BAG Urteil v. - 4 AZR 171/22

Verpflegungszuschuss - Günstigkeitsvergleich - Sachgruppenbildung - Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien - tarifvertragliche Ausschlussfrist

Gesetze: § 1 TVG, § 3 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 4 Abs 3 TVG, § 308 Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: ArbG Neuruppin Az: 5 Ca 170/21 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 13 Sa 1102/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Zahlung eines Verpflegungszuschusses.

2Der Kläger, Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), ist seit 2016 bei der Beklagten in deren Werk G als Fahrer eines Tanksammelwagens, mit dem er Rohmilch von den Erzeugern abholt (sog. Milchsammelwagenfahrer), beschäftigt. Mit einer „Änderung zum Anstellungsvertrag“ (Änderungsvertrag) trafen die Parteien unter dem ua. folgende Vereinbarungen:

3Die Beklagte schloss mit der NGG am 24./ einen Manteltarifvertrag (MTV), dessen räumlicher und persönlicher Anwendungsbereich alle Arbeitnehmer des Werks G mit Ausnahme der Fahrer im Fernverkehr - zu denen Milchsammelwagenfahrer zählen - erfasst. Am vereinbarten dieselben Tarifvertragsparteien eine „tarifliche Regelung“, nach der ab dem der MTV „auch für die Milchsammelwagenfahrer“ gilt. Weiterhin wurde am selben Tag eine Änderung zum bestehenden Lohn- und Gehaltstarifvertrag (ÄTV) für das Werk G vereinbart, die ua. folgende Regelungen enthält:

4Die Beklagte zahlte bis einschließlich des Monats März 2020 den bei ihr beschäftigten Milchsammelwagenfahrern einen Verpflegungszuschuss. Dem Kläger gewährte sie ausweislich der „Lohn-/Gehaltsabrechnung“ vom einen als „Aufwandsentschädigung“ bezeichneten Verpflegungszuschuss iHv. jeweils 12,00 Euro für 21 Arbeitstage im März 2020, an denen er mindestens acht Stunden als Fahrer unterwegs war. Seit April 2020 zahlte sie dem Kläger lediglich den tariflichen Stundenlohn von 13,00 Euro brutto nebst Zuschlägen, aber nicht den Verpflegungszuschuss. Der Kläger war in den Monaten April bis einschließlich September 2020 an insgesamt 103 Tagen mindestens acht Stunden als Fahrer im Einsatz, davon 20 Tage im August und 19 Tage im September 2020.

5Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom ohne Erfolg auf, ihm bis zum einen Verpflegungszuschuss iHv. insgesamt 1.236,00 Euro für die Monate April bis einschließlich September 2020 zu zahlen.

6Mit der Klage verfolgt er sein Begehren weiter. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, den Verpflegungszuschuss weiterhin zu gewähren. Der ÄTV regele nur Ansprüche auf tariflicher Ebene. Nach dem Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG könne er aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen nach wie vor den Verpflegungszuschuss beanspruchen.

7Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, mit dem höheren tariflichen Stundenlohn sei der arbeitsvertraglich festgelegte Verpflegungszuschuss erfüllt worden. Die Regelungen in § 2 ÄTV seien günstiger als die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Bei einem Günstigkeitsvergleich bildeten die Vergütung und der Verpflegungszuschuss eine Sachgruppe. Im Übrigen seien die Forderungen für die Monate April bis Juli 2020 aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in § 9 MTV verfallen.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

10Die Revision des Klägers ist teilweise begründet.

11I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist bereits wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO rechtsfehlerhaft, soweit es das Begehren des Klägers im Hinblick auf einen Anspruch nach § 670 BGB abgewiesen hat.

121. Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch dann, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (st. Rspr., zB  - Rn. 17 f., BAGE 165, 100).

132. Der Kläger hat den Anspruch auf den Verpflegungszuschuss ausschließlich auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen gestützt. In der Berufungsinstanz hat er zur Begründung eines vertraglichen Anspruchs zwar den „Aufwendungsersatzanspruch aus analoger Anwendung“ nach § 670 BGB angeführt. Er hat aber nicht geltend gemacht, sein Anspruch sei ebenfalls deshalb begründet. Indem das Landesarbeitsgericht die Klage jedoch auch im Hinblick auf einen solchen Anspruch abgewiesen hat, hat es über einen nicht zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand entschieden.

