BGH Beschluss v. - 5 StR 328/22

Gesetze: § 32d S 2 StPO, § 32d S 3 StPO, § 32d S 4 Halbs 1 StPO, § 45 Abs 2 S 3 StPO

Instanzenzug: Az: 503 KLs 19/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und anderer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers verkündet, Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt. Mit Schriftsatz vom , bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Angeklagte über seinen Verteidiger Revision eingelegt. Mit Beschluss vom hat das Landgericht Berlin die Revision als unzulässig verworfen, weil die Revisionseinlegung nicht den Formvorschriften des § 32d Satz 2 StPO entspreche, wonach der Verteidiger die Revision als elektronisches Dokument übermitteln müsse. Gegen diesen dem Verteidiger am zugegangenen Beschluss richtet sich der am bei Gericht eingegangene „Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Revisionsgerichts“. In diesem trägt der Verteidiger mittels „eidesstattlicher Versicherung“ u.a. vor, im Zeitpunkt der Revisionseinlegung sei er aus technischen Gründen nicht in der Lage gewesen, die Revision über das besondere elektronische Anwaltsfach zu versenden, weil er dieses erst ab dem nach zeitaufwändiger vollständiger Neuinstallation des Computersystems nebst Konfiguration der Sicherungssoftware abschließend habe installieren können. Aus diesem Grund greife § 32d Satz 3 StPO.

2Der Senat nimmt das Vorbringen des Verteidigers zum Anlass, dem Angeklagten nach § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das zu gewähren. Das Landgericht hat die Revision des Angeklagten zwar zu Recht als unzulässig verworfen, da die Formvorschrift des § 32d Satz 2 StPO nicht eingehalten wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 68/22; vom – 2 StR 110/22). Die vorübergehende Unmöglichkeit aus technischen Gründen wurde entgegen § 32d Satz 4 Halbsatz 1 StPO weder bei der Ersatzeinreichung noch unverzüglich danach glaubhaft gemacht, so dass die Ausnahmevorschrift des § 32d Satz 3 StPO nicht greift. Hinzu kommt, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich für das Vorhalten der entsprechenden einsatzbereiten technischen Infrastruktur zu sorgen hat und eine Verzögerung bei der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltsfachs regelmäßig keine vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darstellt (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 51; Radke in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 4, 2. Aufl., § 32d StPO Rn. 16 mwN).

3Da der Verteidiger mit Schriftsatz vom aber die Glaubhaftmachung nach § 32d Satz 4 Halbsatz 1 StPO nachgeholt hat, nicht nach § 32d Satz 4 Halbsatz 2 StPO zur Nachreichung eines elektronischen Dokuments aufgefordert wurde und es sich ersichtlich noch um technische Übergangsprobleme handelt, liegt ein Verschulden des Angeklagten am Fristversäumnis fern.

4Damit wird der gegenstandslos. Da das Landgericht bereits ein vollständiges (und nicht nach § 267 Abs. 4 StPO nur ein abgekürztes) Urteil abgefasst hat, das zudem wirksam zugestellt worden ist, bedarf es keiner Rückgabe der Akten an das Landgericht zur Ergänzung der Urteilsgründe (vgl. dazu , BGHSt 52, 349) oder zur Zustellung des Urteils. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision (vgl. ).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:270922B5STR328.22.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-24700