BAG Urteil v. - 9 AZR 177/22

Instanzenzug: Az: 11 Ca 4711/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 13 Sa 156/21 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin und die Beklagte zu 2. streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen infolge unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis besteht.

2Der ursprüngliche Beklagte zu 1. wurde mit zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der W mbH (Schuldnerin) bestellt. Die Klägerin war seit dem auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom bei der Schuldnerin, die über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte, als Co-Pilotin zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst iHv. zuletzt 5.089,57 Euro beschäftigt.

3Die Beklagte zu 2. ist eine zum L-Konzern gehörende Fluggesellschaft mit Sitz in D. Bestimmte Flüge ließ sie durch die Schuldnerin im sog. Wet-Lease durchführen, die dafür auf vereinbarten Flugstrecken die Flugzeuge nebst Besatzung, Wartung und Versicherung für den Flugbetrieb zur Verfügung stellte. Die vertragliche Grundlage dafür bildeten sog. ACMIO-Vereinbarungen über Aircraft (Flugzeug), Crew (Besatzung), Maintenance (Wartung), Insurance (Versicherung) und Overhead (Betriebskosten). Die auf den Flügen eingesetzten Besatzungen trugen die Uniformen der Beklagten zu 2. Abgesehen von einem Hinweis auf die Schuldnerin als im Wet-Lease operierende Dienstleisterin entsprach die Lackierung der Flugzeuge der der Flotte der Beklagten zu 2. Die Schuldnerin hatte die Flugzeuge, insbesondere des Typs Dash 8 Q400, Airbus A319 und Airbus A320, ihrerseits von Dritten, ua. von der D AG (DLH AG) geleast (sog. Dry-Lease).

4Mit einem vom datierenden Anteilskauf- und Übertragungsvertrag erwarb die C GmbH (LCH GmbH) die Geschäftsanteile an der Schuldnerin.

5Der „ACMIO Rahmenvertrag“ (ACMIO RV), den die Schuldnerin (im Vertrag als „Leasinggeber“ bezeichnet) und die Beklagte zu 2. (im Vertrag als „Leasingnehmer“ bezeichnet) unter dem schlossen, enthält ua. folgende Bestimmungen:

6In Anlage 1 enthält der ACMIO RV ein Muster für ACMIO Kurzverträge (ACMIO KV). Unter dem schlossen die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. den ersten von mehreren ACMIO KV mit einer Laufzeit vom bis zum . Die Schuldnerin leaste daraufhin entsprechende Flugzeuge von der DLH AG und anderen Konzerngesellschaften im Wege des Dry-Lease und flog mit ihnen in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus den ACMIO-Verträgen ausschließlich im Streckennetz der Beklagten zu 2. Dafür erhielt sie von der Beklagten zu 2. Wet-Lease-Raten. Anderweitige Einnahmen erzielte sie nicht. Die Beklagte zu 2. verfügte weder über eigenes Personal, das auf Flugzeugen des Typs Dash 8 Q400 hätte eingesetzt werden können, noch benannte sie eine sog. „Nominated Person“ iSd. AMC1 ORO.AOC.135(a) des Acceptable Means of Compliance and Guidance Material to Annex III - Part-ORO für den Betrieb von Flugzeugen des Typs Dash 8 Q400.

7Ein vom datierender Dienstleistungsrahmenvertrag (DLRV) zwischen der Schuldnerin und der A GmbH (EWA GmbH), einer Gesellschaft, die auch für die Beklagte zu 2. und andere Luftfahrtunternehmen tätig war, enthält ua. folgende Regelungen:

8Auf der Grundlage des DLRV vereinbarten die Schuldnerin und die EWA GmbH sog. Leistungsscheine, so auch den ab dem gültigen Leistungsschein „Crew Planning“, der unter Nr. 3 der EWA GmbH ua. folgende Aufgaben zuweist:

9Ein weiterer ab dem gültiger Leistungsschein „Crew Control“ benannte unter Nr. 3 ua. folgende der EWA GmbH übertragene Aufgaben:

10In beiden Leistungsscheinen findet sich folgende Regelung:

11Auf der Grundlage dieser vertraglichen Vereinbarungen erstellte die EWA GmbH in ihrem Integrated Operation Control Center (IOCC) in K die Dienstpläne für die Besatzungen, koordinierte die Dienstpläne und passte diese bei krankheitsbedingten oder sonstigen kurzfristigen Ausfällen an. Daneben oblag es dem IOCC, den Flugbetrieb zu kontrollieren und Ablaufstörungen zu beheben. So wandten sich die in den Bereichen Kabine und Cockpit tätigen Mitarbeiter bei Flugverspätungen, bei plötzlichen Erkrankungen während des Flugs oder bei Schwierigkeiten mit Passagieren an das IOCC.

