BAG Urteil v. - 4 AZR 456/18

Eingruppierung eines Sicherheitsmitarbeiters im Pförtnerdienst - Verlangen einer Ausbildung in Erster Hilfe und im Brand- und Katastrophenschutz - Anforderung Revisionsbegründung

Gesetze: § 308 Abs 1 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO, § 72 Abs 5 ArbGG, § 34a Abs 1a S 1 Nr 2 GewO, § 305 BGB

Instanzenzug: ArbG Krefeld Az: 1 Ca 1181/17 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 8 Sa 891/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und hieraus resultierende Entgeltansprüche.

2Der Kläger ist seit 2005 bei der Beklagten, die Wach- und Sicherheitsdienstleistungen erbringt, als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Der zuletzt zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom enthält eine Bezugnahme auf die am Beschäftigungsort geltenden Mantel- sowie Lohn- und Entgelttarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe und hat ua. folgenden Inhalt:

3Seit April 2017 ist der Kläger in der Nachtschicht im Pförtnerdienst und Objektschutz auf dem Betriebsgelände eines anderen Unternehmens eingesetzt. Eine von der Beklagten erstellte Dienstanweisung enthält Vorgaben für die Durchführung der Tätigkeiten im Pförtnerdienst in diesem Unternehmen. Zu den Aufgaben des Klägers gehört die An- und Abmeldung von Besuchern nebst Erstellung eines Besucherausweises, die Durchführung von Taschenkontrollen, die Beobachtung ein- und ausfahrender Fahrzeuge, die Eintragung von Einlass- und Auslasszeiten sowie die Kontrolle von Waren- und Durchlassscheinen. Er hat das Gelände durch Benutzung der Videoanlage zu überwachen. Darüber hinaus nimmt er pro Schicht etwa drei bis fünf Anrufe entgegen.

4Die Beklagte vergütete den Kläger nach Lohngruppe B7 des zwischen dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di geschlossenen Lohntarifvertrags für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom (LTV NRW). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

5Zum erhöhten sich die Grundlöhne, die Tätigkeitsmerkmale änderten sich - mit Ausnahme der Einstufung von Sicherheitsmitarbeitern in Flüchtlingsunterkünften - nicht.

6Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne ein Entgelt nach der Lohngruppe B9 LTV NRW beanspruchen. Er sei erster Ansprechpartner für Besucher und daher im Empfangsdienst tätig. Ihm obliege auch die Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale.

7Der Kläger hat - zusammengefasst - beantragt,

8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Kläger erfülle bereits nicht die tariflichen Anforderungen der Lohngruppe B8 LTV NRW. Da es sich bei den Lohngruppen B7 bis B9 LTV NRW um „Aufbaufallgruppen“ handele, sei dies für eine Eingruppierung in Lohngruppe B9 des Tarifvertrags erforderlich. Die Beklagte könne nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen vom Kläger keine Ausbildung in Erster Hilfe sowie im Brand- und Katastrophenschutz verlangen. Darüber hinaus sei der Kläger auch nicht im „Empfangsdienst“ beschäftigt.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und dem Feststellungsbegehren für die Lohngruppe B8 LTV NRW stattgegeben. Weiterhin hat es dem Kläger die sich daraus ergebenden Differenzentgeltansprüche und die Verzugspauschale zugesprochen. Mit ihren durch das Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen beide Parteien ihre Begehren weiter.

10Durch den im Verlauf des Revisionsverfahrens zum in Kraft getretenen Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen (vom ) sind die Tätigkeitsmerkmale grundlegend umstrukturiert und geändert worden. Der Kläger hat in der Folge seinen Feststellungsantrag auf den Ablauf des Jahres 2018 begrenzt.

Gründe

11Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig, die zulässige Revision der Beklagten begründet.

12I. Die Anschlussrevision des Klägers, die sich allein gegen die teilweise Abweisung des Feststellungsantrags wendet, ist unzulässig.

131. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge sind nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dabei muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des revisionsrechtlichen Angriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Dazu hat der Revisionsführer darzulegen, aus welchen Gründen er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Die bloße Wiedergabe oder der Verweis auf das bisherige Vorbringen genügen hierfür nicht ( - Rn. 9). Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. Die Rechtsmittelbegründung ist dann selbst im Falle ihrer Berechtigung nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung in Frage zu stellen ( - Rn. 9).

