BAG Urteil v. - 9 AZR 102/20

Arbeitnehmerstatus eines Crowdworkers

Leitsatz

Die kontinuierliche Durchführung einer Vielzahl von Kleinstaufträgen ("Mikrojobs") durch Nutzer einer Online-Plattform ("Crowdworker") auf der Grundlage einer mit dem Betreiber ("Crowdsourcer") getroffenen Rahmenvereinbarung kann im Rahmen der nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses führen, wenn der Crowdworker zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet ist, die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenart nach einfach gelagert und ihre Durchführungen inhaltlich vorgegeben sind sowie die Auftragsvergabe und die konkrete Nutzung der Online-Plattform im Sinne eines Fremdbestimmens durch den Crowdsourcer gelenkt wird.

Gesetze: § 611a Abs 1 BGB, § 612 Abs 2 BGB, § 615 S 1 BGB, § 623 BGB, § 106 GewO

Instanzenzug: Az: 19 Ca 6915/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 8 Sa 146/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten ua. über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Zahlungsansprüche. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob der Kläger als sog. „Crowdworker“ als Arbeitnehmer anzusehen ist.

2Die Beklagte ist ein sog. „Crowdsourcing-Unternehmen“, das ua. die Kontrolle der Präsentation von Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen anbietet. Sie betreibt eine Online-Plattform, über die sie die Aufträge ihrer Kunden, in eine Vielzahl einzelner Kleinstaufträge („Mikrojobs“) zergliedert, an sog. „Crowdworker“ vermittelt, die für sie gegen Bezahlung die entsprechenden Kontrollen durchführen.

3Der Kläger war für die Beklagte seit dem als Crowdworker tätig. Bei einem durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsaufwand von ca. 20 Stunden erzielte er eine durchschnittliche monatliche Vergütung in Höhe von 1.749,34 Euro, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob in diesem Betrag Mehrwertsteuer enthalten ist. Die Parteien schlossen am / eine Basis-Vereinbarung, in der es auszugsweise heißt:

4Die Kontrolltätigkeiten für die Beklagte setzten die Installation und Nutzung der firmeneigenen Anwendersoftware für Smartphones („App“) und die Nutzung der Website des Unternehmens voraus. In den für die Nutzung der App maßgeblichen „Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen (Nutzer)“ heißt es auszugsweise:

5Der Kläger registrierte sich am auf der Plattform der Beklagten als sog. „RPro“ und nahm am den ersten bezahlten Auftrag an. Nach Freischaltung der App wurden ihm offene Aufträge in einem Radius von bis zu 50 km von seinem aktuellen Standort angezeigt. Hierzu griff die App auf die GPS-Daten seines Smartphones zurück. Dem Kläger war es möglich, einen kleineren Radius in der App einzustellen. Zudem konnte er bestimmen, ob ihm ständig Aufträge angezeigt werden oder nur nach Anschalten der App. Die App enthielt eine Funktion, mit der sich ein angenommener Auftrag abbrechen ließ. Die freigeschalteten Auftragsangebote konnten abhängig vom jeweiligen Kundenauftrag regelmäßig in einem Zeitfenster von zwei bis vier Wochen angenommen werden. Mit zunehmender Verweildauer des Angebots erhöhte sich die Vergütung für dessen Durchführung.

6Der Kläger führte überwiegend sog. „Tool Checks“ durch. Hierbei handelte es sich um Kontrollen, die nach vorheriger Anmeldung vornehmlich in Tankstellen durchgeführt wurden. Dazu verfügte er über Legitimationsschreiben auf dem Briefpapier des jeweiligen Kunden. Zudem führte der Kläger sog. „Mystery Checks“ durch, bei denen er sich nicht als Mitarbeiter der Beklagten zu erkennen gab. Die Auftragsangebote enthielten Vorgaben zu Ort und Zeit der Tätigkeit sowie eine genaue Beschreibung der bei der Auftragsdurchführung vorzunehmenden einzelnen Handlungsschritte. Neben der Angabe des voraussichtlichen Zeitaufwands gab die Auftragsbeschreibung ein Zeitfenster vor, innerhalb dessen der Auftrag durchzuführen war. Dieses betrug regelmäßig zwei Stunden. Wurde der Auftrag nicht innerhalb des zeitlichen Rahmens erledigt, wurde er erneut auf der Plattform angeboten. In einem Zeitraum von elf Monaten erledigte der Kläger 2.978 Aufträge.

7Die Beklagte nahm die Leistungen der Crowdworker ab und schrieb ihnen neben dem Entgelt Erfahrungspunkte auf ihrem Nutzerkonto gut. Dadurch konnte ein Crowdworker seinen individuellen Nutzerstatus verbessern und eine höhere Anzahl an Aufträgen zu übernehmen. Auf dem zuletzt erreichten Level 15 konnte er 15 Aufträge gleichzeitig annehmen und deren Bearbeitungsreihenfolge selbst bestimmen. Der erreichte Status blieb dem Crowdworker auch dann erhalten, wenn er über längere Zeit keine Auftragsangebote angenommen hatte.

8Am teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger ua. per E-Mail mit:

9Mit seiner am eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, das durch die E-Mail vom nicht beendet worden sei und unverändert fortbestehe. Die Aufträge habe er weisungsgebunden und fremdbestimmt in persönlicher Abhängigkeit durchgeführt. Die detaillierte Auftragsbeschreibung in den Angeboten habe ihm keinen Raum gelassen, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei zu gestalten. Das Zeitfenster von zwei Stunden zur Abarbeitung angenommener Aufträge habe ihn zeitlich gebunden. Zwar habe er dabei gemäß § 5 der Basis-Vereinbarung zur Erfüllung des Auftrags theoretisch eigene Arbeitnehmer einsetzen oder Unteraufträge erteilen dürfen. Zur Erlangung und Durchführung der Aufträge sei er jedoch auf die Nutzung der App angewiesen gewesen. Das dafür bestehende Benutzerkonto sei nicht übertragbar gewesen, was ihn letztlich zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet habe. Durch die Pflicht zur Nutzung der App habe er seine Leistungen in einer von der Beklagten bestimmten Arbeitsorganisation erbracht. Sowohl durch das praktizierte GPS-Tracking als auch durch den Umstand, dass sich die Beklagte eine jederzeitige Kündigung vorbehalten habe, sei er mittelbar dazu angehalten worden, regelmäßig Aufträge anzunehmen. Außerdem schaffe die Beklagte durch die Möglichkeit, Erfahrungspunkte zu sammeln, und die dadurch bewirkte Verbesserung des Nutzungsstatus Anreize, ein erhöhtes Auftragsvolumen zu übernehmen, um dadurch einen Zugang zu lukrativeren Aufträgen zu erhalten. Dies habe der Beklagten eine Planungssicherheit wie in einem Arbeitsverhältnis verschafft.

