Betriebliche Altersversorgung - Tarifauslegung - Energiekostenrabatt
Gesetze: § 613a Abs 1 S 1 BGB, § 4 Abs 1 TVG, § 4 Abs 3 TVG, § 323 Abs 1 UmwG 1995, § 324 UmwG 1995, § 256 Abs 1 ZPO, § 269 Abs 3 S 1 ZPO, § 269 Abs 3 S 2 ZPO, § 308 ZPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG
Instanzenzug: ArbG Wuppertal Az: 6 Ca 2938/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 12 Sa 13/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin mit dem Beginn des Ruhestands einen Rabatt auf die Kosten der Gas- und Stromlieferungen (Energiekostenrabatt) iHv. 25 vH statt 15 vH zu gewähren.
2Die Klägerin wurde zum von der vormals als Wuppertaler Stadtwerke AG firmierenden Beklagten als kaufmännische Angestellte eingestellt. § 2 des Arbeitsvertrags hat folgenden Inhalt:
3Grundlage des gewährten Energiekostenrabatts bei der Beklagten war eine Verfügung ihres Vorstands vom (im Folgenden Verfügung). Sie hat auszugsweise folgenden Inhalt:
4Im Zuge der Umstrukturierung der Beklagten ab 2006 wurde eine Abspaltung mehrerer Betriebsteile gemäß § 123 UmwG durchgeführt. Der Betriebsteil „Shared Services“ wurde auf die WSW Wuppertaler Stadtwerke GmbH, der Betriebsteil „Verkehr“ auf die WSW mobil GmbH übertragen. Im Spaltungsvertrag war der als Spaltungsstichtag festgelegt. Die Beklagte sollte nach der Umstrukturierung fortbestehen. Am schlossen die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der WSW-Unternehmensgruppe (im Folgenden TV-SR). Dieser bestimmt ua.:
5Am beschloss der Vorstand der Beklagten, dass künftig neue Mitarbeiter, die nach dem angestellt würden, sowie alle Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis nach dem ende, und die anschließend in den Ruhestand wechseln, Energiekostenrabatte iHv. 15 vH erhalten, und dies auch nur, soweit Energielieferungsverträge mit der WSW-Unternehmensgruppe bestünden. Nach dem Beschluss sollte die Neuregelung zum erfolgen, soweit nicht die mit den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bestehenden Energiebezugsverträge bereits zu einem früheren Zeitpunkt endeten.
6Die Spaltung wurde im September 2007 ins Handelsregister eingetragen. Die Gesellschaften übernahmen zum die tatsächliche Leitungsmacht über die ihnen zugeordneten Bereiche. Die entsprechend zugeordneten Arbeitsverhältnisse gingen im Wege des Betriebsübergangs auf die neuen Arbeitgeber über.
7Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde nicht von einem Betriebsübergang erfasst und bestand mit der Beklagten fort. Sie schied mit Ablauf des aus dem Arbeitsverhältnis aus und befindet sich seitdem im Ruhestand. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährte ihr die Beklagte einen Energiekostenrabatt iHv. 25 vH, seit dem Rentenbeginn nur noch iHv. 15 vH.
8Am schlossen die Beklagte und weitere Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe mit der Gewerkschaft ver.di einen „Änderungs-Tarifvertrag zum Tarifvertrag zur Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der WSW-Unternehmensgruppe“ (im Folgenden ÄTV-SR). In § 2 Abs. 2 ÄTV-SR wurde als Stichtag im Sinne des Tarifvertrags der festgelegt. Der Begriff „Unternehmensgruppe“ in § 2 Abs. 1 ÄTV-SR wurde neu definiert; die zuvor mit Arbeitstiteln benannten Unternehmen wurden mit den zutreffenden Firmennamen bezeichnet. Die Tarifbindung in § 3 ÄTV-SR wurde konkretisiert; der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen in § 4 TV-SR in zeitlicher Hinsicht ausgeweitet. § 5 Abs. 2 ÄTV-SR erhielt einen Zusatz für die ab dem eingestellten oder übergegangenen Arbeitsverhältnisse.
