BAG Urteil v. - 6 AZR 522/17

Überbrückungsbeihilfe nach TV SozSich - Umgehungsgeschäft

Leitsatz

Wird eine von einer Tarifnorm eröffnete rechtliche Gestaltungsmöglichkeit missbräuchlich eingesetzt, um einen nach Inhalt und Zweck der Norm verbotenen Erfolg zu erreichen, liegt ein unwirksames Umgehungsgeschäft vor. Darum besteht kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zum Krankengeld nach § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich, wenn das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis ein Scheingeschäft iSd. § 117 Abs. 1 BGB ist.

Gesetze: § 1 TVG, § 117 Abs 1 BGB

Instanzenzug: ArbG Kaiserslautern Az: 8 Ca 726/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 8 Sa 45/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld sowie über Rückforderungsansprüche der Beklagten.

2Der 1954 geborene Kläger war seit 1977 bei den US-Stationierungsstreitkräften als IT-Experte zuletzt mit einem Bruttomonatsentgelt von 4.336,69 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis, auf das ua. der Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich) anzuwenden war, endete wegen Personaleinschränkung iSd. § 2 Ziff. 1 TV SozSich mit Wirkung zum . Dem Kläger stehen aufgrund der zu diesem Zeitpunkt erreichten Beschäftigungsjahre und des erforderlichen Mindestalters von 40 Jahren grundsätzlich Leistungen nach dem TV SozSich zu. Die im Streitfall maßgeblichen Bestimmungen dieses Tarifvertrags lauten wie folgt:

3Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld war der Kläger seit dem im Kleinbetrieb der nicht tarifgebundenen G + S GbR (im Folgenden GbR) aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden als Aushilfsfahrer/Lagerarbeiter zu einem Bruttomonatsentgelt von zunächst 450,00 Euro beschäftigt. Dieses erhöhte sich ab dem auf 490,00 Euro und ab dem auf 850,00 Euro.

4Die Beklagte zahlte dem Kläger im Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich September 2014 Überbrückungsbeihilfe in Höhe von insgesamt 131.515,65 Euro brutto. Ab Oktober 2014 stellte sie die Zahlung ein, da der Kläger nach ihrer Auffassung insbesondere im Hinblick auf die im Arbeitsverhältnis mit der GbR gezahlte geringe Vergütung keiner „anderweitigen Beschäftigung“ iSd. § 4 TV SozSich nachgehe. Die daraufhin vom Kläger angestrengte Klage festzustellen, dass ihm auf der Grundlage dieses Arbeitsverhältnisses und eines Arbeitsverdienstes von 850,00 Euro ab Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zustehe, wies das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit nach Berufungsverwerfung rechtskräftigem Urteil vom (- 8 Ca 229/15 -) ab. Das Arbeitsverhältnis sei nichtig, da die Vergütung sittenwidrig zu niedrig sei.

5Das Arbeitsverhältnis des seit dem nach einer Operation arbeitsunfähig erkrankten Klägers mit der GbR endete aufgrund einer nach Eintritt der Erkrankung ausgesprochenen ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung mit Ablauf des . Ab dem erhielt der Kläger bis zur Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit am Krankengeld in Höhe von 14,93 Euro netto kalendertäglich.

6Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe für den Zeitraum vom bis Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld zu, während Rückzahlungsansprüche hinsichtlich der für den Zeitraum von Januar 2012 bis September 2014 erhaltenen Überbrückungsbeihilfe nicht bestünden, mangels rechtzeitiger Geltendmachung jedenfalls verfallen sowie verjährt seien. Ungeachtet dessen sei er entreichert.

7Der Kläger hat beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt,

9Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dem Kläger sei keine Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld zu zahlen, weil ein solcher Anspruch als Aufstockungsleistung zum Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsvertrag bei der GbR schon aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom (- 8 Ca 229/15 -) nicht bestehe. Insoweit sei eine Ausstrahlungswirkung auf andere Anknüpfleistungen anzunehmen, die im Tarifvertrag planwidrig nicht geregelt sei. Es stelle einen Wertungswiderspruch dar und widerspreche der Rechtsnatur des Krankengeldes als Entgeltersatzleistung, wenn einem ehemaligen Beschäftigten im Fall einer längeren Erkrankung Überbrückungsbeihilfe zustehe, obwohl das Arbeitsverhältnis, nach dessen Arbeitsentgelt sich die Höhe des Krankengeldes richte, als Anknüpfleistung nicht anzuerkennen sei. Zumindest berechne sich das Krankengeld und damit die Überbrückungsbeihilfe wegen der Sittenwidrigkeit des Arbeitsentgelts nach einem fiktiven Entgelt, das sich regelmäßig nach dem Tariflohn bemesse. Der Klageforderung stehe auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Hilfsweise werde mit der Rückzahlungsforderung aufgerechnet.