10Mit Schriftsatz vom kündigte die Beklagte ein etwaig mit dem Kläger bestehendes Arbeitsverhältnis. Gegen diese in der Berufungsinstanz vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung hat sich der Kläger mit einem am beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz gewandt. Er hat die Vollmacht des Beklagtenvertreters zur Abgabe der Kündigungserklärung bestritten, die Kündigung wegen fehlender Vertretungsmacht zurückgewiesen und geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter sei nicht zum Empfang der Kündigung bevollmächtigt gewesen. Schließlich hat der Kläger den Standpunkt eingenommen, die Erklärung im Schriftsatz erfülle nicht das Schriftformerfordernis des § 623 BGB.

11Der Kläger hat zuletzt beantragt

12Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei als Crowdworker selbständiger Unternehmer gewesen. Er habe seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten können. Vorgaben bei der Vergabe der Aufträge seien ausschließlich den Aufträgen ihrer Kunden geschuldet gewesen. Die zeitliche Reihenfolge der Abwicklung eines Auftrags, zu dessen Annahme der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, habe er selbständig festlegen können. Der Kläger habe sogar das Recht gehabt, einen angenommenen Auftrag ohne Sanktionen und ohne Benennung eines besonderen Grundes jederzeit abzubrechen. Von der in der zur Verfügung gestellten App eingerichteten Abbruchfunktion habe er in 17 Fällen Gebrauch gemacht. Einzige Folge der nicht korrekten oder nicht pünktlichen Durchführung eines Auftrags habe darin bestanden, dass keine Vergütung gezahlt worden sei. Weitere Sanktionen seien damit nicht verbunden gewesen.

13Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

14Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, soweit der Antrag auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung abgewiesen wurde. Im Übrigen war die Revision - soweit die vorinstanzlichen Urteile nicht für gegenstandslos zu erklären waren - als unbegründet zurückzuweisen.

15A. Das Landesarbeitsgericht hat den als allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO auszulegenden Antrag zu 1. zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Der Antrag ist mangels Vorliegens des besonderen Feststellungsinteresses bereits unzulässig.

16I. Mit dem Antrag zu 1. begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

171. Das Feststellungsbegehren ist gegenwartsbezogen. Der Kläger möchte geklärt wissen, ob das von ihm angenommene Arbeitsverhältnis über den durch eine Kündigung bestimmten Auflösungstermin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestanden hat. Diese Auslegung des Antrags lag bereits dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (unter A. auf Seite 40 der Gründe) zugrunde. Der Senat hat den Parteien in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dem Antrag ebenfalls dieses Verständnis beizumessen. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten.

182. Die allgemeine Feststellungsklage wurde neben dem punktuellen Klageantrag zu 5. gestellt. Bei diesem handelt es sich um eine Klage nach § 4 Satz 1 KSchG, die als besondere negative Feststellungsklage voraussetzt, dass die Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG droht (Niemann NZA 2019, 65, 66 f.). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, weil sich die Beklagte einer schriftlichen, ihr zurechenbaren Kündigung berühmt, die - sollte sie damit Recht haben - von der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG erfasst würde (vgl. Niemann NZA 2019, 65, 67; ErfK/Kiel 21. Aufl. KSchG § 4 Rn. 8). Wird - wie hier - eine allgemeine Feststellungsklage neben einer Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erhoben, soll sie klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind ( - Rn. 24 mwN, BAGE 150, 234).

19II. Der Feststellungsantrag zu 1. ist unzulässig, weil das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse nicht gegeben ist.

201. Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann nach § 256 Abs. 1 ZPO Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmte Kündigung ausgesprochen worden und ihretwegen ein Rechtsstreit anhängig ist. Der klagende Arbeitnehmer muss vielmehr weitere streitige Beendigungstatbestände oder wenigstens deren Möglichkeit in den Prozess einführen und damit dartun, dass er an dem neben der Klage nach § 4 Satz 1 KSchG gestellten weiteren Feststellungsantrag ein rechtliches Interesse hat (vgl.  - Rn. 32, BAGE 146, 161).

212. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat keine Beendigungstatbestände dargelegt, die nicht bereits von seiner nach § 4 Abs. 1 KSchG erhobenen Klage erfasst sind.

22B. Das Landesarbeitsgericht hat den gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Kündigung vom gerichteten Kündigungsschutzantrag zu 5. zwar mit rechtsfehlerhafter Begründung, im Ergebnis aber zu Recht abgewiesen. Der Antrag ist unbegründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung vom beendet.

23I. Der Feststellungsantrag zu 5. ist als Kündigungsschutzantrag iSd. § 4 Satz 1 KSchG zulässig. Die Erweiterung der Klage um den Kündigungsschutzantrag im Berufungsverfahren war zulässig.

241. Zwar verlangt § 4 Satz 1 KSchG eine fristgerechte Klageerhebung „beim Arbeitsgericht“. Das hindert aber nicht die Erhebung einer Kündigungsschutzklage in einem zwischen den Parteien anhängigen Berufungsverfahren, sofern dies nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 533 ZPO zulässig ist (vgl. im Einzelnen  - Rn. 16, BAGE 161, 198).

252. Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Voraussetzungen gemäß § 533 ZPO für die Zulässigkeit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren hätten vorgelegen. Dies ist in der Revisionsinstanz in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO nicht mehr zu überprüfen ( - Rn. 23, BAGE 161, 198).

26II. Der Kündigungsschutzantrag ist jedoch unbegründet. Zwar bestand zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis; dieses wurde jedoch durch die Kündigung vom fristgerecht mit Ablauf des beendet.

271. In einem Kündigungsschutzverfahren hat das Gericht inzident zu prüfen, ob das Rechtsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist das Begehren festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis“ durch die konkrete, mit der Klage angegriffenen Kündigung zu dem darin vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgegebenen Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst wurde. Einer Kündigungsschutzklage kann deshalb nur stattgegeben werden, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bereits durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist. Besteht kein Arbeitsverhältnis, kann ein der Klage stattgebendes Urteil nicht ergehen; vielmehr ist die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen ( - Rn. 10; - 2 AZR 609/15 - Rn. 16).

282. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung vom als Arbeitnehmer und nicht als selbständiger Unternehmer für die Beklagte tätig.

29a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die bei der Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines selbständigen Unternehmers zugrunde zu legen sind. Diese ergeben sich seit dem aus § 611a Abs. 1 BGB, der eine Legaldefinition des Arbeitsvertrags enthält und damit zusammenhängend regelt, wer Arbeitnehmer ist.

30aa) Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (Satz 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (Satz 6).