12In einem an das fliegende Personal (Cockpit und Kabine) gerichteten sog. Welcome Guide vom (WCG) heißt es ua. wie folgt:

13Ein Mitarbeiter der EWA GmbH führte für die Schuldnerin Tarifvertragsverhandlungen für das Cockpit- und das Kabinenpersonal. Mit Wirkung vom übernahm die LCH GmbH die Geschäftsanteile der Schuldnerin. Im August 2018 wurden der Geschäftsführer der G GmbH (GW GmbH), S, und der leitende Mitarbeiter der EWA GmbH, K, Geschäftsführer der Schuldnerin, ohne ihre bisherigen Funktionen in der Eurowings Gruppe aufzugeben. Neuer Flugbetriebsleiter wurde C, ein Mitarbeiter der GW GmbH.

14Im März 2019 schloss die Schuldnerin mit der EWA GmbH und der E Technik GmbH (EWT GmbH) eine Vereinbarung über Übergangsdienstleistungen. Die Vereinbarung, in der die EWA GmbH und die EWT GmbH als Dienstleister bezeichnet sind, enthält ua. folgende Bestimmungen:

15Die bezeichnete Anlage 1.1 zur Vereinbarung über Übergangsdienstleistungen führt ua. folgende Dienstleistungen auf:

16In der zweiten Märzhälfte 2020 kam der Flugbetrieb in Europa aufgrund der COVID-19-Pandemie zum Erliegen. Unter dem schlossen die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. eine Abwicklungs- und Ausgleichsvereinbarung, in der sie die sofortige Beendigung des bislang praktizierten Wet-Lease vereinbarten. Im Zeitraum vom 8. bis zum gab die Schuldnerin die letzten der von ihr geleasten Flugzeuge an die Leasinggeberinnen zurück. Am stellte sie beim Amtsgericht Düsseldorf einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Auf Antrag der Beklagten zu 2. löschte das Luftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom die Wet-Lease-Vereinbarung der Schuldnerin und der Beklagten zu 2. Mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid vom widerrief das Luftfahrt-Bundesamt die Betriebsgenehmigung der Schuldnerin als Luftfahrtunternehmen. Unter dem beschlossen die Geschäftsführer der Schuldnerin, den Geschäftsbetrieb mit sofortiger Wirkung einzustellen. Einen entsprechenden Beschluss fasste die LF Verwaltungs GmbH, die zu diesem Zeitpunkt einzige Gesellschafterin der Schuldnerin, am selben Tage. Mit Beschluss vom eröffnete das Amtsgericht Düsseldorf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und ernannte den Beklagten zu 1. zum Insolvenzverwalter, der mit Schreiben vom selben Tage deren Masseunzulänglichkeit anzeigte. Mit Schreiben vom kündigte der Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis zum und stellte die Klägerin mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung frei.

17Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - die Auffassung vertreten, zwischen ihr und der Schuldnerin bestehe ein Arbeitsverhältnis, da die Schuldnerin sie der Beklagten zu 2. zur Arbeitsleistung überlassen habe, ohne hierfür die erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Die Rechtsbeziehung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 2. sei nicht durch die Überlassung der Flugzeuge, sondern durch die Überlassung des auf ihnen eingesetzten Personals, das der Leitung und Aufsicht der Beklagten zu 2. unterstanden habe, geprägt gewesen.

18Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

19Die Beklagte zu 2. hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, es sei Ausdruck ihrer unternehmerischen Freiheit, im Wege des Wet-Lease einen „Full-Service“ einzukaufen. Die Dienstleistung der Nutzung der Flugzeuge stehe im Vordergrund der ACMIO-Verträge. Die Personalhoheit im Allgemeinen und die Leitungsmacht über das Personal im Speziellen sei bei der Schuldnerin verblieben. Soweit die Schuldnerin zeitlich befristet diesbezügliche Kompetenzen auf die EWA GmbH übertragen habe, habe diese daraufhin Dienstleistungen gegenüber der Schuldnerin, nicht aber ihr, der Beklagten zu 2., gegenüber erbracht.

20Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Gründe

21Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. besteht ab dem kein Arbeitsverhältnis.

22I. Die Klage ist zulässig.

231. Ein Arbeitnehmer kann mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen ( - Rn. 17).

242. Dass die Klägerin die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses - auch - für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Nach § 256 Abs. 1 ZPO muss eine Feststellungsklage zwar grundsätzlich den gegenwärtigen Bestand eines Rechtsverhältnisses betreffen. Trotz des Vergangenheitsbezugs des Antrags besteht das besondere Feststellungsinteresse aber in Fällen, in denen sich - wie im Streitfall - aus der Feststellung für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung ergeben können ( - Rn. 18).

253. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bezeichnet sowohl die Parteien des Arbeitsverhältnisses, dessen Feststellung die Klägerin begehrt, als auch die Art der von der Klägerin zu leistenden Dienste, nämlich solche als Co-Pilotin, und den Zeitpunkt, seit dem das Arbeitsverhältnis besteht (). Zur Bestimmung des Beschäftigungsumfangs ist ergänzend die Klagebegründung heranzuziehen (vgl.  - Rn. 18), der zufolge die Klägerin ein Arbeitsverhältnis in Vollzeit geltend macht. Hinsichtlich der Vergütung sind keine gesonderten Angaben erforderlich, denn sie ergeben sich mangels weiterer Bestimmung durch die Klagepartei aus dem Gesetz. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 AÜG bestimmt sich der Inhalt des gesetzlich begründeten Arbeitsverhältnisses nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen. Sind solche nicht vorhanden, gelten diejenigen vergleichbarer Betriebe (§ 10 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 AÜG). Dabei hat der (ehemalige) Leiharbeitnehmer gegen den (ehemaligen) Entleiher mindestens Anspruch auf das mit dem (ehemaligen) Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt.

26II. Soweit die Klägerin ihr Begehren im Berufungsverfahren auf die Vorschriften des AÜG gestützt hat, hat das Landesarbeitsgericht die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage zu Recht als unbegründet erachtet.

271. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Schuldnerin habe die Klägerin der Beklagten zu 2. nicht zur Arbeitsleistung überlassen. Vielmehr habe die Schuldnerin Dienstleistungen erbracht, die von den Vorschriften des AÜG nicht erfasst seien. Dies belegten sowohl die ACMIO-Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 2. als auch die Dienstleistungsrahmenvereinbarung zwischen der Schuldnerin und der EWA GmbH und die auf dieser Grundlage vereinbarten Leistungsscheine. Die Schuldnerin habe das ihr als Arbeitgeberin zustehende Weisungsrecht nicht auf die Beklagte zu 2. übertragen. Die Arbeitnehmer an Bord der geleasten Flugzeuge seien nicht als Leiharbeitnehmer, sondern als Erfüllungsgehilfen der Schuldnerin tätig gewesen. Gleiches gelte für den Zeitraum ab März 2019 für die Vereinbarung über Übergangsdienstleistungen. Aus der Vertragspraxis, insbesondere aus den Mitteilungen in dem von der Beklagten zu 2. nicht mitherausgegebenen WCG ergebe sich nichts Abweichendes.

282. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

29a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AÜG kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 AÜG).

30b) Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung die rechtlichen Grundsätze zugrunde gelegt, anhand deren der Senat die Arbeitnehmerüberlassung von der Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags abgrenzt.

31aa) Eine den Vorschriften des AÜG unterfallende Überlassung liegt nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vor, wenn der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und seinen Weisungen unterliegt. Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG ist durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat ( - Rn. 44).

32bb) Von Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfasst ( - Rn. 18; - 7 AZR 207/15 - Rn. 71, BAGE 158, 266).

33cc) Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist von der projektbezogenen werkvertraglichen Anweisung iSd. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterscheiden. Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen und ergebnisorientiert. Sie ist gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht ist demgegenüber personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und weiterhin die Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind ( - Rn. 19; allg. zum arbeitsvertraglichen Weisungsrecht vgl.  - Rn. 35 ff., BAGE 173, 111).

34dd) Der Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten ist sowohl auf Grundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (vgl. nunmehr § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp. Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt. Dafür ist nicht die Häufigkeit, sondern sind Gewicht und Bedeutung der behaupteten Vertragsabweichung entscheidend (st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 20; - 7 AZR 207/15 - Rn. 72, BAGE 158, 266).

35ee) Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher als zustande gekommen gilt. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast können jedoch eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast verlangen. Kann eine darlegungspflichtige Partei die erforderlichen Tatsachen nicht vortragen, weil sie außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, genügt das einfache Bestreiten durch den Gegner nicht, wenn dieser die wesentlichen Umstände kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind. Hier kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden. Die Erleichterungen der sekundären Darlegungslast greifen aber nur ein, wenn die darlegungspflichtige Partei alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat und sie dennoch ihrer primären Darlegungslast nicht nachkommen kann (vgl.  - Rn. 21).

36ff) Die Feststellung, ob ein Beschäftigter in einen bestimmten Betrieb eingegliedert ist und den Weisungen des Betriebsinhabers unterliegt, obliegt den Tatsacheninstanzen. Dem Berufungsgericht kommt bei der erforderlichen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die Prüfung in der Revisionsinstanz beschränkt sich deshalb darauf, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl.  - Rn. 22).

