BGH Beschluss v. - 3 StR 415/21

Strafverfahren: Ermessensentscheidung hinsichtlich der Einziehung von Tatmitteln; Einziehung von Kryptowährungen und Wertersatzeinziehung

Gesetze: § 73 Abs 1 StGB, § 73 Abs 3 Nr 1 Alt 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 74f Abs 1 S 1 StGB, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 4 KLs 2090 Js 41044/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf tateinheitlichen Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat die Einziehung eines Pkw VW Golf und eines Pkw Chevrolet Camaro, jeweils nebst Fahrzeugschlüsseln, Fahrzeugschein und Zulassungsbescheinigung, als Tatmittel, von Taterträgen in Höhe von insgesamt 80.665 €, näher bezeichneter Kryptowährungen und des Wertes von Taterträgen in Höhe von 104.202,49 € angeordnet. Der Angeklagte macht mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Mit der Sachrüge hat er den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

21. Die Verfahrensbeanstandung greift, wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegt, im Ergebnis nicht durch.

32. Auf die materiellrechtliche Prüfung des Urteils ist der Ausspruch über die Einziehung der beiden Pkw aufzuheben. Ansonsten liegt kein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler vor. Insoweit bedürfen allein die angeordneten Einziehungen näherer Erörterung.

4a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte mit Betäubungsmitteln und fuhr zu deren Übergabe an die Abnehmer mit den beiden eingezogenen Autos. Von Mitteln, die aus seinen Geschäften herrührten, investierte er insgesamt 8.500 € in den Erwerb von Kryptowährungen, die er fortan behielt. Von weiter erwirtschafteten Geldern wurden 81.870 € bei dem Angeklagten und zwei Mitangeklagten sichergestellt. Die von ihm durch die Taten erzielten Einnahmen hat die Strafkammer ermittelt, indem sie - teils aufgrund von Schätzungen - zunächst den Gesamtverkaufswert der vom Angeklagten erworbenen Betäubungsmittel errechnet und davon die Verkaufswerte der sichergestellten sowie der vom Mitangeklagten durch Eigenkonsum verbrauchten Betäubungsmittel abgezogen hat. Zur Berechnung der Höhe des einzuziehenden Wertes der Taterträge hat sie von den Einnahmen das aufgefundene, als Tatertrag eingezogene Bargeld subtrahiert.

5b) Die Einziehung der beiden Pkw ist nicht tragfähig begründet.

6Nach § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, als Tatmittel eingezogen werden. Die Anordnung einer solchen Einziehung steht, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, im Ermessen des Tatgerichts. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die nicht vorgeschriebene Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB). Den Urteilsgründen muss grundsätzlich zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren (s. bereits zur früheren Rechtslage , BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 2 Rn. 10 mwN; nachfolgend etwa BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 452/18, juris Rn. 5; vom - 5 StR 188/20, juris Rn. 4).

7Weder zeigen die Urteilsgründe, auch in ihrem Gesamtzusammenhang, eine Ermessensausübung auf, noch ist mit Blick auf die konkreten Umstände eine nähere Begründung entbehrlich gewesen (vgl. , juris Rn. 11).

8Die Anordnung der Einziehung der beiden Fahrzeuge nebst Zubehör ist aufzuheben, da nicht auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei einer Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (vgl. zu Sonderkonstellationen etwa , juris Rn. 8). Dies berührt den Strafausspruch nicht; denn das Landgericht hat die Einziehung der Kraftwagen in einem Gesamtwert von rund 27.000 € bereits - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s. etwa , NStZ 2018, 526 mwN) - zugunsten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt. Auf seine Revision käme selbst bei einem Wegfall der Einziehung eine Erhöhung der Strafe wegen des Verbots der Schlechterstellung gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht.

9Die der Einziehungsentscheidung zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); widerspruchsfreie, ergänzende Feststellungen sind möglich.

10c) Im Übrigen enthält die Einziehungsentscheidung keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler.

11Das Landgericht hat zutreffend die Einziehung des sichergestellten Bargeldes als Tatertrag und der Kryptowährungen als dessen Surrogat gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 Variante 1 StGB angeordnet. Bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB hat es zwar zu Unrecht die Surrogateinziehung nicht bedacht. Dies wirkt sich aber aufgrund anderweitiger Rechenfehler nicht zum Nachteil des Angeklagten aus.

12aa) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen setzt nach § 73c Satz 1 StGB voraus, dass die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist oder von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 3 oder nach § 73b Abs. 3 StGB abgesehen wird. Da das Landgericht die Einziehung der mit Taterträgen erworbenen Kryptowährungen angeordnet hat, steht dies einer Wertersatzeinziehung nach § 73c Satz 1 StGB hinsichtlich eines Betrages von 8.500 € entgegen.

13Hierbei kommt es auf den aktuellen Wert der Kryptowährungen nicht an, weil sie lediglich an die Stelle des für ihren Erwerb verwendeten ursprünglichen Tatertrages von 8.500 € getreten sind. Selbst wenn ihr Wert zwischenzeitlich gestiegen wäre, wäre dies für die auf die restlichen Taterträge bezogene Wertersatzeinziehung ohne Belang und eine etwaige Wertsteigerung damit nicht zu verrechnen. Für den - hier nach den Umständen fernliegenden - Fall, dass es zwischenzeitlich zu einer Wertminderung gekommen wäre, käme in dieser Höhe zwar gemäß § 73c Satz 2 StGB eine Einziehung des Wertes von Taterträgen neben der Surrogateinziehung in Betracht (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt , NStZ 2019, 20 Rn. 9). Allerdings hat das Landgericht die Einziehung weder hierauf gestützt noch Feststellungen zum aktuellen Wert der Währungen getroffen.

14bb) Die unterbliebene Berücksichtigung der Einziehung der Kryptowährungen reduziert den Betrag der vom Landgericht angeordneten Wertersatzeinziehung im Ergebnis nicht. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den erworbenen Betäubungsmitteln und zu deren Mindestverkaufspreisen ergibt sich, dass der Angeklagte - neben anderen Stoffen - insgesamt 10.700 Gramm Marihuana sowie 1.985 Gramm Kokain erlangte und sich deren Verkaufswert auf 74.900 € sowie 129.025 € belief. Demgegenüber hat die Strafkammer lediglich Beträge von 67.900 € und 122.525 €, also insgesamt 13.500 € weniger, errechnet und in ihre Einziehungsentscheidung einbezogen. Unter Anwendung des von ihr rechtsfehlerfrei gewählten Rechenweges und Ansatz der weiteren Erlöse verbleibt somit nach Abzug von 8.500 € jedenfalls ein Wertersatzbetrag in der vom Landgericht angeordneten Höhe.

15In der gegebenen Konstellation kann der evidente Rechenfehler zur Kompensation des unterbliebenen Abzugs für die Einziehung der Kryptowährungen herangezogen werden. Da es nicht um die Erhöhung eines Einziehungsbetrages für eine einzelne Tat zu Lasten des Angeklagten, sondern Additionsfehler in der Ermittlung des Gesamtbetrages ohne Änderung der ausgeurteilten Rechtsfolge geht, steht das die Einziehungsentscheidung umfassende, tatbezogen zu prüfende Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO (s. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 82/20, juris Rn. 11; vom - 2 StR 20/21, juris Rn. 5) dem dargelegten Ergebnis nicht entgegen (vgl. , juris Rn. 5).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:110122B3STR415.21.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-23280