10Hinsichtlich ihrer Widerklage hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, die rechtskräftige Feststellung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, dass dem Kläger ab dem auf der Grundlage des Arbeitsverhältnisses mit der GbR keine Überbrückungsbeihilfe zustehe, gelte auch für den Zeitraum davor und erst recht bei einem geringeren Arbeitsentgelt. Das führe zu einem Rückzahlungsanspruch gemäß § 8 Ziff. 4 TV SozSich, jedenfalls aber aus Bereicherungsrecht. Dessen Anwendung sperre § 8 Ziff. 4 TV SozSich nach seinem Sinn und Zweck nicht. Da der Kläger gewusst habe, dass die Zahlungen rechtswidrig erfolgt seien, könne er Entreicherung nicht einwenden, zumal er diese nicht dargelegt habe.

11Die Vorinstanzen haben der Klage vollumfänglich stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren unverändert weiter.

Gründe

12Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Dem Kläger steht die geltend gemachte Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld für den Zeitraum vom bis zu, während die Beklagte nicht zur Rückforderung der im Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich September 2014 gezahlten Überbrückungsbeihilfe berechtigt ist.

13I. Die Revision ist zulässig. Sie ist entgegen der Annahme des Klägers form- und fristgerecht begründet worden (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 ZPO, § 74 Abs. 1 ArbGG), obwohl die Revision ausdrückliche Revisionsanträge erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist formuliert hat.

141. Gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ZPO muss die Revisionsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und deshalb dessen Aufhebung beantragt wird. Eine ausdrückliche Formulierung und textliche Absonderung der Revisionsanträge ist zwar empfehlenswert, aber nicht erforderlich. Ausreichend ist es, wenn dem Inhalt der Begründung zweifelsfrei zu entnehmen ist, welches Sachbegehren der Revisionskläger verfolgt (vgl.  - Rn. 14 mwN, BAGE 149, 1). Auch Prozesshandlungen sind auslegungsfähig und -bedürftig. Insoweit sind die Auslegungsregeln des materiellen Rechts grundsätzlich entsprechend anzuwenden. Entscheidend ist also der objektive, dem Empfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl.  - Rn. 14 f., aaO).

152. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die Beklagte weder in der Revisionsschrift noch in der Revisionsbegründungsschrift, die beide fristgerecht bei Gericht eingegangen sind, ausdrückliche Anträge gestellt hat. Diesen Schriftsätzen ist aber unmissverständlich zu entnehmen, dass die Beklagte und Widerklägerin mit ihrer Revision die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils dahingehend begehrt, dass die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage insgesamt stattgegeben wird (vgl.  - zu A der Gründe; - 4 AZR 353/81 - juris-Rn. 9, BAGE 44, 268). Die Beklagte hat mit der Antragsformulierung in ihrem Schriftsatz vom lediglich zusätzlich verdeutlicht, was bereits vorher klar gewesen ist (vgl.  - zu I der Gründe).

16II. Die Revision ist sowohl in Bezug auf die Klage als auch auf die Widerklage unbegründet.

171. Die auf eine Nettozahlung gerichtete Klage ist zulässig.

18a) Sie ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der TV SozSich lässt im Fall der Anknüpfleistung des § 4 Ziff. 1 Buchst. b und Buchst. c TV SozSich eine Nettozahlungsklage zu, wie § 4 Ziff. 3 Buchst. b, Ziff. 4 Abs. 2 TV SozSich belegt (vgl.  -; - 6 AZR 451/97 - BAGE 91, 358; - 6 AZR 670/95 -; vgl. zu § 1a AEntG aF:  - Rn. 12, BAGE 139, 36; - 5 AZR 617/01 - zu I 3 der Gründe, BAGE 113, 149).

19b) Der Klage steht die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom (- 8 Ca 229/15 -) bereits deswegen nicht entgegen, weil dieser Entscheidung eine auf einem anderen Lebenssachverhalt basierende Anknüpfleistung und damit ein anderer Streitgegenstand als im vorliegenden Fall zugrunde lag. Während sich das Feststellungsbegehren des Klägers dort auf Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung bei der GbR nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bezog, begehrt der Kläger hier Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld nach § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich.

202. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld für den Zeitraum vom bis nach § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich zu zahlen.

21a) Die tariflichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe sind gegeben.

22aa) Der Kläger erfüllt unstreitig die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 TV SozSich. Auch ist der von § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich geforderte Bezug von Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung im streitgegenständlichen Zeitraum gegeben. Der Kläger erhielt vom bis ein Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 14,93 Euro netto. Dabei hat er die auf zwölf Wochen pro Kalenderjahr limitierte Anspruchsdauer des § 4 Ziff. 2 Buchst. b TV SozSich beachtet.