37c) Danach ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung knüpft, im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. nicht vorliegen. Die Klägerin hat nicht den Weisungen der Beklagten zu 2. unterlegen. Die Befugnis, Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Arbeitsleistung der Klägerin zu bestimmen, lag bei der Schuldnerin und wurde ab dem in Teilen von der EWA GmbH, nicht aber von der Beklagten zu 2. ausgeübt. Eines Rückgriffs auf die von der Rechtsprechung entwickelte sog. Geprägetheorie (vgl. dazu  - zu II 2 der Gründe; - 7 AZR 167/92 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 72, 255) bedarf es im Streitfall nicht.

38aa) Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 2. geben keinen Anhaltspunkt dafür, dass das der Schuldnerin als Arbeitgeberin der Klägerin zustehende Weisungsrecht auf die Beklagte zu 2. übertragen werden sollte. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

39(1) Der zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 2. unter dem geschlossene ACMIO RV räumt der Beklagten zu 2. nicht das Recht ein, der Klägerin Weisungen zu erteilen. Die Bestimmungen des ACMIO RV haben in der Mehrzahl Bezug auf die geleasten Flugzeuge. Soweit der Vertrag Regelungen bezüglich der Besatzung vorsieht, handelt es sich um Absprachen der Vertragsparteien, die der Annahme entgegenstehen, die Beklagte zu 2. sei befugt, Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit der Klägerin einseitig festzulegen.

40(a) Soweit aufgrund des Flugplans mittelbar Arbeitszeiten und Arbeitsort der Crewmitglieder festgelegt werden, erfolgt dies nicht kraft einseitigen Bestimmungsrechts seitens der Beklagten zu 2., sondern aufgrund einer vertraglichen Absprache in einem ACMIO KV, den für jedes Flugzeug abzuschließen sich die Vertragsparteien verpflichtet haben (vgl. Nr. 12.2 Satz 4 ACMIO RV). Für die ersten zwei Monate seiner Laufzeit liegen dem zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 2. abgeschlossenen ACMIO KV für jedes Flugzeug die Flugpläne bei (vgl. Nr. 8.1 Satz 1 ACMIO RV). Jeder anschließende Flugplan bedarf einer gesonderten Vereinbarung der Vertragsparteien (vgl. Nr. 8.1 Satz 2 ACMIO RV). Jede Änderung des Flugplans oder eines einzelnen Fluges einschließlich ua. der geplanten Abflug- oder Ankunftszeit, der Wartungsstellen, der Routen, des Umlaufs sowie der Art des einzelnen Flugzeugs kann von der Beklagten zu 2. nicht einseitig bestimmt werden, sondern ist von ihr bei der Schuldnerin vorab schriftlich anzufordern (vgl. Nr. 8.2 Satz 1 ACMIO RV). Die Schuldnerin hat in einem solchen Fall lediglich die Verpflichtung, wirtschaftlich vertretbare Anstrengungen zu unternehmen, um diese Anforderung zu erfüllen. Eine Weisungsbefugnis der Beklagten zu 2. gegenüber dem bei der Schuldnerin beschäftigten Personal liegt hierin ebenso wenig wie in den Bestimmungen über das Personal in Nr. 13 ACMIO RV. Nach Nr. 13.1.2 Satz 2 ACMIO RV fällt es in die Zuständigkeit der Schuldnerin, das auf den Flugzeugen eingesetzte Personal auszubilden. Die Bestimmung des Nr. 13.1.3 Satz 1 ACMIO RV, der zufolge die Schuldnerin „bestätigt“, dass die Kabinenprodukte einschließlich der Uniformen der Beklagten zu 2. „zum Zeitpunkt dieses Vertrages“ den geltenden tarif- und arbeitsvertraglichen Vorgaben entsprechen, gibt der Beklagten zu 2. nicht das Recht, die bei der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer anzuweisen, während des Dienstes bestimmte Uniformen zu tragen. Vielmehr beruht diese Verpflichtung allein auf der genannten Vertragsbestimmung, deren Umsetzung gegenüber dem fliegenden Personal der Schuldnerin und nicht der Beklagten zu 2. oblag. Soweit die Beklagte zu 2. in Nr. 13.1.6 ACMIO RV die Verpflichtung übernommen hat, sich auf eigene Kosten um den Transport des Personals zwischen dem Hotel und den Personalräumen „zu kümmern“, handelt es sich hierbei im Wesentlichen um eine Kostenregelung, ohne der Beklagten zu 2. das Recht einzuräumen, die Unterbringung eines Mitarbeiters in einem bestimmten Hotel anzuweisen.