31bb) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich danach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. Die Weisungsbindung ist das engere, den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium, das durch § 611a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB näher ausgestaltet ist. Es kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Nur wenn jedwede Weisungsgebundenheit fehlt, liegt idR kein Arbeitsverhältnis vor. Das Kriterium der Fremdbestimmung erfasst insbesondere vom Normaltyp des Arbeitsvertrags abweichende Vertragsgestaltungen (ErfK/Preis 21. Aufl. BGB § 611a Rn. 32). Sie zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (vgl.  - Rn. 11; Bayreuther RdA 2020, 241, 246; ErfK/Preis 21. Aufl. BGB § 611a Rn. 41; MHdB ArbR/Schneider 4. Aufl. § 18 Rn. 19 f., 35; Schubert RdA 2020, 248, 251; HWK/Thüsing 9. Aufl. § 611a BGB Rn. 53).

32(1) Nach § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB ist weisungsgebunden, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

33(a) Weisungsgebundenheit kann in verschiedenen Erscheinungsformen bestehen. In der Regel wird eine vertraglich nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht - dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Leistung des Beschäftigten - durch die Ausübung des Weisungsrechts konkretisiert. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. § 106 Satz 2 GewO erkennt zusätzlich die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb als Gegenstand des Weisungsrechts an. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers korrespondiert mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Durch die Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 2 GewO wird regelmäßig erst die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Beschäftigte seine Arbeit leisten und das Rechtsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann (vgl.  - Rn. 35, BAGE 162, 221). Weisungsgebundenheit kann sich aber auch - wie § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB zeigt - aus einer detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben (vgl.  - zu I 1 a der Gründe, BAGE 87, 129).

34(b) In zeitlicher Hinsicht besteht eine Abhängigkeit von Weisungen, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Die Einteilung eines Mitarbeiters in Organisations-, Dienst- und Produktionspläne ohne vorherige Absprache stellt ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft dar ( - Rn. 28).

35(c) Allerdings können Weisungsrechte auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses bestehen. Weisungsgebundenheit iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB setzt voraus, dass der Beschäftigte in der Gestaltung seiner Tätigkeit nicht „im Wesentlichen frei“ ist. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind für sich allein kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch gegenüber einem freien Mitarbeiter können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine arbeitnehmertypische zeitliche Weisungsgebundenheit folgt ( - Rn. 30; - 7 ABR 25/91 - zu B II 2 a der Gründe). Zudem steht einem Auftraggeber gegenüber einem freien Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen. Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist daher gegenüber dem Weisungsrecht für Vertragsverhältnisse mit Selbständigen und Werkunternehmern abzugrenzen. Die Anweisung gegenüber einem Selbständigen ist typischerweise sachbezogen und ergebnisorientiert und damit auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung ausgerichtet. Im Unterschied dazu ist das arbeitsvertragliche Weisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert geprägt. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und zur Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind ( - Rn. 28). Für die Bestimmung des Vertragstypus kommt es indiziell darauf an, inwieweit der Arbeitsvorgang durch verbindliche Anweisungen vorstrukturiert ist. Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Arbeitsergebnis beziehen, können auch gegenüber Selbständigen erteilt werden. Wird die Tätigkeit aber durch den „Auftraggeber“ geplant und organisiert und der Beschäftigte in einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten „Arbeitsergebnisses“ faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe. Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird (vgl. zur Abgrenzung von Arbeitsvertrag und Werkvertrag  - Rn. 17, BAGE 146, 97 und zum Heimarbeitsverhältnis  - Rn. 16, BAGE 156, 170).

36(d) Auch tatsächliche Zwänge durch eine vom Auftraggeber geschaffene Organisationsstruktur können geeignet sein, den Beschäftigten zu dem gewünschten Verhalten zu veranlassen, ohne dass dazu konkrete Weisungen ausgesprochen werden müssen (vgl. Schubert RdA 2020, 248, 251). So ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, wenn der Auftraggeber in der Lage ist, Art und Umfang der Beschäftigung maßgeblich zu steuern und dadurch über eine Planungssicherheit verfügt, wie sie bei einem Einsatz eigener Arbeitnehmer typisch ist. Dafür genügt es allerdings nicht, dass sich zufällig eine feste Personengruppe findet, die immer wieder - frei und selbstbestimmt - angebotene Aufträge annimmt. Eine langfristige und kontinuierliche Zusammenarbeit führt für sich gesehen nicht zu einer persönlichen, sondern allenfalls zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, die für sich genommen ein Arbeitsverhältnis nicht zu begründen vermag ( - Rn. 22). Der Auftraggeber muss für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses vielmehr organisatorische Maßnahmen ergriffen haben, durch die der Beschäftigte - wenn auch nicht unmittelbar angewiesen, aber doch mittelbar gelenkt - angehalten wird, kontinuierlich Arbeitsaufträge anzunehmen und diese in einem bestimmten Zeitrahmen nach präzisen Vorgaben persönlich zu erledigen. Auf diese Weise kann eine persönliche Abhängigkeit iSv. § 611a BGB auch durch das Anreizsystem einer Plattform gegeben sein. Sie besteht zwar nicht schon aufgrund eines Unternehmenskonzepts, das darauf ausgerichtet ist, kontinuierlich auf einen festen Kreis von Crowdworkern zurückzugreifen und die Zusammenarbeit mit diesen - faktisch - zu verstetigen. Eine faktische Planungssicherheit wie bei einem Einsatz eigenen Personals kann sich aber daraus ergeben, dass der Beschäftigte über die von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellte App angehalten wird, kontinuierlich ein bestimmtes Auftragskontingent nach detaillierten Maßgaben des Crowdsourcing-Unternehmens anzunehmen.

37(2) In die Beurteilung, ob der - für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche - Grad der persönlichen Abhängigkeit erreicht ist, ist nach § 611a Abs. 1 Satz 4 BGB die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit einzubeziehen. Die Art der Dienstleistung und die Zugehörigkeit der Tätigkeit zu einem bestimmten Berufsbild können den zugrundeliegenden Vertragstyp ebenso beeinflussen wie Organisation der zu verrichtenden Arbeiten. Bestimmte Tätigkeiten lassen sich sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in einem Werk- oder freien Dienstvertrag verrichten, während andere regelmäßig im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden. Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten besteht eher eine persönliche Abhängigkeit als bei gehobenen Tätigkeiten (vgl.  - zu I der Gründe, BAGE 90, 36; - 5 AZR 21/97 - zu B I 1 der Gründe; - 5 AZR 627/93 - zu B I der Gründe, BAGE 77, 226). Ein Beschäftigter, der sich zur Erbringung einfacher Arbeitsleistungen verpflichtet hat, verfügt von vornherein über nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten. Daher können ihn schon wenige organisatorische Vorgaben in der Ausübung der Tätigkeit so festlegen, dass er seine Tätigkeit nicht mehr im Wesentlichen frei gestalten kann. Die Arbeitnehmereigenschaft lässt sich in einem solchen Fall auch nicht dadurch ausschließen, dass der Auftraggeber die wenigen erforderlichen Vorgaben bereits in der vertraglichen Vereinbarung festschreibt (vgl.  - zu I der Gründe, BAGE 86, 170).