23bb) Dass dem Kläger Krankengeld in der gezahlten Höhe für den streitbefangenen Zeitraum zusteht, ist unabhängig von der seitens der Beklagten aufgeworfenen Frage, ob der Kläger der Krankenkasse alle für den Leistungsbezug relevanten Tatsachen mitgeteilt hat, vom Senat ohne weitere Prüfung hinzunehmen. Nach innerstaatlichem Recht sind die Gerichte aller Gerichtszweige an das Bestehen und den Inhalt von wirksamen Verwaltungsakten gebunden, soweit ihnen nicht die Kontrollkompetenz eingeräumt ist (sog. Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten). Die Arbeitsgerichte können deshalb deren materielle Rechtmäßigkeit mit Ausnahme ihrer Nichtigkeit nicht überprüfen (vgl.  - Rn. 25; - 6 AZR 71/14 - Rn. 29; - 10 AZR 571/98 - zu II 4 c der Gründe; vgl. zur Reichweite der Bindungswirkung  - Rn. 74, BAGE 142, 202). Eine Nichtigkeit wird von der Revision selbst nicht geltend gemacht. Im Übrigen sind dafür auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

24b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die tarifvertragliche Regelung weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht vorsieht (vgl. zum Tatbestand des § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich:  - Rn. 6 f.; - 6 AZR 337/94 - zu II 1 der Gründe). Der Wortlaut des § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich ist insoweit eindeutig. Er nimmt keinerlei Bezug auf ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis und die Frage, ob ein solches als Anknüpfleistung nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich in Betracht kommt, dh. rechtswirksam begründet wurde. Die Fallgruppen des § 4 Ziff. 1 TV SozSich stehen unabhängig nebeneinander ( - zu II 2 der Gründe).

25Dies wird durch Sinn und Zweck der Regelung bestätigt. Die Überbrückungsbeihilfe dient dazu, dem Arbeitnehmer einen Anreiz zu bieten, entweder eine anderweitige Beschäftigung aufzunehmen oder zumindest der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen. Beide Optionen können dann nicht greifen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund vorübergehender Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht bzw. kein Arbeitsentgelt oder Entgeltersatzleistung in Form einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhält. Für diesen Fall soll § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich eingreifen und dem Arbeitnehmer zumindest für den Zeitraum von zwölf Wochen im Kalenderjahr die Fortsetzung der bisherigen Lebenshaltung ermöglichen.

26c) Entgegen der Annahme der Revision enthält der TV SozSich hinsichtlich der fehlenden Ausstrahlungswirkung von § 4 Ziff. 1 Buchst. a auf § 4 Ziff. 1 Buchst. c keine planwidrige Regelungslücke. Ebenso wenig besteht der von ihr befürchtete Wertungswiderspruch, der sich ergäbe, wenn ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zum Krankengeld bestünde, obwohl zuvor zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung, auf dessen Grundlage das Krankengeld berechnet wird, keine Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu zahlen gewesen wäre. Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich ist nicht zu zahlen, wenn ein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zum Arbeitsentgelt gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich daran scheitern würde, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis ein Scheingeschäft iSd. § 117 Abs. 1 BGB ist. Das schließt zwar den Bezug von Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zum Krankengeld nach dem Wortlaut des, wie in Rn. 24 ausgeführt, eigenständigen Anspruchstatbestands in § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich nicht aus. Stünde dem Arbeitnehmer jedoch in diesen Fällen Überbrückungsbeihilfe tatsächlich zu, würde der Zweck des § 4 TV SozSich als steuerfinanzierte soziale Sonderleistung mit Besitzstandssicherungs- und Anreizfunktion vereitelt. Der Bezug von Überbrückungsbeihilfe gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich wäre dann objektiv funktionswidrig und damit als Umgehungsgeschäft rechtsmissbräuchlich. In diesem Fall weiß der frühere Beschäftigte der Stationierungsstreitkräfte, dass er die Voraussetzungen zum Bezug von Krankengeld nur dadurch herbeigeführt hat, dass er ein gemäß § 117 Abs. 1 BGB unwirksames Scheinarbeitsverhältnis eingegangen ist. Als allgemeines Prinzip der Rechtsordnung kann ein Berufen auf einen solchen Rechtsmissbrauch von den Tarifvertragsparteien nicht ausgeschlossen werden. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Insoweit eröffnet der TV SozSich den früheren Beschäftigten der Stationierungsstreitkräfte die von der Revision angenommene Gestaltungsmöglichkeit gerade nicht.

27aa) Eine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich, dh. ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnorm sachlich rechtfertigenden Grund, verwendet werden. Bei der Umgehung ist nicht nur ein bestimmter Weg zum Ziel, sondern das Ziel selbst verboten. Dabei kommt es nicht auf eine Umgehungsabsicht oder eine bewusste Missachtung der zwingenden Rechtsnormen an; entscheidend ist die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Unwirksam ist deshalb auch ein Geschäft, das einen verbotenen Erfolg durch Verwendung von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen sucht, die scheinbar nicht von einer Verbotsnorm erfasst werden ( - Rn. 17 mwN, BAGE 130, 34; - 6 AZR 632/08 - Rn. 28, BAGE 128, 317). Demgegenüber stellt es keine unzulässige Umgehung von Rechtsnormen dar, wenn der Beschäftigte rechtlich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten nutzt ( - Rn. 28 f., aaO). Hierunter fallen auch tariflich eröffnete Gestaltungsmöglichkeiten, die von den Tarifvertragsparteien eingeräumt worden sind. Ein Umgehungsgeschäft liegt darum im Anwendungsbereich des TV SozSich nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel weniger Wochenstunden arbeitet als zuvor bei den Stationierungsstreitkräften oder unterhalb seines Qualifikationsniveaus bzw. seiner Berufserfahrung tätig ist. Insbesondere liegt eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer „punktgenau“ die tarifliche Mindestbeschäftigungsdauer vereinbart ( - Rn. 20).