41(b) Die Bestimmungen des ACMIO RV zielen vielmehr darauf ab, das Weisungsrecht der Schuldnerin ihren Mitarbeitern gegenüber unangetastet zu lassen. So bestimmt Nr. 6.2 ACMIO RV, dass jedes Mitglied des Personals an Bord des Flugzeugs den Anweisungen des Kapitäns hinsichtlich des sicheren Betriebs des Flugzeugs Folge zu leisten hat. In dieselbe Richtung weisen die Vereinbarungen unter Nr. 13.2 und 13.3 ACMIO RV. Nach Nr. 13.2.1 Satz 1 ACMIO RV stellt die Schuldnerin die Cockpitbesatzung, die bei der Beklagten angestellt bleibt, und sie allein ist berechtigt, der Besatzung Anweisungen zu erteilen. Eine ähnliche Vorschrift findet sich in Nr. 13.3.1 Satz 1 ACMIO RV. Danach stellt die Schuldnerin das Kabinenpersonal, das bei allen Flügen Mitarbeiter bzw. Vertragsarbeiter der Schuldnerin bleibt. Die Vertragskonzeption, die der Schuldnerin und nicht der Beklagten zu 2. die Steuerung der auf den Flügen eingesetzten Mitarbeiter zuweist, spiegelt sich zudem in den Bestimmungen wider, die Unterrichtungs- und Informationsrechte der Vertragsparteien regeln. Nach Nr. 21.1 ACMIO RV hat die Schuldnerin die Beklagte zu 2. unverzüglich zu unterrichten, wenn Personal nicht verfügbar ist. Wäre es Sache der Beklagten zu 2. und nicht die der Schuldnerin, das Personal zu steuern, wäre eine solche Klausel nicht erforderlich, da die Beklagte zu 2. diesbezüglich über eigene Kenntnis verfügte.

42(c) Ein anderer Schluss lässt sich auch nicht daraus ziehen, dass die Vertragsparteien in Nr. 13.3.1 ACMIO RV eine Nr. 13.2.1 Satz 1 ACMIO RV entsprechende Vorschrift nicht aufgenommen haben. Fehlt in einem Vertrag, in dem die Parteien - wie in dem vorliegenden - ihre Rechtspositionen detailliert regeln, eine Vereinbarung, der zufolge die eine Vertragspartei ihr zustehender Rechte auf den Vertragspartner überträgt, ist daraus im Zweifel zu schließen, dass die Rechtspositionen - hier das Weisungsrecht - bei demjenigen verbleiben, dem sie ursprünglich zugewiesen sind. Das ist hier die Schuldnerin.

43(d) Soweit Nr. 13.3.5 ACMIO RV bestimmt, das „Kabinenpersonal des Leasingnehmers“ befolge das Kabinenservicekonzept der Beklagten zu 2., handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen. Gemeint ist das Kabinenpersonal der Schuldnerin, wie sich aus Nr. 13.3.1 ACMIO RV ergibt. Danach wird das Kabinenpersonal nicht von der Beklagten zu 2., sondern allein von der Schuldnerin gestellt. Im Übrigen wäre es sinnwidrig, in einem Wet-Lease-Vertrag wie dem vorliegenden, der auf die Verschaffung eines mit Besatzung versehenen Flugzeugs und die Erbringung anderer Leistungen gerichtet ist, eine Klausel aufzunehmen, die den Umgang des Leasingnehmers mit seinen eigenen Mitarbeitern regelte. Selbst wenn man dies annehmen wollte, behandelte die Regelung keine Weisungsrechte der Beklagten zu 2. gegenüber Mitarbeitern der Schuldnerin, sondern lediglich die Befugnis der Beklagten zu 2., ihren eigenen Mitarbeitern Weisungen zu erteilen.

44(e) Die Regelung in Nr. 19.6 ACMIO RV, der zufolge die Beklagte zu 2. „für besondere Anweisungen hinsichtlich des Inhalts und der Form (… ihrer) Durchsagen an Bord“ „sorgt“, räumt der Beklagten zu 2. gegenüber der Schuldnerin die Befugnis ein, auf den Inhalt der Durchsagen Einfluss zu nehmen. Ein Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern der Schuldnerin folgt daraus nicht. Das Direktionsrecht verbleibt vielmehr bei der Schuldnerin, die aufgrund der genannten Bestimmung gegenüber der Beklagten zu 2. verpflichtet ist, ihre Mitarbeiter entsprechend anzuweisen. Eine „Weisung über Dritte“ unterfällt nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, dessen Tatbestand verlangt, dass dem Entleiher im Verhältnis zum Arbeitnehmer das Recht zukommt, ihm Weisungen zu erteilen, die ansonsten dem Vertragsarbeitgeber vorbehalten sind.

45(2) Auch die ACMIO KV, die die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. auf der Grundlage des ACMIO RV schlossen (vgl. Nr. 12.2 Satz 4 ACMIO RV), regeln kein Weisungsrecht der Beklagten zu 2. Das Muster, das sie hierzu verwendeten (vgl. Anlage 1 zum ACMIO RV), enthält ausschließlich Regelungen zum geleasten Flugzeug, nicht aber solche, die Mitarbeiter und etwaige Rechte der Beklagten zu 2. ihnen gegenüber zum Gegenstand hätten.