38(3) Nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB bedarf es für die Feststellung des Rechtsverhältnisses im konkreten Fall einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten Vertragstyp sind insbesondere die in § 611a Abs 1 Satz 1 BGB genannten Abgrenzungskriterien, können aber auch weitere Umstände sein, die teleologisch zur Abgrenzung beitragen können (vgl. ErfK/Preis 21. Aufl. BGB § 611a Rn. 47 ff.; MHdB ArbR/Schneider 4. Aufl. § 18 Rn. 43). Vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses kann (erst) dann ausgegangen werden, wenn den Kriterien, die für eine persönliche Abhängigkeit sprechen, im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung hinreichendes Gewicht beizumessen ist oder sie dem Rechtsverhältnis ihr Gepräge geben.

39(4) Leistet der Beschäftigte abweichend von den getroffenen Vereinbarungen tatsächlich weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit, erklärt § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB die Bezeichnung im Vertrag für unbeachtlich. Der Widerspruch zwischen Vertragsbezeichnung und Vertragsdurchführung wird durch gesetzliche Anordnung zugunsten letzterer aufgelöst. Aus ihr ergibt sich der wirkliche Geschäftsinhalt. Für die Bestimmung des Vertragstyps ist dann allein die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblich. Damit wird dem zwingenden Charakter des Arbeitsrechts Rechnung getragen. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben (vgl.  - Rn. 13; - 6 AZR 23/12 - Rn. 22; - 10 AZR 282/12 - Rn. 16, BAGE 146, 97; ähnlich Schwarze RdA 2020, 38, 41 f.; kritisch Riesenhuber RdA 2020, 226, 228 ff.).

40(5) Das Landesarbeitsgericht hat bei der danach vorzunehmenden Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Seine tatrichterliche Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben ( - Rn. 14; - 9 AZR 117/17 - Rn. 26).

41b) Gemessen an diesen Grundsätzen hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

42aa) Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass die Bestimmungen der zwischen den Parteien geschlossenen Basis-Vereinbarung vom / nicht die Anforderungen eines Arbeitsvertrags erfüllen. Für die rechtliche Einordnung eines Rahmenvertrags kommt es darauf an, ob er der einen Partei das Recht zubilligt, frei über die Annahme der künftigen Einzelverträge zu entscheiden, oder ob einer Partei ein Weisungsrecht zustehen soll, infolge dessen sie die zu erbringende Leistung einseitig und für die andere Partei verbindlich festzulegen berechtigt ist ( - Rn. 26). Vorliegend begründet die als Rahmenvertrag konzipierte Vereinbarung keine wechselseitigen Rechte und Pflichten. Aus ihr lässt sich weder eine Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Diensten für die Beklagte noch zur Annahme eines über die Online-Plattform verfügbaren Auftrags ableiten. Ein Verpflichtungstatbestand folgt auch nicht aus den „Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen“ für die Bereitstellung und Nutzung der App.

43bb) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, auch die tatsächliche Durchführung der durch Angebot und Annahme begründeten einzelnen Auftragsverhältnisse sprächen in ihrer Gesamtheit nicht für ein Arbeitsverhältnis. Die Feststellung, der Kläger habe, ohne mittelbar oder unmittelbar von Anreizen oder drohenden Sanktionen beeinflusst gewesen zu sein, frei darüber entscheiden können, ob und in welchem Umfang er ihm über die Online-Plattform angebotene Aufträge annehme, würdigt wesentliche Umstände der Zusammenarbeit der Parteien nach Annahme eines Auftragsangebots unvollständig. Das Landesarbeitsgericht hat außer Betracht gelassen, dass der Kläger bei der Ausführung der übernommenen Aufträge, dh. im bereits begründeten Rechtsverhältnis, über keine nennenswerten Entscheidungsspielräume mehr verfügte. Die einzelnen Arbeitsschritte der zu verrichtenden Tätigkeiten wurden durch die Auftragsbeschreibungen auf der Online-Plattform von der Beklagten exakt vorgegeben. Der Kläger hatte diese abzuarbeiten, um die ihm in Aussicht gestellte Vergütung zu erhalten. Auch der zeitliche Rahmen für die Auftragserledigung war stark eingegrenzt. Die übertragenen Kontrolltätigkeiten waren regelmäßig binnen zwei Stunden zu verrichten. Dieses Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit bei der Annahme der einzelnen Aufträge und der starken fachlichen, zeitlichen und örtlichen Gebundenheit des Klägers bei der Vertragsdurchführung, mithin beim Vollzug des jeweils angenommenen Auftrags (vgl. dazu allg. Bayreuther RdA 2020, 241, 247) wurde vom Landesarbeitsgericht weder aufgezeigt noch aufgelöst.

44c) Dem Senat ist es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen nach § 563 Abs. 3 ZPO möglich, eine abschließende Würdigung sämtlicher Umstände vorzunehmen, um den der Rechtsbeziehung der Parteien zugrundeliegenden Vertragstyp zu bestimmen (vgl. dazu allg.  - Rn. 47; - 6 AZR 471/15 - Rn. 29, BAGE 157, 84). Danach hat der Kläger die ihm erteilten Aufträge nach den aufgezeigten Voraussetzungen tatsächlich in persönlicher Abhängigkeit (aa) im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses (bb) durchgeführt.

45aa) Die nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB vorzunehmende Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Kläger im Rahmen der tatsächlichen Vertragsdurchführung in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit leistete. Dafür fällt maßgeblich ins Gewicht, dass der Kläger zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet war (1), die geschuldete Tätigkeit ihrer Eigenart nach einfach gelagert und ihre Durchführung inhaltlich vorgegeben waren (2). Von besonderer Bedeutung ist zudem die konkrete Nutzung der App als Mittel der Fremdbestimmung bei der Auftragsvergabe (3).

46(1) Der Kläger hatte die Kontrollaufträge persönlich durchzuführen. Beauftragt werden von der Beklagten nur Personen, die sich auf der Grundlage der Basis-Vereinbarung auf ihrer Plattform registriert haben und denen die Anwendersoftware (App) zur Verfügung gestellt wurde. Nach III 1 der Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen ist weder das für die jeweilige Person eingerichtete Benutzerkonto übertragbar noch dürfen mehrere Benutzerkonten für dieselbe Person angelegt werden. Das Teilen des Accounts wird von der Beklagten ausdrücklich als „Missbrauch oder Betrug“ gewertet und als „Verletzung der Nutzungsbedingungen“ angesehen. Da die Aufträge über die App und damit über das individuelle Benutzerkonto abzuwickeln sind, kann der Nutzer entgegen § 5 der Basis-Vereinbarung die übernommenen Aufträge nicht durch Dritte ausführen lassen; er ist vielmehr gehalten, die Kontrollen persönlich vorzunehmen.

