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StuB Nr. 3 vom Seite 114

Der Wesentlichkeitsgrundsatz in der Steuerbilanz

Neue Impulse durch das Jahressteuergesetz 2022

Dr. Jonas Max Bense

Das zur aktivseitigen Abgrenzung von geringfügigen Beträgen in der Steuerbilanz ist in der Literatur überwiegend kritisch aufgenommen worden. Im Fokus der Kritik standen die praktischen Folgen des Urteils – weniger seine dogmatische Begründung. Konkret wurde befürchtet, den Bilanzierenden werde künftig eine kleinliche Erfassung von Rechnungsabgrenzungsposten aufgebürdet, die ohnehin in keinem angemessenen Verhältnis zum fiskalischen Nutzen stehe. Der Gesetzgeber hat diesem Szenario im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022) mittels einer Ergänzung des § 5 Abs. 5 EStG nun Einhalt geboten. Die jüngeren Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung werden im Folgenden nachgezeichnet und kommentiert.

Prinz, Aktive Rechnungsabgrenzungsposten, in: Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht, 4. Aufl. 2021, Rz. 4940, NWB KAAAH-92837

Kernfragen
  • Welchen Status hat der Wesentlichkeitsgrundsatz in den IFRS, in der Handelsbilanz und insb. in der Steuerbilanz?

  • Wie hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit im Hinblick auf die steuerliche Bilanzierung von unwesentlichen Rechnungsabgrenzungsposten entschieden und welche Änderungen brachte die BFH-Entscheidung vom - X R 34/19 mit sich?

  • Wie reagierte der Gesetzgeber darauf im Zuge des JStG 2022?

I. Einleitung

[i]Prinz, Rechnungsabgrenzungsposten und Wesentlichkeit, StuB 16/2020 S. 621, NWB DAAAH-55714 Die Forcierung des Wesentlichkeitsgedankens im deutschen Bilanzrecht ist maßgeblich auf „internationale Einflüsse“ zurückzuführen. In der IFRS-Rechnungslegung haben Wesentlichkeitserwägungen traditionell einen hohen Stellenwert. Das Konzept der „materiality“ wird in den IFRS in unterschiedlichen Kontexten erwähnt und betont – so bspw. für Ausweisfragen in IAS 1.29, im Zusammenhang mit Bewertungsentscheidungen in IFRS 37.46 oder an zentraler Stelle als Konkretisierung der Relevance im Conceptual Framework (CF 2.11). In der Bilanzrichtlinie RL 2013/34/EU wird der Wesentlichkeitsgrundsatz in den Erwägungsgründen (Abs. 17) und als allgemeiner Grundsatz für die Rechnungslegung in Bezug auf Ansatz, Bewertung, Darstellung, Offenlegung und Konsolidierung (Art. 6 Abs. 1 Buchst. j) aufgeführt. Hierin wird eine deutliche Annäherung an die IFRS gesehen. Der handelsrechtliche Gesetzgeber hat den Wesentlichkeitsgrundsatz bislang nicht im Sinne eines allgemeinen GoB in die §§ 238 ff. HGB aufgenommen. Es ist jedoch unstrittig, dass es sich beim Wesentlichkeitsprinzip um einen ungeschriebenen GoB handelt. Der Wesentlichkeitsgedanke kommt ferner in zahlreichen Einzelregelungen des Handelsbilanzrechts zum Ausdruck, wenngleich die gewählten Formulierungen variieren (bspw. „nachrangige Bedeutung“, „untergeordnete Bedeutung“ oder „unerheblicher Umfang“).

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