46(3) Der unter dem geschlossene Dienstleistungsrahmenvertrag zwischen der Schuldnerin und der EWA GmbH räumt der Beklagten zu 2. keine Rechte, insbesondere keine Weisungsrechte gegenüber den Mitarbeitern der Schuldnerin ein. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

47(a) Mit dem Dienstleistungsrahmenvertrag schufen die Schuldnerin und die EWA GmbH im Jahr 2017 die rechtliche Grundlage für kommerzielle, administrative und operative Dienstleistungen der EWA GmbH (vgl. Nr. 1 DLRV), die mittels gesonderter Vereinbarung in sog. Leistungsscheinen (vgl. Nr. 2 Satz 4 und Satz 9 sowie Nr. 3 Satz 3 DLRV) spezifiziert werden sollten. In der Folgezeit lagerte die Schuldnerin sowohl mit den Leistungsscheinen „Crew Planning“ als auch mit den Leistungsscheinen „Crew Control“ Teile der Arbeitsorganisation auf die EWA GmbH aus. So war die EWA GmbH verpflichtet, für die Mitarbeiter der Schuldnerin verschiedene Meetings betreffend „Operations“, „Training Planning“ und „Flight Plan Evaluation“ anzuberaumen und durchzuführen (vgl. Nr. 3 Buchst. a Leistungsschein „Crew Planning“), monatlich individuelle Einsatzpläne für die Kabinen- und Cockpitmitarbeiter (vgl. Nr. 3 Buchst. b Leistungsschein „Crew Planning“), Urlaubspläne zu erstellen (vgl. Nr. 3 Buchst. c Leistungsschein „Crew Planning“) sowie Schulungen und Dienstreisen der Mitarbeiter zu planen (vgl. Nr. 3 Buchst. d Leistungsschein „Crew Planning“). In den Leistungsscheinen „Crew Control“ übernahm die EWA GmbH die Aufgabe, die Besatzungen hinsichtlich „Legalität, Sicherheit, Effizienz und Pünktlichkeit“ zu kontrollieren (vgl. Nr. 3 Buchst. a Leistungsschein „Crew Control“), Proceedings zu buchen und zu kontrollieren (vgl. Nr. 3 Buchst. b Leistungsschein „Crew Control“), die Crew zu informieren (vgl. Nr. 3 Buchst. c Leistungsschein „Crew Control“) sowie Crew Unregelmäßigkeiten zu erfassen und weiterzuverarbeiten (vgl. Nr. 3 Buchst. d Leistungsschein „Crew Control“). Sowohl im Leistungsschein „Crew Planning“ (vgl. Nr. 3 Leistungsschein „Crew Planning“) als auch im Leistungsschein „Crew Control“ (vgl. Nr. 3 Leistungsschein „Crew Control“) stellten die Vertragsparteien klar, dass sämtliche diesbezüglichen Entscheidungen ausschließlich bei der Schuldnerin liegen.

48(b) Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob die Schuldnerin mit Abschluss des Dienstleistungsrahmenvertrags oder der hierauf beruhenden Leistungsscheine Teile des ihr als Arbeitgeberin zustehenden Weisungsrechts auf die EWA GmbH übertragen hat. Die EWA GmbH, die mit der Beklagten zu 2. nicht personenidentisch ist, ist alleinige Vertragspartnerin der Schuldnerin. Umstände, die darauf schließen ließen, dass die Erklärungen, die die EWA GmbH im Hinblick auf den Abschluss der verschiedenen Vertragswerke abgab, für und wider die Beklagte zu 2. wirkten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Anhaltspunkte hierfür sind auch weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt insbesondere für eine rechtsgeschäftliche Vertretung der Beklagten zu 2. durch die EWA GmbH bei Vertragsabschluss (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es finden sich keine Indizien dafür, dass die EWA GmbH als bevollmächtigte Vertreterin der Beklagten zu 2. aufgetreten wäre. Der Umstand, dass sowohl die EWA GmbH als auch die Beklagte zu 2. einem Konzern angehören, rechtfertigt nicht die Annahme, Rechte, die die Schuldnerin - möglicherweise - auf die EWA GmbH übertragen hat, ständen damit auch der Beklagten zu 2. zu. Auch für die rechtsgeschäftlichen Beziehungen im Arbeitsrecht gilt das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip, dem zufolge jede Konzerngesellschaft juristisch eigen- und selbstständig ist (vgl. dazu Weck NZG 2016, 1374, 1375). Dies schließt eine Zurechnung rechtgeschäftlicher Erklärung allein aufgrund einer konzernrechtlichen Verbundenheit aus.