47(2) An die Ausübung der Kleinstaufträge sind nur geringe Qualifikationsanforderungen gestellt. Es handelte sich um eine einfach gelagerte Tätigkeit, die das Rechtsverhältnis schon deshalb in die Nähe eines Arbeitsverhältnisses rücken lässt (vgl.  - zu I der Gründe, BAGE 90, 36; - 5 AZR 21/97 - zu B I 1 der Gründe). Der Kläger konnte aufgrund strikter Vorgaben der Beklagten an die Durchführung der ihm obliegenden einfach gelagerten Kontrollaufgaben seine Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei gestalten. Er musste diese über die Online-Plattform mit Hilfe der App abwickeln. Dort war im Einzelnen festgelegt, wie er die Tätigkeiten zu verrichten und welche Arbeitsschritte er vorzunehmen hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellten diese Vorgaben nicht lediglich eine Beschreibung des Arbeitsergebnisses dar. Durch sie hat die Beklagte die ohnehin nur geringen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Art und Weise der Vertragsdurchführung nahezu vollständig ausgeschlossen. Die Möglichkeit des Klägers, frei darüber zu entscheiden, ob er zuerst die geforderten Fotos anfertigt und dann die Fragen an die Ansprechperson richtet oder andersherum verfährt, und seine Befugnis, auch die Reihenfolge der inhaltlich vorgegebenen Fragen selbst festzulegen, eröffneten ihm allenfalls minimale Gestaltungsspielräume. Sie führen jedoch nicht dazu, dass der Kläger seine Tätigkeit „im Wesentlichen“ frei gestalten konnte.

48(3) Die über die App einseitig vorgegebenen Beschäftigungsbedingungen sind so gestaltet, dass der jeweilige Nutzer - will er die Kontrolltätigkeiten wirtschaftlich sinnvoll ausüben - über einen längeren Zeitraum regelmäßig Aufträge annehmen und im Einzelnen vorbestimmte Arbeitsvorgänge abarbeiten muss. Lassen sich Crowdworker - wie der Kläger - durch den Abschluss der Basis-Vereinbarung, die Registrierung auf der Plattform und deren Nutzung grundsätzlich auf diese Beschäftigungsform ein, lenkt die Beklagte das Nutzerverhalten durch den Zuschnitt und die Kombination der Aufträge nach ihrem Beschäftigungsbedarf, ohne dass konkrete Anweisungen nötig sind. Daraus ergibt sich die Fremdbestimmung der Tätigkeit.

49(a) Die Beklagte reicht die ihr übertragenen Kontrollaufgaben nicht unverändert an ihre „Subunternehmer“ weiter. Sie teilt diese in Mikrojobs auf, um anschließend deren Zusammenfassung über die „Crowd“ zu nutzerbezogenen Auftragsbündeln zu ermöglichen. Zunächst wird für die Kontrolle eines bestimmten Produkts bezogen auf jede einzelne Verkaufsstelle ein gesonderter Auftrag ausgeschrieben. Der Annahme und Durchführung eines einzigen Kleinstauftrags kommt - im Gegensatz zu größeren Aufgaben, die ggf. gewisse Fertigkeiten und Kenntnisse voraussetzen, oder zur gebündelten Vergabe mehrerer Mikrojobs - keine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung zu. Erst die Zusammenfassung und tatsächliche Abwicklung mehrerer Kleinstaufträge ermöglichen dem Nutzer eine rentable Beschäftigung. Um eine solche Tätigkeiten verrichten zu dürfen, muss der Nutzer dem Einfluss der App nachgeben. Diese bietet ihm in einem Umkreis von bis zu 50 km um seinen aktuellen Aufenthaltsort Aufträge an. Die Anzahl der gleichzeitig anzunehmenden Aufträge und damit die Möglichkeit, eine Route zur Erfüllung mehrerer Aufträge zusammenzustellen und damit faktisch einen Stundenlohn zu erzielen, der den Aufwand rechtfertigt, in einem Umkreis von bis zu 50 km Ziele anzusteuern, hängt vom erreichten Level im Bewertungssystem ab. Die Funktion der App ist somit nicht auf die Vergabe einzelner Aufträge durch einen selbstständigen Nutzer ausgerichtet, sondern zielt auf eine sich - aus Sicht der Beklagten - selbstvollziehende, automatisierte Disposition der Aufgaben auf dafür bereitstehende eingearbeitete Beschäftigte. Die Attraktivität des für den einzelnen Nutzer jeweils einsehbaren Angebotsportfolio wird durch Inhalt und Zuschnitt der zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgelobten Aufträge und damit von der Beklagten bestimmt. Diese Organisation der Plattformarbeit muss einen im eigenen Interesse wirtschaftlich handelnden Crowdworker dazu veranlassen, die Angebotssituation ständig zu prüfen und sich dienstbereit zu halten, um eine sich für ihn aufgrund seiner Filtereinstellungen (Standort, Level, Zeitfenster) ergebende günstige Angebotssituation nutzen zu können.

50(b) Die Beklagte setzte die Anreizfunktion dieses Bewertungssystems gezielt ein, um den Nutzer dazu zu veranlassen, in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen. Der Geschäftsführer der Beklagten hat das „Level-System“ in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht als „Gamification-Part der App“ bezeichnet. Die Beklagte regte somit durch die Inaussichtstellung von Erfahrungspunkten und den damit verbundenen Vorteilen den „Spieltrieb“ der Nutzer an mit dem Ziel, diese dadurch zu einer regelmäßigen Beschäftigung zu bewegen. Zugleich verzögerte sie den (zu) schnellen Aufstieg in ein höheres Level durch ein regelmäßig auf zwei Stunden begrenztes Zeitfenster, innerhalb dessen die Aufträge ab dem Zeitpunkt ihrer Übernahme zu bearbeiten sind. Denn zeitgleich können immer nur so viele Einzelangebote angenommen werden, wie der jeweilige Nutzer in der Lage ist, innerhalb von zwei Stunden abzuarbeiten. Inwieweit dieser tatsächlich zeitgleich die seinem Level entsprechende Anzahl an Aufträgen annehmen kann, hängt somit insbesondere von der räumlichen Nähe der zu kontrollierenden Tankstellen und Einzelhandelsgeschäfte zueinander ab. Je kürzer die Entfernung zwischen den anzusteuernden Orten, desto mehr Kontrollen lassen sich in der vorgegebenen Zeit erledigen.