28bb) Ein Umgehungsgeschäft ist jedoch hinsichtlich der Leistung nach § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich anzunehmen, wenn das Arbeitsverhältnis, aus dem der Krankengeldanspruch resultiert, ein Scheinarbeitsverhältnis ist. Gemäß § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die gegenüber einem anderen nur zum Schein abgegeben wird, nichtig, wenn dies mit dessen Einverständnis geschieht. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Beteiligten ein Ziel durch den bloßen Schein des simulierten Rechtsgeschäfts erreichen, die damit verbundenen Rechtswirkungen jedoch nicht eintreten lassen wollen, ihnen also der Geschäftswille fehlt ( - Rn. 47 mwN; - 2 AZR 125/04 - zu II 1 a der Gründe mwN;  - Rn. 52). Kein Scheingeschäft liegt vor, wenn es zur Herbeiführung des von den Parteien tatsächlich beabsichtigten Erfolgs der wirksamen Vornahme des betreffenden Rechtsgeschäfts gerade bedarf ( - Rn. 44, BAGE 158, 6; - 1 ABR 25/04 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 115, 165). Setzt der von den Parteien angestrebte Zweck die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraus, spricht dies gegen eine bloße Simulation ( - Rn. 21;  - Rn. 11).

29cc) Eine rechtsmissbräuchliche Fallgestaltung liegt danach entgegen der Ansicht der Revision jedoch nicht vor. Der zwischen dem Kläger und der GbR geschlossene Arbeitsvertrag war kein Scheinarbeitsverhältnis iSd. § 117 Abs. 1 BGB.

30(1) Das Vorliegen eines solchen Scheingeschäfts hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern nicht mit präjudizieller Bindungswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit in seinem Urteil vom (- 8 Ca 229/15 -) rechtskräftig festgestellt.

31(a) Die Rechtskraft bewirkt, dass (unter den Parteien) über das Bestehen oder Nichtbestehen der aus dem vorgetragenen Sachverhalt im Urteil hergeleiteten Rechtsfolge eine nochmalige Verhandlung und Entscheidung unzulässig, die erkannte Rechtsfolge also unangreifbar ist. Wird in einem nachfolgenden Prozess über den identischen prozessualen Anspruch oder dessen kontradiktorisches Gegenteil (vgl.  - Rn. 22) gestritten, ist diese Klage unzulässig. Aber auch dann, wenn es sich wie vorliegend (vgl. Rn. 19) um einen anderen Anspruch handelt, bleibt für diesen eine bereits rechtskräftig festgestellte, vorgreifliche Rechtsfolge unangreifbar. Hat das Gericht im Zweitprozess den Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses als Vorfrage erneut zu prüfen, hat es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen. Das Wiederholungsverbot („ne bis in idem“) zwingt das Gericht, die präjudizielle Wirkung der Vorentscheidung ohne erneute sachliche Prüfung zu beachten und führt dann zur Unbegründetheit der weiteren Klage (vgl.  - Rn. 14, BAGE 159, 1;  - Rn. 14 ff., auch zu Ausnahmen; - XII ZR 216/05 - Rn. 22 f.).

32(b) Diese Präklusion geht jedoch nicht weiter als die Rechtskraftwirkungen des Urteils. Sie ist kein Institut neben der materiellen Rechtskraft, sondern nur die notwendige Kehrseite der Maßgeblichkeit der Entscheidung. Außerhalb der Grenzen des Streitgegenstands besteht keine Präklusion, auch wenn mit der neuen Klage ein wirtschaftlich identisches Ziel verfolgt wird und sich die Tatsachen überschneiden ( - Rn. 18 mwN). Urteile sind der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Damit sind der Rechtskraft bewusst enge Schranken gezogen. Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, dh. auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft. Ebenfalls nicht in Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO erwachsen die Feststellungen über die der Entscheidung zugrunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnisse, wie etwa die Nichtigkeit eines Vertrags. Zu deren Klärung mit Rechtskraft steht den Parteien die nicht an ein besonderes Feststellungsinteresse anknüpfende Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) und im Übrigen die Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) offen (vgl.  - Rn. 37, BAGE 152, 1;  - Rn. 20; - V ZR 4/16 - Rn. 13 f.).

33(c) Für den vorliegenden Rechtsstreit steht danach die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags des Klägers mit der GbR nicht bindend fest. Es handelte sich im Erstprozess vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern lediglich um eine gemeinsame Vorfrage, die nicht in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 32. Aufl. Vor § 322 Rn. 28). Der Bestand des Arbeitsvertrags mit der GbR war auch nicht Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage.