9§ 5 ÄTV-SR lautet in Auszügen wie folgt:
10Die „Protokollerklärung zu § 5, Materielle Sicherung, Absatz 2, Satz 3“ lautet:
11Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Fortgewährung des Energiekostenrabatts iHv. 25 vH entsprechend der bisherigen Handhabung verlangt und zuletzt noch beantragt,
12Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und geltend gemacht, § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR gelte nicht für Betriebsrentner und sei nicht auf die Klägerin anwendbar, da sie von der Reorganisation nicht betroffen gewesen sei. Die Fortführung der betrieblichen Sozialleistung führe allein zur Sicherung des damals geltenden Rechtszustands, wozu auch der Vorbehalt in Nr. 7 der Verfügung zähle. Die Absenkung des Energierabatts wahre die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Da die Kürzung um zehn Prozentpunkte gegenüber den aktiven Arbeitnehmern wirksam sei, sei sie es auch gegenüber den Betriebsrentnern.
13Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
14Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist insgesamt zulässig und begründet.
15I. Der Feststellungsantrag zu 2. ist zulässig. Die Klägerin begehrt zulässigerweise die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, sie iHv. 25 vH von den Kosten der Energielieferung von Gas und Strom durch die Beklagte oder ein Nachfolgeversorgungsunternehmen freizustellen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Antrags ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wurde vom Senat bereits für zulässig angesehen (vgl. - Rn. 18 ff.) und im Tenor der Entscheidung klargestellt.
161. In der von den Vorinstanzen ausgelegten und von der Klägerin in ihrem Willen aufgenommenen Antragsfassung geht es um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Eine allgemeine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen beschränken ( - Rn. 45; - 3 AZR 731/16 - Rn. 19, BAGE 163, 192).
172. Der Antrag sowie der Tenor der Vorinstanzen sind dahin zu verstehen, dass die Klägerin den sog. Nachlass auf die Kosten der Energielieferungen der Beklagten mit ihrem Renteneintritt zum für sich und ihren Hinterbliebenen erhalten will. Durch die Entscheidung über einen darauf bezogenen Feststellungsantrag kann der Streit der Parteien über die Verpflichtung der Beklagten, im fraglichen und späteren Zeitraum einen Rabatt auf die Energiekosten zu gewähren, beseitigt werden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergehenden Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird (vgl. - Rn. 45; - 3 AZR 68/11 - Rn. 21).
183. Die von der Beklagten vermisste Begrenzung des Tenors auf einen Energiebezug von ihr oder einem Nachfolgeversorgungsunternehmen ist in der klarstellenden Tenorierung durch den Senat berücksichtigt.
19II. Die Klage ist insgesamt begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Fortgewährung eines Energiekostenrabatts iHv. 25 vH aus § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags iVm. § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR sowie Zahlung in der konkret bezifferten Höhe nebst Zinsen.
201. Der Arbeitsvertrag der Klägerin verweist in § 2 Satz 2 - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auf die für die Arbeitnehmer der Beklagten jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und betrieblichen Vereinbarungen und damit auch auf den TV-SR.
212. Wie der Senat bereits im Urteil vom angenommen hat, ist die Tarifbestimmung in § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR dahin auszulegen, dass sie den von der Beklagten gewährten Energiekostenrabatt als „gewährte betriebliche Sozialleistung“ in diesem Sinne erfasst und damit für zum Stichtag bestehende Arbeitsverhältnisse als Anspruch aus einem Tarifvertrag auch für die Betriebsrentner fortführt ( - Rn. 24 ff.). Da der Energiekostenrabatt von der Beklagten nicht nur während des aktiven Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Ruhestand gewährt wurde, ist der Rabatt den sog. heutigen Arbeitnehmern auch dann zu gewähren, wenn sie nach dem Stichtag in den Ruhestand treten ( - Rn. 28). Dafür sprechen heute wie damals der Wortlaut der Tarifnorm, die Systematik sowie der Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
223. Die Klägerin ist vom Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR erfasst, auch wenn ihr Arbeitsverhältnis nicht infolge eines Betriebsübergangs gemäß § 324 UmwG iVm. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen ist. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR sollen die zum Vortag des Stichtags bei der Beklagten gewährten betrieblichen Sozialleistungen für heutige Arbeitnehmer in den Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe fortgeführt werden.