142. Die Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen nicht.

15a) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige rechtliche Erwägungen gestützt. Es hat die Zurückweisung der Berufung des Klägers damit begründet, er erfülle nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe B9 LTV NRW. Hierzu sei erforderlich, dass alle drei genannten Tätigkeiten kumulativ ausgeübt würden. Der Kläger sei aber weder im Empfangsdienst tätig noch obliege ihm die Bedienung einer Telefonzentrale. „Empfangsdienst“ iSd. Lohngruppe B9 LTV NRW liege nur vor, wenn nicht nur die „Abfertigung“, sondern auch das „Willkommenheißen“ ankommender Personen im Vordergrund stehe. Für die Bedienung einer Telefonzentrale sei nicht ausreichend, dass der Kläger drei bis fünf Anrufe pro Nacht entgegennehme.

16b) Die Revisionsbegründung setzt sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils nicht hinreichend auseinander. Sie greift weder die Auffassung des Landesarbeitsgerichts an, die tariflichen Anforderungen müssten kumulativ vorliegen, noch befasst sie sich ausreichend mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts, er sei nicht im „Empfangsdienst“ tätig. Der Kläger wiederholt hierzu lediglich - zum ganz überwiegenden Teil wörtlich - die Argumentation aus seiner Berufungsbegründung. Der Kläger setzt damit lediglich seine früheren Erwägungen an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts, ohne sich mit diesen inhaltlich auseinanderzusetzen. Der Hinweis auf den am in Kraft getretenen Tarifvertrag steht in keinem Zusammenhang mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts.

17II. Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger war nicht seit dem Monat April 2017 nach der Lohngruppe B8 LTV NRW zu vergüten. Die Klage war daher auch insoweit abzuweisen, als das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben hat.

181. Die Revision der Beklagten ist allerdings entgegen deren Auffassung nicht bereits deshalb begründet, weil das Landesarbeitsgericht unter Verstoß gegen § 308 ZPO über eine Eingruppierung in Lohngruppe B8 LTV NRW entschieden hätte. Die Eingruppierung in diese Lohngruppe ist als ein „Weniger“ notwendigerweise in dem auf eine Eingruppierung in Lohngruppe B9 LTV NRW gerichteten Feststellungsantrag enthalten und damit auch ohne gesonderten Antrag Streitgegenstand.

19a) Die gerichtliche Geltendmachung eines Feststellungsbegehrens erfasst grundsätzlich auch einen Anspruch, der als ein „Weniger“ in dem (Haupt-)Antrag enthalten ist. Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich damit die Verpflichtung des Gerichts, bei Klagen, die sich auf eine bestimmte Eingruppierung stützen, auch ohne gesonderten Antrag zu prüfen, ob die Klage nicht insoweit teilweise begründet ist, als sie auf eine nicht ausdrücklich geltend gemachte - niedrigere - Entgeltgruppe gestützt werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass es sich bei dem - möglicherweise - begründeten Teil der Klage um ein „Weniger“ und nicht um etwas anderes, dh. ein „aliud“, handelt ( - Rn. 20). Die niedrigere Entgeltgruppe ist als ein „Weniger“ in der höheren enthalten, wenn das Tätigkeitsmerkmal der höheren Entgeltgruppe zwingend die Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der niedrigeren voraussetzt ( - Rn. 78; - 4 AZR 505/06 - Rn. 21 f.).

20b) Danach ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass es zu einer Entscheidung auch über eine Eingruppierung in die Lohngruppe B8 LTV NRW verpflichtet war. Die Auslegung des LTV NRW (zu den Maßstäben etwa  - Rn. 19) ergibt, dass eine Vergütung nach der Lohngruppe B9 LTV NRW zwingend die Erfüllung der tariflichen Anforderungen eines „Sicherheitsmitarbeiters im Pförtnerdienst, … indem ihm verantwortlich Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und Kraftfahrzeugen obliegen und von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann“ der Lohngruppe B8 LTV NRW voraussetzt (sh. auch  - zu A 2 der Gründe).