34(2) Ein Scheingeschäft iSd. § 117 Abs. 1 BGB liegt bereits deshalb nicht vor, weil es auch nach dem Vortrag der Beklagten Ziel der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der GbR war, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Beklagte gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber als den Stationierungsstreitkräften zahlen musste. Das setzte den Abschluss eines wirksamen Arbeitsvertrags voraus.

35(3) Darüber hinaus ist die Beklagte ihrer Darlegungslast für das Vorliegen eines Scheingeschäfts nicht nachgekommen.

36(a) Wer sich auf die Nichtigkeit eines Geschäfts nach § 117 Abs. 1 BGB beruft, trägt für den Scheincharakter des Geschäfts die Beweislast. Dies gilt auch für die Behauptung, bei einem Arbeitsvertrag habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt. Die darlegungspflichtige Partei muss dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um ihrer primären Darlegungspflicht zu genügen. Es reicht aber aus, dass sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, die geltend gemachte Rechtslage als entstanden erscheinen zu lassen. Hat eine Partei keinen Einblick in die Geschehensabläufe und ist ihr deshalb die Beweisführung erschwert, kann sie auch solche Umstände unter Beweis stellen, die sie nur vermutet, aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Nähere Einzelheiten sind vom Tatsachengericht durch entsprechende Nachfrage bei der Beweisaufnahme zu klären. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird ein Beweisantrag unter solchen Umständen erst dann, wenn die beweispflichtige Partei Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt, ohne wenigstens greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts aufzuzeigen ( - Rn. 23 mwN).

37Hat die darlegungspflichtige Partei alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft und kann sie ihrer primären Darlegungslast dennoch nicht nachkommen, weil sie außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs stand, während der Gegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind, kann vom Prozessgegner nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- bzw. Behauptungslast das substantiierte Bestreiten einer durch die darlegungspflichtige Partei behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände und damit der Vortrag positiver Gegenangaben verlangt werden ( - Rn. 29). Hat der Gegner dieser sekundären Darlegungslast genügt, trifft den Behauptenden wieder die volle Darlegungs- und Beweislast (Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. Vor § 284 Rn. 34, 34c).

38Hat der Arbeitnehmer nach diesen Grundsätzen für den Vorhalt des Scheingeschäfts die sekundäre Darlegungslast, genügt er dieser grundsätzlich dadurch, dass er angibt, welchen Tätigkeiten er in welchem Umfang im maßgeblichen Zeitraum im Rahmen einer anderweitigen Beschäftigung nachgegangen ist. Sind diese Angaben in dem mit dem neuen Arbeitgeber abgeschlossenen Arbeitsvertrag schriftlich niedergelegt (vgl. § 2 Abs. 1 NachwG), ist dessen Vorlage zunächst auch dann ausreichend, wenn der Zahlungspflichtige wie im Fall der Überbrückungsbeihilfe außerhalb der neuen Vertragsbeziehung steht.

39(b) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte bereits ihrer primären Darlegungslast nicht genügt. Sie hat trotz des Umstands, dass ihr sowohl die Art als auch der Umfang der Tätigkeit des Klägers bekannt waren und ihr der schriftliche Arbeitsvertrag mit der GbR vorlag, lediglich bestritten, dass der Kläger diese Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeführt habe. Weiter hat sie hilfsweise bestritten, dass der Kläger tatsächlich im Umfang von 22 Stunden wöchentlich tätig gewesen sei. Die Beklagte hat sich unter Hinweis auf eine gemeinsame Firma des Klägers mit dem Gesellschafter der GbR, Herrn S, auf den Standpunkt gestellt, der Arbeitsvertrag stelle ein Scheingeschäft dar. Damit ist die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Auch ihre Behauptung, der Arbeitsvertrag sei nur zum Schein geschlossen worden, erfolgte aufs Geratewohl, ohne dass die Beklagte wenigstens greifbare Anhaltspunkte hierfür aufgezeigt hätte. Allein der Hinweis auf eine geschäftliche Verbindung des Klägers zu Herrn S ohne weitere Angaben zu deren Inhalt oder zeitlicher Eingrenzung war unzureichend. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, wie ausgeführt, der mit dem nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis mit der GbR angestrebte Zweck des Leistungsaustausches dessen Gültigkeit voraussetzt, was gegen eine bloße Simulation spricht.

40(c) Dem Kläger oblag es entgegen der Ansicht der Revision nicht, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast positive Gegenangaben vorzutragen. Jedenfalls ist er dieser in ausreichendem Maß nachgekommen.