23a) Die Klägerin stand am Stichtag iSd. § 2 Abs. 2 TV-SR - also am bzw. - in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und erhielt am Vortag den Energierabatt als betriebliche Sozialleistung. Sie war auch „heutige Arbeitnehmerin“ iSd. § 2 Abs. 3 Satz 1 TV-SR, da sie zum Stichtag sowie am Vortag des bzw. in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stand, die ein Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe iSd. § 2 Abs. 1 TV-SR ist.
24b) Für die Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR kommt es - anders als die Beklagte meint - nicht darauf an, ob die Klägerin von der Spaltung unmittelbar betroffen war und den Arbeitgeber im Rahmen der Spaltung etwa aufgrund Betriebsübergangs nach § 324 UmwG iVm. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wechselte. Die Tarifnorm unterscheidet nicht nach diesem Merkmal. Es ist auch weder vom Wortlaut oder von der Systematik noch vom Sinn und Zweck des TV-SR geboten, die Klägerin vom Schutz des § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR auszunehmen. Sie ist vielmehr - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - als verbleibende Arbeitnehmerin jedenfalls potentiell von der Abspaltung betroffen und damit vom Zweck des TV-SR erfasst (vgl. zur Auslegung von Tarifverträgen - Rn. 23).
25aa) § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR enthält vom Wortlaut her keine dem Verständnis der Beklagten entsprechende Begrenzung, sondern stellt auf (alle) heutigen Arbeitnehmer ab. Das zeigt auch § 2 Abs. 3 TV-SR, der den Begriff „heutige Arbeitnehmer“, der ebenso für § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR maßgeblich ist, mit „alle Arbeitnehmer“ in einem Arbeitsverhältnis zum Stichtag mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe und am Vortag des Stichtags mit der Beklagten definiert. Der Arbeitgeber muss danach gerade nicht gewechselt werden.
26bb) Zwar stellt der systematisch vorrangige § 5 Abs. 1 TV-SR auf übergehende Arbeitsverhältnisse ab. Absatz 2 der Bestimmung enthält aber eine von Absatz 1 unabhängige Regelung und keine entsprechende Begrenzung. Dass § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR - anders als etwa § 9 TV-SR - nicht ausdrücklich von „alle Arbeitnehmer“ oder wie § 4 TV-SR von „alle heutigen Arbeitnehmer“ spricht, hat wegen der allgemeinen Definition in § 2 Abs. 3 TV-SR und dem in § 1 Abs. 1 TV-SR geregelten Geltungsbereich des Tarifvertrags keine Bedeutung. § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR erfasst die „heutigen Arbeitnehmer“, die § 2 Abs. 3 TV-SR definiert. Das verdeutlicht systematisch auch § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-SR, der ausdrücklich auf später eintretende Arbeitnehmer abstellt.
27cc) Die von der Beklagten geltend gemachte Differenzierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen in unterschiedlichen Bestimmungen des TV-SR mag im Kern zutreffen und ist in § 1 Abs. 1 TV-SR angelegt, betrifft allerdings nicht die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR. Zwar ist es von § 1 Abs. 1 TV-SR vorgesehen, dass tarifvertragliche Bestimmungen wie § 5 Abs. 1 TV-SR (materielle Sicherung) oder § 6 TV-SR (immaterielle Sicherung) sowie § 7 TV-SR (Betriebsvereinbarungen) oder § 11 TV-SR (Anerkennung zurückgelegter Zeiten im Arbeitsverhältnis) an den Übergang der Arbeitsverhältnisse sowie § 613a Abs. 1 BGB anknüpfen und für diese Arbeitnehmer Sonderregelungen treffen. Wenn der TV-SR aber bei anderen Regeln wie etwa bei § 5 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TV-SR oder § 10 Abs. 2 TV-SR nicht differenziert, spricht dies für das Verständnis, dass alle sog. heutigen Arbeitnehmer von der Regelung geschützt sind, unabhängig von einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses.
