Der EuGH bestätigt die umsatzsteuerrechtliche Organschaft ...
... und wirft zugleich neue Fragen auf
Der EuGH hat mit Urteilen v. - und zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft in Deutschland entschieden. Die gute Nachricht für den Fiskus: die Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist mit Blick auf die Frage des Steuerschuldners EU-konform ausgestaltet. Der Organträger kann zulässigerweise als Steuerschuldner für den ganzen Organkreis bestimmt werden. Die befürchteten Rechtsstreitigkeiten und mögliche Steuerausfälle in Milliardenhöhe () bei einer anderslautenden Entscheidung bleiben somit aus. Und dennoch können die Urteile nicht als ein „Weiter so“ verstanden werden. Vielmehr bestätigen sie, dass die deutsche Regelung zur Organschaft einer grundlegenden Reform bedarf. Dies gilt einmal mit Blick auf das vom deutschen Gesetz vorgesehene Über- und Unterordnungsverhältnis. So weist der EuGH nochmals deutlich darauf hin, dass es aus Sicht des EU-Rechts keine Notwendigkeit für ein solches Über- und Unterordnungsverhältnis gibt. Eine Organschaft muss somit grundsätzlich auch für Sachverhalte ohne Über- und Unterordnungsverhältnis geöffnet werden (z. B. Organschaft zwischen Schwestergesellschaften). Hierzu bedarf es jedoch zwingend einer Gesetzesänderung, wie der BFH bereits bestätigt hat (vgl. ), insbesondere um für derartige Fälle zu bestimmen, welcher Teil des Organkreises Steuerschuldner gegenüber dem Finanzamt ist.
Weiter sind die einzelnen Eingliederungsmerkmale zu überarbeiten. Mit Blick auf die erforderliche finanzielle Verflechtung zwischen den Teilen des Organkreises führt der EuGH aus, dass bspw. eine Mehrheitsbeteiligung ausreichend ist. Einer Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung bedarf es hingegen nicht. Dies widerspricht der aktuellen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, insbesondere bei der Einbeziehung von Personengesellschaften als Organgesellschaften in einen Organkreis. Der dahingehende Reformbedarf ist dabei seit längerem bekannt (vgl. ). Und auch bei der Wirkung der Organschaft ist ein Umdenken notwendig. Die deutsche Praxis, wonach jeder Teil des Organkreises eine eigene USt-IdNr. erhält und eine eigene ZM abgeben muss (§ 18a Abs. 5 Satz 4 UStG; § 27a Abs. 1 Satz 3 UStG), passt nicht zur Wirkung der Organschaft. Vielmehr bestätigt der EuGH, dass ein Organkreis – infolge der Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen – nur eine Steuernummer haben kann.
Zudem werfen die jüngsten Entscheidungen des EuGH die Frage auf, ob das deutsche Verständnis der Rechtswirkung einer Organschaft grundlegend unzutreffend ist. Gegenwärtig sind Leistungen zwischen den Mitgliedern eines Organkreises als Innenleistungen nicht steuerbar. Demgegenüber führt der EuGH aus, dass die Mitglieder eines Organkreises jeweils selbständig eine unternehmerische Tätigkeit ausüben. Folglich sind auch entgeltliche Leistungen zwischen Mitgliedern des Organkreises möglich. Ob diese entgeltlichen Leistungen allerdings auch zu besteuern sind oder weiterhin als nichtbesteuerte Innenleistungen gelten, das lässt die Entscheidung offen. Hier ist nunmehr der BFH in seinen Nachfolgeentscheidungen gefragt. Die Organschaft kommt somit auch weiterhin nicht zur Ruhe und es bleibt nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber zeitnah eine Überarbeitung der Regelung vornimmt.
Andreas Fietz
Fundstelle(n):
NWB 2022 Seite 3545
VAAAJ-29137