21aa) Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Lohngruppe B9 LTV NRW. Die tariflichen Anforderungen der Lohngruppe B8 LTV NRW werden zwar - anders als zB in Lohngruppe B10b im Vergleich zur Lohngruppe B10a LTV NRW - nicht ausdrücklich wiederholt. Die Tätigkeit des Sicherheitsmitarbeiters im Pförtnerdienst muss sich jedoch durch Erfüllen der weiteren genannten Tätigkeiten von Lohngruppe B8 LTV NRW „abheben“. „Sich Abheben“ bedeutet „abstechen, abweichen, sich abzeichnen, einen Kontrast bilden, erkennbar sein, sich herausheben, herausstechen, hervortreten, sich unterscheiden“ (Duden Das Synonymwörterbuch 7. Aufl.) und damit, dass etwas hinzukommen muss. Der Zusatz „der sich von der Lohngruppe 8. dadurch abhebt, indem“ wäre überflüssig, wenn sich die höhere Wertigkeit der Tätigkeit der Lohngruppe B9 im Vergleich zur Lohngruppe B8 LTV NRW allein aus den jeweiligen (sonstigen) tariflichen Anforderungen ergeben würde. Dies würde bereits durch die höhere Vergütung hinreichend deutlich. Es wäre dann nicht erforderlich, dass sich - wie bei der Lohngruppe B8 LTV NRW im Verhältnis zur Lohngruppe B7 LTV NRW - diejenige nach Lohngruppe B9 LTV NRW von Lohngruppe B8 LTV NRW abheben muss.

22bb) Das wird auch durch die Systematik des Tarifvertrags bestätigt. Die Tätigkeiten der Lohngruppe B8 LTV NRW und der Lohngruppe B9 LTV NRW stehen zwar nicht zwingend in einem sachlichen Zusammenhang. So handelt es sich beim Empfangsdienst, der Überwachung von technischen Anlagen und der Bedienung der Telefonzentrale nicht notwendigerweise um besondere Ein- und Ausgangskontrollen. Sie stehen auch nicht in Beziehung zu einer Ausbildung in Erster Hilfe oder im Brand- und Katastrophenschutz, sondern sind hiervon unabhängige Tätigkeiten. Die Tarifvertragsparteien sind jedoch nicht gehindert, unterschiedliche Tätigkeiten kumulativ zur Voraussetzung für eine Eingruppierung zu bestimmen. Vorliegend fehlt es an Anhaltspunkten, dass sie einen sachlichen Zusammenhang von Tätigkeiten als notwendig erachtet hätten. Denn auch zwischen den genannten Tätigkeiten innerhalb der beiden Lohngruppen besteht kein sachlicher Zusammenhang. Der Vergleich mit weiteren Regelungen des Tarifvertrags verdeutlicht aber, dass die in Lohngruppe B9 LTV NRW genannte „Abhebung“ nicht lediglich „beschreibend“ gemeint ist. Die Tarifvertragsparteien haben ua. in den Lohngruppen C19a bis C19c LTV NRW verschiedene Tätigkeiten eines Handwerkers unterschiedlichen Entgelten zugeordnet, diese aber nicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt.

23cc) Nicht erforderlich ist es, dass es sich bei den tariflichen Anforderungen der Lohngruppe B9 LTV NRW gegenüber denjenigen der Lohngruppe B8 LTV NRW ausdrücklich um „Heraushebungsmerkmale“ handelt (zu den Aufbaufallgruppen in den Tarifverträgen im Öffentlichen Dienst - „herausheben“ - sh.  - Rn. 37; - 4 AZR 916/13 - Rn. 32). Ausreichend ist, dass die Eingruppierung in die höhere Lohngruppe - wie hier - zwingend die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der niedrigeren Lohngruppe voraussetzt ( - Rn. 21; anders iE  - zu II 2 c cc der Gründe).

24c) Soweit der Kläger in den Tatsacheninstanzen im Hinblick auf die begehrte Eingruppierung in die Lohngruppe B9 LTV NRW eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, hat er dadurch den Streitgegenstand nicht auf diese Lohngruppe beschränkt.

252. Die Revision der Beklagten ist auch nicht bereits deshalb begründet, weil die Berufung des Klägers hinsichtlich der Lohngruppe B8 LTV NRW unzulässig gewesen wäre. Die Berufungsbegründung hat sich auch mit einer Eingruppierung in diese Lohngruppe - soweit erforderlich - ausreichend auseinandergesetzt.

26a) Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom Senat von Amts wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsvoraussetzung. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Berufung des Klägers iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, ist die Revision schon deshalb begründet und das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung ( - Rn. 9 mwN).