49(4) Entsprechendes gilt für den Vertrag über Übergangsdienstleistungen, den die Schuldnerin im März 2019 mit der EWA GmbH und der EWT GmbH schloss. Die Beklagte zu 2. war weder Vertragspartnerin noch sind Umstände ersichtlich, die die Annahme begründen könnten, eine der vertragsschließenden Gesellschaften habe die Beklagte zu 2. beim Vertragsschluss vertreten oder in ihrem Auftrag gehandelt.

50bb) Die Vertragspraxis steht im Einklang mit den vertraglichen Vorgaben. Das Landesarbeitsgericht hat sämtliche diesbezüglichen Umstände widerspruchsfrei gewürdigt.

51(1) Zugunsten der Klägerin unterstellt, der Welcome Guide vom beschriebe die geübte Vertragspraxis zutreffend, ließe sich daraus nicht ableiten, dass die Beklagte zu 2. gegenüber Mitarbeitern der Schuldnerin entgegen den vertraglichen Absprachen arbeitsrechtliche Weisungen erteilte.

52(a) Nr. 7.4 WCG schreibt vor, dass Besatzungsmitglieder ihr mitgeführtes Gepäck mit einem „Crew Baggage Label“ versehen sollen, der die Aufschrift „E“ trägt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Weisung seitens der Beklagten zu 2., sondern allenfalls um eine solche der Schuldnerin. Dies folgt bereits daraus, dass die Schuldnerin zusammen mit der EWA GmbH - und nicht die Beklagte zu 2. - den WCG herausgab. Erklärungen der Herausgeberinnen des WCG sind nicht solche der Beklagten zu 2. Es fehlt an Umständen, die darauf schließen ließen, der Inhalt des WCG sei der Beklagten zu 2. als eigene Erklärung zuzurechnen.

53(b) Entsprechendes gilt für die Regelung, die den Austausch der „Crew-Ausweise“ zum Gegenstand hat. Nach Nr. 4.1 Satz 1 WCG erhalten die Mitarbeiter der Schuldnerin Ausweise, die mit dem Wort „E“ beschriftet sind. Selbst wenn man dies als Weisung iSd. § 106 Satz 1 GewO auffasste, handelte es sich nicht um eine Anordnung der Beklagten zu 2., da diese nicht Autorin des WCG ist.

54(c) Soweit der WCG unter Nr. 3.2 die Steuerung der Flugbetriebe beschreibt, ergibt sich daraus nicht, dass der Beklagten zu 2. die Befugnis zustand, den Mitarbeitern der Schuldnerin Weisungen zu erteilen. Wie aus Satz 1 ersichtlich erfolgt die Steuerung aus einer „Zentrale bei der E Aviation in K“. Die EWA GmbH ist weder personenidentisch mit der Beklagten zu 2. noch sind Weisungen, die die EWA GmbH im Rahmen der ihr übertragenen Steuerungsbefugnisse erteilt, der Beklagten zu 2. als eigene zuzurechnen (vgl. Rn. 48).

55(d) Soweit Nr. 3.2.2 WCG verschiedene Ansprechpartner für unterschiedliche Angelegenheiten (Urlaub, Dienstplanverwaltung, Krankmeldungen, Proceedings etc.) benennt, handelt es sich nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, um Mitarbeiter der EWA GmbH und nicht solche der Beklagten zu 2.

56(2) Eine „Nominated Person“ iSd. AMC1 ORO.AOC.135(a) des Acceptable Means of Compliance and Guidance Material to Annex III - Part-ORO für Flugzeuge des Typs Dash 8 Q400, ohne die eine Fluggesellschaft ein solches Flugzeug nicht in ihrem Flugbetrieb einsetzen darf, benannte die Beklagte zu 2. nicht. Die „Nominated Person“ war vielmehr bei der Schuldnerin angesiedelt.

57(3) Weitere Umstände wie die Beteiligung der EWA GmbH an der Einstellung und Auswahl von neuen Mitarbeitern, die Nutzung von IT-Einrichtungen der Beklagten zu 2. durch die EWA GmbH einschließlich der Nutzung von E-Mail-Adressen mit der Endung „@e.com“, die Teilnahme an Tarifverhandlungen und andere besagen nichts darüber, dass die Beklagte zu 2. von den vertraglichen Vorgaben des ACMIO RV abgewichen wäre und für sich ein Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern in Anspruch genommen hätte.

58cc) Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Leiharbeit (im Folgenden Richtlinie 2008/104/EG) gibt im Streitfall kein abweichendes Ergebnis vor. Dies kann der Senat entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden EuGH) nach Art. 267 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen (sog. „acte claire“, vgl.  - [van Dijk] Rn. 55).