51(c) Die Nutzer dürfen die Zeitvorgaben nicht „umgehen“. Sie sind nicht berechtigt, auf Vorrat die ihrem Level entsprechende Anzahl von Aufträgen zunächst anzunehmen, um einzelne davon durch Nutzung der Abbruchfunktion in der App wieder abzugeben, wenn sie feststellen, diese nicht in der vorgegebenen Zeit erledigen zu können. Weder die Basis-Vereinbarung noch die Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen sehen ein solches Recht vor. Die dort aufgeführten Regelungen verpflichten den Nutzer nach Annahme des Auftrags dazu, „diesen entsprechend der Auftragsbeschreibung korrekt durchzuführen“ bzw. die „Leistung innerhalb der im Auftrag genannten Ausführungsfrist“ zu erledigen. Die technische Möglichkeit, einen Auftrag durch Nutzung der entsprechenden App-Funktion abzubrechen, lässt nicht auf das Recht schließen, sich einseitig von der eingegangenen Verpflichtung zu lösen. Auch bei einem Auftragsverlust infolge von Zeitablauf liegt eine Verletzung der vom Nutzer eingegangenen Pflicht vor, den Auftrag zeitgerecht auszuführen. Ein solches vertragswidriges Verhalten kann somit kein geeignetes Instrument darstellen, die Zeit-Level-Begrenzung zu umgehen und die sich daraus ergebende Lenkungswirkung zu durchbrechen.

52bb) Die langfristige und kontinuierliche Beschäftigung des Klägers führte zu einer Verklammerung der einzelnen Aufträge zu einem einheitlichen (unbefristeten) Arbeitsverhältnis.

53(1) Ein einheitliches Vertragsverhältnis kann durch übereinstimmendes schlüssiges Verhalten begründet werden, wenn die Parteien über einen rechtlich erheblichen Zeitraum einvernehmlich Dienstleistung und Vergütung ausgetauscht haben. Darin kann ihr übereinstimmende Wille zum Ausdruck kommen, einander zu den tatsächlich erbrachten Leistungen arbeitsvertraglich verbunden zu sein ( - Rn. 26; - 10 AZR 272/12 - Rn. 13, BAGE 145, 26).

54(2) Vorliegend haben die Parteien durch die tatsächliche Vertragspraxis übereinstimmend zu erkennen gegeben, dass ihre Rechtsbeziehung nicht auf die Erledigung einzelner Kleinstaufträge, sondern die kontinuierliche Bearbeitung von Auftragsbündeln gerichtet war. Die in der Zergliederung in Mikrojobs und dem Level-System angelegte und für eine wirtschaftliche Vertragsdurchführung notwendige Bündelung einzelner Aufträge schließt es entgegen der Auffassung der Beklagten aus, dass die Parteien jeden einzelnen angenommenen Kleinstauftrag für sich gesehen als befristetes Arbeitsverhältnis angesehen haben, dessen Rechtsunwirksamkeit innerhalb von drei Wochen nach seinem vereinbarten Ende gemäß § 17 Satz 1 TzBfG durch Klage beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden muss. Eine rechtlich isolierte Betrachtung eines jeden der allein in einem Zeitraum von elf Monaten vom Kläger erledigten 2.978 Aufträge ließe außer Acht, dass die Beklagten ihr Geschäftsmodell auf eine verstetigte Beschäftigung von Crowdworkern ausgerichtet hat und es auch dem Kläger erkennbar auf eine verstetigte Beschäftigung ankam.

553. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bestand danach zwar bei Zugang der Kündigung am ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Da dieses jedoch durch die Kündigung der Beklagten vom fristgerecht zum endete, erweist sich die Abweisung des Kündigungsschutzantrags im Ergebnis als zutreffend.

56a) Der Senat muss nicht entscheiden, ob die E-Mail der Beklagten vom den Bedeutungsgehalt einer Kündigung aufweist. Sie genügt bereits nicht dem Formerfordernis des § 623 BGB. Danach bedarf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung der Schriftform; die elektronische Form und damit eine Kündigung per E-Mail ist im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen.

57b) Die (Schriftsatz-)Kündigung vom ist dem Kläger wirksam zugegangen. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien waren zur Erklärung bzw. Entgegennahme der Kündigung bevollmächtigt.

58aa) Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass ihren Prozessvertretern die Prozessvollmacht für die Durchführung des Berufungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht erteilt worden ist, das ua. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zum Gegenstand hatte.

59bb) Eine Prozessvollmacht ermächtigt gemäß § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen. Dies sind nach ständiger Rechtsprechung auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, die sich auf den Gegenstand des Rechtsstreits beziehen, weil sie zur Rechtsverfolgung innerhalb des Prozessziels oder zur Rechtsverteidigung dienen. Solche Erklärungen sind von der Prozessvollmacht umfasst, auch wenn sie außerhalb des Prozesses abgegeben werden. Im gleichen Umfang, in dem die Vollmacht zur Vornahme von Prozesshandlungen berechtigt, ist der Bevollmächtigte auch befugt, Prozesshandlungen des Gerichts oder des Gegners entgegenzunehmen. Bei der Abgabe einer Kündigungserklärung, die im Fall ihrer Wirksamkeit die gemäß § 256 Abs. 1 ZPO vom Arbeitnehmer erstrebte Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen hinderte und deshalb zur Abwehr seines Feststellungsbegehrens durch den Arbeitgeber dient, handelt es sich um eine solche „Prozesshandlung“ (st. Rspr., vgl. zuletzt  - Rn. 48 mwN).

60cc) Der Einwand des Klägers, die Kündigung sei ihm nicht wirksam zugegangen, weil die Prozessvollmacht seines Rechtsanwalts beschränkt gewesen sei und die „Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)“ ausdrücklich ausgeschlossen habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Beschränkung entfaltete keine Außenwirkung gegenüber der Beklagten. Es kann unterstellt werden, dass die Prozessvollmacht im Parteiprozess (§ 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) auf die Abgabe von Willenserklärungen beschränkt und deren Empfang ausgeschlossen werden kann (§ 83 Abs. 2 ZPO). Im Prozess mit Vertretungszwang („Anwaltsprozess“) und damit im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht (§ 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG) kann sie dagegen im Außenverhältnis grundsätzlich nicht beschränkt werden ( - zu II 1 b der Gründe). Eine Ausnahme enthält § 83 Abs. 1 ZPO. Danach hat eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als sie die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft. Die Entgegennahme einseitiger Willenserklärungen umfasst die Ausnahmebestimmung nicht.

61c) Die Beklagte hat durch die Schriftsatzkündigung auch die Schriftform des § 623 BGB gewahrt.

