NWB Nr. 51 vom Seite 3850

Das neue Anwendungsschreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung der Kindertagespflege

Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 11. 11. 2016

Katja Gragert *

[i]BMF, Schreiben vom 11. 11. 2016 NWB UAAAF-86873 Mit NWB UAAAF-86873 hat die Finanzverwaltung ein vollständig überarbeitetes Anwendungsschreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung der Kindertagespflege veröffentlicht. Gegenüber dem bisherigen Anwendungsschreiben aus dem Jahr 2009, das zwischenzeitlich noch mehrfach geändert wurde, fällt auf, dass der Aufbau des Schreibens völlig verändert wurde und nunmehr deutlich strukturierter ist als vorher ( BStBl 2009 I S. 642). Auch inhaltlich gibt es einige Ergänzungen in Form von Neuregelungen bzw. Klarstellungen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über das neue BMF-Schreiben – insbesondere über die enthaltenen Neuregelungen.

Arbeitshilfe:

In der NWB Datenbank (Login unter www.nwb.de) können Sie unter der NWB DokID NWB HAAAF-76926 eine Mustervereinbarung für die Zahlung eines Kinderbetreuungszuschusses herunterladen.

Eine Kurzfassung dieses Beitrags finden Sie in .

I. Einkunftsart

Die Einkünfte einer Kindertagespflegeperson (umgangssprachlich: Tagesmutter oder – seltener – Tagesvater) sind – anders als die Einnahmen aus der Kindervollzeitpflege – seit dem Veranlagungszeitraum 2009 grds. steuerpflichtig.

[i]Einkünfte aus nichtselbständiger oder aus selbständiger Tätigkeit denkbarIm Rahmen der Tätigkeit als Kindertagespflegeperson sind aber mehrere Einkunftsarten denkbar. Zum einen kann eine nichtselbständige Tätigkeit vorliegen. Dabei sind sowohl ein Träger der Jugendhilfe (z. B. Jugendamt) als auch die Personensorgeberechtigten (meist die Eltern) der zu betreuenden Kinder als Arbeitgeber denkbar. Diese Fallgestaltungen kommen in der Praxis jedoch vergleichsweise selten vor. Eltern als Arbeitgeber sind immer dann anzunehmen, wenn die Betreuungstätigkeit im elterlichen Haushalt und nach Weisungen der Eltern durchgeführt wird. Im Regelfall betreut die Kindertagespflegeperson dann nur die Kinder einer Familie und wird nicht auch für andere Familien tätig. Es ist jedoch auch bei Betreuung im Haushalt der Personensorgeberechtigten – ausnahmsweise – eine selbständige Tätigkeit denkbar, z. B. wenn daneben (zeitgleich oder an anderen Tagen) noch Kinder anderer Familien betreut werden.

[i]infoCenter „Selbständige Arbeit“ NWB MAAAB-36694 In der Mehrzahl der Fälle sind Kindertagespflegepersonen jedoch selbständig tätig und erzielen damit Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, da sie eine erzieherische Tätigkeit ausüben. S. 3851

II. Einkunftsermittlung

1. Nichtselbständige Kindertagespflegeperson

Bei nichtselbständigen Kindertagespflegepersonen ermitteln sich die Einkünfte – wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch – durch Abzug der tatsächlichen Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) oder des Arbeitnehmer-Pauschbetrags (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) von den Einnahmen. Der Abzug der Betriebsausgabenpauschalen (vgl. unten III) ist schon aus systematischen Gründen nicht möglich. Auch gibt es keinen der Höhe nach identischen Werbungskostenpauschbetrag für nichtselbständige Kindertagespflegepersonen. Das neue Anwendungsschreiben vom NWB UAAAF-86873 stellt dies unter Tz. II.2 erstmalig klar.