28dd) Die Praktikabilität sowie der Sinn und Zweck der Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR sprechen ebenfalls für eine materielle Sicherung aller „heutigen Arbeitnehmer“. Die Tarifvertragsparteien wollten - wie auch die Überschrift zu § 5 TV-SR zeigt - die bei der Beklagten verbleibenden Arbeitnehmer materiell im gleichen Umfang absichern wie die übergehenden. Die Verbleibenden waren zudem durch die Abspaltungen wesentlicher Betriebsteile materiell ähnlich betroffen. Dass schon eine solche mittelbare Betroffenheit zu entsprechenden Schutzregeln Anlass geben kann, zeigen gesetzliche Bestimmungen wie etwa § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG oder § 323 Abs. 1 UmwG, die auch die beim übertragenden Rechtsträger fortbestehenden Arbeitsverhältnisse persönlich erfassen (vgl. Niklas in Gaul Arbeitsrecht der Umstrukturierung 2. Aufl. Rn. 17.93 mwN; APS/Steffan 6. Aufl. UmwG § 323 Rn. 3). Wenn die Tarifvertragsparteien vor diesem Hintergrund eine Unterscheidung der Arbeitnehmer bei der materiellen Sicherung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR hätten treffen wollen, hätten sie dies deutlich zum Ausdruck gebracht.
294. Der - nicht zur Akte gelangte - Vorstandsbeschluss der Beklagten vom vermochte es - unabhängig vom Stichtag - entgegen der Annahme der Beklagten nicht, den Anspruch für im aktiven Arbeitsverhältnis stehende Arbeitnehmer zu beseitigen. Daher kann offenbleiben, auf welchen Stichtag abzustellen ist, ob die Verfügung im Ausgang eine Gesamtzusage war und ob der Beschluss vom bekanntgemacht bzw. wirksam geworden ist sowie ob und inwiefern er in Anbetracht von § 5 Abs. 2 Satz 1 ÄTV-SR überhaupt Wirkungen entfalten konnte.
30a) Es ist schon unklar, was der Beschluss mit der Maßgabe meint, es solle „zum die Neuregelung erfolgen“. Es ist ebenso unklar, ob und wie der Beschluss mit Rechtswirkungen nach außen getragen wurde. Zudem spricht die Verfügung in ihrer Nr. 7 nur von der Möglichkeit einer „Kündigung“ unter Wahrung einer Frist von drei Monaten zum Jahresende. Dass sie eine solche erklärt hätte, hat auch die Beklagte nicht geltend gemacht.
31b) Jedenfalls ergibt die Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR, dass die tarifvertraglich geregelte Fortführung der gewährten betrieblichen Sozialleistungen - und damit auch der Energierabatte - nicht mehr unter dem Vorbehalt stand, der in der Verfügung angelegt war. Weder der Wortlaut oder die Systematik noch der Sinn und Zweck der Regelung ermöglichen eine Auslegung iSd. Beklagten, dass der Kündigungsvorbehalt gemäß Nr. 7 der Verfügung Bestandteil der tariflichen Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR geworden wäre. Dabei kann offenbleiben, ob § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR einen tarifvertraglichen Änderungsvorbehalt enthält, wie das Berufungsgericht angenommen hat.
32aa) Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR von einer „Fortführung“ spricht. Dies könnte so verstanden werden, als wolle der TV-SR die Verfügung sowie sonstige Regelungen „fortführen“ und damit in sich aufnehmen. Allerdings gibt es hierfür im Wortlaut keine weiteren Anhaltspunkte. Vielmehr spricht der TV-SR von einer „materiellen Sicherung“ dieser Rechte und in der Präambel von der „Sicherung der sozialen Rechte“, nicht hingegen von einer nur formalen Fortführung von Regelungen oder Rechtspositionen. Hierdurch träte auch keine materielle Sicherung ein. Die Regelung stellt in keiner Weise auf den Rechtsgrund der Gewährung der angesprochenen betrieblichen Sozialleistungen ab, sondern allein auf das tatsächliche Gewähren (vgl. - Rn. 31). Weder die Verfügung noch sonstige Regelungen, die fortgeführt werden sollen, werden ausdrücklich benannt. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob auf die betriebliche Sozialleistung zum Stichtag ein Anspruch bestand.