143. Das klageabweisende Urteil ist insoweit zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft zu verhindern, ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte (vgl.  - Rn. 20, BAGE 165, 100).

15II. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

161. Die Leistungsklage ist nach der durch den Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vorgenommenen Änderung des Antrags durch Wegfall des Zusatzes „netto“ auf die Zahlung eines Bruttobetrags gerichtet. Soweit darin eine Klageänderung liegen sollte, hat das Landesarbeitsgericht deren Voraussetzungen nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 533 ZPO durch seine Entscheidung bejaht, sodass eine Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht mehr erfolgt (vgl.  - Rn. 13 mwN, BAGE 164, 316).

172. Der Zahlungsantrag ist nur teilweise begründet. Der Kläger kann lediglich für die Monate August und September 2020 einen Verpflegungszuschuss beanspruchen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, da die Ansprüche für April bis Juli 2020 wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen sind.

18a) Die Beklagte hat durch die Zahlung des tariflichen Stundenentgelts nach § 2 Abs. 1 ÄTV iHv. 13,00 Euro brutto je Stunde arbeitsvertragliche Ansprüche des Klägers auf einen Verpflegungszuschuss nicht erfüllt.

19aa) Für den Kläger gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) die zwischen der Beklagten und der NGG geschlossenen Tarifverträge, darunter der ÄTV.

20bb) Zugleich finden die individualvertraglichen Regelungen Anwendung, nach denen der Kläger einen Stundenlohn von 9,36 Euro brutto und die dort genannten Zuschläge sowie weiterhin einen Verpflegungszuschuss beanspruchen kann, wenn die Arbeitszeit täglich mindestens acht Stunden beträgt. Dieser beträgt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts infolge einer konkludenten Vertragsänderung der Parteien zwölf Euro.

21cc) Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden Tarifregelungen sowie den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG) zu lösen (st. Rspr.,  - Rn. 34 mwN, BAGE 164, 345). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertragliche Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung. Bei diesem sog. Günstigkeitsvergleich sind die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen gegenüberzustellen, die in einem inneren Zusammenhang stehen, sog. Sachgruppenvergleich ( - Rn. 27 ff., BAGE 151, 221).

22dd) Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu einem Günstigkeitsvergleich iSd. § 4 Abs. 3 TVG zwischen dem tariflichen Entgelt einerseits sowie den Regelungen über das Arbeitsentgelt einschließlich der Zuschläge und dem Anspruch auf einen Verpflegungszuschuss andererseits. Der Verpflegungszuschuss kann nicht der Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“ zugeordnet werden, anhand derer ein Günstigkeitsvergleich mit dem für die identische Arbeitszeit geleisteten tariflichen Entgelt durchzuführen wäre (zur Berücksichtigung der Arbeitszeit bei Bildung der Sachgruppe  - Rn. 35 mwN, BAGE 151, 221).

23(1) Ob es sich bei dem vertraglich geschuldeten Verpflegungszuschuss um einen Entgeltbestandteil handelt, hängt davon ab, ob mit dessen Zahlung erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet werden soll. Zu berücksichtigen sind alle Entgeltbestandteile, die sich - zumindest auch - als Gegenleistung zu der zu erbringenden Arbeitsleistung darstellen ( - Rn. 46).

24(2) Mit dem in § 4 Satz 3 des Änderungsvertrags vereinbarten Verpflegungszuschuss soll nicht (auch) die Arbeitsleistung zusätzlich vergütet werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich nicht um „Entgelt im weiteren Sinn“, welches in einen Sachgruppenvergleich einzubeziehen ist, sondern um einen Aufwendungsersatz, der nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem für die Arbeitsleistung geschuldeten Entgelt steht. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags.

25(a) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich bereits nach seinem äußeren Erscheinungsbild um einen Formularvertrag, der nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen ist (vgl. dazu  - Rn. 37 mwN).