27b) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Die Berufungsbegründung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (ausf.  - Rn. 14 mwN).

28c) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers.

29aa) Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erfülle nicht das Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe B9 LTV NRW. Er sei weder im Empfangsdienst tätig noch obliege ihm die Überwachung von technischen Anlagen. Für den Feststellungsantrag ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, es bedürfe keiner abschließenden Entscheidung, ob es sich bei den Lohngruppen B8 und B9 LTV NRW um echte Aufbaufallgruppen handele. Der Antrag sei bereits abzuweisen, weil das Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe B9 LTV NRW nicht erfüllt sei. Für eine Entscheidung über die Entgeltansprüche komme es nicht darauf an, ob eine Vergütung nach der Lohngruppe B8 LTV NRW überhaupt streitgegenständlich sei. Die Klage sei in beiden Fällen abzuweisen, weil entweder - so die Auffassung des Arbeitsgerichts - darüber nicht zu entscheiden oder die Klage deshalb abzuweisen sei, weil es hierfür an einem schlüssigen Tatsachenvortrag fehle.

30bb) In seiner Berufungsbegründung zeigt der Kläger näher auf, weshalb eine Eingruppierung in Lohngruppe B8 LTV NRW nicht streitgegenständlich gewesen sei. Dies ist nach dem Begründungsweg des Arbeitsgerichts ausreichend. Es ist dann nicht erforderlich, sich auch mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Erfüllung der Anforderungen der Lohngruppe B8 LTV NRW auseinanderzusetzen. Unerheblich ist es, ob diese Argumentation zutreffend ist. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (st. Rspr., etwa  - Rn. 11 mwN).

313. Die Klage ist insgesamt zulässig. Der Feststellungsantrag ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Er enthält zwar hinsichtlich des maßgeblichen Tarifvertrags weder eine Angabe der tarifschließenden Parteien noch das Abschlussdatum des Tarifvertrags. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich aber entnehmen, dass es sich um den LTV NRW handelt.

324. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach der Lohngruppe B8 LTV NRW zu vergüten. Daher sind sowohl der Feststellungsantrag - Antrag zu 3. - als auch der auf Zahlung von Entgeltdifferenzen gerichtete Antrag zu 1. ohne Erfolg. Gleiches gilt dann in der Folge für die mit dem Antrag zu 2. begehrte Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB.

33a) Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Regelungen des LTV NRW Anwendung.

34b) Die Tätigkeit des Klägers, bei der es sich um eine solche als Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst handelt, erfüllt nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe B8 LTV NRW. Die Beklagte kann vom Kläger nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen schon keine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen.

35aa) Für die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals „Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst, … von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann“ ist nicht Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer eine Ausbildung in Erster Hilfe oder im Brand- und Katastrophenschutz absolviert hat. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Erfüllung der Ausbildungsverpflichtung für die genannten Tätigkeiten hat. Das hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts für die insoweit wortgleiche Lohngruppe 2.0.15 des Lohntarifvertrags für das Bewachungsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom ausführlich begründet ( - zu 2 der Gründe). Dem schließt sich der Senat für die vorliegende Tarifregelung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die genannte Entscheidung. Die Tarifvertragsparteien haben auch in Kenntnis der Entscheidung des Zehnten Senats vom (- 10 AZR 407/97 -) an der Formulierung „verlangen kann“ festgehalten.

36bb) Danach kann die Beklagte vom Kläger weder eine Ausbildung in Erster Hilfe noch im Brand- und Katastrophenschutz verlangen.

37(1) Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich bereits nach seinem äußeren Erscheinungsbild um einen Formularvertrag, der nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen ist (vgl. hierzu  - Rn. 15, BAGE 134, 283). Dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht ist in der Revisionsinstanz voll überprüfbar ( - Rn. 40 mwN, BAGE 158, 54).

38(2) Die Ausbildung in Erster Hilfe sowie im Brand- und Katastrophenschutz ist nicht Teil der Verpflichtung nach Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags. Die Vereinbarung enthält entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine fachlich umfassende Schulungsverpflichtung, sondern lediglich eine solche zur Teilnahme am für Wachpersonen obligatorischen Unterricht nach § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 GewO. Einer Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bedarf es deshalb nicht.