62aa) Zur Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB muss die Kündigung gemäß § 126 Abs. 1 BGB vom Erklärenden eigenhändig unterschrieben und - da es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt - in dieser Form auch dem Erklärungsempfänger gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugehen (vgl.  - Rn. 28). Wird eine formbedürftige Willenserklärung von einem Vertreter des Erklärenden mit eigenem Namen unterzeichnet, so muss die Stellvertretung in der Urkunde zum Ausdruck kommen ( - Rn. 28; - 2 AZR 162/04 - zu II 2 der Gründe).

63bb) Der Berufungserwiderungsschriftsatz vom enthielt einleitend die Erklärung, dass die Beklagte auch in der II. Instanz von ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten werde („… vertrete ich die … Berufungsbeklagte“). Zudem sprach der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Kündigung ausdrücklich „namens und im Auftrage der Beklagten“ aus, womit er das Vertretungsverhältnis deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

64cc) Mit Zuleitung der durch eigenhändige Unterschrift ihres Prozessbevollmächtigten beglaubigten Abschrift des Berufungserwiderungsschriftsatzes hat die Beklagte dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB iVm. § 126 Abs. 1 BGB ausreichend Rechnung getragen. Mit dem Beglaubigungsvermerk wird zwar regelmäßig nur die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift bezeugt. Der Prozessbevollmächtigte übernimmt bei einem von ihm selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk zugleich auch die Verantwortung für den Inhalt der Urkunde. Die Abschrift des Schriftsatzes stellt damit unter diesen Umständen eine eigenhändig unterzeichnete und die Schriftform wahrende Erklärung dar ( - Rn. 28;  - zu II 3 der Gründe).

65d) Auf weitere Unwirksamkeitsgründe hat sich der Kläger nicht berufen, sodass das Arbeitsverhältnis unabhängig davon am endete, ob die Kündigungsfrist vorliegend vier Wochen (§ 622 Abs. 1 BGB) oder einen Monat (§ 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zum Monatsende betrug.

66C. Die Revision ist im Hinblick auf die Klageanträge zu 2. und zu 4. begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Beschäftigungsantrag für gegenstandslos erklären müssen. Den erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Antrag auf Urlaubsgewährung hätte es nicht abweisen dürfen.

67I. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, dass das Arbeitsgericht mit der Abweisung des auf Beschäftigung gerichteten Klageantrags zu 2. gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen hat. Zudem hat es seinerseits unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Sache über den Antrag auf Urlaubsgewährung entschieden. Dies hat der Senat auch ohne eine hierauf gestützte Verfahrensrüge der Parteien von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl.  - Rn. 18, BAGE 152, 240; - 1 ABR 49/13 - Rn. 8).

681. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Entsprechendes gilt, wenn das Gericht dem Kläger einen Anspruch aberkennt, den dieser nicht zur Entscheidung gestellt hat (st. Rspr., zuletzt  - Rn. 20, BAGE 152, 240; - 4 AZR 796/13 - Rn. 21 mwN, BAGE 151, 235;  - zu II 2 a der Gründe).

692. So liegt der Fall hier. Die Anträge auf Beschäftigung und Urlaubsgewährung sind nicht zur Entscheidung angefallen. Bei ihnen handelt es sich um uneigentliche Hilfsanträge für den Fall des Obsiegens mit einem der Feststellungsanträge. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

70II. Auf die Berufung der Klägerin hätte das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Beschäftigungsantrag, um eine sonst eintretende Rechtskraft zu verhindern, für gegenstandslos erklären müssen (vgl.  - Rn. 23, BAGE 152, 240). Zudem ist seine eigene klageabweisende Entscheidung über den Antrag auf Urlaubsgewährung gegenstandslos. Dies war im Entscheidungsausspruch aus Gründen der Klarstellung festzustellen (vgl.  - aaO; - 9 AZR 189/11 - Rn. 8).

71D. Die Revision ist hinsichtlich des auf Vergütung wegen Annahmeverzugs von April 2018 bis Juni 2018 gerichteten Zahlungsantrags zu 3. begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die Berufung des Klägers nicht mit der Begründung zurückweisen, etwaige Ansprüche stünden ihm bereits deshalb nicht zu, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Das Berufungsurteil ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Vergütungsklage ist dem Grunde nach begründet. Der Senat kann jedoch auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht über die Höhe der Forderung entscheiden. Daher ist die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das zu prüfen haben wird, in welcher Höhe Ansprüche bestehen.

72I. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB für die Zeit von April 2018 bis Juni 2018 wegen unterbliebener Zuweisung von Kontrollaufgaben.

731. Die Parteien verband im streitgegenständlichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis. Daraus stand dem Kläger ein Beschäftigungsanspruch in einem Umfang von 20 Wochenstunden zu. Der Umfang der Arbeitszeit lässt sich aus der praktischer Handhabung des Arbeitsverhältnisses ableiten.

74a) Haben die Parteien einen Arbeitsvertrag ohne ausdrückliche Willenserklärungen zu seinem näheren Inhalt geschlossen, kann in Ermangelung anderer Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf das gelebte Rechtsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens abgestellt werden, auch wenn dem tatsächlichen Verhalten nicht notwendig ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungswert in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zukommt ( - Rn. 11; - 10 AZR 272/12 - Rn. 34, BAGE 145, 26; - 10 AZR 336/11 - Rn. 14; - 5 AZR 504/06 - Rn. 12 ff.). Diese Referenzmethode ist auch dann anzuwenden, wenn erst nach § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB aufgrund der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses festzustellen ist, dass es sich hierbei um ein Arbeitsverhältnis handelt. Der Referenzzeitraum für den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung ist dabei so zu bemessen, dass zufällige Ergebnisse ausgeschlossen sind und der aktuelle Stand des Vertragsverhältnisses der Parteien wiedergegeben wird ( - Rn. 12).

75b) Diesen Anforderungen wird die Berechnung des Klägers gerecht. Er stellt auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während seiner gesamten Beschäftigungsdauer bei der Beklagten von rund 14 Monaten ( bis ) ab. Dieser Referenzzeitraum stellt sicher, dass auf Zufälligkeiten beruhende Ausschläge abgefedert werden und für das Arbeitsverhältnis nicht mehr relevante, in weiterer Vergangenheit liegende Faktoren nicht in die Bewertung einfließen. Einwendungen dagegen hat die Beklagte nicht erhoben. Nach den von Landesarbeitsgericht getroffenen und nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen betrug die Arbeitszeit des Klägers in dem Betrachtungszeitraum durchschnittlich 20 Stunden in der Woche. In einem Zeitraum von elf Monaten hat der Kläger 2.978 Aufträge erledigt und in Rechnung gestellt. Bei einer im Berufsleben häufig auftretenden Fünftagewoche entspräche dies etwa 12,5 Aufträgen pro Tag. Die regelmäßige Bearbeitung größerer Auftragspakete entsprach danach einer durchgehenden Vertragspraxis. Die nach den vorstehenden Grundsätzen für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebliche Arbeitszeit belief sich somit auf 20 Wochenstunden.

