verdrängenden tariflichen Regelung um eine Inhaltsnorm handelt. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt daher auch im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG zur Unwirksamkeit einer betrieblichen Regelung, soweit dieser eine zwingende tarifliche Regelung entgegensteht (sh. zB  - Rn. 37 mwN, BAGE 170, 172; vgl. auch  - Rn. 26; für entgegenstehende gesetzliche Vorschriften vgl.  - Rn. 17 f.). Das trifft vorliegend zu. Die Tarifvertragsparteien haben die Vergütung von Sonderformen der Arbeit im Rampendienst umfassend und abschließend in § 7.1 Abs. 3 TVöD-F - an den die Beklagte zwingend gebunden ist - geregelt und keine Öffnungsklausel für betriebliche Regelungen vereinbart. Es kann daher im Streitfall offenbleiben, ob und inwieweit die getroffene Regelung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt.

434. Die mit dem Klageantrag zu 1. verfolgten Zahlungsansprüche für die Monate März, Mai, Juni, Juli und August 2020 sind nicht nach § 37 Abs. 1 TVöD-F verfallen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob es sich bei den streitgegenständlichen Pauschalen um in Monatsbeträgen festgelegte Entgeltbestandteile iSd. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F handelt, die bereits am letzten Tag des laufenden Kalendermonats fällig werden. Selbst wenn dies zuträfe, wäre die Ausschlussfrist gewahrt. Die Entgeltdifferenz für den Monat März 2020 wäre dann am , einem Dienstag, fällig gewesen, die übrigen Entgeltdifferenzen am letzten Tag der jeweiligen Bezugsmonate. Der Kläger hat die streitigen Vergütungsdifferenzen nach den nicht gerügten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts außergerichtlich mit Schreiben vom geltend gemacht, das der Beklagten spätestens am zugegangen ist, weil sie den Anspruch mit Schreiben von diesem Tag abgelehnt hat.

445. Der Anspruch auf Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage beruht auf § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde die Klage der Beklagten am zugestellt. Damit stehen dem Kläger die Zinsen ab dem zu (vgl.  - Rn. 18, BAGE 154, 192).

45II. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist wegen eines Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu korrigieren, soweit es über einen Anspruch des Klägers auf Grundlage einer betrieblichen Übung entschieden hat.

461. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt nicht nur dann vor, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dies beantragt zu haben, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat. Ein Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ( - Rn. 15 mwN).

472. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen lediglich auf einen tariflichen Anspruch aus § 7.1 Abs. 3 TVöD-F gestützt. Er hat nicht behauptet, ihm stehe die begehrte Pauschalvergütung auch aus betrieblicher Übung zu. Indem das Landesarbeitsgericht die Klage jedoch auch diesbezüglich abgewiesen hat, hat es über einen Streitgegenstand entschieden, der nicht zur Entscheidung gestellt war. Es hat insofern nicht berücksichtigt, dass Ansprüche aus Tarifvertrag und solche aus betrieblicher Übung unterschiedliche Lebenssachverhalte betreffen, deren rechtliche Bewertung von verschiedenen Voraussetzungen abhängen (zum Streitgegenstandsbegriff vgl.  - Rn. 22 mwN, BAGE 163, 205).

483. Das Urteil ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedarf - zu berichtigen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist damit insoweit gegenstandslos, als die Klage wegen eines auf betriebliche Übung gestützten Anspruchs abgewiesen wurde (vgl.  - Rn. 20 mwN).

49III. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:081222.U.6AZR481.21.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 627 Nr. 11
DB 2023 S. 1608 Nr. 27
DB 2023 S. 1608 Nr. 27
VAAAJ-34324