BAG Urteil v. - 5 AZR 425/15

Annahmeverzug - Anrechnung von Zwischenverdienst - Gesamtberechnung

Leitsatz

Nach § 615 Satz 2 BGB ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht.

Gesetze: § 615 S 1 BGB, § 615 S 2 BGB, § 611 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 2 Ca 4459/14 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 1 Sa 194/15 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Anrechnung von Zwischenverdienst auf Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs.

2Die Beklagte ist eine in Abwicklung befindliche sog. geöffnete Betriebskrankenkasse. Die Klägerin war bei ihr seit 1998 zwölf Stunden wöchentlich beschäftigt. Das Bundesversicherungsamt ordnete die Schließung der Beklagten zum an. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, das Arbeitsverhältnis werde mit dem Tag der Schließung enden, und kündigte das Arbeitsverhältnis hilfsweise außerordentlich zum sowie äußerst hilfsweise ordentlich. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. Mit Beschluss vom stellte das Bundesarbeitsgericht Zustandekommen und Inhalt eines Vergleichs fest, der ua. regelt:

3Seit ist die Klägerin in einem anderen Arbeitsverhältnis wöchentlich 17 Stunden beschäftigt.

4Die Beklagte berechnete den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs für das Jahr 2012 mit 13.846,80 Euro brutto und für das Jahr 2013 mit 13.839,31 Euro brutto. Da die Klägerin im neuen Arbeitsverhältnis im Jahr 2012 Vergütung iHv. 14.947,57 Euro brutto und im Jahr 2013 iHv. 15.593,63 Euro brutto bezogen hatte, lehnte die Beklagte eine Zahlung unter Hinweis auf die Anrechnung dieser Vergütung ab.

5Die Klägerin meint, der Vergütungsanteil, den sie wegen der neuen längeren Arbeitszeit bezogen habe, sei nicht anrechnungsfähig.

6Die Klägerin hat - soweit in der Revision noch von Relevanz - beantragt,

7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der anderweitig erzielte Verdienst sei vollständig anzurechnen.

8Das Arbeitsgericht hat der Klägerin den noch streitigen Betrag nebst Zinsen zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

9Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Die Klägerin muss sich auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nicht den gesamten von ihr erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen.

10I. Der Vergütungsanspruch für die Zeit vom bis zum folgt aus § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1 BGB.

111. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Der Arbeitnehmer muss die infolge des Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nicht nachleisten. Unstreitig geriet die Beklagte mit Ablauf des in Annahmeverzug. Dieser endete zu dem im Prozessvergleich vereinbarten Beendigungszeitpunkt, dem .

122. Dahinstehen kann, ob die Parteien im Prozessvergleich die Anrechnung von Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch gemäß § 615 Satz 2 BGB ausgeschlossen haben. Der in der Revision noch streitige Teil der Forderung unterliegt keiner Anrechnung.

13a) Nach § 615 Satz 2 BGB ist auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs ua. das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste verdient hat. Im Streitfall haben die Parteien eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum durch Prozessvergleich geregelt. Damit fehlt es an einer Entscheidung des Gerichts zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses iSd. § 11 KSchG, weshalb diese Norm als Anrechnungsvorschrift ausscheidet.

14b) Doch muss sich die Klägerin nach § 615 Satz 2 BGB nicht den gesamten von ihr erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen. Anzurechnen ist nur derjenige Zwischenverdienst, den sie während der Arbeitszeit erzielt hat, in der sie im Annahmeverzugszeitraum bei der Beklagten hätte Arbeitsleistungen erbringen müssen. Die Gesamtberechnung darf sich nicht ausschließlich an der Höhe der Vergütung orientieren, sondern muss auch die gegenüber der Beklagten geschuldete Arbeitszeit berücksichtigen.

15aa) Der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers ist auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen und nicht nur auf die Vergütung für den Zeitabschnitt, in dem der anderweitige Erwerb gemacht wurde. Für die erforderliche Vergleichsberechnung (Gesamtberechnung) ist die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamtvergütung ist gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig erwirbt ( - Rn. 33, BAGE 120, 308; - 5 AZR 251/11 - Rn. 29, BAGE 141, 340).

16bb) Anzurechnen ist ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Gegenüberzustellen ist damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser Zeit anderweitig erworben hat (RG - III 146/04 - RGZ 58, 402). Also ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht. Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde ( - zu III 3 d der Gründe).

17c) Demnach muss sich die Klägerin nur das anrechnen lassen, was sie in der Arbeitszeit erwarb, in der sie bei der Beklagten zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre. Die bezogene Vergütung für darüber hinaus erbrachte Arbeitsleistungen ist nicht in die Gesamtberechnung einzubeziehen. Anrechenbar ist somit nicht der anderweitige Verdienst für 17, sondern lediglich für zwölf Wochenstunden. Es verbleibt ein Anspruch der Klägerin iHv. 6.127,61 Euro brutto.

18II. Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Als Beginn der Verzinsung haben die Vorinstanzen zutreffend den Tag nach Zustellung der Klage festgesetzt (vgl.  - Rn. 30 mwN).

19III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:240216.U.5AZR425.15.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 1203 Nr. 20
DB 2016 S. 1322 Nr. 22
DStR 2016 S. 12 Nr. 24
NJW 2016 S. 10 Nr. 21
NJW 2016 S. 1674 Nr. 23
DAAAF-72503