762. Die Beklagte ist in Annahmeverzug geraten, nachdem sie die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger mit E-Mail vom für beendet erklärt und die Übertragung weiterer Kontrollaufträge abgelehnt hatte (§§ 293, 294 ff. BGB).

77a) Der Arbeitgeber kommt gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers (§ 295 BGB) genügt, wenn der Arbeitgeber ihm zuvor erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen ( - Rn. 19, BAGE 168, 25; - 1 AZR 642/13 - Rn. 41, BAGE 151, 35). Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich ( - aaO; - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Zudem kann ein Angebot der Arbeitsleistung ausnahmsweise nicht erforderlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt ( - aaO mwN).

78b) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB war im Streitfall gemäß § 295 BGB entbehrlich. Die Beklagte hat in ihrer E-Mail vom unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kläger nicht mehr mit Kontrollaufgaben betraut und die Zusammenarbeit mit ihm vollständig einstellen möchte. Sie hat angekündigt, sein Benutzerkonto und damit die Plattform, über die die Kommunikation der Parteien abgewickelt wurde, zu deaktivieren. Der Kläger musste dies als Weigerung verstehen, ihn auch nur irgendwie zu beschäftigen.

79II. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen und des Parteivorbringens in den Tatsacheninstanzen lässt sich die Anspruchshöhe nicht bestimmen. Es liegt kein Rechtsgrund für die vom Kläger begehrte Vergütungszahlung nach Maßgabe seiner bisher als vermeintlich freier Mitarbeiter bezogenen Honorare vor. Dieser ergibt sich insbesondere nicht aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ohne das Vorliegen besonderer Anhaltspunkte, an denen es im Streitfall fehlt, kann nicht angenommen werden, das zwischen den Parteien für das vermeintlich freie Dienstverhältnis vereinbarte Stundenhonorar sei auch in dem tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnis der Parteien als Bruttoarbeitsentgelt maßgeblich. Geschuldet ist vielmehr die übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB.

801. Legen die Parteien ihrer Vergütungsvereinbarung eine unrichtige rechtliche Beurteilung darüber zugrunde, ob die Dienste abhängig oder selbständig erbracht werden, bedarf es der Auslegung, ob die Vergütung unabhängig von der rechtlichen Einordnung des bestehenden Vertrags geschuldet oder gerade an diese geknüpft ist. Maßgebend ist der erklärte Parteiwille, wie er nach den Umständen des konkreten Falls aus der Sicht des Erklärungsempfängers zum Ausdruck kommt (§§ 133, 157 BGB;  - Rn. 24, BAGE 167, 144).

812. Fehlt es an im Betrieb geltenden Vergütungsordnungen, kann eine für freie Mitarbeiter ausdrücklich getroffene Vergütungsvereinbarung nicht ohne Weiteres auch im Arbeitsverhältnis als maßgeblich angesehen werden. Andernfalls bliebe außer Acht, dass die Vergütung von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbständige Tätigkeiten erbringen, typischerweise zugleich Risiken abdecken soll, die der freie Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer selbst trägt. Das betrifft nicht nur Risiken, gegen die Arbeitnehmer durch die gesetzliche Sozialversicherung abgesichert sind. Freie Mitarbeiter müssen zudem in Rechnung stellen, dass sie von Gesetzes wegen gegen den Verlust des Vergütungsanspruchs bei Arbeitsausfällen deutlich weniger geschützt sind als Arbeitnehmer. So haben sie bspw. keinen Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub, sofern nicht die Voraussetzungen des § 2 Satz 2 BUrlG vorliegen, Feiertagsvergütung sowie - außerhalb von § 616 BGB - auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall und Vergütung in den Fällen des § 615 Satz 3 BGB. Außerdem finden auf freie Mitarbeiter eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, etwa das Kündigungsschutzgesetz, keine Anwendung und kommen ihnen die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung mit den damit verbundenen Privilegierungen nicht zugute. Es kommt hinzu, dass bei freien Dienstverträgen die Vergütung meist - wie im Streitfall - als „Honorar“ oder ähnlich bezeichnet wird und der Vertrag häufig Regelungen über die Abführung der Umsatzsteuer enthält ( - Rn. 26 mwN, BAGE 167, 144).

823. Vor diesem Hintergrund muss dem Mitarbeiter regelmäßig klar sein, dass er die für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beanspruchen kann, falls sich das Rechtsverhältnis in Wahrheit als Arbeitsverhältnis darstellt. Nur in Ausnahmefällen, für deren Eingreifen es besonderer, vom Arbeitnehmer darzulegender Anhaltspunkte bedarf, wird deshalb eine konstitutive, auf die Zahlung eines Honorars gerichtete Vergütungsvereinbarung für freie Mitarbeit dahin auszulegen sein, dass sie unabhängig von der Rechtsnatur des vereinbarten Rechtsverhältnis Gültigkeit haben soll. Fehlt es an solchen Umständen und lässt sich durch ergänzende Vertragsauslegung die Höhe der Vergütung nicht zweifelsfrei bestimmen, führt dies zur Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB und damit zu einem Anspruch auf die übliche Vergütung ( - Rn. 27 mwN, BAGE 167, 144).

834. Die Darlegungs- und Beweislast für die Üblichkeit der geltend gemachten Vergütung für vergleichbare Tätigkeiten am gleichen Ort trägt der Arbeitnehmer (vgl.  - zu 13 der Gründe, BAGE 51, 59).

845. Nachdem weder das Landesarbeitsgericht noch die Parteien bislang diesen Gesichtspunkt in den Blick genommen haben, gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör und der Grundsatz der Gewährleistung eines fairen Verfahrens (dazu  - Rn. 30; - 10 AZR 859/16 - Rn. 20, BAGE 160, 57), den Parteien und hierbei zunächst dem darlegungs- und beweisbelasteten Kläger im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zur üblichen Vergütung weiteren Sachvortrag zu halten.

85E. Sämtliche Hilfsanträge fallen nicht zur Entscheidung an. Sie sind nur für den Fall gestellt, dass das Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und die maßgeblichen Hauptanträge deshalb abgewiesen

werden. Die Hilfsanträge können nur positiv beschieden werden, wenn der Zusammenarbeit der Parteien ein freies Mitarbeiterverhältnis zugrunde lag, was vorliegend nicht der Fall war.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:011220.U.9AZR102.20.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 1145 Nr. 19
DB 2021 S. 6 Nr. 16
DStR 2021 S. 360 Nr. 6
NJW 2021 S. 10 Nr. 17
NJW 2021 S. 1551 Nr. 21
ZIP 2021 S. 1024 Nr. 19
CAAAH-75685