2. Selbständige Kindertagespflegepersonen

[i]Sowohl durch Bestandsvergleich als auch durch EinnahmenüberschussrechnungSelbständige Kindertagespflegepersonen erzielen aus ihrer Tätigkeit einen Gewinn. Das NWB UAAAF-86873 enthält keine konkrete Aussage zur Gewinnermittlungsart. Kindertagespflegepersonen dürfen daher ihren Gewinn sowohl durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 i. V. mit § 5 EStG) als auch durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermitteln. Es ist aber davon auszugehen, dass Kindertagespflegepersonen ihren Gewinn regelmäßig durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln.

a) Einnahmen

[i]Berücksichtigung auch der freiwilligen Zahlungen der ElternAls Betriebseinnahmen sind in erster Linie die nach § 23 SGB VIII gezahlten Geldleistungen zu berücksichtigen. Auch – ggf. zusätzliche – Zahlungen der Eltern an die Kindertagespflegeperson sind als Betriebseinnahmen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere auch für freiwillige Zahlungen der Eltern z. B. für den Erwerb höherwertiger Lebensmittel oder einmalige Beträge zur Anschaffung von Spielzeug. Werden der Kindertagespflegeperson von den Eltern (oder dem Träger der Jugendhilfe) Sachwerte zugewendet (z. B. Mobiliar, Spielzeug), ist in Höhe des gemeinen Werts der zugewendeten Gegenstände ebenfalls eine Betriebseinnahme zu erfassen (analog § 8 Abs. 1 EStG). [i]Steuerfreie Erstattungen von VersicherungsbeiträgenLediglich die vom Träger der Jugendhilfe geleisteten Erstattungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung, die Erstattungen für eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB VIII sind steuerfrei (§ 3 Nr. 9 EStG).

Hinweis

Da es sich bei den o. g. Versicherungen um private Versicherungen handelt, sind die Beiträge hierzu keine Betriebsausgaben, sondern ggf. Sonderausgaben (vgl. auch Ausführungen unter II, 2, b).

b) Betriebsausgaben

Von den Einnahmen sind grds. die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Betriebsausgaben abzugsfähig. Zu den Betriebsausgaben gehören Kosten für

  • [i]Nicht abschließende AufzählungNahrungsmittel (nur für die Mahlzeiten der betreuten Kinder),

  • Anschaffung von Ausstattungsgegenständen (z. B. Kinderstühle, Kindertische, Kinderbetten),

  • Beschäftigungsmaterialien (z. B. Spielzeug, Bastelmaterial),

  • Fachliteratur,

  • Hygieneartikel (z. B. Windeln, Feuchttücher, Desinfektionsmittel),

  • Miete und Betriebskosten der zur Kinderbetreuung genutzten Räumlichkeiten,

  • Kommunikationskosten (Festnetz, Mobiltelefon, Internet),

  • Weiterbildungskosten,

  • Beiträge für Versicherungen, soweit unmittelbar mit der Tätigkeit im Zusammenhang stehend,S. 3852

  • Fahrtkosten,

  • Freizeitgestaltung.

Die im BMF-Schreiben enthaltene Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Alle mit der Kindertagespflegetätigkeit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind abzugsfähig. Hierunter fallen z. B. auch die Kosten für die Renovierung der Betreuungsräume. Wird die Betreuung im Haushalt der Kindertagespflegeperson durchgeführt, sind nur die Miete und Betriebskosten abzugsfähig, die anteilig auf die für die Kinderbetreuung genutzten Räume entfallen.

[i]VereinfachungsregelungDa bei Kindertagespflegepersonen die Ermittlung der Betriebsausgaben in einigen Teilbereichen kompliziert sein kann (z. B. Kosten für Nahrungsmittel oder anteilige Miete, Betriebskosten), hat die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen den Abzug von – großzügig bemessenen – Betriebsausgabenpauschalen zugelassen (vgl. unten III). Im Regelfall wird der Abzug der Betriebsausgabenpauschalen günstiger sein als der Abzug der tatsächlichen Betriebsausgaben.