33bb) Systematisch ist zudem § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-SR zu beachten, der Ausnahmen von dem Anspruch nach Satz 1 ausdrücklich und erkennbar abschließend zulässt. Er führt lediglich für Neueintritte nach dem Stichtag eine Änderungsmöglichkeit durch betriebliche Neuregelung ein. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung im Jahr 2013 ausgeführt hat, sind damit diejenigen Arbeitnehmer abzugrenzen, die erst nach dem Stichtag in ein Arbeitsverhältnis mit einem Unternehmen der WSW-Unternehmensgruppe eintreten: Diesen Arbeitnehmern werden die bis zum Stichtag gewährten Sozialleistungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 TV-SR nur bis zu einer Neuregelung in der WSW-Unternehmensgruppe weiter gewährt; die „heutigen“ Arbeitnehmer müssen hingegen nach der Tarifbestimmung nicht mit einer Neuregelung rechnen ( - Rn. 28). Bei der Übernahme einer Verpflichtung verwendet für geltende Betriebsvereinbarungen § 7 Abs. 1 TV-SR den Begriff „Eintreten“, und nicht „Fortführen“.
34cc) Der Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR spricht ebenfalls für dieses Verständnis: §§ 4, 5, 6, 7, 8 und 11 TV-SR sollen den bestehenden materiellen Schutz der Arbeitnehmer absichern. Aus dem Anlass der Umwandlung oder bei deren Gelegenheit sollen alle heutigen Arbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 3 TV-SR keinerlei materiellen Nachteile erleiden. Die sozialen Rechte - wozu auch der Energierabatt zählt - sollen nach der Präambel des TV-SR materiell gesichert werden. Da alle betroffenen Unternehmensteile weiterhin in der WSW-Unternehmensgruppe fortbestanden, sollten Anreize und Sicherungen geschaffen werden, damit alle Arbeitnehmer bei den jeweiligen Gesellschaften, denen sie zugeordnet waren, verblieben. Es sollte sich durch die Umwandlungen inhaltlich, außer beim Arbeitgeber, nichts an den Arbeitsbedingungen ändern.
35c) Gegen die Möglichkeit, in die Tarifbestimmung eine einseitige Abänderbarkeit von nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR fortzuführenden betrieblichen Sozialleistungen hineinzulesen, sprechen zudem tarifrechtliche Erwägungen. Da der Tarifvertrag bereits am unterzeichnet wurde und gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TV-SR nach dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung der gesellschaftsrechtlichen Umsetzung der Umstrukturierung rückwirkend zum Zeitpunkt der Unterzeichnung in Kraft trat, bestand der Anspruch aus § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR für die erfassten Arbeitsverhältnisse bereits seit diesem Zeitpunkt. Gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern galt die Bestimmung gemäß § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend.
36aa) Abweichende Abmachungen von nach § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend geltenden Rechtsnormen eines Tarifvertrags sind nach § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Sollen Regelungen Ansprüche ausschließen bzw. einschränken, muss dies hinreichend im Tarifvertrag erkennbar und eindeutig beschrieben sein. Dies gilt auch und gerade für Bestimmungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, in welcher Höhe er oder seine Angehörigen im Versorgungsfall Leistungen zu erwarten haben, um etwaige Versorgungslücken schließen zu können. Das folgt aus dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ( - Rn. 33 mwN). Wenn § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR eine Aufhebungsmöglichkeit durch Beschluss des Vorstands hätte enthalten wollen oder sollen, hätte es insoweit eines klaren Vorbehalts in der tarifvertraglichen Regelung bedurft. Daran ändert es nichts, wenn ein Tarifvertrag - wie im Streitfall - nicht infolge beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt, sondern aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet. Der Regelungsgehalt seiner Inhaltsnormen bestimmt sich abstrakt vor dem Hintergrund, dass diese im Verhältnis von beiderseits Tarifgebundenen unmittelbar und zwingend geltende Rechtsnormen enthalten.
37bb) Die Delegation der Ausgestaltung von tarifvertraglichen Ansprüchen auf Dritte unterliegt wegen § 4 Abs. 1 TVG zudem besonderen Anforderungen. Die Tarifvertragsparteien sind zwar berechtigt, die nähere Ausgestaltung einzelner Arbeitsbedingungen einem Dritten - etwa den Betriebsparteien - zu überlassen. Die Einräumung einer solchen Befugnis muss sich aber aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowohl hinsichtlich des Adressaten als auch hinsichtlich des eröffneten Regelungsumfangs aus dem Tarifvertrag hinreichend deutlich ergeben ( - Rn. 48, BAGE 170, 56). An all dem fehlt es in § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR.