39(a) Nach Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags hat der Arbeitnehmer am allgemeinen Unterricht zur Aus- und Fortbildung im Wach- und Sicherheitsgewerbe teilzunehmen. Mit der Formulierung „Unterricht“ im Zusammenhang mit Aus- und Fortbildungen im Wach- und Sicherheitsgewerbe haben die Parteien ersichtlich auf § 34a GewO Bezug genommen. Die Vorschrift regelt die Anforderungen an den Betrieb eines Bewachungsgewerbes. Nach § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 GewO ist zwingende Voraussetzung für den Einsatz als Wachperson die Unterrichtung über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen und fachlichen Grundlagen. Die nähere Ausgestaltung des Unterrichts ergibt sich aus den §§ 4 bis 7 der Verordnung über das Bewachungsgewerbe (BewachV, vom , BGBl. I S. 1378, idF vom , BGBl. I S. 2692; nunmehr BewachV vom , BGBl. I S. 692, idF vom , BGBl. I S. 882). Mit dem Begriff des „Unterrichts“ wird ein Fachbegriff aus dem Wach- und Sicherheitsgewerbe verwendet, der mangels anderweitiger Anhaltspunkte in seiner tatsächlichen juristischen Bedeutung zu verstehen ist (vgl.  - Rn. 52;  - Rn. 24; - VIII ZR 135/02 - zu II 1 a der Gründe). Für eine Verwendung in diesem Sinne spricht auch, dass in Nr. 8 des Arbeitsvertrags der Begriff des „Sachkundenachweises“ verwendet wird, der ebenfalls in § 34a Abs. 1a Satz 2 GewO als erforderlich für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten erwähnt ist. Dem steht nicht entgegen, dass in § 7 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags nicht nur die Aus-, sondern auch die Fortbildung genannt wird und eine solche hinsichtlich des Unterrichts nach § 34a GewO grundsätzlich nicht erforderlich oder vorgesehen ist. Durch die Verwendung des Begriffs „Unterricht“ iVm. dem Hinweis auf das Wach- und Sicherheitsgewerbe ist der Bezug zu § 34a GewO hinreichend deutlich.

40(b) Der Unterricht iSv. § 34a GewO iVm. der BewachV erfasst weder eine Ausbildung in Erster Hilfe noch im Brand- und Katastrophenschutz. Nach § 4 Satz 1 und Satz 2 iVm. Anlage 3 BewachV (idF der Bekanntmachung vom , inhaltlich unverändert idF der BewachV vom [nunmehr § 7 iVm. Anlage 2]) umfasst der Unterricht das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches, Auszüge aus dem Straf- und Verfahrensrecht, Unfallverhütungsvorschriften, Umgang mit Menschen und Grundzüge der Sicherheitstechnik. Zur Sicherheitstechnik gehört zwar auch Brandschutz, nicht aber eine Ausbildung im Brand- und Katastrophenschutz.

41(c) Darüber hinaus handelt es sich bei den Ausbildungen in Erster Hilfe und im Brand- und Katastrophenschutz nicht um solche des Wach- und Sicherheitsgewerbes. Nur für diese besteht aber die Verpflichtung iSd. Nr. 7 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags.

42(3) Aus Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags ergibt sich ebenfalls keine Verpflichtung des Klägers, auf Verlangen der Beklagten an einer Ausbildung in Erster Hilfe oder im Brand- und Katastrophenschutz teilzunehmen. Danach gelten bei einer speziellen Ausbildung, einschließlich der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung durch Fremdkräfte, besondere Bestimmungen, die durch eine „Zusatzvereinbarung“ festgelegt werden. Der Senat muss nicht darüber befinden, ob es sich bei den in Lohngruppe B8 LTV NRW genannten Ausbildungen um „spezielle Ausbildungen“ in diesem Sinne handelt. Im Gegensatz zu Satz 1 enthält Satz 2 keine Verpflichtung zu einer Teilnahme oder zum Abschluss der erforderlichen Zusatzvereinbarung.

43(4) Aus Nr. 7 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags folgt kein anderes Ergebnis. Die fehlende Berechtigung des Arbeitnehmers, „die Teilnahme am Unterricht zu verweigern“, bezieht sich nach dem Wortlaut und der erneuten Bezugnahme auf den „Unterricht“ auf eine Aus- und Fortbildung nach Satz 1.

44III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:030719.U.4AZR456.18.0

Fundstelle(n):
UAAAH-32236