[i]infoCenter „Unfallversicherung“ NWB RAAAB-13236 Wie bei anderen Selbständigen/Gewerbetreibenden auch sind die Kosten für eine Unfallversicherung (für den Fall eines Unfalls der Kindertagespflegeperson), für eine Alterssicherung und für eine Kranken-/Pflegeversicherung nicht als Betriebsausgabe (sondern als Sonderausgabe) abzugsfähig. Dies stellt das BMF-Schreiben unter Tz. III.2 ausdrücklich klar. Kosten für eine Versicherung, die die Kosten eines Unfalls eines betreuten Kindes übernimmt, sind jedoch abzugsfähig, da diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Kindertagespflegeperson steht.

III. Betriebsausgabenpauschalen

1. Allgemeine Voraussetzungen

[i]Bei Betreuung im Haushalt der KindertagespflegepersonDie Betriebsausgabenpauschalen können nur dann abgezogen werden, wenn die Betreuung im Haushalt der Kindertagespflegeperson oder in extra von der Kindertagespflegeperson für die Kinderbetreuung angemieteten Räumen stattfindet. Werden der Kindertagespflegeperson Räume unentgeltlich (z. B. von der Gemeinde oder Kirche) zur Verfügung gestellt oder werden die Kinder im Haushalt der Personensorgeberechtigten betreut, kann die Kindertagespflegeperson nur die tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben abziehen. Hintergrund hierfür ist, dass bei der Bemessung der Höhe der Pauschalen zu einem nicht unerheblichen Teil Raumkosten einbezogen wurden, die in den zuletzt genannten Fallkonstellationen nicht anfallen.

[i]Gilt für alle betreuten Kinder einheitlichWird der Abzug von Betriebsausgabenpauschalen gewählt, ist dies für alle betreuten Kinder verbindlich. Es ist nicht möglich, für einzelne betreute Kinder die Pauschalen abzuziehen und für andere Kinder die tatsächlichen Kosten in Abzug zu bringen. Zudem ist ein zusätzlicher Abzug von tatsächlichen Betriebsausgaben neben den Pauschalen in keinem Fall möglich, auch nicht für einmalige, ggf. außergewöhnlich hohe Kosten (z. B. Renovierung der Betreuungsräume, Austausch des Mobiliars, Kosten für Erstanschaffungen bei Aufnahme der Betreuungstätigkeit). Ein unterjähriger Wechsel zwischen Abzug der Betriebsausgabenpauschalen und dem der tatsächlichen Betriebsausgaben ist m. E. ebenfalls nicht zulässig. Das [i]Wahlrecht kann für jeden Veranlagungszeitraum neu ausgeübt werdenWahlrecht steht der Kindertagespflegeperson jedoch für jeden Veranlagungs-/Gewinnermittlungszeitraum neu zu. Sie ist nicht – wie bei anderen steuerlichen Wahlrechten – für einen längeren Zeitraum daran gebunden.

Praxishinweis

In Veranlagungszeiträumen mit besonders hohen einmaligen Kosten (z. B. bei Aufnahme der Kindertagespflegetätigkeit) sollte daher genau geprüft werden, ob der Abzug der tatsächlichen Betriebsausgaben ggf. günstiger ist.S. 3853

2. Höhe der Betriebsausgabenpauschalen

[i]Zwei PauschalenAbweichend von den bisherigen Verwaltungsanweisungen enthält das NWB UAAAF-86873 nunmehr zwei Betriebsausgabenpauschalen:

  • Betriebsausgabenpauschale für betreute Kinder (unverändert 300 €/Monat/Kind),

  • neu: Betriebsausgabenpauschale für Freihalteplätze (40 €/Monat/Freihalteplatz).