41(aa) Einer sekundären Darlegungslast des Klägers steht vorliegend zum einen der Umstand entgegen, dass die Beklagte im Besitz des Arbeitsvertrags war und damit Kenntnis von dessen Inhalt hatte. Zum anderen hat sie die ihr zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Die zahlende Behörde der Beklagten (aktuell die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, Lohnstelle ausländische Streitkräfte - ADD-LaS) hat nach § 8 Ziff. 2 TV SozSich einen Anspruch auf Vorlage der zur Feststellung der Anspruchsberechtigung und zur Berechnung der Leistungen benötigten Unterlagen sowie auf Auskunft hierüber bzw. über Änderungen der dem Leistungsanspruch zugrunde liegenden Tatsachen. Erfüllt der Arbeitnehmer seine diesbezügliche Verpflichtung nicht fristgerecht, stehen ihm Leistungen nach dem TV SozSich nicht zu (§ 8 Ziff. 3 TV SozSich). Die Verpflichtung des Arbeitnehmers kann ua. darin bestehen, den ordnungsgemäßen Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern nachzuweisen (vgl. auch Ziff. 2.6.2.4 der Erläuterungen zum TV SozSich). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die ihr danach zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten ausreichend ausgeschöpft hat.

42(bb) Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass den Kläger vorliegend eine sekundäre Darlegungslast traf, wäre er dieser nachgekommen. Auf den Vorhalt der geschäftlichen Verbindung mit Herrn S hat der Kläger näher hierzu ausgeführt. Er hat insbesondere vorgebracht, er habe im Jahr 1993 gemeinsam mit Herrn S einen „Computer- und Software-Verkauf“ gegründet, ohne dass aus diesem Gewerbe ein nennenswerter Umsatz generiert worden sei. Das Finanzamt habe diese Aktivitäten nicht als echte gewerbliche Tätigkeit anerkannt und steuerliche Abzüge abgelehnt. Zum hätten Herr S und er den Gewerbebetrieb wieder aufgegeben und abgemeldet. Seither gebe es gemeinschaftliche Aktivitäten mit Herrn S in diesem Rahmen nicht mehr. Diesem Vorbringen ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Dies hätte sie aber im Rahmen der nunmehr wieder sie treffenden vollen Darlegungslast tun müssen.

43Darüber hinaus hat der Kläger sowohl im Rahmen der Beantragung der Überbrückungsbeihilfe als auch im vorliegenden Verfahren angegeben, welche Tätigkeiten er in welchem Umfang für die GbR erbracht hat. Auch hatte er der Beklagten den schriftlichen Arbeitsvertrag mit der GbR vorgelegt. Damit hat der Kläger seiner sekundären Darlegungslast genügt. Das gilt umso mehr, als die Beklagte die vom Kläger erteilten Auskünfte und vorgelegten Unterlagen jahrelang hingenommen und auf deren Grundlage Überbrückungsbeihilfe gezahlt hat.

44dd) Entgegen der Annahme der Revision haben die Parteien des Arbeitsvertrags allein mit der Lohngestaltung, die dem Anspruch auf Krankengeld im streitbefangenen Zeitraum zugrunde liegt, die vom TV SozSich eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten ebenso wenig in rechtsmissbräuchlicher und mit § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich nicht mehr zu vereinbarender Weise überschritten.

45(1) Die Überbrückungsbeihilfe ist eine steuerfinanzierte soziale Sonderleistung. Mit ihr sollen Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis außerhalb der Stationierungsstreitkräfte oder aufgrund von Arbeitslosigkeit ergeben, überbrückt werden. Zugleich soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass der Arbeitnehmer durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte im Arbeitsprozess verbleibt (zuletzt  - Rn. 7 mwN). Diese Anreizwirkung des § 4 TV SozSich entfaltet sich vor allem durch die Protokollnotiz zu § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich. Diese hält den Arbeitnehmer dazu an, im tariflich festgelegten Mindestbeschäftigungsumfang von mehr als 21 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Damit wird deutlich, dass sich die Tarifvertragsparteien bewusst für eine Begrenzung auf eine Mindestarbeitszeit, nicht aber für eine Mindesthöhe des anderweitigen Entgelts entschieden haben. Ihnen kam es offenkundig nicht darauf an, sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer ein Mindestmaß an Einkommen erzielt, um so die Leistungen des Bundes zu mindern. Sie wollten lediglich erreichen, dass der Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit in einem Umfang ausübte, mit dem er nicht mehr als arbeitslos galt, und sich so wieder in den Arbeitsmarkt eingliederte; zugleich wollten sie eine Abgrenzung von dem Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Aufstockung zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung bei Arbeitslosigkeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich vornehmen. Weitere Voraussetzungen für den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich bestehen nicht. Die Tarifvertragsparteien haben zwar das Problem einer Begrenzung des Tarifanspruchs erkannt, gleichwohl aber die anspruchsauslösende anderweitige Beschäftigung nur an eine Mindestarbeitszeit, nicht aber an einen Mindestlohn geknüpft. Eine Entgeltgestaltung, wie sie dem Krankengeldanspruch des Klägers im streitbefangenen Zeitraum zugrunde lag, haben sie nicht untersagt. An diese von der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien geschützte Entscheidung sind die Gerichte gebunden (vgl. zum Ganzen  - Rn. 7 mwN).

