Verfahrensrecht | Technische Nutzungsprobleme des beA müssen unverzüglich glaubhaft gemacht werden (FG)
Macht ein Rechtsanwalt geltend, eine Klage (vorübergehend) nicht in der vorgeschriebenen elektronischen Form erheben zu können, muss er die technische Unmöglichkeit dem Gericht gegenüber unverzüglich glaubhaft machen (,G; rkr.).
Sachverhalt: Ein Rechtsanwalt erhob für den Kläger am per Telefax sowie am Folgetag nochmals per Brief eine Klage. Nachdem der Berichterstatter den Prozessvertreter auf die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 52d FGO hingewiesen hatte und hierauf keine weitere Stellungnahme erfolgt war, erließ er einen Gerichtsbescheid, mit dem er die Klage als unzulässig abwies.
Hiergegen wandte der Klägervertreter Anfang September 2022 telefonisch und mit per Briefpost übermitteltem Schreiben ein, dass er im Zeitraum von Juni bis Ende August 2022 technische Probleme bei der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) gehabt habe. Der Fehler habe bei Komplikationen im Zuge des Umtausches der Karten und des PIN-Codes der neuen Karte gelegen. Hierzu fügte er Screenshots aus dem beA-Postfach bei, wonach es am und am zu fehlerhaften Übermittlungen an das Finanzgericht gekommen war. Ferner reichte er eine schriftliche Bestätigung seines Mitarbeiters ein, wonach im Zeitraum Juni bis Ende August eine Übermittlung mit dem beA in der Kanzlei nicht möglich gewesen sei und diese Probleme auch von IT-Fachleuten nicht hätten behoben werden können. Im Dezember 2022 übermittelte der Klägervertreter die Klageschrift per beA und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Einzelrichter, auf den das FG den Rechtsstreit übertrug, hat den gegen den Gerichtsbescheid gerichteten Brief als Antrag auf mündliche Verhandlung ausgelegt und die Klage als unzulässig abgewiesen:
Da Rechtsanwälte seit dem verpflichtet sind, im finanzgerichtlichen Verfahren ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach zu nutzen, ist die im Streitfall erfolgte Klageerhebung per Telefax und Brief unzulässig. Etwaige Ausnahmegründe im Sinne von § 52d Satz 3 FGO hat der Klägervertreter nicht unverzüglich glaubhaft gemacht, denn er hat die technischen Probleme dem Gericht erst mehr als zwei Wochen nach Klageerhebung mitgeteilt.
Die im September bzw. Dezember 2022 eingegangenen Schreiben sind nicht als zulässige Klagen anzusehen, da sie verspätet eingereicht worden sind. Dem Kläger ist insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Fristversäumnis schuldhaft gewesen ist. Das Verschulden des Klägervertreters, das dem Kläger zuzurechnen ist, liegt darin, dass er die technischen Probleme nicht zusammen mit oder jedenfalls unverzüglich nach der ursprünglichen Klageerhebung am 14./ dargelegt und glaubhaft gemacht hat. In diesem Fall wäre die Klagefrist auch ohne Übermittlung als elektronisches Dokument gewahrt worden. Hinzu kommt, dass das Gericht den Prozessvertreter unmittelbar nach Klageerhebung auf die Formvorschrift des §§ 52d FGO hingewiesen hat.
Hinweis:
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle: FG Münster, Newsletter Januar 2023 (RD)
Fundstelle(n):
NWB QAAAJ-31148