[i]Vereinbarte Betreuungszeit ist maßgeblichDie bislang schon bestehende Betriebsausgabenpauschale von 300 €/Monat/Kind wurde der Höhe nach nicht angepasst. Soweit diese im Einzelfall zu niedrig ist, bleibt den Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Abzugs der tatsächlichen Betriebsausgaben. Unverändert ist zudem die anteilige Kürzung der Pauschalen, wenn die vereinbarte wöchentliche Betreuungszeit weniger als 40 Stunden beträgt. In die vereinbarte Betreuungszeit sind auch Betreuungszeiten, die am Wochenende oder über Nacht stattfinden, einzubeziehen. Es ist damit unerheblich, an welchen Tagen die Betreuung stattfindet. Der Abzug der Betriebsausgabenpauschale ist auch dann möglich, wenn das betreute Kind z. B. aufgrund von Urlaub oder Krankheit tatsächlich nicht betreut wird. Es kommt ausschließlich auf die vereinbarte – nicht auf die tatsächlich geleistete – Betreuungszeit an. Damit erübrigen sich (zumindest für steuerliche Zwecke) detaillierte Aufzeichnungen über die Anwesenheitszeiten der betreuten Kinder.

[i]Neu: Betriebsausgabenpauschale für FreihalteplätzeNeu eingeführt wurde die Betriebsausgabenpauschale für Freihalteplätze. Bereits in vielen Gemeinden erhalten Kindertagespflegepersonen für das Vorhalten von Freihalteplätzen, die z. B. im Vertretungsfall für eine andere Kindertagespflegeperson kurzfristig, häufig nur tageweise belegt werden, ebenfalls eine Geldleistung. In weiteren Gemeinden ist die Einführung einer solchen Leistung geplant. Die für Freihalteplätze gezahlten Beträge fallen betragsmäßig je nach Gemeinde jedoch sehr unterschiedlich aus. Die Finanzverwaltung hat für diese nunmehr eine Betriebsausgabenpauschale von 40 €/Monat/Freihalteplatz eingeführt. Die Pauschale ist m. E. ausreichend hoch bis großzügig bemessen, da sich die tatsächlichen laufenden Aufwendungen für einen Freihalteplatz eher in Grenzen halten werden. Lediglich für die Einrichtung des Freihalteplatzes entstehen einmalige Kosten, z. B. für den Erwerb zusätzlichen Mobiliars.

[i]Zeitanteilige Kürzung der Pauschale für FreihalteplätzeWird der Freihalteplatz belegt, ist diese Pauschale zeitanteilig zu kürzen. Kürzungsmaßstab ist das Verhältnis der Tage der Belegung des Freihalteplatzes zu 20 Tagen im Monat. Auf die tatsächliche Zahl der Arbeitstage des jeweiligen Monats kommt es nicht an. Die gewählte einfache Form des Kürzungsmaßstabs ist zu begrüßen, da damit die Berechnung der tatsächlichen Arbeitstage für den Monat entfällt.

An den Tagen, an denen der Freihalteplatz belegt ist, ist die anteilige – ggf. aufgrund verkürzter Betreuungszeit gekürzte – Betriebsausgabenpauschale von 300 €/Monat/Kind zu berücksichtigen. Auch hier ist in allen Fällen aus Vereinfachungsgründen von pauschal 20 Arbeitstagen im Monat auszugehen.

Fazit

Das neue BMF-Schreiben gibt sowohl den Steuerpflichtigen und deren Beratern als auch der Finanzverwaltung die erforderliche Rechtssicherheit zur Ermittlung der Einkünfte von Kindertagespflegepersonen. Gegenüber der bisherigen Verwaltungsanweisung ist das neue Anwendungsschreiben deutlich strukturierter. Die Einführung einer Betriebsausgabenpauschale für Freihalteplätze ist ausdrücklich zu begrüßen.

Autorin

Katja Gragert,
Dipl.-Finanzwirtin (FH), ist seit Mai 1999 als Sachbearbeiterin im BMF tätig und dort seit April 2001 für den Bereich der Gewinneinkünfte (§§ 15 bis 18EStG) zuständig.

Fundstelle(n):
NWB 2016 Seite 3850 - 3853
NWB MAAAF-88072