46(2) Für die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b und Buchst. c TV SozSich, die an das Entgelt aus der anderweitigen Beschäftigung anknüpfen, gilt nichts anderes.

47d) Nach alledem konnte die von der Revision aufgeworfene Frage der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe auf der Basis eines fiktiv nach einem nicht sittenwidrigen Lohn errechneten Krankengeldes offenbleiben. Der Senat brauchte ebenfalls nicht zu entscheiden, wie im Fall eines den Mindestlohn nach dem MiLoG unterschreitenden Arbeitsentgelts zu verfahren wäre. Der Kläger erzielte ab eine Arbeitsvergütung von 850,00 Euro monatlich bei einer Arbeitszeit von 22 Stunden wöchentlich. Dies entspricht einem Entgelt von 8,92 Euro je Zeitstunde und überschreitet damit den ab dem nach § 1 Abs. 2 MiLoG zu zahlenden Mindestlohn.

48e) Die Anrechnung eines fiktiv nach einem höheren (Tarif-)Lohn errechneten höheren Krankengeldes bedingt auch § 5 TV SozSich nicht. Er betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut nur „andere Leistungen als nach § 4 Ziffer 1, auf die der Arbeitnehmer für Zeiten des Bezuges der Überbrückungsbeihilfe Anspruch hat“. Durch die Anrechnungsregelungen in § 5 TV SozSich soll lediglich verhindert werden, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Überbrückungsbeihilfe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den Stationierungsstreitkräften infolge von Leistungen, die der bisherige Arbeitgeber, der neue Arbeitgeber oder öffentliche Leistungsträger zu erbringen haben, und die dem gleichen Zweck dienen wie die Überbrückungsbeihilfe, höhere Einkünfte erzielt als die zuletzt im Arbeitsverhältnis bezogene tarifliche Grundvergütung ( - zu 1 c der Gründe). Damit scheidet eine Anrechnung von fiktiv höherem Krankengeld nach dieser Bestimmung auf den Anspruch nach § 4 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich aus.

49f) Der Anspruch des Klägers ist nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB). Die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung besteht nicht. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Rückzahlung der im Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich September 2014 geleisteten Überbrückungsbeihilfe.

50aa) Entgegen der Auffassung der Revision steht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom (- 8 Ca 229/15 -) für den vorliegenden Rechtsstreit nicht bereits bindend fest, dass dem Kläger im Zeitraum von Januar 2012 bis September 2014 kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung bei der GbR gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zustand. Eine solche präjudizielle Bindungswirkung besteht aus den in Rn. 33 genannten Gründen nicht.

51bb) Die von der Beklagten erklärte Eventualaufrechnung ist zulässig (Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 145 Rn. 13).

52cc) Ein Rückzahlungsanspruch folgt nicht aus § 8 Ziff. 4 TV SozSich.

53(1) § 8 Ziff. 4 TV SozSich sieht die Rückzahlung der Überbrückungsbeihilfe in voller Höhe durch den zu Unrecht Begünstigten im Fall vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben des Antragsberechtigten vor. Dieser kann sich nicht darauf berufen, er sei entreichert. Der Begriff der „Angaben“ bezieht sich auf die für die Feststellung der Anspruchsberechtigung sowie die zur Berechnung der Leistungen durch die zuständige Stelle benötigten und deshalb vom Antragsteller mitzuteilenden Umstände (vgl. § 8 Ziff. 2 TV SozSich).

54(2) Die Voraussetzungen des § 8 Ziff. 4 TV SozSich sind nicht erfüllt. Die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe im Zeitraum von Januar 2012 bis September 2014 erfolgte nicht aufgrund von vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben des Klägers. Bei dem Arbeitsverhältnis mit der GbR handelte es sich nicht um ein nichtiges Scheinarbeitsverhältnis iSd. § 117 Abs. 1 BGB (siehe hierzu oben Rn. 29 ff.). Die Höhe des für die anderweitige Beschäftigung vereinbarten Arbeitsentgelts war der Beklagten bekannt und ist ohnehin im Rahmen des § 4 TV SozSich irrelevant (siehe hierzu oben Rn. 44 ff.).

55dd) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 812 ff. BGB. Die Anwendung des Bereicherungsrechts ist im vorliegenden Fall durch die speziellere Norm des § 8 Ziff. 4 TV SozSich gesperrt.

56(1) Die tarifliche Rückforderungsregelung des § 8 Ziff. 4 TV SozSich schließt in ihrem Anwendungsbereich als Spezialregelung Rückforderungsansprüche aufgrund Bereicherungsrecht aus. Dies ergibt sich aus Satz 2 dieser Tarifnorm, wonach eine Rückzahlungspflicht nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Diese Regelung würde keinen Sinn machen, wenn die disponiblen Bestimmungen der §§ 812 ff. BGB (vgl.  - zu I 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 103, 45) und damit auch § 818 BGB daneben Anwendung finden würden. Letzterer soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien, wie er in § 8 Ziff. 4 Satz 2 TV SozSich seinen Ausdruck findet, gerade ausgeschlossen sein. Der insoweit erfolgten Haftungsverschärfung steht gegenüber, dass diese nur für den Fall vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns des Anspruchstellers eingreift.

