BGH Urteil v. - 4 StR 102/22

Gesetze: § 302 StPO, § 73c S 1 StGB

Instanzenzug: Az: 10 KLs 22/20

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten S.       und Z.     sowie den nicht revidierenden Mitangeklagten T.     wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Den Angeklagten S.        hat es zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Maßregel angeordnet; den Angeklagten Z.      hat es zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten    M.     hat es wegen „der bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln (Marihuana) in nicht geringer Menge in 13 tateinheitlich verbundenen Fällen sowie in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Marihuana)“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat das Landgericht Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel allein gegen die den Angeklagten S.       betreffende Einziehungsentscheidung. Die Revision hat Erfolg. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten – unbeschränkten – Revisionen der Angeklagten Z.      und    M.    bleiben erfolglos.

I.

21. Nach den Feststellungen kamen die Angeklagten S.        und T.     im Februar 2020 überein, künftig gemeinsam mit Betäubungsmitteln in größerem Umfang gewinnbringend Handel zu treiben. Der Angeklagte T.    sollte dabei die Betäubungsmittel aus den Niederlanden beschaffen und einführen, während der Angeklagte S.       sie in seiner Wohnung lagern, portionieren und gewinnbringend weiterverkaufen sollte. Der Angeklagte T.    vereinbarte ferner mit den Mitangeklagten Z.      und    M.    , künftig gemeinsam eine im Einzelnen noch ungewisse Anzahl von Beschaffungsfahrten in die Niederlande durchzuführen. In Umsetzung dieser Abreden führten die Angeklagten T.     , Z.      und    M.    zwischen Ende Februar 2020 und dem gemeinsam anlässlich von mindestens 13 Einfuhrfahrten insgesamt mindestens 20 Kilogramm Marihuana in die Bundesrepublik ein; anschließend verbrachten sie die Drogen zum Angeklagten S.      , der sie dort absprachegemäß lagerte und portionierte. Der Angeklagte T.    verkaufte den überwiegenden Teil des Rauschgifts gewinnbringend an unbekannt gebliebene Abnehmer; rund vier Kilogramm der insgesamt mindestens 20 Kilogramm Marihuana überließ der Angeklagte T.     dem Angeklagten S.       auf Kommission zum gewinnbringenden Weiterverkauf an seine Abnehmer. Ab führten die Angeklagten T.    , Z.     und    M.     neben Marihuana mindesten 550 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 80% Kokain-HCl aus den Niederlanden nach Deutschland ein, das die Angeklagten S.      und T.     gewinnbringend weiterverkauften. Ab Ende Juni 2020 nutzte der Angeklagte S.        in Absprache mit dem Mitangeklagten T.    für den Verkauf der Betäubungsmittel auch mehrere Shops im Darknet und erzielte durch den Verkauf mindestens 2,30483138 Moneros und 0,72722841 Bitcoins. Weiterhin erlöste er 0,47 Bitcoins, die einem Wert von 3.760 Euro entsprachen und „überwiegend“ dem Mitangeklagten T.     zustehen sollten.

32. Das Landgericht hat im Hinblick auf den Angeklagten S.      gemäß § 73 Abs. 1 StGB die Einziehung von 2,30483138 Moneros und 0,72722841 Bitcoins sowie gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.760 Euro in gesamtschuldnerischer Haftung mit dem Angeklagten T.     angeordnet; dies entsprach dem Wert der durch den Betäubungsmittelhandel erlösten 0,47 Bitcoins, auf die wegen der Schließung der Wallet nicht mehr unmittelbar zugegriffen werden konnte. Schließlich hat das Landgericht in Höhe von weiteren 2.480 Euro die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB angeordnet.

II.

4Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

51. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision auf die den Angeklagten S.       betreffende Einziehungsentscheidung beschränkt, soweit das Landgericht „auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von weiteren 2.480 € erkannt“ hat. Die Auslegung der Revisionsbegründung ergibt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsmittel ‒ insoweit zugunsten des Angeklagten ‒ die Einziehungsentscheidung in der ausgesprochenen Höhe und darüber hinaus ‒ insoweit zu Ungunsten des Angeklagten ‒ als rechtsfehlerhaft beanstandet, dass von der Anordnung eines höheren Einziehungsbetrags abgesehen worden ist, obwohl den Feststellungen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der Angeklagte S.        deutlich höhere Erlöse aus der verfahrensgegenständlichen Tat erlangt hat.

6Die Revisionsbeschränkung auf die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB und innerhalb der Einziehungsentscheidung auf den Wert der Taterträge, die der Angeklagte S.       durch die von ihm abgewickelten Betäubungsmittelgeschäfte erlangt hat, ist wirksam. Diese Entscheidung ist losgelöst vom Strafausspruch einer Rechtsfehlerkontrolle zugänglich, weil es sich nicht um eine strafähnliche Sanktion handelt und den Strafausspruch in der Regel nicht berührt; eine Beschränkung der Revision auf die Einziehungsentscheidung ist wirksam, wenn die Entscheidung – wie hier – losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft werden kann (vgl. , Rn. 3-4 mwN). Gleiches gilt für die von der Revision erklärte Teilanfechtung der Einziehungsentscheidung. Auch insoweit ist eine getrennte Überprüfung des angefochtenen vom nicht angefochtenen Entscheidungsteil möglich.

72. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen kann im Umfang der Anfechtung nicht bestehen bleiben. Er unterliegt mit den zugehörigen Feststellungen der Aufhebung.

8a) Den Urteilsgründen kann auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht entnommen werden, auf welcher Tatsachengrundlage das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, der Angeklagte habe aus den von ihm abgewickelten Abverkäufen einen Betrag in Höhe von 2.480 Euro erzielt. Die nicht tatsachengestützte Feststellung, es handele sich dabei um Erlöse aus dem Verkauf von Marihuana und Kokain, sowie der Hinweis, dass die Höhe dem „ausdrücklichen Antrag der Staatsanwaltschaft“ entspreche, vermag die erforderliche Darlegung der Grundlagen der tatgerichtlichen Überzeugung nicht zu ersetzen; diese sind in den Urteilsgründen in einer Weise niederzulegen, dass eine revisionsgerichtliche Überprüfung möglich wird (vgl. Rn. 6; Beschluss vom – 5 StR 181/01 Rn. 6 [zu den Grundlagen einer Schätzung]).

9b) Weiterhin legen die Feststellungen zu dem zeitlich gestreckten Tatgeschehen nahe, dass der Angeklagte (auch) einen weit darüber hinaus reichenden Erlös aus seinen Betäubungsmittelgeschäften erzielt haben könnte.

10Danach verkaufte der Angeklagte im Tatzeitraum auf eigene Rechnung knapp vier Kilogramm Marihuana zu einem Grammpreis von 6,50 Euro an eigene Abnehmer; dies entspräche einem Erlös in Höhe von knapp 26.000 Euro. Sollte der Angeklagte die faktische Verfügungsgewalt über diese Erlöse oder über Teile dieser Erlöse erlangt haben, unterlägen sie der Einziehung des Wertes von Taterträgen. Von diesem Betrag wäre der Wert in Abzug zu bringen, den der Angeklagte in Form der Kryptowährungen erlangt hat. Denn soweit die sichergestellten Kryptowährungen als unmittelbar aus der Tat erlangtes Etwas nach § 73 Abs. 1 StGB der Einziehung unterliegen (vgl. Rn. 36), scheidet eine Wertersatzeinziehung gemäß § 73c StGB aus (vgl. Rn. 12; Beschluss vom – 4 StR 539/19 Rn. 2-3; Urteil vom – 3 StR 521/18 Rn. 59, 61).

11c) Da es an tragfähigen Feststellungen zu dem aus den eigenen Abverkäufen vom Marihuana und Kokain erlangten Etwas fehlt, war dem Senat eine das Verfahren abschließende Sachentscheidung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO verwehrt (vgl. Rn. 18).

123. Das neue Tatgericht wird insbesondere Feststellungen zur faktischen (zumindest wirtschaftlichen Mit-) Verfügungsgewalt des Angeklagten S.       an dem durch die Veräußerung der Betäubungsmittel tatsächlich Erlangten zu treffen haben (vgl. Rn. 11; Urteil vom – 5 StR 543/18 Rn. 10), die von einem etwaigen lediglich transitorischen Besitz für den Mitangeklagten T.     abzugrenzen ist (vgl. dazu Rn. 22 mwN).

III.

13Die Revisionen der Angeklagten Z.     und    M.    sind unbegründet, weil die auf die Sachrügen gebotene umfassende Überprüfung des Urteils keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat. Insbesondere hat das Landgericht beim Angeklagten Z.     eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB i.V.m. § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB neben der vorgenommenen Verschiebung gemäß § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil der Angeklagte Z.     zu keiner anderen – in § 100a Abs. 2 Nr. 7 StPO genannten – Betäubungsmittelstraftat als der angeklagten Tat einen Aufklärungsbeitrag geleistet hat (vgl. Rn. 14; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 46b Rn. 32; MüKo-StGB/Maier, 4. Aufl., § 46b Rn. 143). Den Angeklagten    M.    hat das Landgericht zutreffend als (Mit-)Täter der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angesehen, da er mit dem Bereitstellen des Transportfahrzeugs mit niederländischen Kennzeichen, als Fahrer des die Transporte absichernden Begleitfahrzeugs und durch seine jederzeitige Abrufbereitschaft für den Mitangeklagten T.     maßgebliche Tatbeiträge mit Bezug auf den Einfuhrvorgang selbst erbrachte (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 3 StR 655/17 Rn. 5).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:131022U4STR102.22.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-29277