26(b) Verpflegungskostenzuschüsse sind regelmäßig Aufwendungsersatzleistungen und stellen kein Arbeitsentgelt dar (vgl. etwa Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 98 Rn. 85). Ein Aufwendungsersatz wird nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit, sondern im Hinblick auf besondere Aufwendungen oder Auslagen gewährt, die dem Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung seiner Tätigkeit entstanden sind (vgl.  - Rn. 35).

27(c) Nach dem Arbeitsvertrag ist ein „Verpflegungszuschuss“ zu zahlen. Damit haben die Parteien einen Aufwendungsersatzanspruch vereinbart. Dieser soll Mehraufwendungen des Klägers anlässlich seiner auswärtigen Tätigkeit durch eine Verpflegungspauschale ausgleichen (sh. auch  - zu II 1 d der Gründe). Die vereinbarte Pauschalierung des Verpflegungszuschusses soll dazu dienen, dass der Kläger nicht die konkret entstandenen Mehraufwendungen im Einzelnen gegenüber der Beklagten nachweisen und diese dann im Gegenzug die Erstattungsfähigkeit prüfen muss, sondern dass sie einen typischerweise entstehenden Verpflegungsaufwand abzugelten hat. Anders als die Beklagte meint, erfasst der Anspruch auf den Verpflegungszuschuss daher nicht die „unmittelbare Hauptpflicht des Arbeitgebers zur Leistung der Vergütung“. Weiterhin deckt der Verpflegungszuschuss entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gerade nicht die Kosten ab, die ein Arbeitnehmer für Verpflegung ohnehin im Rahmen seiner privaten Lebensführung aufzuwenden hat. Vielmehr soll durch den Zuschuss ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass dem Kläger im Rahmen seiner mindestens achtstündigen Fahrtätigkeit (außerhalb des Betriebs) regelmäßig höhere Aufwendungen für seine Verpflegung entstehen.

28(d) Für die Einordnung des Verpflegungszuschusses als pauschalierter Aufwendungsersatz spricht zudem, dass sich die Parteien hinsichtlich der Voraussetzungen (einer mindestens achtstündigen Abwesenheit von der Betriebsstätte) - mit marginalen Abweichungen - an den steuerrechtlichen Vorgaben von § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG orientiert haben (so auch bei der Bewertung betrieblicher Spesensätze für Tätigkeiten im Außendienst  - zu B I 3 b der Gründe, BAGE 90, 76). Ebenso entspricht die zuletzt geleistete Höhe derjenigen des steuerfreien Pauschbetrags (idF bis zum ). Die Festsetzung steuerfreier Pauschbeträge durch den Gesetzgeber kann als Indiz dafür gewertet werden, dass in der Regel derartige Mehraufwendungen anfallen (zur Festsetzung von Pauschbeträgen durch die Finanzverwaltung vgl.  - zu 1 der Gründe mwN). Der Gesetzgeber geht in Zusammenhang mit § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 EStG typisierend davon aus, dass ein beruflich veranlasster Mehraufwand für Verpflegung anzuerkennen ist, wenn sich der Arbeitnehmer nicht am Betriebssitz oder an anderen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers aufhält (vgl.  - Rn. 13, BFHE 226, 59). Dementsprechend hat die Beklagte den sich aus der vertraglichen Vereinbarung ergebenden Betrag als lohnsteuer- und sozialversicherungsabgabenfreie (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV) „Aufwandsentschädigung“ abgerechnet.

29(e) Soweit der Anspruch auf den Verpflegungszuschuss nach § 4 Satz 3 des Änderungsvertrags eine tägliche Mindestarbeitszeit von acht Stunden voraussetzt, lässt sich - anders als die Beklagte meint - nicht folgern, es handele sich vorliegend um eine Entgeltleistung. Mit dieser Voraussetzung wird lediglich festgelegt, nach welcher Mindestdauer der auswärtigen Tätigkeit die Parteien von Mehraufwendungen ausgehen, die durch den pauschalierten Verpflegungszuschuss ausgeglichen werden sollen.