59(1) Ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen - wie die des Senats - nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, kann davon absehen, dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Unionsrechts vorzulegen und sie stattdessen in eigener Verantwortung lösen, wenn die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (vgl.  - [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 47). Dies setzt voraus, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EUGH - C-379/15 - [Association France Nature Environnement] Rn. 48). Dies hat das Gericht unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union zu beurteilen (vgl.  - [Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 39). Die bloße Möglichkeit, von einer Vorschrift des Unionsrechts eine oder mehrere weitere Auslegungen vornehmen zu können, sofern keine von ihnen dem betreffenden einzelstaatlichen Gericht insbesondere im Hinblick auf den Zusammenhang und die Ziele der Vorschrift sowie die Regelung, zu der sie gehört, hinreichend plausibel erscheint, kann nicht die Annahme begründen, dass an der richtigen Auslegung dieser Vorschrift ein vernünftiger Zweifel besteht (vgl.  - [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 48).

60(2) Die Richtlinie 2008/104/EG gilt für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten (Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG).

61(a) Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2008/104/EG versteht Leiharbeitsunternehmen als natürliche oder juristische Person, die nach einzelstaatlichem Recht mit Leiharbeitnehmern Arbeitsverträge schließt oder Beschäftigungsverhältnisse eingeht, um sie entleihenden Unternehmen zu überlassen, damit sie dort unter deren Aufsicht und Leitung vorübergehend arbeiten. „Überlassung“ meint in diesem Zusammenhang den Zeitraum, während dessen der Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, um dort unter dessen Aufsicht und Leitung vorübergehend zu arbeiten (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Richtlinie 2008/104/EG).

62(b) Die Auslegung des für das Leiharbeitsverhältnis prägenden Begriffs „unter … Aufsicht und Leitung“ ist eindeutig. Das für die Leiharbeit kennzeichnende Arbeiten „unter Aufsicht und Leitung“ wird maßgeblich durch den Schutzzweck der Richtlinie 2008/104/EG bestimmt, den diese in ihrem Art. 2 beschreibt. Danach ist es Ziel der Richtlinie, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern. Die besondere Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer resultiert aus ihrer Einbindung in eine dreipolige Rechtsbeziehung, die zur Folge hat, dass die „Aufsicht und Leitung“, die im Normalfall eines Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber des Arbeitnehmers liegt, auf einen Dritten übertragen wird. Von einer solchen Übertragung kann aber nur die Rede sein, wenn der Dritte berechtigt oder faktisch in der Lage ist, den Einsatz und die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu lenken.

63(3) Dies ist im Streitfall nicht der Fall. Die Annahme, die Klägerin habe nicht unter der Aufsicht und Leitung der Beklagten zu 2. gearbeitet, begegnet im Streitfall nach den getroffenen Feststellungen keinem vernünftigen Zweifel.

64dd) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs es nicht rechtfertigt, abweichend zu entscheiden.

65(1) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung beschränkt ua. Rechtsinstitute und Normen. Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind ( - Rn. 27). Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch unionsrechtlich gehalten, eine solche Missbrauchskontrolle vorzunehmen (vgl.  - [Daimler] Rn. 60).

66(2) Danach lässt sich im Streitfall kein Rechtsmissbrauch feststellen, der die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. zur Folge hätte.

67(a) Das Landesarbeitsgericht hat keine Tatsachen festgestellt, die den Schluss zulassen, die Schuldnerin und die Beklagte zu 2. hätten bestimmte Personalbefugnisse auf die EWA GmbH übertragen mit der Folge, dass unter Vermeidung der in §§ 10 und 9 AÜG angeordneten Rechtsfolgen die Beklagte zu 2. einen weisungsähnlichen Einfluss auf die bei der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer ausüben konnte. Der Hinweis der Klägerin, dass die EWA GmbH den Einsatz der Mitarbeiter beider Unternehmen koordinierte und beaufsichtigte, ist in diesem Zusammenhang unergiebig. Die Befugnisse, die mehrere Unternehmen des Konzerns der EWA GmbH übertrugen, berechtigen allein diese, den Einsatz des bei der Schuldnerin beschäftigten Personals im delegierten Rahmen zu steuern. Die Ausübung einer rechtlichen oder faktischen Leitungsmacht der Beklagten zu 2. ergibt sich daraus nicht.

68(b) Der Umstand, dass die im August 2018 berufenen Geschäftsführer der Schuldnerin, S und K, zur gleichen Zeit andere Funktionen innerhalb der E-Gruppe, nicht aber bei der Beklagen zu 2., ausübten, reicht für sich genommen ebenso wenig aus, um einen Rechtsmissbrauch anzunehmen, wie der Umstand, dass C, ein Mitarbeiter der GW GmbH, als Betriebsleiter der Schuldnerin fungierte. Eine Verbindung dieser Personen zur Beklagten zu 2. bestand nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht.

69III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:270922.U.9AZR177.22.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-33566