57(2) Aus dieser, sich auf die Angaben nach § 7 sowie § 8 Ziff. 2 TV SozSich beziehenden differenzierten Rückzahlungsbestimmung als gesonderte Fallkonstellation kann entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts zwar nicht geschlussfolgert werden, dass andere, von ihrem Anwendungsbereich nicht erfasste ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können (in diesem Sinne auch  - Rn. 24 zu einem Rückzahlungsanspruch nach dem Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung bei der Deutschen Telekom [TV Kapitalkontenplan]). So greift § 8 Ziff. 4 Satz 1 TV SozSich beispielsweise bei nur fahrlässigen Falschangaben nicht ein, so dass insoweit ein Rückgriff auf Bereicherungsrecht möglich ist. Sähe man dies anders, wäre die zwangsläufige Folge, dass auch bei einer versehentlichen Überzahlung, beispielsweise durch unbeabsichtigte Falscheingabe („Zahlendreher“) seitens der auszahlenden Stelle, eine Rückforderung ausgeschlossen wäre. Es entspricht aber nicht Sinn und Zweck des Tarifvertrags, zu Unrecht aufgrund eines Versehens der auszahlenden Stelle überzahlte Beträge beim Leistungsempfänger zu belassen. Hierauf weist die Revision zu Recht hin. Soweit das Landesarbeitsgericht hierzu anführt, dass ein über § 8 Ziff. 4 TV SozSich hinausgehender Ausschluss der Rückforderung nach dem allgemeinen Bereicherungsrecht im Hinblick auf das schutzwürdige Vertrauen des Begünstigten, die überzahlte Überbrückungsbeihilfe behalten zu dürfen, gerechtfertigt sei, da dieses immerhin wie verdientes Arbeitsentgelt der Sicherung des Lebensunterhalts diene, ist zu berücksichtigen, dass auch Überzahlungen von Arbeitsentgelt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB zurückgefordert werden können ( - zu I 2 a der Gründe; - 5 AZR 374/99 - zu I der Gründe, BAGE 98, 25) und die Tarifvertragsparteien diese Regelungen nur im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 8 Ziff. 4 TV SozSich, dh. soweit die Überzahlung auf vorsätzlich oder grob fahrlässige Falschangaben seinerseits zurückzuführen ist, modifizieren wollten.

58Dem dargelegten Verständnis des § 8 Ziff. 4 TV SozSich stehen die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen des - 6 AZR 365/15 - BAGE 155, 88) sowie (- 5 AZR 260/06 -) nicht entgegen. Diese bezogen sich auf Sachverhalte, in denen die tariflichen Rückforderungsvoraussetzungen gegeben waren. Sie behandelten jedoch nicht die Frage, ob das Bereicherungsrecht auch für andere als den konkret tarifvertraglich geregelten Fall ausgeschlossen war. Nichts anderes ergibt sich aus dem - 10 AZR 290/17 -). Dort hat das Gericht lediglich festgestellt, dass einem tariflichen Anspruch nicht die Einrede der Entreicherung entgegengehalten werden könne, da § 818 Abs. 3 BGB nur Anwendung auf Bereicherungsansprüche aus §§ 812 ff. BGB, nicht aber auf vertragliche Rückforderungsansprüche finde (vgl.  - zu II 3 der Gründe, BGHZ 155, 166; ebenso bei gesetzlichen Rückgewähransprüchen  - Rn. 21).

59(3) Vorliegend stützt die Beklagte ihren Rückforderungsanspruch jedoch auf von ihr angenommene vorsätzliche bzw. grob fahrlässige Falschangaben des Klägers. Für diesen Fall trifft § 8 Ziff. 4 TV SozSich eine spezielle Regelung im Hinblick auf etwaige Rückforderungsansprüche. Das Landesarbeitsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Rückgriff auf Bereicherungsrecht ausscheidet.

60ee) Deliktsrechtliche Ansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB, § 826 BGB) sind bereits deshalb nicht begründet, weil sich gemäß den vorstehenden Ausführungen nicht feststellen lässt, dass es sich bei dem Arbeitsverhältnis mit der GbR um ein nichtiges Scheinarbeitsverhältnis iSd. § 117 Abs. 1 BGB handelte und der Kläger Falschangaben getätigt hat (siehe hierzu oben Rn. 29 ff.). Es liegt daher weder eine Pflichtverletzung des Klägers noch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor.

613. Aus den unter Rn. 49 ff. angeführten Gründen ist die Widerklage unbegründet. Die Beklagte kann die Rückzahlung der im Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich September 2014 geleisteten Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus der anderweitigen Beschäftigung des Klägers bei der GbR unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:151118.U.6AZR522.17.0

Fundstelle(n):
BB 2019 S. 756 Nr. 13
DB 2019 S. 7 Nr. 14
NJW 2019 S. 10 Nr. 18
OAAAH-09808