30(f) Anhaltspunkte, bei dem Verpflegungszuschuss handele es sich nicht um einen „echten Aufwendungsersatz“, sondern ein „verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt, das bei einem Günstigkeitsvergleich zu berücksichtigen wäre (vgl.  - Rn. 32 mwN, BAGE 157, 213), sind nicht ersichtlich.

31(3) Auch der Entscheidung des - 2 AZR 109/62 - BAGE 13, 301) zu einer Nahauslösung lässt sich nicht entnehmen, dass es sich bei einem Verpflegungszuschuss stets um Arbeitsentgelt handelt. Der Zweite Senat ist vielmehr davon ausgegangen, dass eine Nahauslösung „von Haus aus nicht als Arbeitsentgelt …, sondern als Spesenersatz“ zu beurteilen ist. Lediglich für den damals entschiedenen Rechtsstreit hat er - unter Hinweis darauf, dass eine Beurteilung immer unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen habe - die dortige Nahauslösung als Arbeitsentgelt eingeordnet.

32ee) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus § 2 ÄTV. Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, § 2 Abs. 2 ÄTV sei dahingehend zu verstehen, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung (zugleich) günstigere einzelvertragliche Ansprüche auf Gewährung eines Verpflegungszuschusses aufheben wollten, wäre dies rechtlich nicht zulässig. Den Tarifvertragsparteien fehlt für eine solche Vereinbarung die erforderliche Regelungskompetenz.

33Gegenstand kollektiver Regelungen durch tarifliche Inhaltsnormen ist die Festsetzung allgemeiner Mindestarbeitsbedingungen ( - Rn. 41, BAGE 137, 231). Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags haben dabei keine den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestaltende Wirkung. Deren unmittelbare und zwingende Wirkung hat lediglich zur Folge, dass eine ungünstigere Einzelvereinbarung keine Geltung entfalten kann, weil sie von der tariflichen Regelung verdrängt wird (vgl.  - Rn. 27 mwN, BAGE 170, 230). Die Privatautonomie soll durch die zwingende Wirkung eines Tarifvertrags allerdings nicht mehr als notwendig eingeschränkt werden ( - Rn. 43 mwN, BAGE 125, 179). Dem Arbeitnehmer verbleibt aufgrund der verfassungsrechtlich verbürgten Privatautonomie - wie auch das in § 4 Abs. 3 TVG verankerte Günstigkeitsprinzip zeigt - ein eigener Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung seiner Arbeitsbedingungen (vgl.  - Rn. 28 mwN, aaO). In diese individualvertraglich getroffenen Vereinbarungen kann durch einen Tarifvertrag nicht unmittelbar eingegriffen werden ( - BAGE 23, 399).

34b) Der Kläger kann den Verpflegungszuschuss für die Monate August und September 2020 beanspruchen. Für den Zeitraum von April bis Juli 2020 sind die Ansprüche mangels rechtzeitiger Geltendmachung nach § 9 MTV verfallen.

35aa) Nach § 9 MTV gelten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis als verwirkt, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrem Entstehen geltend gemacht werden. Eine Forderung ist im Allgemeinen dann entstanden, wenn der von der Norm zu ihrer Entstehung vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt aber nicht vor Fälligkeit, also nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem der Gläubiger vom Schuldner die Leistung verlangen kann, § 271 BGB ( - Rn. 55, BAGE 163, 144). Diese tritt - wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt haben - nach der betrieblichen Praxis entsprechend der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 1 MTV am „10. des Folgemonats“ ein.

36bb) Durch das Schreiben des Klägers vom ist die dreimonatige Ausschlussfrist lediglich für die Monate August und September 2020, nicht aber für den Zeitraum von April bis Juli 2020 gewahrt. Der Kläger kann daher für 20 Tage im August 2020 und 19 Tage im September 2020 einen Verpflegungszuschuss iHv. 468,00 Euro brutto verlangen.

37c) Der Zinsausspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.

38III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:250123.U.4AZR171.22.0

Fundstelle(n):
DB 2023 S. 1944 Nr. 34
XAAAJ-37592