38cc) Die Beklagte kann demgegenüber nicht mit Erfolg eine vermeintlich eintretende Ewigkeitsbindung an den TV-SR anführen. Sie kann Tarifverträge ändern und kündigen und das auch mit Wirkung gegenüber den Betriebsrentnern (vgl. - Rn. 27 ff., BAGE 127, 62).
39d) Der Inhalt des Anspruchs ändert sich nicht, wenn der Stichtag nicht, wie der Senat in seiner Entscheidung 2013 angenommen hat ( - Rn. 28) und wie ihn der ÄTV-SR bestimmt, der war, sondern - wie die Beklagte und das Berufungsgericht meinen - der , weil erst zu diesem Zeitpunkt die Umwandlung der Gesellschaften der WSW-Unternehmensgruppe im Handelsregister eingetragen und der Übergang der Arbeitsverhältnisse im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Wechsel der Leitungsmacht iSd. § 2 Abs. 2 TV-SR vollzogen war. Denn auch am und wurde der Energierabatt noch in seiner bisherigen Höhe von 25 vH gewährt.
40e) Die nach dem Änderungstarifvertrag leicht abweichende Fassung von § 5 Abs. 2 Satz 1 ÄTV-SR führt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, zu keinem anderen Ergebnis. Mit den Formulierungen „wurden … gewährt“ und „vorbehaltlich etwaiger betrieblicher Neuregelungen“ wurde der Anspruch aus § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR weder aufgehoben noch verändert. Die in § 5 Abs. 2 Satz 1 ÄTV-SR gewählte Vergangenheitsform hat lediglich beschreibenden, keinen regelnden Charakter. Der ÄTV-SR dient nach seiner Präambel weiterhin der Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmer. Auf betriebliche Neuregelungen hat sich die Beklagte nicht berufen; überdies hat das Berufungsgericht das Fehlen solcher Regelungen mit Bindungswirkung nach § 559 Abs. 2 ZPO festgestellt. Die Abspaltungen waren zum Zeitpunkt des Abschlusses des ÄTV-SR im Oktober 2015 schon seit einigen Jahren vollzogen. Änderungen ergeben sich auch nicht aus der Protokollnotiz zu § 5 Abs. 2 Satz 3 ÄTV-SR, die sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut schon nicht auf den Anspruch aus § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR bezieht. Hätten die Tarifvertragsparteien den Anspruch, den der Senat im März 2013 anerkannt hat ( -), nachträglich mit Rückwirkung abschaffen wollen, hätten sie dies ausdrücklich geregelt.
415. Der Antrag zu 1. ist in der geltend gemachten Höhe, der Zinsanspruch in der zuletzt beantragten Höhe nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.
426. Der Antrag zu 2. ist ebenfalls begründet. Auch der Hinterbliebene ist von der Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 TV-SR geschützt und kann den Energierabatt iHv. 25 vH verlangen; die Klägerin begehrt erfolgreich die Feststellung der entsprechenden Verpflichtung der Beklagten (vgl. - Rn. 32).
43III. Die vom Landesarbeitsgericht nach Teilklagerücknahme begrenzend zugesprochene Zinsforderung bedurfte keiner klarstellenden Tenorierung. Soweit die Klägerin zunächst weitergehende Ansprüche erhoben hat, ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 ZPO. In diesem Umfang ist das Urteil des Arbeitsgerichts kraft Gesetzes wirkungslos geworden (§ 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO) mit der Folge, dass der Klägerin Zinsen nur noch seit dem zustehen (vgl. - Rn. 66).
44IV. Die Kostenentscheidung in der Revision folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Teilklagerücknahme beim Berufungsgericht verlangt keine Korrektur der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts, § 308 Abs. 1 ZPO. Die Rücknahme ist wegen ihres geringen Umfangs nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO iVm. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der auch insoweit anwendbar ist (Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 269 Rn. 18b, 19a), als unwesentlich anzusehen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:151122.U.3AZR457.21.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-32787